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Eine Wirtschaft, die vom Untergang bedroht ist?
Inhalt:
Eine der „liberalsten“ und „wettbewerbsfähigsten“
Volkswirtschaften
Ausbeutung und Stillhalten am Arbeitsplatz
Archipele der Löhne
Die längsten Arbeitszeiten Europas
Höchster Beschäftigungsgrad Europas
Die Farce der billigen Preise
Ein brutaler Konkurrenzschock

Immer wenn die „Wirtschaftskapitäne“ und ihre Regierungsgehilfen eine neue Gegenreform durchsetzen wollen, dann malen sie den Teufel an die Wand. Zehntausende von Arbeitsplätzen drohen ihrer Meinung nach verloren zu gehen, wenn „das souveräne Volk“ den strengen Ratschlägen der Unternehmer und des Bundesrats nicht folgt.

Wie ist es aber möglich, dass es heute in der Schweiz überhaupt noch Arbeitslose gibt, obwohl der Souverän doch immer wieder Arbeitsplätze gerettet hat, in dem er „richtig entschieden“ hat, dank der stets vorherrschenden subtilen Falschinformation ? Schauen wir uns einige Fakten an.

 

 

 


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Eine aktuelle Studie des KOF-Instituts an der ETH Zürich zeigt, dass sie schweizerische Wirtschaft im Bereich der Innovationen führend bleibt und vor Deutschland, Schweden und Finnland liegt (Neue Zürcher Zeitung, 20.April und 1./2. Mai 2004).

Schlechte Entscheide der grossen Finanz- und Industrieunternehmen haben diesen Vorsprung allerdings manchmal in Frage gestellt (Basler Zeitung, 30. April 2004). Das Bundesamt für Statistik schreibt: „Die Schweiz gehört im Innovationsbereich zu den führenden europäischen Ländern.“ (23. Dezember 2004)

Die Rentabilität des helvetischen Kapitals droht in nächster Zeit kaum einzubrechen. Aber die Wirtschafsführer wollen ihre Vorteile einfach noch ausbauen. Sie möchten Kontingente von intelligenten „Köpfen“ bilden, die anderswo auf Kosten des Herkunftslandes ausgebildet wurden, und diese in die Schweiz holen.Anders gesagt wollen sie den Exodus der gebildeten Arbeitskräfte aus den Ländern der Dritten Welt (brain drain) unterstützen. Dadurch werden die Ressourcen gewisser peripherer Länder weiter geschwächt.

Die bilateralen Verträge ermöglichen auch eine Reduktion der Importzölle, zum Beispiel auf Produkte, die in ausgelagerter Produktion im Ausland hergestellt werden.10

Ausserdem möchten unsere Wirtschaftsführer sich in einem grossen Pool von Arbeitskräften mit bescheidenen Löhnen bedienen können – sei es in der Industrie, in den verschiedenen Dienstleistungsbereichen oder auf dem Bau.

Die Wettbewerbsfähigkeit einer kapitalistischen Wirtschaft zu gestalten, heisst nichts anderes als optimale Bedingungen herzustellen, um sich den durch die gesellschaftliche Arbeit einer grossen Zahl von Lohnabhängigen hergestellten Reichtum anzueignen.

Weil sie gerade das nicht sehen und verstehen wollen, sind die offizielle Linke und die Gewerkschaften bereit, die nationale Einheit zu akzeptieren, die immer den Stärkeren zu Gute kommt: den Konzernen und Unternehmen, deren wirtschaftliche, also auch politische Macht noch nie so konzentriert und stark war wie heute. So fügt sich diese „Linke“ im Namen der Unterstützung der Exportindustrie, die Vasco Pedrina einfordert, in ihr Schicksal (Work, 10. Dezember 2004).

Diese Übereinstimmung mit „unserer“ Industrie, die brutale Restrukturierungen vornimmt, soll das „Geschenkpaket“ der Gewerkschaften an die Unter-nehmerschaft im Austausch gegen Arbeitsplätze rechtfertigen. Indem die Gewerkschaftsspitzen die wirkungslosen flankierenden Massnahmen akzeptieren, tragen sie nicht dazu bei, dass sich die Lohnabhängigen gemeinsamverteidigen und organisieren können. Sie überlassen das Feld dem Rennen um „Wettbe-werbsfähigkeit“, also der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zugunsten des Profits. Ein solches Geschenk seitens der Gewerkschaften ist unzulässig.
Eine der „liberalsten“ und „wettbewerbsfähigsten“
Volkswirtschaften

 

 

 












10. Zu den offensichtlichen Vorteilen für die Industriellen, deren Unternehmen zu einem Modell für die Ausbeutung der „menschlichen Ressourcen“ werden, siehe den Beitrag von P. Masson von Bobst in Point de repère, Nr. 24.

 

 


 

 

Den Verfechtern der Gegenreformen und der Unternehmerschaft Ausbeutung und Stillhalten am dient die Senkung der „Lohnkosten“ als zentrale Massnahme im weltweiten Rennen um Wettbewerbsvorteile. In einem diskret verbreiteten Bericht (Economic Briefing Nr. 37, 2004) zählt Crédit Suisse alle schon heute existierenden Vorteile für die grossen Schweizer Unternehmen auf.

Die Arbeitgeber verbreiten internationale „Lohnvergleiche“, um damit aufzuzeigen, dass diese „Kosten zu hoch“ seien. Diese Durchschnittszahlen machen keinen Sinn. Es ist etwa so, wie wenn man die Beine eines Menschen in den Ofen steckt, seinen Kopf in den Kühlschrank und dann seine Temperatur am Bauchnabel misst. Das Äquivalenzeinkommen (siehe Anmerkung 3) ergibt ein sozial gesehen sehr viel realistischeres Bild der Situation.

In den letzten Jahren gab es zwei Lohnentwicklungen: Stagnation oder Senkung der Löhne in der Industrie und im Dienstleistungssektor für die Mehrheit der „MitarbeiterInnen“ und Lohnerhöhungen für das hohe Kader für einige Industrien (z.B. Pharmaindustrie) und bei den Dienstleistungen. Dadurch wurde der Graben zwischen diesen Kaderleuten und der Mehrheit der Lohnabhängigen vertieft. So gesehen verfälschen die Durchschnittswerte das Bild noch mehr.

Um die Lohnerhöhungen für mittlere Kader zu bremsen, will die Unternehmerschaft qualifizierte Arbeitskräfte aus der EU der 25 importieren sowie eine beschränkte Anzahl von Spezialisten von ausserhalb der EU. Gleichzeitig wollen die Eigentümer der Wirtschaft mit Hilfe des Wettbewerbs auf der EU-25-Ebene und der Arbeitslosigkeit den Druck auf die anderen, bereits niedrigen, Löhne erhöhen.

Schliesslich verdecken diese Durchschnittwerte das effektive Einkommen von zahlreichen Frauen, die gezwungenermassen Teilzeit arbeiten, mit Elendslöhnen und Arbeitszeiten, die über die vertraglich vereinbarten Stunden hinausgehen, aber nicht immer bezahlt werden. Von solchen Situationen sind auch immer mehr Beschäftigte über Fünfzig betroffen. Oft finden sie nur solche Stellen… die für die Arbeitgeber sehr rentabel sind, umso mehr als diese Beschäftigten über grosse Erfahrung verfügen, die dem Arbeitgeber zugute kommt. Dieser kann sich dabei auch noch anmassen, sehr menschlich zu handeln.

Die hohen Schweizer Löhne sind im Vergleich zu gewissen EU-Ländern (den Konkurrenten, gegen die „Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam kämpfen sollten“!) immer mehr ein Mythos der Propaganda und journalistischer Gemeinplätze. Das gilt um so mehr, als diese rechnerischen Vergleiche bei der Schweiz Sozialbeiträge wie die Zweite Säule (Pensionskassen) einbeziehen, jedoch nicht die Kosten der Krankenversicherungsprämien für die Beschäftigten.11
Ausbeutung und Stillhalten am Arbeitsplatz

 

 

 

 

 

 



11. Die Zweite Säule besteht hauptsächlich aus den Pensionskassen und funktioniert auf Kapitalbasis (der oder die Versicherte erhält das,was das kumulierte Kapital einbringen sollte). Immer seltener ist eine im Voraus festgelegte Rente gesichert. So ersetzt das Beitragsprimat mit grosser Geschwindigkeit das Leistungsprimat, bei dem die Rente prozentual zu einem Lohndurchschnitt errechnet wurde. Die Rente hängt dann vom Auf und Ab der Börse ab, und vom unberechenbaren Profil einer „Karriere“… des Arbeiters, der Verkäuferin, Krankenschwester oder des Beamten, der ein einfacher, von Arbeitslosigkeit bedrohter Angestellter wurde.
Während einiger Zeit noch kann ein höherer Kaderangestellter, der mehr als 774’000 Franken im Jahr verdient, ohne Obergrenze in seine Pensionskasse einbezahlen. Der Arbeitgeber trägt gleich viel oder mehr bei. Zwei Zahlen illustrieren diese Praxis: Als erstes „explodiert“ der Durchschnitt der Lohnberechnungen nach oben, wenn solche „Beiträge“, in denen die Einzahlungen in die Zweite Säule enthalten sind, dazugerechnet werden.Ausserdem erhöhen diese Beiträge in die Zweite Säule – deren Ungerechtigkeit nicht mehr bewiesen werden muss – die angeblichen Sozialausgaben in der Schweiz beträchtlich. Dabei dienen diese Beträge doch vor allem dazu, den von Banken und Versicherungen verwalteten Fonds neue Profite zuzuführen.
 


 

Es gibt eine Art Archipel der Löhne: Jede Branche und fast jedes Unternehmen legt seine Löhne fest. Auf Landesebene gibt es keine wirklichen Lohnnormen. Es herrscht eine starke Fragmentierung der Löhne. Im gleichen Unternehmen, in der gleichen Abteilung gibt es unterschiedliche Löhne für gleichwertige Arbeit, und nicht nur zwischen Männern und Frauen. Dadurch entsteht mehr Wettbewerb unter den Beschäftigten. Diskretion in Lohnfragen wird von den Arbeitgebern als obligatorische Vertraulichkeitsangelegenheit dargestellt.

Stellen wir uns die Situation mit „freiem Personenverkehr“ ohne Lohnregelungen und Schutz der gewerkschaftlichen Rechte vor. Die Spaltungen und Reibereien in einem Betrieb, von denen der Arbeitgeber profitieren wird, werden noch grösser. Ausserdem kommen dann zu den heute ausgespielten Gegensätzen zwischen „Jungen“ und „Älteren“ noch die zwischen Beschäftigten verschiedener Herkunft. Die Archipele unterschiedlichster Löhne – seit langem von Gewerkschaften wie dem SMUV, dessen Führung ein entscheidendes Gewicht in der UNIA hat, akzeptiert – bilden die Grundlage für Konflikten unter den Lohnabhängigen und für Fremdenfeindlichkeit.

Archipele der Löhne

 

 


 

 

 

Die Richtlinienentwürfe der EU-Kommission sehen verlängerte Arbeitszeiten vor, das zeugt aber nur von einer organisierten Nivellierung in der ganzen EU. Die Schweiz kommt nämlich gleich nach… Litauen und Lettland ! Diese Länder belegen den 41. und 50.Rang auf der internationalen Liste des „Human Development indicator“ der UNO.

Langes und intensives Arbeiten mit hoher Produktivität bedeutet, dass der Anteil der Löhne an jeder produzierten Einheit so gering wie möglich ist. Das sind die einzigen „Lohnkosten“, für die sich die Arbeitgeber wirklich interessieren, denn sie bestimmen zu einem grossen Teil die Gewinne. Sie interessieren sich nicht nur für Lohnhöhe, sondern die Lohnhöhe im Verhältnis zu der in einer bestimmten Zeitspanne produzierten Menge (Lohnkosten pro Einheit und Produktivität).12

In dieser Hinsicht sind die Schweizer Firmen in der Spitzenklasse.Auch weil sie in sehr spezialisierten Sektoren tätig sind, in den Marktnischen der Weltwirtschaft. Hier sind Qualität und Spezialisierung für die Wettbewerbsfähigkeit ausschlaggebend:Art und Qualität des Produktes, Lieferfristen, Wartung, Weiterentwicklung des Produktes, usw. Die Wettbewerbsfähigkeit über Tiefstpreise ist für den Hauptteil der Schweizer Industrie nicht vorrangig, selbst wenn sie sich etwas auf die Gewinnmargen auswirkt. Und falls sich das Problem stellt, nutzen Schweizer Firmen ihre Investitionen im Ausland (Filialen in anderen Ländern) oder nationale und internationale Subunternehmen, um die Herstellungskosten eines Werkstücks oder eines Zwischenproduktes zu senken.

Die Klagelieder der grossen Arbeitgeber, die wir vor der Abstimmung über die Bilateralen II ständig zu hören bekommen werden, haben also eine wirtschaftliche und eine politische Funktion: a) Es geht darum, die nationale Eintracht zu fördern und dabei die Spitzen der Gewerkschaften und der SP in dieses Täuschungsmanöver einzubinden, das genau so betrügerisch ist wie die Versprechen, die die Rechte 1972 für die Zweite Säule abgegeben hatte und dabei von den Gewerkschafts- und SP-Spitzen unterstützt wurde. Die heutige Bilanz bezeugt, wie enorm die Lügen waren. b) Die Unternehmen wollen die Profite steigern, um mehr Dividenden an die Aktionäre auszubezahlen.

Die längsten Arbeitszeiten Europas








12. Lohnkosten pro Einheit sind der gesamte Lohn geteilt durch die produzierte Menge. Ihre Entwicklung hängt von der des Lohnes und der der Produktivität ab. Die Produktivität entspricht dem Verhältnis zwischen Produktionsvolumen und Arbeitsvolumen unter Einrechnung der Arbeitszeit und -intensität.

 

 


 

 

 

Die aktive Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 Jahren erreicht einen Beschäftigungsgrad von fast 80 %. Der europäische Durchschnitt liegt hingegen bei 65 %. Die Lissabonner Konferenz der EU im Jahr 2000 hat als mittelfristiges Ziel eine Beschäftigung von 70 % festgelegt, was aber nicht unbedingt Verringerung der Arbeitslosigkeit bedeutet!

Die Politik des „freien Personenverkehrs“ – also sich als ArbeitendeR frei bewegen zu können – setzt voraus, dass man über eine Stelle verfügt. Dadurch wird der Beschäftigungsgrad in der Schweiz noch höher werden. Und ein hoher Beschäftigungsgrad ist ein echter Vorteil für die Unternehmerschaft. Ein solcher ist nützlich, um alles zurückzuschrauben, was in den Bereich der Sozialausgaben fällt (in Wahrheit den sozialen Lohn), indem sie die Notwendigkeit anführt, Behinderte zu beschäftigen oder das AHV-Alter auf 67 zu erhöhen, für Leute, die mit 58 entlassen werden ! Der Finanzmann Tito Tettamanti, der mindestens 2000 Millionen Franken schwer ist – und 26,2 % der SIG-Holding und 13,1 % von Ascom besitzt – erlaubt sich zu behaupten: „Mit der Zeit hat sich [in der Schweiz] eine Gesellschaft der Rechte ohne Pflichten, des Anrechts auf alles gebildet.“ (Corriere de Ticino, 1.2.2005). Die 553’000 in der Schweiz lebenden Armen, davon 230’000 Kinder, haben also das Gefühl, die Bäume würden in den Himmel wachsen. Die ehemaligen Beschäftigten von Saurer, die die von Tettamanti veranlassten Kündigungen erlebten, haben sicher den gleichen Eindruck!

Dass Arbeitslose jede „zumutbare“ Arbeit annehmen müssen, gehört in die selbe neokonservative Perspektive. Einen Teil der heutigen IVBezügerInnen wieder zur Arbeit anzuhalten, wie Couchepin es beabsichtigt, entspricht ebenfalls dieser Arbeitgeberforderung.

Je grösser die Anzahl erwerbstätiger Menschen wird, die länger arbeiten (auf das Jahr oder auf das Leben gerechnet), desto grösser wird die Masse der von den Beschäftigten geleisteten, ihnen aber nicht bezahlten Arbeit. Diese verleibt sich das Kapital ein, in Form von Mehrwert und Gewinnen.14

Ist es das, was die SPS- und Gewerkschaftsspitzen wollen, indem sie sich zu absoluten Aposteln des „Standorts Schweiz“ machen ?

Höchster Beschäftigungsgrad Europas13
13. Die aktive Bevölkerung setzt sich aus den Menschen zusammen, die einer bezahlten Beschäftigung nachgehen. Sie sind die aktive beschäftigte Bevölkerung (Beschäftigungsgrad). Um die Definition der aktiven Bevölkerung zu vervollständigen, müssen diejenigen hinzugezählt werden, die eine Stelle suchen (Erwerbslose).
Die inaktive Bevölkerung besteht aus den Personen, die keine Anstellung haben und keine suchen. Diese Definition wirft aber einige Probleme auf. So können Frauen, die Teilzeit arbeiten, angesichts der angestiegenen Erwerbslosigkeit darauf verzichten, eine Vollzeitstelle zu suchen, weil sie ihre Chancen als gering einschätzen. Studierende können angesichts der Ungewissheit eine Stelle zu finden sich dazu entschliessen, ihr Studium zu verlängern und dabei von der Familie unterstützt zu werden, selbst wenn das materielle Probleme aufwirft. Beide Beispiele zeigen, dass es sich keineswegs um inaktive Mitglieder der Gesellschaft handelt.
14. Ein Teil der geleisteten Arbeit wird vom Arbeitgeber nicht bezahlt. Gegen einen Lohn verkauft die/der Lohnabhängige ihre/seine Arbeitskraft.Was diese Ware auszeichnet – die zu einem Preis gekauft wird, dem Lohn – ist, dass sie mehr produziert, als ihren eigenen Wert (Mehrwert). Der Wert der Arbeitskraft setzt sich zusammen aus den gesamten Ausgaben, die für ihre Produktion und Reproduktion (Nahrung, Wohnung, Ausbildung, Kindererziehung, Gesundheit, usw.) nötig sind. Dieser Wert hängt ab vom jeweiligen Lebensstandard in einem Land und zu einer gegebenen Zeit. Im Moment herrscht die Tendenz, innerhalb der EU der 25 und der Länder mit bilateralen Abkommen diesen Standard nach unten zu nivellieren. Der Wettbewerb unter Beschäftigten ist ein Werkzeug dazu.
 

 

 

Mit einem Propaganda- und Werbefeldzug wird von möglichen Preissenkungen gesprochen, als Auswirkung der Konkurrenz zwischen Grossverteilern (Coop, Migros, Denner) und neuen Mitspielern wie Aldi aus Deutschland. Der Besitzer von Aldi ist übrigens im Verwaltungsrat des englischen Finanzkonzerns Bunzl, dem die Firma gehört, die er restrukturiert, um die Fabrik in Renens bei Lausanne zu schliessen!

Teile der führenden Eliten versuchen, glauben zu machen, dass die Konsumpreise „unglaublich“ hoch seien und ihre Senkung ein wichtiges Ziel sei. Hinter diesen als durchdacht erscheinenden Überlegungen stecken drei Fallen.

Die erste – in die der Präsident der SP gefallen ist – besteht darin zu sagen, es sei möglich, die Löhne zu senken, wenn das mit einer gleichzeitigen Senkung der Konsumpreise einhergehe (Interview mit Hans-Jürg Fehr in Finanz und Wirtschaft, 15. Dezember 2004). Denkt Hans-Jürg Fehr wirklich, dass die grossen oligopolitischen Konzerne, die den Markt selbst mit Konkurrenz beherrschen, ihre Preise nicht im Griff haben ? Ausserdem werden die angekündigten Preissenkungen durch Preissteigerungen bei anderen Produkten kompensiert. Von den wird dann weniger die Rede sein. Verfügen denn auch die Gewerkschaften über das notwendige Monopol, um die parallele Entwicklung zwischen den behaupteten Preissenkungen und den Lohnsenkungen zu gewährleisten? Das ist eine Farce: Die Gewerkschaften schaffen es nicht einmal, einen Mindestlohn in einer Branche festzulegen. Und die Arbeitgeberschaft denunziert sie, als hätten sie eine Monopolstellung!

Zweite Falle: Sie besteht in einer falschen Idee der Qualität: Es gibt Billigprodukte minderer Qualität für ArbeitnehmerInnen und andere, diversifiziertere und teurere Konsumgüter besserer Qualität. Es setzt sich zunehmend ein doppelter Konsumstandard durch. Dieser entspricht den immer brutaleren Einkommensunterschieden, die zur Norm werden.

Die dritte Falle ist unübersehbar. Den grössten Teil ihres Einkommens geben die Lohnabhängigen für Miete, Krankenkassenprämien, Schulgebühren (die teurer werden), Pflegeheimkosten für betagte Eltern und Zinsen von wuchermässigen Kleinkrediten aus.Was ändern da niedrigere Preise für Zucker oder Teigwaren ? Es geht hier einfach um zwei hinterhältige Operationen : a) Die Rechfertigung blockierter Löhne, da behauptet wird, die Konsumpreise stiegen nicht; b) die kleingewerblichen Sektoren (Autowerkstätten, Kleinverteiler, kleine Quartierläden, die noch die Arbeit eines Postschalters übernehmen müssen, usw.) unter Druck zu setzen, um sie zu zwingen, einerseits ihr Einkommen und die Löhne ihrer Angestellten zu senken, andererseits im Fall eines Konkurses sich den Reihen der Arbeitslosen anzuschliessen.

So spielt sich die Farce der Billigpreise ab, deren Lob einige linke Persönlichkeiten singen. Unglaublich, aber wahr! Und wir sprechen hier auch nicht über die Löhne, die diese Grossverteiler ihren Verkäuferinnen zahlen. In Genf sind Löhne bei Carrefour nicht höher – oder sogar niedriger – als bei Carrefour in Frankreich !

Die Farce der billigen Preise

 

 

 
























 

 


Vergleichen wir die heutigen Lohnkosten des Manufaktursektors der neuen EU-Länder mit denen der EU 15. Laut Angaben des Internationalen Arbeitsamts (IAA) machten gegen Ende der 1990er Jahre diese Lohnkosten im Durchschnitt weniger als 10 % der Lohnkosten im EU-Land aus, in dem sie am höchsten waren, nämlich Deutschland (Revue Internationale du Travail,Vol. 142, Nr. 1, 2003, S. 9).

Der Schweizer Kapitalismus weist gegenüber Deutschland bei den Lohnkosten pro Einheit einen Vorteil auf.Aber diese Zahlen zeigen ein erstes Bild des Konkurrenzschocks, der erfolgen wird, auch wenn sich die Löhne der Beschäftigten in den neuen Mitgliedsstaaten etwas verbessern werden, zumindest in gewissen Sektoren.

Dieser Schock wird von den Grossfirmen auf zwei Arten kanalisiert werden. Die eine besteht in vermehrten Investitionen in diesen neuen Ländern. Die andere darin, Arbeitskräfte in die Schweiz zu locken, ohne dass die sozialen Normen innerhalb der EU der 25 nach oben korrigiert werden (soziale Mindeststandards, Mindestlöhne); und ohne Verbesserung der sozialen Rechte und gesetzlichen Massnahmen (also echter flankierender Massnahmen) in der Schweiz.

Somit werden Flexibilisierung der Arbeit und Sparpolitik noch zunehmen. Österreich gibt uns schon ein Beispiel für diese Entwicklung Der gesunkene Anteil der Löhne am volkswirtschaftlichen Einkommen Österreichs zeigt die Auswirkungen dieser doppelten Politik (siehe Grafik).

In der Schweiz wird das Kapital eine ähnliche Offensive starten. Die einflussreiche, sehr rechts im Zentrum angesiedelte Weltwoche (Nr. 51, 2004) gibt in einem Artikel den Ton an : Man muss die „Liberalisierung“ des Marktes ihr Werk vollenden lassen. Das wird die „Strukturreformen“ der Schweizer Wirtschaft erleichtern. Es geht um die Liquidierung der letzten einigermassen seriösen vertraglichen Barrieren. Die Weltwoche sagt laut, was sich ein Teil der Unternehmerschaft wünscht, aber aus taktischen Gründen nicht öffentlich verkünden will. Allerdings beginnt sie nun damit, wie im Fall des Baugewerbes bei der Erneuerung des Gesamtarbeitsvertrags. Die Weltwoche meint dazu, „Und niedrigere Löhne können der Volkswirtscha ft nur gut nun – je rascher überholte Strukturen fallen, desto besser fürs Wachstum.“ Das ist reinste neo-konservative Mythologie, aber der klare Ausdruck der Absichten des Kapitals.

Das Ergebnis steht schon fest: Sozial- und Lohndumping werden zunehmen. Der starke Schweizer Franken wie auch der Euro (beide in Bezug auf den Dollar) werden als „Argument“ vorgebracht werden, um „vernünftige“ Opfer zur Unterstützung „unserer Exportwirtschaft“ zu verlangen. Dies obwohl die Schweiz vor allem in die EU exportiert, also in einen Wirtschaftsraum, mit dem eine stabile Währungsbeziehung (Schweizerfranken und Euro) besteht.

Der niedrige Dollarpreis ermöglicht zudem den in der Schweiz ansässigen Firmen, Rohmaterialien (zum Beispiel Erdöl und Erdölprodukte) und Halbfabrikate (Werkstücke, Metall, usw.) aus Asien, die in Dollarpreis verrechnet werden, günstig einzukaufen.

Es muss gesagt und wiederholt werden : Das Kapital muss eine allgemeine Senkung der „Lohnkosten“ rechtfertigen. Warum? Es will die Profitrate steigern. Es will davon profitieren, dass Regionen zum Weltmarkt stossen, in denen die Bedingungen für das Abschöpfen von Mehrwert besser sind. Das heisst, Regionen, wo das Kapital bessere Bedingungen für die Ausbeutung (Lohn, Arbeitszeiten, soziale Sicherheit, gewerkschaftliche Rechte, usw.) findet.

So versucht das Kapital – und die Kapitalien, also Firmen, die seine konkrete Existenz ausmachen – die Arbeitskräfte auf der ganzen Welt in Konkurrenz zu setzen.

Die bilateralen Verträge zur „Personenfreizügigkeit“ zwischen der Schweiz und der EU der 25, versehen mit kostenund wirkungslosen flankierenden Massnahmen, sind Teil dieses Projektes. Dagegen müssen wir kämpfen, unter anderem indem wir bei der Abstimmung im September 2005 Nein zu diesem „Paket“ sagen.

Ein brutaler Konkurrenzschock