Bis
auf die Biogaskraftwerke – und die, notabene,
auch nur dann, wenn sie mit Material betrieben
werden, das nicht aus dafür betriebenem
landwirtschaftlichem Anbau stammt (in letzterem
Fall ist die Ökobilanz katastrophal), sondern
aus Abfallmaterial – haben alle Energieträger
eine mehr oder weniger negative Klimabilanz.
Der Umstieg auf «grüne Energieträger»
bedeutet zwar eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen,
aber mitnichten eine klimaneutrale Energieproduktion.
20%
der Menschen auf der Erde, nämlich die
Bewohner der Industrieländer, verbrauchen
ca. 80% der derzeit erzeugten Energie. Ein Drittel
der Weltbevölkerung hat überhaupt
noch keinen Zugang zu kommerziellen Energieformen.
Der
«Earth shoot day», das heißt
der Tag des Jahres, an dem rechnerisch die Menschheit
ihre Ressourcen für das laufende Jahr verbraucht
hat (nicht nur die energetischen!) und ab dem
wir die natürlichen Ressourcen nicht nachhaltig
vernutzen, lag letztes Jahr im August, und er
verlagert sich jedes Jahr weiter nach vorne
– wir essen ab August sozusagen die Erde
auf. Daran ändert sich im Grundsatz auch
nichts, wenn wir nur die Diät ändern.
Natürlich
wäre die Durchsetzung des sofortigen Ausstiegs
aus der Nukleartechnologie (nicht nur aus der
Kernenergie!) ein Meilenstein für die Umwelt-
und Klimaschutzbewegung, und es ist alles dafür
zu tun, dass wir dieses Ziel erreichen. Aber
das eigentliche Problem wird dadurch nicht gelöst:
Ein kleiner Teil der Menschen lebt über
die (ökologischen) Verhältnisse dieses
Planeten. Und die Übrigen?
Versteckter
Rassismus
Die Umweltzerstörung und der daraus resultierende
Klimawandel sind kein nationales Problem. Das
Herangehen der «grünen Erneuerer»
allerdings ignoriert diese Tatsache. Nimmt man
die Beteuerung, es gehe auch um «globale
Gerechtigkeit», ernst, dann müsste
man den Energiebedarf der Industrieländer
in gleicher Weise auf den Rest der Welt übertragen
und dafür sorgen, dass er befriedigt würde.
Aber auch beim Einsatz «grüner»
Energien wäre das ein Ding der Unmöglichkeit,
nicht nur, weil es den Klimawandel extrem beschleunigen
würde (auch alternative Energieformen gibt
es nicht zum klimatischen Nulltarif), sondern
auch deswegen, weil dafür die natürlichen
Ressourcen nicht vorhanden sind. Der exorbitante
Anstieg der Rohstoffpreise ist eine Folge der
bereits in manchen Bereichen (z.B. den sog.
seltenen Erden) eingetretenen Verknappung der
Materialien, die u.a. für die Produktion
von Solarmodulen, der zugehörigen Elektronik
etc. benötigt werden. Und was geschähe,
wenn man den gesamten heutigen Verkehr der Industrieländer
ebenfalls weltweit extrapolieren und diese Fahrzeuge
dann mit Strom betreiben würde?
Der
so gefeierte «Umstieg» ist folglich
nur unter der stillschweigenden Voraussetzung
ein Erfolgsrezept, dass der Rest der Welt so
weiter lebt wie bisher, also weiterhin ausbeutet
wird.
Das
allerdings findet, wie die Beispiele China und
Indien zeigen, nicht statt – der exklusive
Club ist gesprengt.
Nachhaltiger
Kapitalismus?
An einem Beispiel aus der «Großen
Depression» der 30er Jahre kann man illustrieren,
warum Kapitalismus und Nachhaltigkeit im Widerspruch
zueinander stehen: Ein amerikanischer Autor
machte damals den Vorschlag, die Krise durch
«geplante Obsoleszenz» zu beheben,
das heißt dadurch, dass man die begrenzte
Haltbarkeit von Erzeugnissen gesetzlich festlegt
und damit die Produktion und Konsumtion in Gang
hält. Was er dabei übersehen hatte:
Die Unternehmen hatten das stillschweigend längst
eingeführt. Weil die kapitalistische Wirtschaftsordnung
auf Wachstum angewiesen ist, betreibt sie systematische
Obsoleszenz – die meisten Produkte könnten
ohne Probleme fünf- bis zehnmal so lange
gebrauchsfähig bleiben, wenn sie nicht
systematisch auf eine bestimmte «Lebensdauer»
getrimmt würden. Und das ist kein «Auswuchs»
des Systems, sondern zu seiner Aufrechterhaltung
bitter notwendig.
Im
Bereich der Agrarproduktion wiederum kann man
beobachten, wie die Tendenz zur Industrialisierung
und Kapitalisierung der Landwirtschaft bereits
auf den Bodenertrag und die Bodenqualität
zurückschlägt – so gehen jeden
Tag auf der Welt mehr Böden verloren, als
neu erschlossen werden können.
Bei
der Frage, wie dem drohenden Klimadesaster und
den damit verbundenen Folgewirkungen beizukommen
ist, geht es nicht nur darum, ob man den Energiehunger
der Gesellschaft ohne fossile Brennstoffe und
Uran stillen kann. Es geht um eine ökologische
Gesamtrechnung. Und die sieht so aus, dass in
allen Bereichen – Energieproduktion, industrielle
Erzeugung, Landwirtschaft – bereits der
globale Kannibalismus herrscht. Das heißt
folgerichtig, dass die Rückführung
auf ein Produktions- und Konsumptionsniveau,
das nachhaltige Produktion und nachhaltige Konsumption
garantiert, durchgesetzt werden muss. Und das
ist das genaue Gegenteil dessen, was das derzeitige
System kennzeichnet: schrankenloses Wachstum.
Eben
diese Form des quantitativen Wachstums ist es,
auf das man verzichten muss, wenn man die Ökosphäre
und damit seine Lebensgrundlagen nicht zerstören
will – auf das aber wiederum die kapitalistische
Wirtschaftsweise nicht verzichten kann. Die
erwirtschafteten Profite müssen um jeden
Preis wieder ins System reinvestiert werden
zu weiterer Produktion, sei sie nun ökologisch
sinnvoll oder nicht – bei Strafe des Unterganges.
Wer
zu kurz greift, den bestraft das Kapital
Selbstverständlich ist ein Kapitalismus
ohne Kernkraft möglich. Selbstverständlich
ist ein Kapitalismus mit erneuerbaren Energien
möglich – da wird dem Herrn Kapital
mittelfristig auch nichts anderes übrigbleiben.
Aber das beantwortet die wesentliche Frage nicht.
Die würde lauten: Ist eine kapitalistische
Gesellschaft in der Lage, insgesamt nachhaltig
zu wirtschaften? Die Antwort darauf geben 200
Jahre Industriekapitalismus: Es gibt in der
Menschheitsgeschichte kein anderes Beispiel
dafür, dass eine Gesellschaftsorganisation,
wie sie der Kapitalismus darstellt, innerhalb
so kurzer Zeit ein derartiges ökologisches
(und soziales) Desaster anrichtet, das das Überleben
der Spezies selbst in Frage stellt.
Das
System ist flexibel, es stellt sich auf die
neuen Bedingungen ein: Die derzeitige Wachstumsbranche
ist die Umweltindustrie – da wird fröhlich
investiert, unter der stillschweigenden Voraussetzung,
dass das erste Ziel darin bestehen muss, die
aktuellen Produktions- und Konsumtionsstandards
(und die dazu gehörigen Gewohnheiten) aufrechtzuerhalten.
Das wird dann die Rache des Kapitals sein: Wir
haben grüne Energie, die wird teuer sein
– und die Umweltzerstörung geht weiter.
Den
Umschlag der kapitalistischen Produktiv- in
Destruktivkräfte, von dem Karl Marx einmal
sprach, haben wir längst erreicht. Bei
dem Versuch, einen nicht wachstumsbedürftigen,
nachhaltigen Kapitalismus zu erfinden, handelt
es sich schlicht um die erneute Suche nach der
Quadratur des Kreises.
Und deshalb ist der grüne Kaiser nackt.