Sehr
geehrte Frau Regierungsrätin Aeppli
Als Bildungsdirektorin sind Sie für das
Funktionieren und das weitere Bestehen der Ihnen
vom Volk anvertrauten kantonalen Bildungsinstitutionen
verantwortlich. Mit Ihrem Brief „an die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bildungsdirektion“
vom 21. August 2005 wollen Sie aber „auf
die Finanzierung des Sprachkursangebots an Berufsfachschulen
und KV“ verzichten. In der NZZ vom 30.
September 2005 wurde Ihre Absicht noch verdeutlicht:
„Aeppli will die Weiterbildung umpflügen“.
„Kein Geld mehr für Sprachkurse und
Allgemeinbildung“. „Die Regierung
rechnet bei dieser Massnahme sogar damit, dass
der ganze Fachbereich Fremdsprachen an der EB
Zürich aufgelöst werden muss. Für
das Erlernen von Fremdsprachen stünden
zahlreiche private Sprachschulen zur Verfügung,
die Kurse zu moderaten Preisen anböten,
teilt sie mit.“
Ihre Absicht stösst aber auf massiven Widerstand.
Bereits haben Tausende von Kursteilnehmerinnen
und Kursteilnehmern innert kürzester Zeit
eine Petition gegen diesen Bildungsabbau unterschrieben.
Glücklicherweise haben Sie Ihre Position
inzwischen korrigiert und Sie möchten nur
noch gewisse Teile des in der Bevölkerung
sehr beliebten öffentlichen Fremdsprachenangebots
der Berufsfachschulen abschaffen.
Diese Privatisierung ist jedoch auch in abgeschwächter
Form verfehlt. Es ist ein unüberlegter
Schritt, wenn Sie als sozialdemokratische Bildungsministerin
und als Mitglied der Gewerkschaft des Personals
öffentlicher Dienste (VPOD) einen Teil
des Ihnen anvertrauten Betriebs gegen den Willen
der betroffenen Bevölkerung liquidieren
wollen. Es stellen sich deshalb folgende Fragen,
um deren Beantwortung wir Sie höflich bitten:
• Warum wollen Sie einen Teil der tadellos
funktionierenden öffentlichen Schulen
privatisieren?
• Warum vertreten Sie als Sozialdemokratin
Positionen, die nicht einmal von allen bürgerlichen
PolitikerInnen vertreten werden?
• Warum wollen Sie als Gewerkschaftsmitglied
dazu beitragen, Arbeitslose zu produzieren
und die Arbeitsbedingungen Ihrer eigenen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter massiv zu verschlechtern?
• Warum sollen in der heutigen globalisierten
Welt Berufsleute kein hochstehendes, preiswertes
und umfassendes Angebot an Fremdsprachkursen
mehr nutzen dürfen?
• Warum sprechen Sie von Reform, wenn
Sie Abbau und Privatisierung meinen?
• Womit können Sie das Herauslösen
der Fremdsprachenkurse aus dem Bildungsauftrag
des Staates begründen?
• Sind Sie nicht auch der Meinung, dass
der Bildungsauftrag eine staatliche Aufgabe
ist und im 19. Jahrhundert ja auch nicht von
Privaten aufgebaut wurde?
• Sind Sie nicht auch der Meinung, dass
in der zunehmend globalisierten Arbeitswelt
v.a. qualifizierte Berufsleute mit Fremdsprachenkenntnissen
gebraucht werden?
• Wie können Sie es als engagierte
SP-Frau rechtfertigen, dass es bei dieser
wenig durchdachten Massnahme gerade eine Berufsgruppe
trifft, in welcher besonders viele Frauen
tätig sind und ein Teil davon zudem in
prekären Anstellungsverhältnissen?
Es könnten noch weitere Fragen gestellt
werden, aber es würde der Sache mehr dienen,
wenn Sie diese kontraproduktive Massnahme sofort
zurücknehmen würden. Es ist keine
Sparmassnahme, sondern eine Umverteilungsmassnahme
zugunsten der privaten Bildungslobby. Sie sind
als Bildungsdirektorin der kantonalen Schulen
dieser Lobby nicht verpflichtet, sondern Sie
sind vom Volk gewählt, damit die öffentlichen
Schulen in Zukunft ihren Auftrag besser erfüllen
können.
Sie sollten deshalb auch dafür sorgen,
dass wieder vermehrt in die Zukunft investiert
wird. Die eindimensionale Optik staatsverdrossener
Privatisierer kann das nicht leisten. Die beschlossene
Erhöhung der Klassengrössen um durchschnittlich
zwei SchülerInnen trägt dazu jedenfalls
auch nicht bei und muss deshalb zurückgenommen
werden!
Mit freundlichen Grüssen,
Folgende LehrerInnen an Berufsfachschulen und
KursleiterInnen in der Weiterbildung
Brigitte Boller, Karl Bachmann, Ursula Blum,
Silvia Dresti, Christian Etter, Christian Flury,
Walter Giger, Katharina Gubler, Elvira Hauschild,
Barbara Hertig Aeschbach, Jürg Hofer, Alf
Hofstetter, Hans Huonker, Werner Kallenberger,
Susanne Kaufmann, Alfred Keller, Roger Klein,
Greta Korthals, Beda Künzle, Peter Morf,
Willy Nabholz, Nicolo Paganini, Wolfgang Pfalzgraf,
Gérard Pitteloud, Erich Rebstein, Susanna
Robert, Eliane Roggo, Denise Sorba-Mosimann,
Walter Spring, Ursi Urech, Andreas Vögeli,
Thomas Willi. November 2005 |