Die
Zürcher Kantonsregierung hat mit dem
sogenannten Sanierungsprogramm 04 einen grossangelegten
Angriff auf die öffentlichen Ausgaben
sowie auf die Beschäftigten und BenutzerInnen
des öffentlichen Dienstes gestartet.
Dieser Angriff ist nur ein Teil der Antwort
der bürgerlichen Kreise auf eine langfristige
Krise der kapitalistischen Wirtschaft, die
unvermeidlich eine brutale Verschärfung
der sogenannten Standortkonkurrenz mit sich
bringt. Das Swissair- und Swiss-Debakel ist
nur ein Beispiel dieser Entwicklung. Es geht
also beim Anliegen des Regierungsrates nicht
um kurzfristige „Sanierungs-„
und „Spar“massnahmen, sondern
um eine grundlegende Änderung des gesellschaftlichen
Kräfteverhältnisses zwischen Kapital
und Arbeit. Der Klassenkampf findet auch in
der Schweiz, auch in Zürich statt, jeden
Tag, am Arbeitsplatz wie auf der politischen
und gesellschaftlichen Ebene: Er wird vom
Kapital, von den Unternehmern und vom Staat
gegen die Lohnabhängigen geführt.
Die Lohnabhängigen (ArbeiterInnen, Angestellte
und BenutzerInnen der öffentlichen Dienste)
können eine Niederlage beim „Sanierungsprogramm“
nur vermeiden, wenn sie sich organisieren
und kämpfen.
Nicht
erst seit gestern betreibt das Bürgertum
seinen Kreuzzug gegen die bescheidenen Rechte
der lohnabhängigen Bevölkerung.
Dies passiert unter dem Vorzeichen des sogenannten
Neoliberalismus, der in Tat und Wahrheit ein
neokonservativer Umbau der Gesellschaft darstellt.
Soziale Rechte, die jeder Frau und jedem Mann
unabhängig von ihrer Marktkraft zustehen
(z. B. ein Recht auf Bildung, Gesundheitsversorgung,
ein würdevolles Leben im Alter, usw.),
sollen ein für allemal zerstört
werden.
Angriff
auf die Lohnabhängigen
Das
Abbauprogramm steht in einer langen Reihe
von kontinuierlicher Fortführung der
Politik von Sozialabbau und Privatisierung
der letzten 20 Jahre mit dem Ziel, den Anteil
der Lohnabhängigen am gesellschaftlichen
Reichtum weiter zu senken. Diese Abbau- respektive
Umverteilungspolitik ist auch nicht nur isoliert
in der Schweiz zu beobachten. In ganz Europa
wälzen die Herrschenden die Lasten für
die Steuergeschenke an die Unternehmen und
Reichen und die Sanierung ihrer Profite auf
die erwerbsabhängige Bevölkerung
ab. Die Rezepte lauten immer und überall
gleich: Erhöhung des Rentenalters trotz
steigender Arbeitslosigkeit, Senkung der Rentenbezüge,
Privatisierung der öffentlichen Bereiche,
rabiater Abbau des Schutzes bei Erwerbslosigkeit
und eben Abbau von Leistungen der öffentlichen
Hand in allen Bereichen.
International
sehen sich die Lohnabhängigen mit einer
Offensive an zwei Fronten konfrontiert. Die
eine davon sind die Massenentlassungen und
erneuten Angriffe auf die Löhne und Arbeitsbedingungen
der Beschäftigten. Die andere ist der
Angriff der Herrschenden auf die sozialen
und gesellschaftlichen Errungenschaften der
ArbeiterInnenklasse. Sozialausgaben sollen
weiter gesenkt werden, jene Teile der staatlichen
Budgets und Investitionen, welche einer breiten
Schicht zugute kommen, werden drastisch gekürzt.
Der Grund liegt nicht nur in sinkenden Steuereinnahmen
aufgrund des Wirtschaftskrise, wie dies uns
von bürgerlicher Seite immer weisgemacht
wird, sondern in der von den Herrschenden
betriebenen Politik, den Reichen und Konzernen
immer weitergehende Steuergeschenke und Vergünstigungen
zu gewähren.
Diese
Kürzungen und Abbaumassnahmen müssen
erfolgreich bekämpft werden. Es ist aber
auch wichtig zu verstehen, dass dies nicht
nur Fehler der Regierungspolitik der Herrschenden
sind, sondern eine tief verwurzelte, strukturelle
Krise der kapitalistischen Wirtschaft widerspiegeln.
Über
Reichtum und seine Verteilung
Der
Zürcher Regierungsrat, repräsentiert
von VertreterInnen der bürgerlichen Parteien,
Sozialdemokraten und Grünen, möchte
mit den am 8. Mai 2003 festgelegten „Sanierungsmassnahmen
04“ die Bevölkerung des Kantons
dem Spardiktat unterwerfen. Satte 2,034 Milliarden
Franken sollen weggespart werden.
Zur Begründung muss einmal mehr die leere
Staatskasse herhalten. Dies, nachdem ebendiese
Staatskasse durch eine Reihe von Steuergeschenken
an die Unternehmen, Reichen und deren Erben
geplündert worden ist. Zu nennen wären
hier die 200 Millionen Franken, die mit der
Teilabschaffung der Erschafts- und Schen-kungssteuer
den Allerreichsten in den Rachen geworfen
wurden. Oder jene 140 Millionen, die den Superreichen
durch die Streichung der obersten Progressionsstufe
erspart wurden. Nicht zu vergessen der Ausfall
von 217 Millionen Franken durch die Steuersenkung
für juristische Personen, also Firmen
und internationale Konzerne.
Insgesamt
verbuchte der Kanton zwischen 1983 und 1999
Mindereinnahmen von 22 Milliarden Franken,
während sich das kantonale Volkseinkommen
in der gleichen Zeitspanne verdoppelte. Das
beantwortet die Frage, woher das Geld für
die öffentlichen Dienste eigentlich geholt
werden müsste: Bei den Reichen und bei
den Konzernen, die von diesen Steuergeschenken
profitiert haben.
Das
nennt der Regierungsrat in der oben erwähnten
Zusammensetzung dann ein „in einem grossen
Effort erarbeitetes, ausgewogenes Gesamtpaket,
das einschneidende Konsequenzen hat“.
Die „einschneiden-den Konsequenzen“
sind 144 Einzelmassnahmen mit einem Gesamtabbauvolumen
von rund 1,5 Milliarden Franken. 1'230 Stellen
sollen in der öffentlichen Verwaltung
gestrichen werden. Die Budgets für Bildung,
Gesundheit und Soziales werden massiv zusammengestrichen
und reduziert. Das weiter in Anstellung verbleibende
Personal wird mit einem „Sparbeitrag“
von einer halben Milliarde Franken durch versteckte
Lohnkürzungen zur Kasse gebeten.
Durch eine „Politik der leeren
Kassen“ wird eine Öffnung des Bildungssektors
für den Markt erzwungen
Augenfällig
ist, wie stark der Bildungsbereich von den
Abbaumassnahmen betroffen ist. Zum einen durch
zunehmenden finanziellen Druck und Sparzwang,
zum andern durch die fortschreitende Unterwerfung
des Bildungssektors unter die Kriterien des
Marktes und der Rentabilität, soll hier
der Privatisierung der Bil-dung der Weg geebnet
werden. 1994 wurde im Rahmen der Welthandelsorganisation
(WTO) das General Agreement on Trade in Services
(GATS) abgeschlossen, das den freien Handel
mit Dienstleistungen erlaubt. Das GATS, dem
die Schweiz seit 1995 als WTO-Mitglied unterstellt
ist, verpflichtet die Vertragsstaaten, ihren
Dienstleistungssektor – und dazu gehören
auch die Bereiche Bildung und Gesundheit –
für den freien Handel und den internationalen
Wettbewerb, das heisst für das Privatkapital,
zu öffnen.
Die
Abbaumassnahmen der Zürcher Regierung
wären wesentlich verantwortlich für
eine Entwicklung, die für den Grossteil
der Bevölkerung eine schlechtere Qualität
der Bildung und einen erschwerten Zugang zu
Bildungs- und Weiterbildungsinstitutionen
bedeutet. Die soziale Polarisierung drückt
sich auch im Bildungssektor mit zunehmender
Schärfe aus.
Wir
erinnern uns, noch vor nicht allzu langer
Zeit wurden die Herrschenden auf kommunaler
wie nationaler Ebene nicht müde, immer
wieder die Wichtigkeit der Ausbildung als
einziger Ressource des Landes zu betonen.
Nun werden im Kanton Zürich dem Bildungssektor
eine halbe Milliarde Franken entzogen. Fast
800 Stellen sollen in diesem Bereich gestrichen
werden.
In
den Volksschulen sollen die Klassengrössen
um 1,5 SchülerInnen angehoben werden.
Beim Angebot im Bereich des Stütz- und
Förderunterichts sowie beim Deutschunterricht
für fremdsprachige VolksschülerInnen
ist ein Abbau um einen Drittel vorgesehen.
Wie absurd diese Massnahmen sind, zeigt sogar
die von der Erziehungsdirektorenkonferenz
in Auftrag gegebene und eben veröffentlichte
Vertiefungsstudie zum Pisa-Bericht. Der wichtigste
Grund für die Lese- und Text-interpretationsschwäche
vieler Jugendlicher und die grossen Leistungsunterschiede
zwischen den Schüler-Innen bleibt ihre
soziale und kulturelle Herkunft.
Gerade
diese SchülerInnen werden besonders unter
diesem Kahlschlag zu leiden haben. Und wo
immer Sozialabbau stattfindet, trifft es Frauen
zusätzlich. In diesem Fall ist es die
Diplommittelschule, die der Re-gierungsrat
abschaffen will und damit das Bildungsangebot
speziell für Frauen verschlechtern wird.
An den Gymnasien werden drei Lektionen pro
Woche, also fast ein halber Unterichtstag
gestrichen, die Hauswirtschaftskurse werden
ganz abgeschafft.
Die
Berufsschule für Weiterbildung muss den
Kostendeckungsgrad erhöhen: Dadurch wird
die Weiterbil-dung verteuert und der Zugang
dazu erschwert.
An
den Universitäten wird der geplante Abbau
im Um-fang von 57 Millionen Franken die bestehende
Misere und die schlechten Betreuungsverhältnisse
zusätzlich verschärfen. Leistungen
sollen abgebaut werden, auf dringend nötigen
Ausbau der Leistungen wird ohnehin verzichtet.
Bereits genehmigte Professuren werden nicht
besetzt. Die Staatsbeiträge an die Hochschulbibliotheken
und der bauliche Aufwand und Unterhalt der
Gebäude werden reduziert.
An
der Hochschule für Gestaltung und Kunst
werden die Vorkurse gestrichen. In seiner
Beurteilung dieser Massnahme schreibt der
Regierungsrat: „Da es keine adäquate
Vorbildung für den künstlerischen
und ge-stalterischen Bereich gibt, müssen
die Studierenden diese Defizit auf eigene
Rechnung wettmachen“. Dazu wird es bei
vielen SchülerInnen nicht kommen, sie
werden sich die entsprechenden, teuren privaten
Bildungsangebote nicht leisten können.
Die
Sicherstellung ihrer Profite ist dem Bürgertum
eben noch wichtiger als Bildung für die
Mehrheit der Bevölkerung. Ihren eigenen
Nachwuchs schicken diese Herren und Damen
in teure und sozial exklusive Privatschulen.
Erfolgreiche „linke“ KarrieristInnen
wie die sozialdemokratische Regierungsrätin
und Bil-dungsdirektorin (!) Regine Aeppli
sind diesem Beispiel natürlich prompt
gefolgt.
Privatschulen,
die die Möglichkeit haben, sich ihre
Klientel selbst auszusuchen, wählen Kinder,
deren Eltern die Ausbildung bestmöglich
unterstützen können und die dadurch
kostengünstig und leicht zu unter-richten
sind. Der Abbau im Bildungsbereich wird die
soziale Ungleichheit weiter verstärken.
Sparen
bei den Ärmsten und Schwächsten
Mit
der Abschaffung der Beihilfen für EmpfängerIn-nen
von Zusatzleistungen zur AHV/IV, notabene
trotz gegenteiligem Volksentscheid, trifft
die Zürcher Regie-rung die Ärmsten
mit seinen „Sparbemühungen“.
Der „Sparbeitrag“ dieser Ärmsten
von 18.7 Millionen Franken „könnte
sich teilweise reduzieren“ relativiert
der selbe Regierungsrat zynisch „seine
mit grossem Effort erarbeiteten“ Sparbemühungen,
„weil es in ei-nigen Fällen zu
einer Verlagerung auf die Sozialhilfe kommen
könnte“.
Da
der Grundbedarf I den SozialhilfeempfängerInnen
„bereits eine menschenwürdige Existenz
ermöglicht“ , wird der Grundbedarf
II der SKOS-Richtlinien gestrichen. 5 Millionen
Franken soll der Anteil der Sozial-hilfe-EmpfängerInnen
sein, um den Reichen ihre Steu-ergeschenke
zu finanzieren. Fast nochmals soviel sollen
die Drogenkranken durch die Reduktion der
Defizitbeiträge an Sozialhilfeeinrichtungen
der Gemeinden beitragen.
Qualitätsabbau
in den öffentlichen Spitälern
Natürlich
ist auch der Gesundheitsbereich nicht von
den Abbaumassnahmen ausgeschlossen. 272 Millionen
sollen es dieses Mal sein. Gerade hier bieten
sich den Reichen die Privatkliniken mit luxuriösem
Vollservice als komfortable Alternative zum
öffentlichen Spital an. Dem grossen Rest
der Bevölkerung bleibt einmal mehr eine
„Steigerung der Effizienz“ und
„Reduktion der Qualitätsstandarts“
in den Spitälern. Zwar erkennen die Handlanger
der Reichen und des Kapitals in ihrer Einschätzung
der Auswirkungen dieser Massnahmen, dass „die
Gefahr besteht, dass Privat- und Halbprivat-patienten
in Privatspitäler abwandern“ und
„die Zufriedenheit der Bevölkerung
mit der Gesundheitsversorgung und die Zufriedenheit
des Gesundheitspersonal sinken könnte“.
So richtig in seinem Spareffort hindern mögen
diese Erkenntnisse den Regierungsrat nicht.
Interessanterweise
wird dieses Paket von einer Regierung vorangetrieben,
deren Wahl vor wenigen Monaten als Teilerfolg
der „Linken“ gefeiert wurde.
Kämpfen
wir gemeinsam gegen den Kahlschlag und seine
Folgen!
Angesichts
dieses geballten Angriffs kann nur eine massive
Mobiliserung der Lohnabhängigen, Schüle-rInnen,
StudentInnen, der Angestellten und BenutzerInnen
der öffentlichen Dienste ein wirksames
Mittel gegen das „Sanierungsprogramm“
darstellen. Es kann nicht um „bessere“
oder „sozialverträgliche“
Spar-massnahmen gehen. Das gesamte Paket,
das vom Regierungsrat vorgestellt wurde, muss
bachab geschickt werden. Nur eine massive
Bewegung von unten kann die Logik des Kahlschlags
durchbrechen und eine kollektive Debatte über
radikale Alternativen zum Kahlschlag ermöglichen.
Wir
fordern:
Nein
zum „Sanierungsprogramm 04“
und zum Abbau des Service public
ohne wenn und aber!
Nein zu Stellenabbau, Lohnabbau und zur
Verschlechterung der Arbeitsbedingungen!
Massive Ausweitung der öffentlichen
Finanzierung des Service public
(Bildung, Gesundheit, usw.), um die Grundbedürfnisse
zu befriedigen
Das Geld muss dort geholt werden, wo es
vorhanden ist, bei den Reichen:
Umverteilung von Reichtum von oben nach
unten und eine echte, gerechte Steurerreform. |
Mit ein paar Demonstrationen ist es nicht
getan. Wir verlangen von allen Gewerkschafts-
und Perso-nalverbänden, dass sie eine
wirkliche Mobilisierung einleiten und effektive
Kampfmassnahmen vorbe-reiten. Gleichzeitig
rufen wir alle interessierten Personen und
Kräfte dazu auf, sich in dieser Perspektive
zu organisieren. Wir wollen nicht auf die
Entscheide des Kantonsrates warten, sondern
Ideen, Aktionen, Perspektiven gegen den Kahlschlag
diskutieren und entwickeln. Ohne den Aufbau
einer Mobilisierung von unten können
das „Sanierungsprogramm 04“ und
seine Folgen nicht abgewendet werden. Dafür
muss in den nächsten Wochen eine geeignete
Plattform geschaffen werden. Ausserdem müssen
Verbindungen zu den nationalen Mobilisierungen
gegen den Rentenabbau hergestellt werden.
Wir werden im Rahmen einer BFS-Arbeitgruppe
gegen Kahlschlag (die allen interessierten
Personen, Lohn-abhängigen, SchülerInnen,
StudentInnen, Gewerkschaftsmitgliedern, usw.,
offen steht!), über Hintergründe
und Ursachen des Kahlschlags diskutieren und
darüber, wie wir dagegen kämpfen
können.