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Kämpfen wir gemeinsam
gegen den Kahlschlag!


Flyer vom 05.07.03

Hände weg von unserer Bildung, unserer Gesundheitsversorgung, unserer Altersvorsorge! Nein zum Stellenabbau, ja zu besseren Arbeitsbedingungen und zu einem echten Service public!

Die Zürcher Kantonsregierung hat mit dem sogenannten Sanierungsprogramm 04 einen grossangelegten Angriff auf die öffentlichen Ausgaben sowie auf die Beschäftigten und BenutzerInnen des öffentlichen Dienstes gestartet. Dieser Angriff ist nur ein Teil der Antwort der bürgerlichen Kreise auf eine langfristige Krise der kapitalistischen Wirtschaft, die unvermeidlich eine brutale Verschärfung der sogenannten Standortkonkurrenz mit sich bringt. Das Swissair- und Swiss-Debakel ist nur ein Beispiel dieser Entwicklung. Es geht also beim Anliegen des Regierungsrates nicht um kurzfristige „Sanierungs-„ und „Spar“massnahmen, sondern um eine grundlegende Änderung des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses zwischen Kapital und Arbeit. Der Klassenkampf findet auch in der Schweiz, auch in Zürich statt, jeden Tag, am Arbeitsplatz wie auf der politischen und gesellschaftlichen Ebene: Er wird vom Kapital, von den Unternehmern und vom Staat gegen die Lohnabhängigen geführt. Die Lohnabhängigen (ArbeiterInnen, Angestellte und BenutzerInnen der öffentlichen Dienste) können eine Niederlage beim „Sanierungsprogramm“ nur vermeiden, wenn sie sich organisieren und kämpfen.

Nicht erst seit gestern betreibt das Bürgertum seinen Kreuzzug gegen die bescheidenen Rechte der lohnabhängigen Bevölkerung. Dies passiert unter dem Vorzeichen des sogenannten Neoliberalismus, der in Tat und Wahrheit ein neokonservativer Umbau der Gesellschaft darstellt. Soziale Rechte, die jeder Frau und jedem Mann unabhängig von ihrer Marktkraft zustehen (z. B. ein Recht auf Bildung, Gesundheitsversorgung, ein würdevolles Leben im Alter, usw.), sollen ein für allemal zerstört werden.

Angriff auf die Lohnabhängigen

Das Abbauprogramm steht in einer langen Reihe von kontinuierlicher Fortführung der Politik von Sozialabbau und Privatisierung der letzten 20 Jahre mit dem Ziel, den Anteil der Lohnabhängigen am gesellschaftlichen Reichtum weiter zu senken. Diese Abbau- respektive Umverteilungspolitik ist auch nicht nur isoliert in der Schweiz zu beobachten. In ganz Europa wälzen die Herrschenden die Lasten für die Steuergeschenke an die Unternehmen und Reichen und die Sanierung ihrer Profite auf die erwerbsabhängige Bevölkerung ab. Die Rezepte lauten immer und überall gleich: Erhöhung des Rentenalters trotz steigender Arbeitslosigkeit, Senkung der Rentenbezüge, Privatisierung der öffentlichen Bereiche, rabiater Abbau des Schutzes bei Erwerbslosigkeit und eben Abbau von Leistungen der öffentlichen Hand in allen Bereichen.

International sehen sich die Lohnabhängigen mit einer Offensive an zwei Fronten konfrontiert. Die eine davon sind die Massenentlassungen und erneuten Angriffe auf die Löhne und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Die andere ist der Angriff der Herrschenden auf die sozialen und gesellschaftlichen Errungenschaften der ArbeiterInnenklasse. Sozialausgaben sollen weiter gesenkt werden, jene Teile der staatlichen Budgets und Investitionen, welche einer breiten Schicht zugute kommen, werden drastisch gekürzt. Der Grund liegt nicht nur in sinkenden Steuereinnahmen aufgrund des Wirtschaftskrise, wie dies uns von bürgerlicher Seite immer weisgemacht wird, sondern in der von den Herrschenden betriebenen Politik, den Reichen und Konzernen immer weitergehende Steuergeschenke und Vergünstigungen zu gewähren.

Diese Kürzungen und Abbaumassnahmen müssen erfolgreich bekämpft werden. Es ist aber auch wichtig zu verstehen, dass dies nicht nur Fehler der Regierungspolitik der Herrschenden sind, sondern eine tief verwurzelte, strukturelle Krise der kapitalistischen Wirtschaft widerspiegeln.

Über Reichtum und seine Verteilung

Der Zürcher Regierungsrat, repräsentiert von VertreterInnen der bürgerlichen Parteien, Sozialdemokraten und Grünen, möchte mit den am 8. Mai 2003 festgelegten „Sanierungsmassnahmen 04“ die Bevölkerung des Kantons dem Spardiktat unterwerfen. Satte 2,034 Milliarden Franken sollen weggespart werden.
Zur Begründung muss einmal mehr die leere Staatskasse herhalten. Dies, nachdem ebendiese Staatskasse durch eine Reihe von Steuergeschenken an die Unternehmen, Reichen und deren Erben geplündert worden ist. Zu nennen wären hier die 200 Millionen Franken, die mit der Teilabschaffung der Erschafts- und Schen-kungssteuer den Allerreichsten in den Rachen geworfen wurden. Oder jene 140 Millionen, die den Superreichen durch die Streichung der obersten Progressionsstufe erspart wurden. Nicht zu vergessen der Ausfall von 217 Millionen Franken durch die Steuersenkung für juristische Personen, also Firmen und internationale Konzerne.

Insgesamt verbuchte der Kanton zwischen 1983 und 1999 Mindereinnahmen von 22 Milliarden Franken, während sich das kantonale Volkseinkommen in der gleichen Zeitspanne verdoppelte. Das beantwortet die Frage, woher das Geld für die öffentlichen Dienste eigentlich geholt werden müsste: Bei den Reichen und bei den Konzernen, die von diesen Steuergeschenken profitiert haben.

Das nennt der Regierungsrat in der oben erwähnten Zusammensetzung dann ein „in einem grossen Effort erarbeitetes, ausgewogenes Gesamtpaket, das einschneidende Konsequenzen hat“. Die „einschneiden-den Konsequenzen“ sind 144 Einzelmassnahmen mit einem Gesamtabbauvolumen von rund 1,5 Milliarden Franken. 1'230 Stellen sollen in der öffentlichen Verwaltung gestrichen werden. Die Budgets für Bildung, Gesundheit und Soziales werden massiv zusammengestrichen und reduziert. Das weiter in Anstellung verbleibende Personal wird mit einem „Sparbeitrag“ von einer halben Milliarde Franken durch versteckte Lohnkürzungen zur Kasse gebeten.


Durch eine „Politik der leeren Kassen“ wird eine Öffnung des Bildungssektors für den Markt erzwungen

Augenfällig ist, wie stark der Bildungsbereich von den Abbaumassnahmen betroffen ist. Zum einen durch zunehmenden finanziellen Druck und Sparzwang, zum andern durch die fortschreitende Unterwerfung des Bildungssektors unter die Kriterien des Marktes und der Rentabilität, soll hier der Privatisierung der Bil-dung der Weg geebnet werden. 1994 wurde im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) das General Agreement on Trade in Services (GATS) abgeschlossen, das den freien Handel mit Dienstleistungen erlaubt. Das GATS, dem die Schweiz seit 1995 als WTO-Mitglied unterstellt ist, verpflichtet die Vertragsstaaten, ihren Dienstleistungssektor – und dazu gehören auch die Bereiche Bildung und Gesundheit – für den freien Handel und den internationalen Wettbewerb, das heisst für das Privatkapital, zu öffnen.

Die Abbaumassnahmen der Zürcher Regierung wären wesentlich verantwortlich für eine Entwicklung, die für den Grossteil der Bevölkerung eine schlechtere Qualität der Bildung und einen erschwerten Zugang zu Bildungs- und Weiterbildungsinstitutionen bedeutet. Die soziale Polarisierung drückt sich auch im Bildungssektor mit zunehmender Schärfe aus.

Wir erinnern uns, noch vor nicht allzu langer Zeit wurden die Herrschenden auf kommunaler wie nationaler Ebene nicht müde, immer wieder die Wichtigkeit der Ausbildung als einziger Ressource des Landes zu betonen. Nun werden im Kanton Zürich dem Bildungssektor eine halbe Milliarde Franken entzogen. Fast 800 Stellen sollen in diesem Bereich gestrichen werden.

In den Volksschulen sollen die Klassengrössen um 1,5 SchülerInnen angehoben werden. Beim Angebot im Bereich des Stütz- und Förderunterichts sowie beim Deutschunterricht für fremdsprachige VolksschülerInnen ist ein Abbau um einen Drittel vorgesehen. Wie absurd diese Massnahmen sind, zeigt sogar die von der Erziehungsdirektorenkonferenz in Auftrag gegebene und eben veröffentlichte Vertiefungsstudie zum Pisa-Bericht. Der wichtigste Grund für die Lese- und Text-interpretationsschwäche vieler Jugendlicher und die grossen Leistungsunterschiede zwischen den Schüler-Innen bleibt ihre soziale und kulturelle Herkunft.

Gerade diese SchülerInnen werden besonders unter diesem Kahlschlag zu leiden haben. Und wo immer Sozialabbau stattfindet, trifft es Frauen zusätzlich. In diesem Fall ist es die Diplommittelschule, die der Re-gierungsrat abschaffen will und damit das Bildungsangebot speziell für Frauen verschlechtern wird. An den Gymnasien werden drei Lektionen pro Woche, also fast ein halber Unterichtstag gestrichen, die Hauswirtschaftskurse werden ganz abgeschafft.

Die Berufsschule für Weiterbildung muss den Kostendeckungsgrad erhöhen: Dadurch wird die Weiterbil-dung verteuert und der Zugang dazu erschwert.

An den Universitäten wird der geplante Abbau im Um-fang von 57 Millionen Franken die bestehende Misere und die schlechten Betreuungsverhältnisse zusätzlich verschärfen. Leistungen sollen abgebaut werden, auf dringend nötigen Ausbau der Leistungen wird ohnehin verzichtet. Bereits genehmigte Professuren werden nicht besetzt. Die Staatsbeiträge an die Hochschulbibliotheken und der bauliche Aufwand und Unterhalt der Gebäude werden reduziert.

An der Hochschule für Gestaltung und Kunst werden die Vorkurse gestrichen. In seiner Beurteilung dieser Massnahme schreibt der Regierungsrat: „Da es keine adäquate Vorbildung für den künstlerischen und ge-stalterischen Bereich gibt, müssen die Studierenden diese Defizit auf eigene Rechnung wettmachen“. Dazu wird es bei vielen SchülerInnen nicht kommen, sie werden sich die entsprechenden, teuren privaten Bildungsangebote nicht leisten können.

Die Sicherstellung ihrer Profite ist dem Bürgertum eben noch wichtiger als Bildung für die Mehrheit der Bevölkerung. Ihren eigenen Nachwuchs schicken diese Herren und Damen in teure und sozial exklusive Privatschulen. Erfolgreiche „linke“ KarrieristInnen wie die sozialdemokratische Regierungsrätin und Bil-dungsdirektorin (!) Regine Aeppli sind diesem Beispiel natürlich prompt gefolgt.

Privatschulen, die die Möglichkeit haben, sich ihre Klientel selbst auszusuchen, wählen Kinder, deren Eltern die Ausbildung bestmöglich unterstützen können und die dadurch kostengünstig und leicht zu unter-richten sind. Der Abbau im Bildungsbereich wird die soziale Ungleichheit weiter verstärken.

Sparen bei den Ärmsten und Schwächsten

Mit der Abschaffung der Beihilfen für EmpfängerIn-nen von Zusatzleistungen zur AHV/IV, notabene trotz gegenteiligem Volksentscheid, trifft die Zürcher Regie-rung die Ärmsten mit seinen „Sparbemühungen“.
Der „Sparbeitrag“ dieser Ärmsten von 18.7 Millionen Franken „könnte sich teilweise reduzieren“ relativiert der selbe Regierungsrat zynisch „seine mit grossem Effort erarbeiteten“ Sparbemühungen, „weil es in ei-nigen Fällen zu einer Verlagerung auf die Sozialhilfe kommen könnte“.

Da der Grundbedarf I den SozialhilfeempfängerInnen „bereits eine menschenwürdige Existenz ermöglicht“ , wird der Grundbedarf II der SKOS-Richtlinien gestrichen. 5 Millionen Franken soll der Anteil der Sozial-hilfe-EmpfängerInnen sein, um den Reichen ihre Steu-ergeschenke zu finanzieren. Fast nochmals soviel sollen die Drogenkranken durch die Reduktion der Defizitbeiträge an Sozialhilfeeinrichtungen der Gemeinden beitragen.

Qualitätsabbau in den öffentlichen Spitälern

Natürlich ist auch der Gesundheitsbereich nicht von den Abbaumassnahmen ausgeschlossen. 272 Millionen sollen es dieses Mal sein. Gerade hier bieten sich den Reichen die Privatkliniken mit luxuriösem Vollservice als komfortable Alternative zum öffentlichen Spital an. Dem grossen Rest der Bevölkerung bleibt einmal mehr eine „Steigerung der Effizienz“ und „Reduktion der Qualitätsstandarts“ in den Spitälern. Zwar erkennen die Handlanger der Reichen und des Kapitals in ihrer Einschätzung der Auswirkungen dieser Massnahmen, dass „die Gefahr besteht, dass Privat- und Halbprivat-patienten in Privatspitäler abwandern“ und „die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Gesundheitsversorgung und die Zufriedenheit des Gesundheitspersonal sinken könnte“. So richtig in seinem Spareffort hindern mögen diese Erkenntnisse den Regierungsrat nicht.

Interessanterweise wird dieses Paket von einer Regierung vorangetrieben, deren Wahl vor wenigen Monaten als Teilerfolg der „Linken“ gefeiert wurde.

Kämpfen wir gemeinsam gegen den Kahlschlag und seine Folgen!

Angesichts dieses geballten Angriffs kann nur eine massive Mobiliserung der Lohnabhängigen, Schüle-rInnen, StudentInnen, der Angestellten und BenutzerInnen der öffentlichen Dienste ein wirksames Mittel gegen das „Sanierungsprogramm“ darstellen. Es kann nicht um „bessere“ oder „sozialverträgliche“ Spar-massnahmen gehen. Das gesamte Paket, das vom Regierungsrat vorgestellt wurde, muss bachab geschickt werden. Nur eine massive Bewegung von unten kann die Logik des Kahlschlags durchbrechen und eine kollektive Debatte über radikale Alternativen zum Kahlschlag ermöglichen.

Wir fordern:

Nein zum „Sanierungsprogramm 04“ und zum Abbau des Service public
ohne wenn und aber!

Nein zu Stellenabbau, Lohnabbau und zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen!

Massive Ausweitung der öffentlichen Finanzierung des Service public
(Bildung, Gesundheit, usw.), um die Grundbedürfnisse zu befriedigen

Das Geld muss dort geholt werden, wo es vorhanden ist, bei den Reichen:
Umverteilung von Reichtum von oben nach unten und eine echte, gerechte Steurerreform.


Mit ein paar Demonstrationen ist es nicht getan. Wir verlangen von allen Gewerkschafts- und Perso-nalverbänden, dass sie eine wirkliche Mobilisierung einleiten und effektive Kampfmassnahmen vorbe-reiten. Gleichzeitig rufen wir alle interessierten Personen und Kräfte dazu auf, sich in dieser Perspektive zu organisieren. Wir wollen nicht auf die Entscheide des Kantonsrates warten, sondern Ideen, Aktionen, Perspektiven gegen den Kahlschlag diskutieren und entwickeln. Ohne den Aufbau einer Mobilisierung von unten können das „Sanierungsprogramm 04“ und seine Folgen nicht abgewendet werden. Dafür muss in den nächsten Wochen eine geeignete Plattform geschaffen werden. Ausserdem müssen Verbindungen zu den nationalen Mobilisierungen gegen den Rentenabbau hergestellt werden.

Wir werden im Rahmen einer BFS-Arbeitgruppe gegen Kahlschlag (die allen interessierten Personen, Lohn-abhängigen, SchülerInnen, StudentInnen, Gewerkschaftsmitgliedern, usw., offen steht!), über Hintergründe und Ursachen des Kahlschlags diskutieren und darüber, wie wir dagegen kämpfen können.