Dieser
Artikel verwendet den Ausdruck „Gelenkte
Demokratie“ („Managed democracy“)
als analytischen Begriff, um den besonderen
Charakter des gegenwärtigen politischen
Systems in Russland zu beschreiben, das
weder eine kapitalistische Demokratie
noch eine Diktatur ist. Ein System, in
dem die Exekutivmacht alle anderen Bereiche
des Staates und die ganze Zivilgesellschaft
dominiert, obwohl sie – in gewissen
Grenzen – politische Rechte und
unabhängige politische Organisationen
toleriert. Russlands „gelenkte Demokratie“
basiert auf der Schwäche aller Klassen
der Gesellschaft. Die Arbeiterklasse ist
unfähig, der willkürlichen Macht
der Exekutive Grenzen zu setzen und ihre
volksfeindliche Politik zu verändern.
Die Bourgeoisie wird durch ihre Isolation
von und Opposition gegen die übrigen
gesellschaftlichen Kräfte gezwungen,
die politische Dominanz der Exekutive
zu akzeptieren, um ihre soziale Vorherrschaft
zu verteidigen. Das symbiotische Verhältnis
zwischen den politischen und ökonomischen
Eliten – beide frei jeglicher Ziviltugenden
– macht sie grundsätzlich desinteressiert
an einem Rechtsstaat, trotz der Vorteile
die dieser dem Staat wie der Ökonomie
bringen würde. Aber trotz seiner
Unabhängigkeit ist dies ein schwacher
Staat, der seine wichtigeren politischen
Ziele nicht verwirklichen konnte. Zusammen
mit der inhärenten Instabilität
„gelenkter Demokratien“ bedeutet
dies, dass Russland nicht immun gegen
die „farbigen Revolutionen“
ist, die sich jüngst in seinen Nachbarländern
ereignet haben.
Nach
fünf Jahren an der Macht bleibt das
Putin-Regime Gegenstand unterschiedlichster
Einschätzungen. Wo einige Beobachter
eine halbkoloniale Administration im Dienste
westlicher Interessen sehen, entdecken
andere eine Regierung, die eine raffinierte
nationalistische Strategie mit dem Ziel
der geopolitischen Wiedergeburt Russlands
verfolgt. Wo die einen neoliberale Fanatiker
am Ruder des Staates wahrnehmen, bejammern
andere den wachsenden Einfluss von Partisanen
staatsgeleiteter Entwicklung. Diese einander
widersprechenden Analysen spiegeln weniger
die entgegengesetzten ideologischen Standpunkte
ihrer Autoren wider als die Inkohärenz
der Politik Putins, der einst erklärte,
sein Ziel sei die Einführung der
„Diktatur des Gesetzes“, dessen
erste größere Handlung als
Präsident aber eine Totalamnestie
für Jelzin und seine „Familie“
(Leute, die für ihn gearbeitet haben)
war, der den zaristischen doppelköpfigen
Adler und die dreifarbige Flagge zusammen
mit der stalinistischen Nationalhymne,
wenn auch mit neuem Text, wieder einführte.
Trotz dieser offensichtlichen Inkohärenz
enthüllt eine Untersuchung der Beziehungen
zwischen dem politischen Regime und der
Art des aus der „Schocktherapie“
entstandenen Kapitalismus eine tiefer
liegende Logik. Eine solche Untersuchung
kann auch Licht auf das Paradoxon eines
Regimes werfen, das trotz Fehlens einer
ernsthaften Opposition entschlossen seinen
ohnehin schon festen Klammergriff um die
Gesellschaft weiter verstärkt.
„GELENKTE
DEMOKRATIE“
Der
Begriff „Gelenkte Demokratie“
(„managed democracy”) wurde
auf Russland sowohl von Verteidigern wie
von Kritikern des derzeitigen Regimes
angewandt. Doch abgesehen von seinem ideologischen
Gebrauch kann dieser Begriff auch einen
analytischen Wert haben. „Gelenkte
Demokratie“ liegt irgendwo zwischen
den entgegengesetzten Polen der liberalen
(kapitalistischen) Demokratien, die durch
(formell) freien Wettbewerb organisierter
politischer Interessen, demokratische
Freiheiten und Rechtsstaatlichkeit gekennzeichnet
sind, und Diktaturen, die organisierte
politische Opposition und politische Rechte
brutal unterdrücken. „Gelenkte
Demokratien“ bewahren die äußerlichen
Merkmale von Demokratien und tolerieren
in wechselndem Ausmaß politische
Rechte und organisierte politische Opposition.
Doch zögern diejenigen, die die Apparate
der Staatsmacht kontrollieren, nicht,
das Gesetz und anerkannte demokratische
Normen zu brechen, um ihre Position zu
halten.
Auf
den ersten Blick mag der Unterschied zwischen
Diktatur und „gelenkter Demokratie“
vernachlässigbar erscheinen. Aber
die „farbigen Revolutionen“
in Georgien, der Ukraine und zuletzt in
Kirgisien1 richteten
sich gegen „gelenkte Demokratien“,
die sich von der in Russland nicht wesentlich
unterscheiden. Diese Ereignisse illustrieren,
was die beiden Arten von Regimes unterscheidet:
Die „farbigen Revolutionen“
wären unter Diktaturen nicht möglich
gewesen, da es dort keine Anschuldigungen
des Wahlbetrugs als Auslöser der
Proteste, keine von den Massen zu unterstützende
Gegenkandidaten oder politische Organisationen
und keine unkontrollierten Teile der Medien
gegeben hätte, die hätten Wahlumfragen
und Nachrichten über Proteste verbreiten
können.
Kontinuität
und Wandel
Wenn
sich westliche Politiker und Presseorgane
in jüngster Zeit besorgt hinsichtlich
Russlands äußerten, so könnte
der Eindruck entstehen, Russland sei unter
Jelzin eine Demokratie gewesen.2
Tatsächlich bauten Putins autoritäre
Maßnahmen direkt auf dem Erbe des
Jelzin-Regimes auf. Russlands Demokratie
endete im Herbst 1993, als Jelzin gewaltsam
die bestehende verfassungsmäßige
Ordnung unterdrückte, die demokratischen
Normen vollständig entsprach.3
Der Putsch erfreute sich begeisterter
Zustimmung der G7-Führer und der
führenden westlichen Presse sowie
der russischen Libera-len. Der Westen
billigte auch das gefälschte offizielle
Ergebnis des Referendums vom Dezember
1993 über Jelzins neue Verfassung,
die dem Parlament seine Macht entzog.
1996 begrüßten die G7- Führer
auch Jelzins Wahlsieg, obwohl er den nur
durch massive illegale Mehrausgaben, völlig
verzerrte Berichterstattung durch die
von der Oligarchie kontrollierte Presse
und durch Wahlbetrug errungen hatte. Präsident
Clinton fand sogar Zeit für einen
Abstecher nach Moskau um Jelzin den Rücken
zu stärken. Er verglich ihn mit Abraham
Lincoln, der es seinerzeit auch mit sezessionistischen
Bewegungen zu tun hatte.4
Erst kurz vor diesen Lobpreisungen hatte
Jelzin die tschetschenische Hauptstadt
Grosny geschleift; die Zahl der Todesopfer
dieses Krieges wird auf 100.000 geschätzt.
Die unausgesprochene Aussetzung der Rechtsstaatlichkeit
im Zusammenhang mit der Privatisierung
in Russland hatte ebenfalls volle Unterstützung
der G7-Führer, die Jelzin mit Weltbank-
und IWF-Krediten wie auch mit bilateralen
„Hilfen“ unterstützten.
5 Heute erlauben
sich westliche Führer und Medien
ein paar Krokodilstränen über
Russlands Demokratie, da der durchgreifende
militärische Niedergang des Landes
und seine Integration in die kapitalistische
Weltordnung als semi- peripheraler Exporteur
von Naturschätzen gesichert erscheint.
Die einzige Wolke am Himmel – und
dies erklärt mehr als alles Andere
die plötzliche Sorge um Demokratie
– ist Putins Missachtung der Eigentumsrechte
bei der Verfolgung politisch untergeordneter
„Oligarchen“. (Es scheint
keine Rolle zu spielen, dass das fragliche
Eigentum – vom Staat unterstützt
– mit kriminellen Mitteln erworben
wurde.) Im Ganzen sind die USA und die
anderen wohlhabenden Staaten jedoch recht
zufrieden mit dem derzeitigen Regime,
und die Äußerungen der Besorgnis
über die Demokratie sollten nicht
zu ernst genommen werden. Andererseits
ist klar, dass Putin den „gelenkten“
Charakter der russischen „Demokratie“
beträchtlich verstärkt hat und
dass sich diese Tendenz fortsetzen wird.
Wladimir
Putin, der Lenker.
Unkontrollierte
Exekutive
Es
gibt keine wirkliche Gewaltenteilung im
russischen Staat, kein Sicherungssystem,
das die Macht der Zentraladministration,
die alle Zweige und Ebenen der Regierung
beherrscht, begrenzen würde. Der
Präsident kann, wenn er möchte,
jedem Staatsbeamten seinen Willen diktieren.
Die Duma (benannt nach dem ähnlich
machtlosen Parlament, das Zar Nikolaus
II. inder Revolution von 1905 zugestanden
hatte) wurde unter Jelzins neuer Verfassung
eingerichtet, um den gestürzten Obersten
Sowjet (wie auch die verbliebenen lokalen
Sowjets) zu ersetzen, der zu einem größeren
Hindernis für seine „Schocktherapie“
und eine ungezügelte öffentliche
Korruption als integralen Bestandteil
Russlands „ursprünglicher Akkumulation“
geworden war. Die Duma ist hauptsächlich
ein Raum für Lobbyismus und eine
Selbstbereicherungsmaschine der Abgeordneten.
Sogar unter Jelzin, als die kommunistische
Fraktion noch stärker war, hatte
sie keinen nennenswerten Einfluss auf
die Politik (vielleicht mit Ausnahme der
wenigen Monate nach dem Finanzkollaps
vom August 1998, als Jelzin zu taktischen
Rückzügen gezwungen war). Heute
wird die Mehrheit der Sitze in der Duma
von der Partei „Ein Russland“
gehalten, die ihre Mehrheit der Unterstützung
durch die Exekutive verdankt. Diese Unterstützung
erfolgt in Form breiter Beachtung in den
Medien, großzügiger Finanzierung
und des Einsatzes anderer „administrativer
Ressourcen“ wie Wahlbetrug, Erpressung
und Bestechung.6
„Ein Russland“ wird durch
ein einziges Prinzip geleitet: bedingungslose
Unterstützung der Politik Putins.
Wie um ihre eigene Bedeutungslosigkeit
zu unterstreichen, hat die Duma kürzlich
ein Gesetz zur Einführung einer „Öffentlichen
Kammer“ beschlossen, die aus nicht
gewählten „Vertretern der Zivilgesellschaft“
besteht und den Auftrag hat, die Gesetzgebung
der Duma und die Arbeit der Exekutive
zu überwachen.7
Auch die Judikative ist der Exekutive
unterstellt. Putin versprach eine „Diktatur
des Gesetzes“ und begann dann, das
Gesetz selektiv anzuwenden, um einzelne
Herausforderer zu bestrafen. Die bekanntesten
Fälle sind die Verurteilungen der
Oligarchen (Großkapitalisten) Gusinski,
Beresowskij und Chodorkowski, die herausgegriffen
wurden, weil sie ihren Reichtum zur Opposition
gegen Putin eingesetzt hatten. Andere
Oligarchen, deren Vermögen nicht
weniger durch illegale Aktivitäten
beschmutzt ist, blieben unbehelligt und
genießen weiter privilegierten Zugang
zum Kreml. Unabhängige Richter, die
sich dem politischen Druck widersetzen,
landen auf der Straße oder in der
Rente. Erst kürzlich beschloss die
Duma ein Gesetz zur weiteren Verschärfung
der Kontrolle des Präsidenten über
die obersten Richter.8
Wie auch in unpolitischen Fällen
sind Käuflichkeit und Klassenparteilichkeit
der Gerichte weit verbreitet. Dmitrij
Kozak, enger Unterstützer des Präsidenten
und einer der Architekten der Rechtsreform,
gab sein Scheitern Anfang des Jahres zu:
„Die Öffentlichkeit ist überzeugt,
dass das System durch und durch korrupt
ist […] Die Gerichte funktionieren
heute wie Wirtschaftsunternehmen. Größere
Gesellschaften versuchen sogar, das System
zu infiltrieren und ihre Vertreter dort
unterzubringen. Die Situation ist wirklich
ernst.“9
Im Allgemeinen kann und wird die Verwaltung
das Gesetz ignorieren, wenn es ihr notwenig
erscheint. Ihre terroristische Politik
in Tschetschenien, die sich auf Inguschetien
und den Rest des russischen Kaukasus ausdehnt,
ist nur der bekannteste Fall. Aber auch
über die Südregion hinaus gibt
es immer wieder Berichte illegaler Aktionen
der Polizei und anderer Sicherheitskräfte.
Gewöhnliche Russen meiden jeden Kontakt
mit den „Ordnungskräften“,
die sie fürchten und als korrupt
ansehen. Die große Mehrheit ist
überzeugt, dass sie von der Regierung
gegen politische Gegner eingesetzt werden.10
In einem der berüchtigtsten Fälle
politischer Rache ließen die Provinzbehörden
von Baschkortostan, einer Region, die
von ihrem Präsidenten Rachimow wie
ein persönliches Lehen regiert wird,
in der Stadt Blagoweschtschensk die Bereitschaftspolizei
von der Kette, die unterschiedslos Hunderte
unschuldiger Bürgerinnen und Bürger
verprügelte, verhaftete und folterte.11
Auch wenn viel von dieser Gesetzlosigkeit
örtlichen Ursprungs ist, decken doch
die Zentralbehörden solche Untaten
in der Regel gegen Forderungen nach öffentlichen
Untersuchungen. Im Fall von Blagoweschtschensk,
der landesweites Aufsehen erregte, wurde
der stellvertretende Regionspolizeipräsident,
der das Pogrom organisiert hatte, entfernt.
Aber wie um die Immunität der Exekutive
zu unterstreichen, tauchte er kurz danach
wieder als Ombudsmann für Menschenrechte
in Baschkortostan wieder auf.12
Nichts von alledem ist qualitativ neu
gegenüber dem, was unter Jelzin geschah.
Dies geht soweit, dass es früher
größere politische Freiheiten
gab, was zu großen Teilen eher auf
die Schwäche und Tollpatschigkeit
des Jelzin- Regimes als auf ein Eintreten
für demokratische Prinzipien oder
Rechtsstaatlichkeit zurückzuführen
ist. Obwohl Putin die Schrauben angezogen
hat, bleibt sein Regime eine „gelenkte
Demokratie“, die einen bedeutenden
Rest politischer Freiheit erlaubt. Es
gab beispielsweise geringe Repression
gegen die umfangreichen Rentnerdemonstrationen
im Januar 2005 gegen das Gesetz 120, das
Sozialleistungen „monetarisierte“
und gleichzeitig kürzte. Das Arbeitsgesetzbuch
von 2001 machte es schwerer legal zu streiken
und reduzierte die Rechte kleiner, unabhängiger
Gewerkschaften, aber es gibt weiterhin
Streiks (die schon vor Einführung
des neuen Arbeitsgesetzbuches selten geworden
waren und die unabhängigen Gewerkschaften
kämpfen trotz ihrer Schwäche
weiter. Die Verfolgung von Oligarchen
ist hingegen ein neues Phänomen.
Allerdings sah sich Jelzin auch keiner
ernsthaften Herausforderung aus dieser
Ecke gegenüber. Es war seine Administration,
die die Oligarchen geschaffen hat, ohne
sich selbst der Beteiligung an der Orgie
der „ursprünglichen Akkumulation“
zu enthalten. Putin hingegen war ein wirklicher
„Nobody“, den Jelzin an die
Spitze des Staats gehievt hatte, um seine
eigene Straflosigkeit zu sichern. Nicht
alle Oligarchen meinten, ihm loyal sein
zu müssen, während die neuen
Leute, die er für die Administration
ernannte, gierig auf ihren Anteil an der
Beute waren. Dies war die Szene für
den Wettstreit um die Frage, welche Seite
dominierend ist – die Bourgeoisie
oder die Exekutive. (Auf diese Frage,
die zentral für unsere Analyse ist,
kommen wir später zurück.) Ein
anderes Gebiet, auf dem Putin versucht
hat, die „Lenkbarkeit“ der
„Demokratie“ auszubauen, waren
die Beziehungen zwischen Bund und Regionen.
Ende 2004 beschloss die Duma ein Gesetz,
das dem Präsidenten erlaubt, die
89 regionalen Gouverneure zu ernennen,
die in den letzten zehn Jahren gewählt
werden konnten.13
Doch hatte Putin bereits im Jahr 2000
das Recht erkämpft, Gouverneure wegen
Inkompetenz oder Korruption abzusetzen,
kontrolliert nur durch die leicht beeinflussbaren
Gerichte. Er hatte und nutzte auch die
Möglichkeit, sie durch Einsatz „administrativer
Mittel“ in Regionalwahlen zu entfernen,
auch wenn das nicht immer klappte. Jedenfalls
kann sich die örtliche Bevölkerung
unter den gegenwärtigen Umständen
in Russland auf gewählte Gouverneure
nicht wirklich mehr verlassen als auf
ernannte.
Staatsherrschaft
über die Gesellschaft
Die
Großzügigkeit des Regimes bei
politischen Rechten beruht weitgehend
darauf, dass die Bevölkerung darauf
verzichtet, sie einsetzt um Interessen
zu bedrohen, die das Regime als wichtig
betrachtet. Man muss nicht weiter als
nach Tschetschenien blicken, um sich von
den Grenzen dieser Großzügigkeit
zu überzeugen. Eine schwache Zivilgesellschaft
ist eine notwendige Voraussetzung einer
„gelenkten Demokratie“: Die
russische Arbeiterklasse ist zu schwach,
um einen demokratischen Wandel zu erzwingen,
und die russische Bourgeoisie ist zu unsicher
und zu direkt von der Staatsadministration
abhängig, um einen solchen Wandel
zu unterstützen. Gleichzeitig bedrohen
die Volkskräfte die Elite nicht stark
genug, um sie zur Einführung einer
Diktatur zu provozieren. 14
Die Kommunistische Partei ist die wichtigste
organisierte politische Opposition und
die einzige politische Massenorganisation,
die nicht von oben als Basis für
ein paar Persönlichkeiten, oder um
einen bestimmten Auftrag des Regimes auszuführen,
gebildet wurde. Nach Akzeptieren der vom
Putsch von 1993 gesetzten Regeln blieb
die Kommunistische Partei eine loyale
parlamentarische Opposition. Außerparlamentarische
Aktionen, die als einzige härtere
Reaktionen des Regimes auslösen könnten,
hat sie nicht nennenswert organisiert
oder sich daran beteiligt.15
L. Schestowa zufolge, einem Forscher ohne
besondere Sympathien für die Kommunisten,
hat sich die Partei „zu einem Inventarstück
des russischen Systems entwickelt, das
geholfen hat, seine Stabilität zu
bewahren. Die Kommunisten hielten die
Proteststimmen von Überreaktionen
ab. In entscheidenden Situationen kamen
sie mit dem Kreml- Team zu Kompromissen.
[Die Partei…] akzeptierte die vom
Herrschaftsteam gesetzten Regeln und bekräftigte
so, dass sie nicht länger an einem
ernsthaften Kampf um den Kreml interessiert
war und sich mit der Rolle der ewigen
Opposition begnügen wolle. […]
Mit der Kommunistischen Partei als Hauptopposition
konnten die Behörden behaupten, eine
liberale Demokratie zu betreiben.16
Die in der Union der Rechten Kräfte
(SPS) organisierte neoliberale Rechte
ist an den Interessen des Großkapitals
ausgerichtet und im Ganzen glücklich
mit der Wirtschaftspolitik der Regierung,
auch wenn sie mehr „Reformen“
einfordern. Da die Interessen der Oligarchie
denen der breiten Bevölkerung direkt
entgegengesetzt sind, ist das Bekenntnis
der SPS zur Demokratie notwendigerweise
eher symbolisch. Viele Parteiführer,
von denen A. Tschubais und E. Gaidar am
bekanntesten sind, haben enge Beziehungen
zur Regierung, doch kritisieren auch einige
die autoritären Züge der Regierung.
17 Jabloko,
die andere liberale Partei, ist wesentlich
glaubwürdiger, wenn sie für
demokratische Rechte eintritt. Und anders
als die SPS war sie von Anfang an gegen
Putins Krieg in Tschetschenien. Ihre sozio-ökonomische
Politik hat sich langsam in eine sozialdemokratische
Richtung verschoben. Nichtsdestotrotz
haben einige ihrer Führer Regierungsposten
unter Putin angenommen und von Zeit zu
Zeit gab es misslungene Gespräche
über einen Zusammenschluss mit der
SPS. Jabloko hat ihre Wähler hauptsächlich
unter jungen Leuten und Kleinunternehmern,
wobei die Stimmenzahlen unter Putin zurückgegangen
sind. Wie die SPS ist sie bei der letzten
Duma-Wahl 2003 an der 5%-Hürde gescheitert.
Der Zustand der Parteipolitik in Russland
spiegelt die generelle Schwäche der
Zivilgesellschaft wider. Neben den politischen
Parteien sind die größten,
politisch orientierten Interessengruppen
die Menschenrechtsorganisationen und „alternativen“
Gewerkschaften. Aber keine von ihnen hatte
irgendeinen merklichen Einfluss auf die
Regierung. Die ersteren sind fast vollständig
vom Ausland finanziert und die „alternativen“
Gewerkschaften vertreten kaum mehr als
einige wenige Prozent der organisierten
Arbeiterschaft und haben große Schwierigkeiten,
überhaupt einheitliche Aktionen zu
entwickeln. Zwar ist der gewerkschaftliche
Organisationsgrad immer noch hoch in Russland,
doch gehört die überwältigende
Mehrheit zum Verband der russischen Gewerkschaften,
der sich der „Sozialpartnerschaft“
verschrieben hat, was in der Praxis Unterordnung
unter Management und Regierung bedeutet.
Der politische Arm des Verbands gehört
zur regierungsnahen Partei „Ein
Russland“, trotz der arbeiterfeindlichen
Politik der Regierung. 18
Die Verhaftung von Michail Chodorkowski,
des reichsten Oligarchen und Mehrheitseigentümers
der Ölgesellschaft Jukos, im Jahre
2003 ließ keinen Zweifel mehr an
der politischen Unterordnung der Bourgeoisie
unter die Exekutive. Chodorkowski wurde
angeklagt wegen Steuerhinterziehung, Betrug
und Leitung einer kriminellen Gruppe und
muss eine Strafe von zehn Jahren Gefängnis
befürchten. Was auch immer seine
Verbrechen – und es waren zweifellos
viele und ernste – waren, so steht
der völlig willkürliche Charakter
der Verfolgung über jeden Zweifel
und wurde sogar vom Präsidentenberater
I. Schuwalow bei einem Treffen mit US-Geschäftsleuten
versehentlich zugegeben.19
Die Lehre ist natürlich, dass der
Staat jeden Kapitalisten, egal wie reich
er ist, seines Vermö-gens und seiner
Freiheit berauben kann. Das anfängliche
gedämpfte Murren aus Wirtschaftskreisen
und -presse ist schnell verstummt. Nur
kurz nach Chodorkowskis Verhaftung empfing
Putin auf dem Kongress des Industrie-
und Wirtschaftsverbands standing ovations.20
Juri
Luschkow, ein Opfer verdeckter PR-Kampagnen
der staatlichen Medien.
Stärkung
der „Lenkungskomponente“
Ungeachtet
des Grads der Demoralisierung und Schwäche
der Zivilgesellschaft sind „gelenkte
Demokratien“ aus sich heraus instabil.
Es ist keineswegs sicher, dass die Zivilgesellschaften
in Georgien, der Ukraine oder in Kirgisien
am Vorabend ihrer „farbigen Revolutionen“
robuster gewesen wären als gegenwärtig
in Russland. Trotz der Welle verbreiteter
Unzufriedenheit war der wichtigste Bestandteil
dieser „Revolutionen“ eine
organisierte Opposition, die sich selbst
glaubwürdig als Alternative zum bestehenden
Regime anbieten und so zum Anziehungspol
für die Unzufriedenheit werden konnte.
Putins Versuche, die „Lenkungskomponente“
von Russlands „Demokratie“
zu stärken, haben daher zum Ziel,
das Entstehen jedweder glaubwürdigen
Alternative zu verhindern und die allgemeine
Unzufriedenheit von seiner Person abzulenken.
Viel Anstrengung wurde darauf verwandt,
potenzielle Rivalen auszuschalten. Eine
gut abgestimmte, verdeckte PR-Kampagne
in den staatlichen Medien (einschließlich
ernster krimineller Anschuldigungen) setzte
zusammen mit Druck auf seine Unterstützer
und Bestechung den präsidialen Hoffnungen
des Moskauer Bürgermeisters Juri
Luschkow ein frühes Ende, der seine
Partei (Otechestwo – Vaterland)
dann in den „Ein Russland“-Block
führte. Damit war für Putin
sicher, das sein Hauptgegner bei den Präsidentschaftswahlen
2000 der KP-Führer Gennadi Sjuganow
war, der keine Chance hatte, gegen ihn
zu gewinnen. 21
Doch trotz ihrer Nützlichkeit bei
Wahlen und ihrer Ablehnung außerparlamentarischer
Aktionen, traut der Kreml der Kommunistischen
Partei ganz offensichtlich nicht, weil
er sie nicht direkt kontrolliert. Entsprechend
hat er versucht, sie durch Fördern
von Spaltungen und Unterstützung
der Bildung von Rodina (Mutterland), eines
alternativen, „patriotischen“
(d.h. großrussisch-chauvinistischen)
Mitte-Links-Blocks, der bei den Duma-Wahlen
2003 erfolgreich Stimmen von den Kommunisten
abzog, zu schwächen.22
Neben Jabloko war sie Hauptzielscheibe
von Putins neuem Wahlgesetz, das die Anforderungen
für die Zulassung von Parteien verschärfte
und die Sperrgrenze für den Einzug
in die Duma von fünf auf sieben Prozent
erhöhte. („Ein Russland“
trat sogar für die Anhebung auf 12,5
Prozent ein, aber das ging anscheinend
sogar Putin zu weit.)23
Die Kontrolle der Massenmedien, vor allem
des Fernsehens, der wichtigsten Informationsquelle
über das öffentliche Leben für
die meisten Russen, ist ein weiteres wichtiges
Mittel, potenzielle Alternativen auszuschließen.
Der Kreml entscheidet, über welche
Parteien und Persönlichkeiten berichtet
wird und in welchem Licht sie dargestellt
werden. Die Verfolgung des Oligarchen
Wladimir Gusinski war hauptsächlich
vom Ziel des Kremls motiviert, Kontrolle
über sein Medienimperium, vor allem
den Fernsehsender NTW, der dem Regime
und vor allem Tschetschenien sehr kritisch
gegenüber stand, zu erlangen. Gusinski
wurde ohne Prozess aus dem Gefängnis
entlassen, nachdem er zugestimmt hatte,
seinen Besitz (der hauptsächlich
ein Geschenk des Jelzin- Regimes für
geleistete Dienste war) aufzugeben.24
Die gedruckte Presse, die überwiegend
in Privatbesitz, also in den Händen
der Oligarchie ist, unterliegt keiner
engen Staatskontrolle. Trotzdem versuchen
die auflagenstärksten Publikationen
in den Grenzen zu bleiben, die für
das Regime akzeptabel sind. Die Iswestija
übertrat diese Grenze offenbar mit
ihrer zu detailreichen Berichterstattung
über die Geiselnahme von Beslan im
September 2004, die in einem Blutbad mit
330 Toten, zur Hälfte Schulkinder,
endete. Nach den zornigen Reaktionen des
Kremls zwang der Herausgeber, Metall-Magnat
Wladimir Potanin, den Redakteur zum Rücktritt.25
Trotzdem sind Artikel, die sich kritisch
gegenüber der Regierung oder gar
dem Präsidenten äußern,
nicht selten, vor allem in kleineren Publikationen.
Andererseits haben ökonomische Zwänge
viele von ihnen zur Aufgabe gezwungen,
da Menschen mit Geld um dort zu investieren
(einige werden von Oligarchen aus dem
Exil finanziert) die Regierung nicht provozieren
wollen. Dieselbe Furcht begrenzt die Finanzhilfen
für Oppositionsparteien. Chodorkowskis
Anwalt meinte, sein Klient werde verfolgt,
weil er solche Parteien finanziell unterstützt
habe.26 Abgesehen
davon, das Entstehen einer glaubwürdigen
Alternative zu verhindern, ist der Kreml
auch besorgt, die Unzufriedenheit des
Volkes von sich selbst abzulenken und
Unterstützung für den Präsidenten
aufzubauen. Dies ist umso wichtiger, als
in den Augen des Volkes Putins wirklich
im Gegensatz zur symbolischen Bilanz alles
andere als glänzend ist. Die materielle
Situation der Massen hat sich unter seiner
Präsidentschaft nur wenig verbessert,
trotz hoher Ölpreise undsechs Jahren
stetigen BIPWachstums (abgesehen von einer
tiefen Depression). Die Hauptverantwortung
dafür liegt bei der regressiven Sozial-
und Arbeitspolitik der Regierung. 27
Putin mit Soldaten: „Wie tapfer
er doch ist.“
Hinzu
rechnen kann man das Anhalten der allgegenwärtigen
politischen Korruption, die ausgeprägte
und sich weiter vertiefende wirtschaftliche
Ungleichheit, den verheerenden Krieg in
Tschetschenien, das Ausbreiten des Terrorismus
ins russische Kernland hinein, die allgemeine
Inkompetenz der Regierung und Rücksichtslosigkeit
gegenüber Menschenleben in der Geiselkrise,
den anhaltenden Zerfall der Armee, den
Rückgang des russischen Einflusses
in der Region und den Zusammenbruch der
physischen Infrastruktur. Das Fernsehen
ist natürlich das wichtigste Medium
der „gesteuerten Liebe“ für
Putin. In einer weitgehend atomisierten,
passiven „Massengesellschaft“
kann es ein immens wichtiges Instrument
der Manipulation sein. Die Abendnachrichten
beginnen üblicherweise, bei allen
Sendern, mit einem Treffen zwischen Putin
und irgendeinem Minister, Duma-Abgeordneten
oder einer anderen wichtigen Person. Der
Präsident hört konzentriert
zu, stellt einige präzise Fragen,
macht ein paar gescheite Vorschläge
oder gibt strenge Anweisungen. Außer
seiner Reklamefunktion für Putin
ist dieser Block, der zehn Minuten oder
länger dauern kann, von keinerlei
öffentlichem Interesse. Die meisten
Berichte über den Präsidenten
haben diesen PRCharakter. Jelzins früherer
Pressesprecher beschrieb es mit seinen
Worten: „Hier ist ein Fernsehclip
mit Putin, wie er nach Tschetschenien
fliegt. Das kollektive Unterbewusstsein
reagiert: "Wie tapfer er ist!"
Hier sehen wir Putin, wie er einen neuen
Wagen an eine alte Dame ausliefert, die
Weltkriegsveteranin ist. Das kollektive
Unterbewusstsein notiert: ? Er
ehrt Veteranen des Krieges und der Arbeit!‘
Hier trinkt Putin Tee mit einem Paar,
das gerade eine neue Wohnung als Ersatz
für die alte, von einer Naturkatastrophe
zerstörte Unterkunft bezieht: 'Er
versteht die einfachen Menschen!‘
Hier rauscht Putin herein und gratuliert
einer berühmten Schauspielerin zum
Geburtstag: 'Er ist aufmerksam den Menschen
gegenüber und kultiviert!‘
Und wenn Putin von Emotionen überwältigt
sogar die Heldenmedaille auf der Brust
eines Veteranen küsst, dann bricht
das kollektive Unterbewusstsein unter
dem Überangebot an Informationen
fast zusammen… Alle diese Aktionen
sind Show, denn immer ist ein Auge auf
die dane-ben stehende Fernsehkamera gerichtet.“28
Ein anderes PR-Werkzeug ist die häufige
Veröffentlichung – einem Beobachter
zufolge fünfmal häufiger als
unter Jelzin – von Meinungsumfragen,
die den anhaltend hohen Grad von Zustimmung
und Vertrauen für den Präsidenten
zeigen (selbst wenn andere Befragungen
verbreiteten Pessimismus über die
Entwicklung des Landes ergeben). 29
Die meisten dieser Umfragen sind vom Kreml
selbst bestellt, der auch die Ergebnisse
freigeben muss. Ziel ist natürlich,
den Eindruck zu erwecken, dass jemand,
der mit dem Präsidenten unzufrieden
ist, eine abseitige Einzelposition vertritt.
Es gibt sogar einen kleinen Personenkult
um Putin: Seine Portraits tauchen massiv
wieder in den Regierungsbüros auf
(ein Brauch, der unter Jelzin unerwünscht
war), in der Öffentlichkeit wird
er mit Lobreden überschüttet,
Straßen werden nach ihm benannt
und Bücher über ihn veröffentlicht.
In seiner Heimatstadt St. Petersburg enthält
ein Schulbuch ein Kapitel über die
Kindheit des kleinen Wladimirs. Es gibt
Putin-Buttons und -T-Shirts, Rundgänge
zu „Putin-Orten“ usw. Obwohl
der Kreml bei dem meisten wahrscheinlich
nicht der Urheber ist, hat er aber auch
nichts getan, das zu bremsen. Doch trotz
alledem fühlt sich der Kreml anscheinend
immer noch nicht sicher. So schwach die
Zivilgesellschaft auch ist, hat der Kreml
doch versucht, sie unter seiner eigenen
Schirmherrschaft zu organisieren. Einige
dieser Bemühungen waren recht bizarr,
so wie die vom Kreml finanzierte Jugendbewegung
„Gemeinsam gehen“ (Iduschchie
wmeste). Wie der Name schon andeutet,
ist es das zentrale Ziel dieser Organisation,
mit Putin „gemeinsam zu gehen“.
Teenagern in Putin-T-Shirts, die zu pro-Putin-Demonstrationen
gebracht worden sind, fällt es oft
schwer zu erklären, warum sie dort
sind. Es gab Gerüchte, Studentinnen
und Studenten seien mit Sanktionsdrohungen
ihrer Universitäten zur Teilnahme
genötigt worden. Der Führer
der Bewegung, W. Jakemenko, der bisher
für die Kreml-Aministration arbeitete,
sprach von Jabloko als einem der „Hauptfeinde
Russlands“. Doch anscheinend blieb
die Entwicklung der Bewegung hinter den
Erwartungen zurück (sie hat sogar
eine kleine Gegenbewegung sprießen
lassen: „Ohne Putin gehen“),
denn der Kreml bereitet jetzt den Start
einer neuen vor, die passenderweise „Unsere“
heißen soll. Jakemenko meint, sie
werde es schaffen, „die orangene
Revolution und das Eindringen der Amerikaner
zu stoppen“.30 In
einigen Regionen hat die Partei „Ein
Russland“ sogar Schulkinder in einer
Organisation „Kleine Bären
von Russland“ (der Bär ist
das Symbol der Partei) organisiert, was
eindeutig illegal ist.31
Es hat auch Versuche gegeben, bestehende
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in
ein von der Regierung dominiertes Netzwerk
einzupferchen, um staatliche Kontrolle
zu ermöglichen. So zumindest wurde
das „Bürgerforum“, eine
von der Regierung finanzierte Initiative,
die im Herbst 2003 Vertreter eines breiten
Spektrums von NGOs zusammenbrachte, von
Menschenrechtsgruppen wahrgenommen. Letztere
widersetzten sich erfolgreich jedem Versuch,
das Forum zu benutzen, um eine staatsfinanzierte
Dachorganisation zu schaffen, und die
Sache schien damit erledigt zu sein. Aber
viele sehen in der neuen „Öffentlichen
Kammer“ einen erneuten Versuch,
Organisationen der Zivilgesellschaft in
die „Vertikale der Macht“
einzubinden. Der Leiter der Moskauer Helsinki-Gruppe
sagte dazu: „Eine verrückte
Idee. Sobald man die Zivilgesellschaft
in einer ‚Vertikale der Macht‘
organisiert, hört sie auf, eine Zivilgesellschaft
zu sein. Sie wird ein klägliches
Anhängsel der Regierung. Und sie
wird zerstört.“32
Dass der Kreml Probleme mit Menschenrechtsorganisationen
hat, sogar mit schwachen, wurde klar,
als Putin in Bezug auf nicht benannte
NGOs warnte, dass „Freiheit verantwortungsbewusst
sein sollte“ und dass manche zu
interessiert an ausländischen Geldern
seien. 33 Das
war eine Botschaft an die „Ordnungskräfte“,
diese Leute im Auge zu behalten. In diesem
Zusammenhang muss man auch die Kultivierung
einer gewissen „Festungsmentalität“
als einer Möglichkeit, die Unterstützung
im Volk zu festigen, erwähnen. Man
wird sich erinnern, dass Putin seine Popularität
anfangs seinen harten Sprüchen über
Tschetschenien verdankte. („Wir
werden sie in den Klos versenken.“)
In jüngerer Zeit haben er und seine
Berater offen angedeutet, Russland sei
im Visier feindlicher westlicher Kräfte.
(Diese Behauptung hat eine gewisse Berechtigung,
aber sicher nicht als Rechtfertigung für
Putins Politik.) Gleichzeitig ist der
Kreml recht lässig gegenüber
nationalistischen Persönlichkeiten
und Bewegungen – wobei „nationalistisch“
in Russland allzu oft „rassistisch“
gegenüber ethnischen Minderheiten
bedeutet – und erlaubt ihnen sogar,
ihre Ansichten zur besten Sendezeit im
Fernsehen zu verbreiten. Die Polizei bestreitet
meist das rassistische Element bei ethnischen
Verbrechen und bezeichnet sie als „Hooliganismus“.34
Es wäre falsch zu behaupten, das
Regime selbst sei rassistisch oder fremdenfeindlich,
obwohl es zweifellos solche Elemente im
Regierungsapparat gibt. Aber das Spiel
mit solchen Stimmungen findet ein Echo
bei bedeutenden Teilen der Bevölkerung.
Schließlich inspirierte der Kreml
die Gründung von Rodina, um die „patriotischen“
Stimmen von den Kommunisten abzuziehen.
Fünfzehn Duma-Abgeordnete von Rodina
unterzeichneten eine Petition an den Generalstaatsanwalt
und verlangten am Vorabend des sechzigsten
Jahrestags der Befreiung von Auschwitz
das Verbot aller religiösen und ethnischen
jüdischen Organisationen. Um sich
gegen die Beschuldigung der Verbreitung
von Rassenhass zu verteidigen, schrieben
sie: „Wir möchten Ihnen, Herr
Generalstaatsanwalt, versichern, dass
es eine große Zahl gut belegter
Fakten gibt, die zu einer unbestreitbaren
Schlussfolgerung führen: Die negative
Einstellung russischer Patrioten gegenüber
typisch jüdischen Eigenschaften und
Handlungen gegenüber Nicht-Juden
basiert auf wahren Tatsachen; mehr noch
sind diese Handlungen nicht zufällig,
sondern vom Judaismus diktiert und Praxis
seit 2000 Jahren. Daher sind Erklärungen
und Publikationen gegen Juden Selbstverteidigung,
die stilistisch nicht korrekt sein mag,
im Kern aber berechtigt ist.“35
Es mag sein, dass der Kreml die Kontrolle
über sein Geschöpf verloren
hat, aber andererseits stellt er sich
auch nicht dagegen. Solche „patriotischen“
Ansichten gewinnen Respektabilität
und die seltenen Verurteilungen des Kremls
klingen hohl in diesem Zusammenhang.
2003:
Jelzins Staatsstreich beendete ein kurzes
demokratisches Zwischenspiel.
WARUM
„GELENKTE DEMOKRATIE“
Eine
schwache Arbeiterklasse ist eine notwendige
Vorbedingung der „gelenkten Demokratie“,
aber alleine nicht ausreichend. In Bezug
auf Argentinien wurde glaubwürdig
argumentiert, dass die Schwächung
der Arbeiterklasse und der linken Bewegungen
(unter repressiven Diktaturen, als Ergebnis
neoliberaler Umstrukturierungen und als
Konsequenz des Zusammenbruchs des sowjetischen
Lagers) die „Welle der Demokratisierung“
ermöglichte, die jüngst die
Region überspülte. Die Bourgeoisie
versöhnte sich mit der mit der Demokratie
notwendigerweise verbundenen Unsicherheit
hinsichtlich ihrer nachrangigen Interessen,
da sie sich jetzt sicher fühlt, dass
die von ihr als entscheidend betrachteten
Interessen nicht bedroht werden.36
Russland hingegen hat sich von einer,
wenn auch kurzlebigen, Demokratie zu einer
„gelenkten Demokratie“ bewegt.
Um diese Frage zu beleuchten, ist es erforderlich,
die Beziehungen zwischen der Exekutivmacht
und der neu gebildeten Bourgeoisie zu
untersuchen.
Interessen
der Exekutive
Wie
bereits erwähnt verfolgte Jelzins
Staatstreich vom Oktober 1993, der das
kurze demokratische Zwischenspiel beendete,
zwei miteinander verknüpfte Ziele.
Das eine war es, weiter die Umsetzung
der Schocktherapie zu erlauben. Das andere
war es, die Staatsbürokratie und
ihr Umfeld von allen Beschränkungen
beim großen Raub des nationalen
Wohlstands zu befreien. 37
Das erste Ziel wurde weitgehend erreicht.
Es zeichnet sich keine politische Kraft
ab, die daran interessiert wäre,
die Volksmassen zum Wechsel der Wirtschaftspolitik
hin zu einer national orientierten Entwicklung
zu mobilisieren. (Das Chávez-System
in Venezuela kann trotz seines derzeitigen
Übergangscharakters als Beispiel
für einen solchen Wechsel dienen.)
Dies wurde durch das kurze Zwischenspiel
der Primakow- Regierung im Herbst und
Winter 1998/99 klar. Obwohl Primakow einen
Ruf als „staatsorientierter“
Führer (gosudarstwennik) hatte und
einige Versuche machte, gegen Korruption
vorzugehen, betrieb er doch dieselbe Sparpolitik
wie seine Vorgänger, bei der Kürzung
öffentlicher Ausgaben und Kontrolle
der Inflation höchste Priorität
hatten. Tatsächlich brachte er mit
Unterstützung der Kommunistischen
Partei den liberalsten Haushalt in der
Geschichte des neuen russischen Staats
durch.38 Seine
Regierung hatte keinerlei Versuche gemacht,
Unterstützung im Volk zu mobilisieren
und so gab es keine Proteste, als Jelzin
ihn brüsk hinauswarf, sobald die
Wirtschaft sich zu erholen begann. Auch
für Luschkows abgewürgte Präsidentschaftskandidatur
gegen Putin war Wirtschaftspolitik kein
besonderes Thema, obwohl Luschkow sich
gerne als Unterstützer des „nationalen
Kapitals“ zur Schau stellte und
– als Multimillionär –
in Arbeitermütze herumstolzierte.
Seine Kandidatur löste bei der Bourgeoisie
keinen erkennbaren Alarm aus. Aber Luschkow
besaß eine eigene Machtbasis, und
das machte ihn für Jelzins „Familie“,
den herrschenden Oligarchieclan, der nach
dem Abtritt des Patriarchen nach stärkeren
Sicherheitsgarantieren strebte, inakzeptabel.
Auch nach Erreichen des ersten Ziels des
Putschs von 1993 behält das zweite
– freie Bahn für die Exekutive
und ihre Freunde zur Plünderung der
Reichtümer der Nation – seine
Bedeutung, um Festigung und Stärkung
der „gelenkten Demokratie“
zu erklären. Jelzin entschied sich
für Putin, weil er meinte, sich auf
seine Loyalität verlassen zu können.
Dies zum einen, weil Putin, der aus dem
politischen Nichts kam, über keine
unabhängige Machtbasis verfügte.
(Über irgendwelche speziellen Hebel,
mit denen die Jelzin-„ Familie“
Putin vielleicht kontrolliert, kann man
nur spekulieren.) Aber es ist nur natürlich,
dass Präsident Putin seine Macht
durch Ernennung vertrauenswürdiger
Personen für Schlüsselpositionen
konsolidieren wollte. Diese kamen hauptsächlich
aus zwei Quellen: frühere Kollegen
und Bekannte aus St. Petersburg und Beamte
aus verschiedenen „Machtstrukturen“
(FSB, Militär und andere Apparate
der Staatsmacht): Obwohl Nachzügler,
waren sie doch flink dabei, ihre Positionen
auszunutzen, um sich einen Anteil vom
Reichtum zu sichern. Unabhängig von
ihren ideologischen Neigungen lässt
dieses Hauptinteresse sie von der Durchsetzung
der Rechtsstaatlichkeit und der Respektierung
des Eigentums abrücken, obwohl Putin
und sein Kreis auf anderer Ebene erkannt
haben, dass solche Dinge erforderlich
sind, um Investitionen anzulocken. Aus
ähnlichen Gründen wehren sie
sich gegen eine echte Demokratie, die
ihr Verbleiben im Amt und damit den Schlüssel
zur Selbstbereicherung bedrohen würde.
Ein Beobachter bemerkte: „Die Gro-ßen
der Macht und des Besitzes sind in Putins
Russland so eng verbandelt, dass ein Wechsel
der Spitzen der Macht zugleich eine neue
Runde der Umverteilung des Besitzes eröffnen
würde, die dem inneren Kreis des
Kremls und seinen Schützlingen das
Errungene wieder abnehmen würde.
Das Beispiel des früheren ukrainischen
Präsidenten Leonid Kutschma bietet
schreckliche Aussichten für Russlands
regierende Elite.39
Manche
werten Chodorkowskis Verurteilung als
Zeichen der
Entschlossenheit des Kremls, Rechtsstaatlichkeit
durchzusetzen.
Putin hat die Spitzen des staatseigenen
Energiesektors mit führenden Kreml-Leuten
besetzt. Er erklärt, dass er die
Staatskontrolle dieser Firmen stärken
und die Korruption bekämpfen wolle.
Aber I. Lebedew, Duma-Abgeordneter von
Putins Partei „Ein Russland“,
sagte dazu: „Nennt mir nur einen
Vertreter eines Staatsunternehmens, der
kein Multimillionär ist.“ Geschäftsleute
pflichten dem bei: „Das erinnert
mich sehr an das, was Anfang der 1990er
Jahre geschah. Für eine Reihe von
Menschen, die für den Staat arbeiten,
sind alle Grenzen gefallen. Diese Menschen
bemühen sich, die Finanzflüsse
zu ihren Gunsten umzuleiten, und versuchen,
die Hebel des Staats zu ihrem eigenen
Vorteil einzusetzen. Dies ist der Osten.
Da gibt es einen neuen Clan, und diesem
Clan ist alles vergeben.“40
Putin hat einen Großteil der Spitzenkräfte
von Gasprom und dessen Tochtergesellschaften
ausgetauscht und durch Leute aus St. Petersburg
ersetzt. Gasprom ist mit 27 Mrd. US- $
eins der größten Unternehmen
der Welt und wichtigste Quelle für
Auslandseinkünfte. Doch nach allem,
was man hört, ist seine Funktionsweise
nicht viel transparenter geworden. Dem
Hermitage Capital Management zufolge,
einem großen russischen Vermögensfonds,
der Gasprom- Aktien hält, gehen jährlich
fast 800 Mio. $ Einnahmen aus dem Transport
von Erdgas durch eigene Pipelines aus
Turkmenistan über die Ukraine weiter
nach Westen an eine mysteriöse Zwischenfirma
mit Sitz in Ungarn, die Menschen verschiedener
Nationalität gehört, hinter
denen aller Wahrscheinlichkeit nach Mitglieder
des Kreml-Clans stehen. 41
Neben dem Abschöpfen des Vermögens
der Staatsunternehmen und der Annahme
von Bestechungen für lukrative Lieferaufträge,
bereichern sich die Mitglieder der Administration
durch Einziehen von Tributen verschiedenster
Form für diverse „geleistete
Dienste“ bis hin zu offen mafiösen
„Schutzgeldern“.42
Ein Geschäftsmann drückte es
so aus: „Die Bürokraten machen,
was sie wollen. Wer nicht ‚geschützt‘
ist, kann sein Geschäft verlieren.“
Als besten Weg, den ganzen Ärger
mit Gesetzen und Vorschriften zu vermeiden,
empfahl er, örtliche Amtsträger
als Partner aufzunehmen. Ohne so recht
einen Schuldigen zu wissen, fiel ihm auf,
dass in Russland alles „oben beginnt
und sich nach unten bewegt“.43
Kreml- Insider Gleb Pawlowsky betonte,
dass Korruption ein qualitativ neues Niveau
erreicht hat: „Sie ist nicht länger
ein Phänomen, sondern alltäglich.“
Züge von Korruption durchziehen die
Staatsbürokratie von oben bis unten.
„Das ist eine bedeutende Schicht,
Millionen von Menschen. 44
Man schätzt, dass gewöhnliche
Bürger insgesamt mindestens 37 Milliarden
Dollar jährlich aufwenden, um verschiedene
Amtsinhaber zu bestechen, während
Unternehmen etwa 33,5 Milliarden zahlen.
Die korruptesten Beamten sind die, die
für Exportlizenzen und -quoten, Subventionen,
Steuerbescheide, Führung von Staatsbankkonten,
Überwachung von Regionsschulden und
Privatisierungen zuständig sind.
Die üblichen Provisionsraten der
Bürokraten liegen bei zehn bis dreißig
Prozent, und sie steigen. Die letzte Ausgabe
des Jahresbands Corruption Perceptions
Index von Transparency International aus
dem Oktober 2004 platzierte Russland auf
Platz 90 seiner Weltliste der „Unbestechlichkeit“
– zusammen mit Gambia.45
Manche werten Chodorkowskis Verurteilung
als Zeichen der Entschlossenheit des Kremls,
Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen. Aber
diese Ansicht wird durch die groben Ungesetzlichkeiten
Lügen gestraft, von denen die Aktionen
des Staates gekennzeichnet waren, angefangen
mit der selektiven Verurteilung dieses
einen Oligarchen für Verbrechen,
die der ganzen Gruppe gemein sind, bis
hin zum Zwangsverkauf der Jukos- Tochter
Juganskneftegas an die staatseigene Rosneft
in einer manipulierten Auktion und über
einen windigen Zwischenhändler. Ein
Beobachter bemerkte dazu: „Das Regime
wählte die Gesetze der Unterwelt
um die Herrschaft des Gesetzes durchzusetzen.“46
Wahrscheinlich waren im Fall Chodorkowski
verschiedene Motive im Spiel, darunter
der Wunsch des Kremls, die Oligarchen
zu erschrecken, damit sie mehr Steuern
bezahlen. Aber im Kern war es, wie ein
anderer Beobachter es so treffend ausdrückte,
„eine Revolte der Dollar-Millionäre
[derStaatsadministration] gegen die Dollar-Millionäre
[die Oligarchen]“.47
Chodorkowski war Russlands wohlhabendster
Oligarch und saß auf einem riesigen
Ölimperium. Anscheinend war er der
Meinung, dass er genug mit Unterstützung
des Staates gestohlen habe und dass er
nun groß genug sei, es alleine zu
machen, oder allgemeiner, dass für
Unternehmen die Zeit gekommen sei, aus
dem Schatten in einen auf Gesetze gestützten
Rahmen zu treten, der ihre Sicherheit
gegen willkürliche Eingriffe des
Staats garantieren könnte. Er führte
transparente, westliche Rechnungslegungsmethoden
in seinen Unternehmen ein, stellte Spitzenverwaltungskräfte
aus dem Westen ein, pflegte internationale
Beziehungen und sprach mit Exxon-Mobile
über den Verkauf von Anteilen an
seinen Holdings. All dies als Absicherung
gegen den Staat, der ihm nachstellte.
Seine Unterstützung oppositioneller
Parteien sollte ebenfalls als Versuch
des Aufbaus einer unabhängigen Machtbasis
gesehen werden. Es versteht sich von selbst,
dass dies Putins Funktionäre, die
kurz davor standen, ihrer Quelle der Selbstbereicherung
beraubt zu werden, rasend machte. Die
Oligarchie musste daran erinnert werden,
wer Herr im Hause ist. Es ist dieses Interesse
der Staatsadministration, Putins hauptsächlicher
Machtbasis, das ihn daran hindert, den
Rechtsstaat einzuführen, selbst wenn
dies dem Staat als solchem durch Förderung
von Investitionen, Begünstigung wirtschaftlicher
Umstrukturierungen und Wachstum nützen
und die Unterstützung im Volk stärken
würde.
Die
Oligarchen errangen ihr Kapital durch
den staats-
gestützten Diebstahl des Reichtums
der Nation.
Die
Oligarchen
Gemessen
an ihrer schwachen politischen Reaktion
scheint die breite Mehrheit der Oligarchen
Chodorkowskis Ambitionen nicht zu teilen,
obwohl sie von den Aktionen des Kremls
zweifellos erschüttert waren: Die
Kapitalflucht verdreifachte sich 2004
auf nahezu 8 Milliarden Dollar und der
Anteil der Anlageinvestitionen fiel von
12,9 auf 10 Prozent.48
Aber der schwache politische Protest der
Oligarchen war nicht nur durch ihre Angst
vor dem Kreml motiviert; er hatte tiefere
Wurzeln. Denn viel mehr noch als die Willkür
der Exekutivgewalt fürchten die Oligarchen
die Gesellschaft. Sie errangen ihr Kapital
durch den staatsgestützten Diebstahl
des Reichtums der Nation, der 1991 zum
größten Teil in öffentlicher
Hand war. Viel zu wenig Zeit ist vergangen,
um die Erinnerung an diese Erbsünde
auszulöschen. Umfragen zeigen, dass
die breite Mehrheit aller Russen (bis
zu 80 Prozent) alles Großkapital
als unehrenhaft zusammengerafft betrachtet.
Eine stabile Mehrheit fordert die Revision
der Privatisierung von 1990 und würde
die strafrechtliche Verfolgung der Oligarchen
befürworten. Ohne Zweifel verschaffte
Putin die Verhaftung Chodorkowskis einen
mächtigen Popularitätsschub.49
Der (sehr liberale) Autor einer größeren
Studie über die russische Privatisierung
drückte es so aus: „Den neuen
Besitzern fehlt stets die Legitimität,
die für ein stabiles politisches
Klima und dauerhafte Investitionen und
Wirtschaftswachstum erforderlich sind.
Nach Errichten eines fehlerhaften Fundaments
müssen die Baumeister damit leben,
dass ihr Gebäude der Privatisierung
sich immer wieder setzt, Risse bekommt
und vielleicht sogar einstürzt. Selbst
mit einem System von Beschränkungen,
das die juristischen Möglichkeiten
von Rückabwicklungen begrenzt, leben
die Besitzer privatisierter russischer
Unternehmen in ständiger Ungewissheit
und wissen, dass sie früher oder
später für den Einsatz illegaler
Methoden beim Erlangen der Kontrolle über
ihre Unternehmen zur Rechenschaft gezogen
werden können.“50
Auf einem Treffen mit Oligarchen versuchte
Putin sie vor kurzem zu beruhigen, dass
ihnen keine Verfolgung wegen der Verbrechen
bei der Aneignung ihrer Vermögen
drohe, aber einer der Teilnehmer sagte
hinterher: „Niemand wird uns je
eine ultimative Garantie in der Frage
der Privatisierungen geben.“51
Der kriminelle Ursprung ihrer Reichtümer
würde auf den Oligarchen nicht so
schwer lasten, wenn sie nicht grundsätzlich
eine parasitäre Klasse wären.
Forbes zufolge hat Russland 27 Milliardäre,
eine Zahl, die nur von den USA übertroffen
wird, deren Wirtschaft aber auch 31-mal
stärker ist. Die Oligarchen stehen
für fast ein Drittel der gesamten
persönlichen Einkommen in einem Land,
in dem einer von fünf Bewohnern unter
der offiziellen Armutsgrenze von 38 Dollar
pro Monat lebt. Praktisch all ihr Reichtum
entstammt, wie bereits erwähnt, der
Besitzübernahme vom Staat. Sie haben
wenig Neues aufgebaut. Sie halten soviel
ihres Vermögens wie möglich
im Ausland, investieren relativ wenig
in Russland und haben der Masse der arbeitenden
Bevölkerung, deren Realeinkommen
trotz rasanten Wirtschaftswachstums stagnieren
oder fallen, wenig Nutzen gebracht. (Kürzlich
erklärten in einer Meinungsumfrage
36%, sie würden zur Zeit „vor
1985“ (also vor Gorbatschow und
Perestroika) zurückkehren, wenn dies
möglich wäre, 28% sagten, dass
das Leben damals wie heute gleich schlecht
war und nur 27% bevorzugen die Gegenwart.
52) Dazu der
britische Historiker A. Lieven: „Ihr
Wohlstand tröpfelt herunter, aber
nicht in Russland, was den extrem hässlichen,
ungerechten und vor allem nutzlosen Charakter
der russischen Oligarchen widerspiegelt.“53
36% würden zur Zeit „vor 1985“
(also vor Gorbatschow und Perestroika)
zurückkehren, 28% sagten, dass das
Leben damals wie heute gleich schlecht
war….
Gramsci
analysierte, dass die Hegemonie der Bourgeoisie
einen Kompromiss mit den untergeordneten
Klassen erfordert, deren wirtschaftliche
Interessen berücksichtigt werden
müssen, natürlich ohne die sozio-ökonomische
Dominanz der Bourgeoisie völlig zu
unterhöhlen.54
Es muss die Auffassung herrschen, dass
die Bourgeoisie mit ihrem normalen Wirtschaften
und ihrem Aneignen des Mehrwerts eine
gesamtgesellschaftliche Funktion ausübt,
dass nämlich die Profite reinvestiert
werden, um die Produktion zu steigern,
und auch die anderen Klassen ihren Nutzen
haben. Dies scheint die Minimalbasis für
die Arbeiterklasse zu sein, in einer kapitalistischen
Demokratie ihre demokratischen Rechte
nicht zu nutzen, um die Herrschaft der
Bourgeoisie in Frage zu stellen. Eine
solche Basis fehlt in Russland vollständig.
Nicht dass die Bourgeoisie Aufstände
fürchtet, die heute sehr unwahrscheinlich
scheinen – obwohl das Vertrauen
in Putins Fähigkeit, die Klassen
des Volkes zu kontrollieren, von der Rentnerrevolte
im letzten Januar schwer erschüttert
wurde. Aber für einen Oppositionsführer,
wenn er sich herausbilden würde,
wäre es sehr verlockend, die bestehende
negative Stimmung im Volk gegen die Oligarchen
zu schüren. Selbst westlich orientierte
russische Intellektuelle, die sich als
Befürworter der Demokratie sehen,
warnen potenzielle demokratische Führer
vor „wildem Populismus“, der
den Markt zerstören würde, wenn
er zu bolschewistischen Mitteln greift
und zum Ausgleich von Ungerechtigkeiten
von den Reichen nimmt.“55
Putin war natürlich auch nicht immun
gegen „populistische“ Versuchungen,
aber seine liberale Politik, die auch
von seiner Basis in der Administration
einschließlich der „Machtstrukturen“
(frühere KGB-ler sind eifrig dabei,
eigene Geschäftsimperien mit Unterstützung
des Kremls aufzubauen) im Allgemeinen
unterstützt wird und gewaltige Wirtschaftsmacht
in den Händen des Privatkapitals
belässt, setzt klare Grenzen, wie
weit dieser „Populismus“ gehen
kann. Obwohl die Willkür der Exekutive
(im Moment hauptsächlich seitens
der Steuerbehörden) eine Quelle der
Unsicherheit für die Bourgeoisie
ist, ist sie doch für die Oligarchen
weit weniger bedrohlich als die Unsicherheit,
die von der Aussicht auf Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit ausgeht. Die schwachen
sozialen und ideologischen Wurzeln der
russischen Bourgeoisie zwingen sie, sich
an einen „starken“ Staat als
Hauptverteidigungslinie zu klammern. Sie
hat keine zuverlässige zweite Verteidigungslinie
in der Zivilgesellschaft, etwas, was Gramsci
schon über die russische Gesellschaft
vor der Revolution von 1917 in seiner
Diskussion von Revolutionsstrategien ausführte:
„Im Osten war der Staat alles, die
Zivilgesellschaft war in ihren Anfängen
und gallertenhaft. Im Westen bestand zwischen
Staat und Zivilgesellschaft ein richtiges
Verhältnis, und beim Wanken des Staates
gewahrte man sogleich eine robuste Struktur
der Zivilgesellschaft. Der Staat war nur
ein vorgeschobener Schützengraben,
hinter welchem sich eine robuste Kette
von Festungen und Kasematten befand"56
(Die schwachen sozialen und ideologischen
Wurzeln der Sowjetbürokratie als
herrschender „sozialer Schicht“
waren auch zentral für Trotzkis Erklärung
des entstandenen gewaltigen totalitären
Überbaus.57)
Es ist eher diese Schwäche als die
Furcht vor der Exekutivmacht, die das
Fehlen politischer Reaktionen im Fall
Chodorkowski erklärt. „Was
als erfolgreiche und notwendige politische
Kampagne Putins gegen Chodorkowski begann,
hat sich in eine fragwürdige wirtschaftliche
Transaktion verwandelt“, bemerkte
ein russischer Beobachter. „Die
Oligarchen freuen sich wie die Schneekönige.
Sie waren besorgt, dass sich die Spielregeln
ändern könnten, aber stattdessen
hat Putin nur eine persönliche Rechnung
mit einem extrem umtriebigen politischen
Hooligan beglichen. Und das bedeutet,
so seltsam es klingt, dass Chodorkowski
einen moralischen Sieg errungen hat.“58
Aber abgesehen davon würde die Einführung
stabiler „Spielregeln“ und
wirklich chancengleicher Wahlen die „speziellen“
und sehr lukrativen Beziehungen bedrohen,
die die Oligarchen mit verschiedenen Teilen
der Exekutivmacht, einschließlich
Putin selbst trotz seiner anfänglichen
Versicherungen, alle Oligarchen auf gleichem
Abstand vom Kreml zu halten und ihnen
keine Vorrechte gegenüber kleinen
und mittleren Geschäftsleuten zu
gewähren, aufgebaut haben. Dank solcher
spezieller Beziehungen gelang es kürzlich
dem Top- Management der Stahlwerke Magnitogorsk,
Russlands berühmtesten Stahlproduzenten,
die restlichen Staatsanteile an dem Unternehmen
auf einer manipulierten Auktion zu Schleuderpreisen
zu erwerben. 59
Ähnlich wurde der Steuerbescheid
der Telekommunikationsfirma Vimpelkom
vom 157 Millionen Dollar auf 17,6 Millionen
Dollar reduziert – nach einer persönlichen
Intervention des Ministers für Finanzen
und wirtschaftliche Entwicklung. Mehrheitseigentümer
von Vimpelkom ist der bekannte Oligarch
Michail Fridman von der Alpha-Gruppe.60
Ein Vergleich der Behandlung von Vimpelkom
mit der von Jukos, wo es aufgrund von
Steuerforderungen praktisch zu einer Enteignung
kam, spricht für sich selbst. Wenn
Chodorkowski meinte, er wäre so weit,
sich vom Paternalismus des Staats zu befreien
und sogar selbst dem Staat die Bedingungen
zu diktieren, so scheint die Mehrheit
der Oligarchen mit dem jetzigen System
ganz zufrieden zu sein. Kleinunternehmer
sehen die Dinge vielleicht anders. Aber
deren ökonomisches und politisches
Gewicht ist vernachlässigbar.
Bisher ist keine politische Alternative
entstanden, die die Unzufriedenheit kanalisieren
könnte.
Perspektiven
Das
wahrscheinlichste Szenario für die
unmittelbare Zukunft ist eher wie gehabt,
also eine „gelenkte Demokratie“
mit der Betonung auf „gelenkt“.
Administration und Regierung scheinen
um diese Option und um die Person Putin
vereint; das könnte sich ändern,
wenn Putin nicht mehr als Garant der Stabilität
gesehen wird. Die Präsidentschaftswahlen
2008 werden sicher ein kritischer Moment
sein, da die derzeitige Verfassung Putin
nicht erlaubt, ein drittes Mal zu kandidieren.
Es gibt viel Spekulation über seine
Pläne und einige meinen, er werde
nicht abtreten. Die Alternative wäre,
dem Beispiel Jelzin zu folgen: einen geeigneten
Nachfolger zu suchen und ihm im Volk ein
Image aufzubauen. Ein Wechsel zu einer
offenen Diktatur scheint nicht sehr wahrscheinlich,
zumindest unter den gegenwärtigen
Umständen. Eine Diktatur wäre
für westliche Führer, die Putin
auch als Garant der Stabilität sehen,
zu Hause schwer zu verkaufen. Sie wäre
auch schwierig für den Kreml, der
erfolglos nach einer „nationalen
Idee“ – schwierig in einem
Land, in dem den politischen und ökonomischen
Eliten jegliche Ziviltugenden fehlen –
zur Rechtfertigung innerhalb Russlands
gesucht hat. Der Kreml und die Bourgeoisie
waren in letzter Zeit sichtbar beunruhigt
durch die „farbigen Revolutionen“
und die Rentnerproteste. Diese Proteste
zeigten, dass auch in Russland die Klassen
des Volks eine Mobilisierungskraft haben
(trotz des Fehlens einer organisierten
Arbeiterbewegung, die aber auch in der
„orangenen Revolution“ der
Ukraine fehlte). Aber bisher ist keine
politische Alternative entstanden, um
die Unzufriedenheit des Volkes zu kanalisieren.
Und der Kreml unternimmt alles, damit
das so bleibt. Aber man kann für
das Regime erwarten, dass sich der autoritäre
Trend fortsetzt. Das ist nur teilweise
eine nervöse Reaktion auf die „farbigen
Revolutionen“. Die zunehmende Kontrolle
der Gesellschaft ist auch eine typische,
wenn auch letztlich nutzlose Reaktion
auf die eigene Schwäche des Regimes,
im Sinne seiner begrenzten Fähigkeit,
seine gesetzten Ziele zu erreichen, sei
es die „Befriedung“ Tschetscheniens
und das Verhindern des Übergreifens
des Konflikts auf das russische Kernland,
oder die Umstrukturierung der Wirtschaft
und das Anlocken ausländischer Investitionen,
der Stopp des militärischen und geopolitischen
Abstiegs Russlands, das Durchführen
einer Justizreform, das Zurückdrängen
von Korruption und Gewaltverbrechen, das
Streichen von Sozialleistungen ohne Auslösen
von Massenprotesten und Chaos oder das
Finden einer Integrationsideologie für
die Gesellschaft, und die Liste könnte
leicht fortgesetzt werden. Dies sind die
wichtigeren politischen Misserfolge eines
Regimes, das das Glück hatte, in
Zeiten rekordhoher Ölpreise im Öl
zu schwimmen. Dies, zusammen mit der inhärent
instabilen Natur der „gelenkten
Demokratie“, sollte uns daran erinnern,
dass Russland nicht immun gegen „farbige
Revolutionen“ ist. Welchen wirklichen
Wandel diese „Revolutionen“
beim Fehlen einer organisierten Volksalternative
mit eigenem Programm tatsächlich
bringen, ist natürlich eine andere
Frage.
(1)
Der Mittelasienexpertin Martha Brill
Olcott zufolge wurde das Akajew-
Regime trotz Autoritarismus und
Korruption als „Insel der
Demokratie“ in er von Diktaturen
dominierten Region betrachtet. Le
devoir (Montreal) 3.4.2005, S. A-10. |
(2)
US-Außenministerin Rice sagte
zum Bratislawa-Gipfel im Februar
2005 zwischen Bush und Putin: „Washingtons
Botschaft an Moskau war herzlich
aber bestimmt hinsichtlich der Furcht
vor einem wachsenden Autoritarismus
unter Putin.“ (Reuters, 28.2.2005,
nach Johnson‘s Russia List
Archiv (http:/ /www.cdi.org/russia/johnson).
Einige Monate zuvor hatten hundert
politische und intellektuelle Persönlichkeiten
aus Westeuropa und Nordamerika einen
„Offenen Brief an die Staats-
und Regierungschefs der Europäischen
Union und der NATO“ veröffentlicht,
in dem sie Putin wegen der Bedrohung
der Demokratie in Russland verurteilen.
(E. Kraus, „Return to Sender“,
Moscow Times, 6.10.2004.) |
(3)
Siehe M. Roche, La démocratie
confisquée, Paris, l‘Harmattan,
2000. |
(4)
D.Seppo, „Comment Eltsine
a volé l‘élection“,
Inprecor, Sept. 1996, S. 24-27 –
deutsch in Inprekorr Nr. 300, S.
13 (1996). |
(5)
Der frühere Chefökonom
der Weltbank Stiglitz, der wegen
seines Infragestellens des „Washingtoner
Konsenses“ ganz unfeierlich
entlassen wurde, sagte in einem
Interview, dass die von der Weltbank
geförderte Privatisierung besser
„Bestechisierung“ genannt
werden könnte: Nationale Führer
berufen sich auf die von den internationalen
Finanzinstitutionen gesetzten Bedingungen,
um den Verkauf öffentlicher
Unternehmen zu rechtfertigen, während
sie einen strammen Prozentsatz abschöpfen,
der auf Schweizer Bankkonten deponiert
wird. Als eins der skandalösesten
Beispiele führte er das „Loans
for shares“-Abkommen (Kredite
für Aktien) in Russland an,
eine Riesenausschüttung öffentlicher
Unternehmen im Tausch für Provisionen,
die Jelzins Wiederwahl 1996 finanzierten.
Dazu sagte Stiglitz: „Die
Sicht des USFinanzministeriums war,
dass dies hervorragend war, weil
wir die Wiederwahl Jelzins wollten.
Uns war egal, ob es eine korrupte
Wahl war. Wir wollten, dass das
Geld bei Jelzin ankam.“ (G.
Palast, The Best Democracy Money
Can Buy, London: Robinson, 2003,
S. 152.) |
(6)
Für ein Beispiel dieser Methoden
in den jüngsten Regionalwahlen
siehe: A. Yagodkin, „Edinaya
Rossiya i vybory v Voronezhskoi
oblasti“, Novaya gazeta, Nr.
21, 2005. Zum Wahlbetrug bei Putins
zweitem Präsidentschaftswahlkampf
siehe: R. Colson, „TsIK Moves
to Cut off Discussion of the Presidential
Election“, RFE/RL Russian
Political Weekly, Bd. 4, Nr. 13,
7.4.2004. |
(7)
J. Bransten, „Public Chamber
Criticized as ,Smokescreen‘“,
RFE/RL Russian Political Weekly,
Bd. 5, Nr. 13, 1.4.2005. |
(8)
J. Page, „Judges Take Stand
against Putin“, The Times
(UK), 19.3.2005; P. Finn, „Putin
Close to Winning New Power Over
Judiciary“, Washington Post,
2.10.2004. |
(9)
L. Nikitina, Yu. Kolesov, „Yuridicheskaya
ugroza,“ Vremya Novostei,
28.1.2005. Der Vorsitzende des Obersten
Gerichts, V. Zorkin, sagte: „Das
Ergebnis der Justizreform hat dazu
geführt, dass Richter nun noch
korrupter und noch abhängiger
von der Regierung sind.“ (V.Gryaznevich
„Subjugated Court System Stifles
Battle With Corruption“, St.
Petersburg Times, 28.12.2004.) |
(10)
„Two-thirds of Russians don't
trust police - survey“, Reuters,
1.3.2005 (aus Johnson‘s Russia
List Archiv: http://www.cdi.org/russia/johnson).
Über Gesetzlosigkeit und Brutalität
der Polizei siehe: Yu. Latynina,
„Zvonok Putinu“, Novaya
gaezta, Nr. 57, 2004. |
(11)
M. Khairullin, „Izbityi gorod“,
Novaya gazeta, Nr. 1, 2005. |
(12)
A. Pavlova, „Mezhdu vlast‘yu
i obshchestvom“, Literaturnaya
gazeta, Nr. 12-13, 30.3.2005. |
(13)
P. Rutland, „Russia: Democracy
Dismantled“, Jamestown Foundation
Eurasia Daily Monitor, 10.1.2005.
Die Ernennungen bedürfen der
Bestätigung durch die lokalen
Legislativen. Der Präsident
hat jedoch das Recht, die Volksvertretungen
auszulösen, wenn sie sich dreimal
weigern, seinen Vorschlag zu bestätigen. |
(14)
Für eine Erklärung der
Schwäche der Arbeiterklasse
siehe: D. Mandel, Labour After Communism,
Montreal, Black Rose Press, 2004,
Kap. 1-3. |
(15)
Für ihre Rolle beim Untergraben
der letzten großen Mobilisierung
der Arbeiterklasse im Sommer 1998
siehe: Mandel, Labour After Communism,
S. 112-21. |
(16)
L. Shevstova, Putin‘s Russia,
Washington D.C., Carnegie Endowment
for International Peace, 2003, S.
190-91. |
(17)
M. Shakina, „Vladimir Putin:
the Agony of Right-Wingers“,
RIA Novosti, 24.3.2004, (von Johnson‘s
Russia List, http://www.cdi.org/russia/
johnson/8134-4.cfm). Siehe auch:
Shevstova, Putin‘s Russia,
S. 50-52, 183. |
(18)
Siehe: Mandel, Labour After Communism,
Kap. 3-5. |
(19)
Auf einer von der Amerikanischen
Handelskammer in Russland veranstalteten
Konferenz sagte Schuwalow: „Wenn
es nicht Jukos gewesen wäre,
hätte man eine andere Gesellschaft
wegen Steuerhinterziehung vor Gericht
gestellt. Unser Hauptziel war, die
Unternehmen zu lehren, ihre Steuern
zu bezahlen.“ (Izvestia, 31.3.2005.) |
(20)
„Kampaniya ,Svobodu Khodorkovskomu‘
zavershena“, Izvestiya, 29.11.2003. |
(21)
Shevstova, Putin‘s Russia,
S. 40-1. |
(22)
O. Dzhemal‘, „Voina
klonov“, Novaya gazeta, Nr.
68, 2004. |
(23)
P. Walsh „Kremlin to restrict
small political parties“,
The Guardian (UK), 15.10.2004. |
(24)
Shevstova, Putin‘ s Russia,
S. 104-09. |
(25)
„The Last Stand for Russia's
Free Press“, The Guardian
(UK), 11.4.2005. |
(26)
Journal, 26.10.2004. In einem Interview
beklagte sich Gorbatschow, dass
„einige Geschäftsleute
helfen wollten, aber aus dem Kreml
wurden diese Versuche aus der Wirtschaft,
unsere Partei zu unterstützen,
durchkreuzt.“ (Nezavisimaya
gazeta, 18.2.2005) |
(27)
Unter anderem sollte man die Einführung
einer 11-prozentigen „flachen“
Einkommenssteuer erwähnen,
die in der Praxis die Steuerbelastung
der meisten Arbeiter erhöhte,
die Reform des Arbeitsgesetzbuches,
die die verbreitete Unterordnung
der Gewerkschaften unter das Management
festigte, den Mindestlohn, der nur
ein Bruchteil des Existenzminimums
ist, weiter bestehende Lohnrückstände,
den allmählichen Abbau von
Subventionen für kommunale
und andere öffentliche Dienste,
den Zusammenbruch des öffentlichen
Gesundheitssystems und die damit
verbundene demographische Gesundheitskrise,
die Bildungsreform, die die Zahl
der freien Plätze in der höheren
Bildung drastisch reduziert, und
vieles mehr. |
(28)
P.Voshchanov, „Virtual‘nyi
prezident“, Novaya gazeta,
Nr. 23, 2005. Für eine Analyse
der Fernsehberichterstattung über
die Proteste gegen das Gesetz Nr.
120 siehe: I. Petrovskaya, „The
Regime and State TV Tangled in PR
Trap“, Moscow Times, 26.1.2005. |
(29)
„Sozdanie Prezidenta“,
Ogonek, Nr. 12, 2005. |
(30)
R. Shleinov, „Kto oplachivaet
lyubov‘ k prezidentu?“,
Novaya gazeta, Nr. 92, 2004; A.Osborn,
„Putin Sets Up Youth Group
to Stop ,Orange Revolution‘
in Moscow“, The Independent
(UK), 1.3.2005. |
(31)
N. Andreeva, „Ucheniki charodeev“,
Novaya gaezta, Nr. 5, 2005, S. 10–11. |
(32)
J. Bransten, „Public Chamber
Criticized as ,Smokescreen‘“,
RFE/RL Russian Political Weekly,
1.4.2005. |
(33)
V. Shlyapentokh, „The Short
Time Horizon in the Russian Mind“,
Johnson‘s Russia List, Nr.
8338, 21.8.2004. |
(34)
M. Lipman, „Russian Politics,
Playing With Fuhrer,“ Washington
Post, 29.3.2005. Siehe auch: G.
Bovt, „Xenophobia Is All the
Rage“, Moscow Times, 10.2.2005. |
(35)
A.Ostrovsky, „Russian MPs
Seek Ban on Jewish Groups“,
Financial Times (UK), 25.1.2005. |
(36)
J. Markoff, „Really Existing
Democracy: Learning from Latin America
in the Late 1990s“, New Left
Review, Nr. 223, 1997, S. 59–66. |
(37)
Laut Transparency International
lag die UdSSR 1980–85 in einer
Liste von 54 Staaten etwa in der
Mitte und war sauberer als Italien,
Griechenland, Portugal, Südkorea
und alle Entwicklungsländer,
aber korrupter als andere entwickelte
Länder. 1996 war Russland in
derselben Liste von 54 Staaten auf
Platz 48 gefallen, zwischen Indien
und Venezuela. (V. Popov, „The
State in the New Russia (1992–2004):
From Collapse to Gradual Revival?“
PONARS Policy Memo. Nr. 342, Nov.
2004.) A. Tschubais, der für
die Privatisierung zuständig
war, sagte zu einem Journalisten,
dass die neuen Wirtschaftsführer
„stehlen und stehlen …
Sie stehlen wirklich alles …
Aber lasst sie stehlen und Besitz
ergreifen. Dann werden sie Eigentümer
und anständige Verwalter ihres
Besitzes werden.“ (C. Freeland,
J. Thornhill und A. Gowers, „Moscow‘s
Group of Seven“, Financial
Times, 1.11.1996). |
(38)
Shevstova, Putin‘s Russia,
S. 21. |
(39)
Lipman, „Russian Politics,
Playing With Fuhrer.“ |
(40)
C. Belton, „Putin Facing a
Backlash From Business“, Moscow
Times, 11.4.2005. |
(41)
J. Bush, „Murky Deals at Gazprom“,
Business Week, 21.6.2004, S. 58-9.
Siehe auch: P.Voshchanov, „Vlast‘
obeshchala poryadok, i stala na
poryadok bogache“, Novaya
Gazeta, Nr. 21, S. 6. |
(42)
Für ein bezeichnendes Beispiel
dieser Praktiken direkt unter der
Nase des Kremls siehe: V. Izamilov,
„Ego sdadut chtoby sokhranit‘
sebya“, Novaya gazeta, Nr.
75, 2004. |
(43)
F. Weir, „‘Climate of
Fear‘ Puts Brakes on Russian
Economy“, Christian Science
Monitor, 3.2.2005. |
(44)
„Political Forecasts –
August in Russia: a Midsummer Night‘s
Dream of Politics“, WPS Observer
WPS Monitoring Agency (http:// www.wps.ru/e_index.html),
18.8.2004. (Das Interview erschien
in Nezavisimaya gazeta.) |
(45)
B. Nemstov and V. Pribylovskii,
„Prezident prostoi i lozhnyi“,
Novaya gazeta, Nr. 10, 2005. |
(46)
„Kak delo Khodorkovskogo izmenilo
Rossiyu?“ Izvestia,26.10.2004 |
(47)
A. Piontkovskii, „Tovarisch
prezident.“ Diese Meinung
wird auch von E. Jasin, Minister
für wirtschaftliche Entwicklung
unter Jelzin und Ideologe der SPS,
geteilt. (E. Yasin, „Demokraty
na vykhod“, Moskovskie novosti,
Nr. 44, 2003. |
(48)
C. Belton, „Putin Facing a
Backlash From Business“, Moscow
Times, 11.4.2005. |
(49)
A. Ostrovsky and S. Wagstyl, „The
Crackdown on Mikhail Khodorkovsky
Has Many Causes, Not Least Kremlin
Intrigue and Public Anger at the
Wealth of the Oligarchs“,
Financial Times, 31.7.2003. |
(50)
M. Goldaman „Render Unto Caesar“,
Current History, Okt. 2003, S. 326.
Siehe auch vom selben Autor: The
Piratization of Russia“, N.Y.,
Routeledge, 2003. |
(51)
A. Nikolaeva, O. Proskurnina, and
T. Yegorova.“Proshchenie za
privatizatisyu“, Vedomosti,
25.3.2005. |
(52)
V. Dzaguto, „Nazad v SSSR“,
Vremya Novostei, 11.3.2005. |
(53)
A. Badkhen, „Dark Story Behind
Russia‘s Billionaires“,
San Francisco Chronicle, 21.3.2005. |
(54)
A. Gramsci, Selections from the
Prison Notebooks, N.Y., International
Publishers, 1971, S. 161. –
Auf Deutsch: Gramsci, Antonio (1991ff):
Gefängnishefte. Gesamtausgabe,
herausgegeben von Wolfgang F. Haug,
Hamburg. |
(55)
Shevstova, Putin‘s Russia,
S. 272. |
(56)
Gramsci, Selections, S. 238. |
(57)
L. Trotsky, The Revolution Betrayed,
N.Y., Pathfinder, 1972, especially
pp. 248-52. – Auf Deutsch:
Leo Trotzki, Schriften 1, Sowjetgesellschaft
und stalinistische Diktatur, Bd.1.2,
Hamburg, Rasch und Röhring,
1988 (Vertrieb heute: Neuer ISP-Verlag,
Karlsruhe), S.687-1011 (http://www.marxists.
org/deutsch/archiv/trotzki/ 1936/verrev/) |
(58)
S. Belkovsky, „Khodorkovsky
Has Scored a Moral Victory,“
Moscow Times, 12.8.2004. |
(59)
J. Helmer „The Hero of Our
Time Defends Corruption,“
The Russia Journal, 12.1.2005. |
(60)
R. Voilov, „Dobrye Al‘fy,“
Novaya gazeta, Nr. 10, 2003. |
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