Darin
kündigte sie an, im Dezemberhaushalt eine
doppelt so hohe Entlastung vorzunehmen als ursprünglich
geplant – nämlich 6 statt 3 Mrd.
Euro: 4,5 Mrd. sollen durch Kürzungen,
vorwiegend im Sozialbereich, und 1,5 Mrd. Euro
durch Steuer-erhöhungen aufgebracht werden.
2012 und 2013 sollen je 3,5 Mrd. eingespart
werden, 2014 sind es 2–2,5 Mrd. Euro.
Der Vierjahresplan sieht insgesamt Kürzungen
der Staatsausgaben in Höhe von 15 Mrd.
Euro vor.
Eine
Ursache und zugleich eine Folge der Intensivierung
der Sparmassnahmen sind die gesunkenen Wachstumserwartungen
für die Jahre 2011–2014: sie wurden
um 10%, nämlich 21 Mrd.Euro, zurückgefahren.
Für das laufende Jahr erwartet die Regierung
nur noch ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts
(BIP) von 0,25% und 1,7% (statt 3,3%) für
2011. Die Investitionen werden voraussichtlich
um 6% fallen und nicht um 4,5% steigen, die
öffentlichen Ausgaben werden um 3% statt
um 0,5% gekürzt. Die Beschäftigung
soll um 0,25% zurückgehen, statt um 1%
zu steigen: statt 19.000 Erwerbstätige
mehr wird es jetzt 5000 weniger geben. Die Prognosen
über die Arbeitslosenzahlen fallen nur
deswegen niedrig aus, weil man davon ausgeht,
dass rund 100.000 Iren auswandern.
Wenn
die Regierung ihre Steuersätze beibehält,
werden die Steuereinnahmen bis 2014 um über
4 Mrd. niedriger ausfallen als noch im vergangenen
Jahr angenommen.
Konträre
Anforderungen
Die
Massnahmen der irischen Regierung sind nicht
rational, sie bewirken das Gegenteil vom erklärten
Ziel. Dass die irische Kapitalistenklasse eine
solche Strategie verfolgt, ist ein Zeichen ihrer
relativen Schwäche. Sie sieht nicht über
den Horizont ihrer Abhängigkeit von internationalem
Kapital hinaus, seien das nun die Finanzmärkte
oder die EU. Das Diktat lautet: Die Anteilseigner,
die in irische Banken investiert haben, müssen
voll ausbezahlt werden, und das Haushaltsdefizit
muss bis 2014 auf 3% des BIP gesenkt werden,
um den Stabilitätspakt einzuhalten –
ohne Rücksicht auf die Folgen für
die irische Bevölkerung.
Beide
Anforderungen – die Bedienung der Finanzmärkte
und die Unterwerfung unter den EU-Stabilitätspakt
– lassen sich von der Annahme leiten,
mit der Reduzierung des Haushaltsdefizits würden
auch die Zinsen für Staatsanleihen sinken.
Doch die Anleihemärkte sorgen sich nicht
so sehr um das irische Haushaltsdefizit, als
vielmehr um die Fähigkeit der Regierung,
das geborgte Geld zurückzuzahlen. Diese
Fähigkeit muss sie 2011 und nicht erst
2014 unter Beweis stellen. Die Finanzinstitute
suchen nach Hinweisen, dass die Wirtschaft wieder
in wächst, dass Steuereinnahmen und Staatsausgaben
sich stabilisieren. Die genannten Wirtschaftsprognosen
zeigen aber, dass Irland nicht auf diesem Weg
ist.
Das
Problem verschärft sich noch durch das
Engagement der irischen Regierung, den EU-Stabilitäts-
und Wachstumspakt einzuhalten, es wird das Wirtschaftswachstum
zusätzlich verlangsamen. Die beiden Anforderungen,
die sich offiziell ergänzen sollen, stehen
einander im Weg. Denn sie verfolgen unterschiedliche
Ziele: Der EU-Stabilitätspakt bildet die
Grundlage eines Vertrags, der die EU als ein
politisches, nicht nur als wirtschaftliches
Projekt vorantreiben soll. Die Finanzkrise aber
hat die immanenten Konflikte und Widersprüche
bloßgelegt, die auftreten, wenn 27 verschiedenen
Staaten zu einem einheitlichen Gebilde geformt
werden sollen.
Die
Bankenkrise
Der
Hauptgrund, warum Irland nicht in der Lage war,
die Anleihemärkte zu beruhigen, ist die
anhaltende Unsicherheit über die Verluste
der irischen Banken. Der Ansatz der irischen
Regierung, die Bankenkrise zu bewältigen,
indem der Staat die internationalen Investitionen
garantiert, hatte zur Folge, dass aus der Finanzkrise
eine Krise der Staatsfinanzen wurde. Die Anleihemärkte
unterscheiden nicht zwischen den irischen Bankschulden
und den irischen Staatsschulden. Die Verluste
der irischen Banken und die potenziellen Verbindlichkeiten
des Staates sind schneller gestiegen, als der
Staat Ausgaben kürzen kann. Deshalb sind
trotz Sparhaushalt die Zinsen auf irische Anleihen
weiter gestiegen. Die Märkte glauben nicht
daran, dass die irischen Banken nicht weiter
Geld verlieren, und sie bezweifeln, dass der
irische Staat in der Lage ist, Verbindlichkeiten
in solcher Größenordnung zu schultern.
Die Preissteigerungen für irische Staatsanleihen
aber treiben den Staat in den Bankrott.
Der
Ökonom Morgan Kelly hat den Zusammenhang
in einem Artikel für die Irish Times ungeschminkt
auf den Punkt gebracht. Seiner Meinung nach
ist Irland «effektiv bankrott» und
hat keinen unabhängigen Haushalt mehr.
Er macht den Monat September als den Wendepunkt
für das irische Bankensystem aus. In diesem
Monat wurden 55 Mrd. Euro Bankenanleihen fällig
und zurückgezahlt – zum größten
Teil mit Hilfe von Krediten der Europäischen
Zentralbank (EZB). Mit dieser Rückzahlung
verzichtete der irische Staat darauf, die Verluste
der Banken teilweise auf die großen Gläubiger
abzuwälzen, und signalisierte, er werde
sie alleine tragen. Das kann er aber nicht,
weil die irischen Banken weiter Verluste machen
und deren Umfang das Steueraufkommen des Staates
übersteigt.
Morgan
Kelly schätzt, dass das staatliche «Rettungspaket»
für die irischen Banken am Ende 70 Mrd.
Euro kosten wird [tatsächlich sind es 83
Mrd. Euro]. Diese Zahl stellt er den 15 Mrd.
aus dem Vierjahresplan gegenüber und zeigt
damit, wie vergeblich die Anstrengungen der
Regierung sind, den Staat vor dem Bankrott zu
retten. Sein entscheidendes Argument: Es ist
der Banken-rettungsschirm, der die Kosten für
Staatsanleihen in die Höhe treibt, nicht
das Haushaltsdefizit. 70 Mrd. für die Bankenrettung
bedeuten, dass jeder Steuerpfennig, der in den
kommenden sechs Jahren eingenommen wird, allein
dafür ausgegeben wird. Das ist natürlich
unmöglich und besagt nur, dass die Verbindlichkeiten
des Staates um ein Vielfaches höher sind
als seine Fähigkeit, sie zurückzuzahlen.
Die
nächste Runde
Kelly
skizziert sodann die nächste Phase der
Krise: Dann werden die faulen Kredite Hypotheken
sein und der ausländische Gläubiger,
der nicht bedient werden kann, die EZB. Anstelle
einiger weniger, großer Anleger wird es
hunderttausende Familien mit Hypothekenkrediten
treffen.
Die Banken haben das bislang kaschiert, indem
sie die Hauspreise künstlich hoch gehalten
und Hypotheken zu einem niedrigeren Preis ausgegeben
haben, als sie selber für langfristige
Zinsen zahlen. Ohne diesen Trick wären
die Immobilienpreise längst kollabiert
und hätten eine Pleitewelle ausgelöst.
Wenn im nächsten Jahr die irischen Banken
unter die direkte Kontrolle der Europäischen
Zentralbank kommen – was wahrscheinlich
ist –, werden sie jedoch gezwungen sein,
ihre Bilanzen in Ordnung zu bringen. Wenn sie
dann keine weiteren Hypothekenkredite mehr gewähren,
werden die Hauspreise einbrechen. Wenn sie versuchen,
das Geld einzutreiben, wird es eine Konkurswelle
geben.
Kelly
prognostiziert, dass innerhalb des nächsten
Jahres ein Rettungspaket für die Banken
geschnürt und Irland in Rechnung gestellt
sein wird – zusammen mit den Rückzahlungsbedingungen.
Ob Irland das überlebt, hängt von
der Höhe der Zinsen für den Rettungskredit
und von der Wachstumsrate der irischen Wirtschaft
ab. Sind die Zinsen niedrig genug, Wirtschaftswachstum
und Inflation ausreichend, kann der Schuldenberg
abschmelzen.
Die Nachwehen des riesigen Kreditbooms und die
schwache Weltwirtschaft erlauben jedoch nur
geringe Wachstumsaussichten, die Preise werden
stagnieren oder fallen. Unter diesen Umständen
kann schon ein Zinssatz über 2% das Land
an den Rand des Abgrunds bringen. Sollte Irland
überdies gezwungen werden, wie Griechenland
die Anleihen zu 5% an die EZB zurück zu
zahlen, werden die Schulden schneller steigen
als die Mittel, sie zu bedienen.
Unter
Kuratel
Wie
Kelly meint: Irland hatte die Wahl zwischen
dem Bankrott der Banken und dem des Staates
und hat sich für Letzteres entschieden.
Nun hat es seine Souveränität und
seine Fähigkeit verloren, noch irgendeine
politische Entscheidungen zu treffen.
Das
deutlichste Anzeichen für den Souveränitätsverlust
war die offene Intervention der Europäischen
Kommission in die irische Politik. Bei seinem
jüngsten Besuch in Dublin bestritt EU-Kommissar
für Wirtschaft und Finanzen, Olli Rehn,
zwar, die Kommission würde Irland die Bedingungen
der Haushaltspolitik diktieren, gab aber zu,
er stehe täglich mit den irischen Behörden
in Kontakt.
Irland
untersteht nun laut Rehn der europäischen
«Wirtschafts- und Finanzaufsicht»
– alle größeren Entscheidungen,
wie der Haushalt und der Vierjahresplan, bedürfen
der Zustimmung der EU.
Wir
entnehmen den Artikel der Webseite der irischen
Sektion der IV.Internationale, www.socialistdemocracy.org
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