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Arbeiter
blockieren eine Raffinerie östlich
von Paris. |
Die
Schlussabstimmung im Senat sollte planmäßig
am Mittwoch stattfinden, doch dann wurde sie
erst auf Donnerstag und vielleicht sogar auf
Samstag verlegt.
Die
Streiks wurden auf Ölraffinerien, Öldepots,
Häfen und Speditionen ausgedehnt und haben
in ganz Frankreich zu einer wachsenden Benzinknappheit
geführt. Die Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse
ist ungebrochen und hat spürbare wirtschaftliche
Auswirkungen. In dieser Situation sind prominente
Gewerkschaftsführer offenbar bereit, die
Massen-bewegung abzubrechen, sobald der Senat
das Rentengesetz endgültig verabschiedet
hat.
Die
Gewerkschaftsführer haben von Anfang an
versucht, die Streiks und Demonstrationen als
Hebel zu nutzen, um der Regierung einige kosmetische
Zugeständnisse abzuringen, während
sie die hauptsächlichen Verschlechterungen
durch die “Reform” akzeptieren.
Sie lehnen es ab, für Sarkozys Sturz zu
kämpfen, und bestehen darauf, dass die
Bewegung nicht darüber hinausgehen dürfe,
Druck auf den Präsidenten und das Parlament
auszuüben.
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In
Lesquin im Norden Frankreichs blockierten
Chauffeure mit ihren Lastwagen ein Logistikzentrum,
in der Gegend von Le Havre sperrten Demonstranten
eine Autobahn. |
Sie
hatten gehofft, dass eintägige Aktionstage
die Opposition von Arbeitern und Studenten erschöpfen
würden, aber bis jetzt hat sich der Widerstand
nur weiter verhärtet.
Sarkozy
beginnt, mithilfe der Polizei zahlreiche Blockaden
von Öldepots durch Arbeiter zu brechen.
Vergangene Woche beendete eine große Anzahl
Bereitschaftspolizisten die Blockade eines strategischen
Depots in der Nähe von Marseille. Bis jetzt
haben die Gewerkschaftsverbände die Streikposten
vor den Öldepots noch nicht verstärkt.
Das
Ausmaß der Demonstrationen in den größten
französischen Städten Frankreichs
erreichte oder überstieg noch die Rekordzahlen
beim letzten Aktionstag am 12. Oktober. Nach
Angaben der Gewerkschaften demonstrierten in
Paris 330.000, in Marseille 240.000, in Toulouse
155.000, in Bordeaux 140.000, in Clermont-Ferrand,
Rouen, Le Havre und Caen je 60.000, in Rennes
50.000 und in Lyon 45.000 Menschen.
Mittlerweile
drängen kleinere regionale Gewerk-schaftsverbände
auf breitere Streikaktionen. In den Ardennen
verabschiedete der Gesamtverband der Gewerkschaften
eine Resolution, in der ein Generalstreik „in
allen Wirtschaftsbereichen“ gefordert
wird. Eisenbahner und Peugeot-Arbeiter stimmten
mit großer Mehrheit für diese Resolution.
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Vor
diesem Depot in Caen versucht die Polizei
die "öffentliche Ordnung"
wiederherzustellen. |
Auf
France3 erklärte der Vertreter der CGT
in den Ardennen, Patrick Lattuada, seine Mitglieder
hätten „die Nase endgültig voll“.
Sie seien „es leid, dass die Regierung
sich nicht um die Forderungen und Erwartungen
der Bevölkerung schert“. Die Demonstration
am 12. Oktober in Charleville-Mézières
mit 10.000 Teilnehmern war die größte
in der Region seit dem Generalstreik von Mai-Juni
1968.
Auch
die Proteste der Schüler sind rekordverdächtig.
Das jedenfalls besagen die Zahlen der Vertretungen
der Oberschüler. Die Schülerorganisation
FIDL gab bekannt, dass 1.200 der 4.302 Oberschulen
Frankreichs sich im Streik befinden, 850 seien
blockiert. An zehn Universitäten fanden
Vollver-sammlungen statt, und es wurde beschlossen,
die Einrichtungen zu blockieren. Demonstrierende
Jugendliche riefen: „Arbeitslos mit 25,
ausgebeutet mit 67, Nein, nein, Nein“
Im
ganzen Land kam es zu Zusammenstößen
zwischen der Polizei und Demonstranten. In Lyon
setzte die Polizei auf dem Platz Bellecour und
in den angrenzenden Stadtvierteln Tränengas
ein und kämpfte gegen Demonstranten. Dutzende
Autos wurden umgeworfen und Schaufenster eingeschlagen.
Die Polizei macht „1.300 gewalttätige
Demonstranten“ für die Ausschreitungen
verantwortlich.
Die
Verwaltung der Universität Lyon-2 schloss
den Lehrbetrieb bis auf Weiteres, nachdem Studenten
eine Blockade beschlossen hatten. Auch die Verwaltung
der Universität Le-Mirail in Toulouse schloss
die Tore, nachdem 75 Prozent der Teilnehmer
einer 2.000-köpfigen Versammlung eine Blockade
beschlossen hatte. Auch Rennes-2 wurde geschlossen.
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Präsident
Nicolas Sarkozy hatte ein hartes Vorgehen
der Polizei angekündigt. Die Blockaden
aller Benzindepots sollten gebrochen werden,
sagte er. Doch am Donnerstagmorgen waren
noch immer mindestens 14 Depots blockiert. |
In
zahlreichen Pariser Vororten kam zu Zusammenstößen
zwischen Jugendlichen und der Polizei. In Argenteuil
griff die Polizei offensichtlich vorsätzlich
Jugendliche an. Der Sprecher des Bürgermeisters,
Nicolas Bougeard, sagte der Zeitung Le Parisien:
„Es hätte schlimmer kommen können.
Ein Vorgehen wie dieses erfordert monatelange
Vorbereitung. Wir hatten zwanzig sehr erfahrene
Leute im Einsatz [nach Angaben der Zeitung offizielle
Mediatoren mit offiziellen Westen], die die
Jugendlichen und die Gegend genau kennen.“
Polizeihubschrauber flogen über der Szene
und beobachteten die Kämpfe.
In
dem Badeort Deauville, in dem sich Nicolas Sarkozy
mit Kanzlerin Angela Merkel und dem russischen
Präsidenten Dmitri Medwedew zu einem Gipfel
traf, bekräftigte der Präsident am
Dienstagmorgen: „Ich werde das Gesetz
durchsetzen und die öffentliche Ordnung
bewahren.“ Sarkozy äußerte
sich besorgt über die Lage, aber an den
Kürzungen werde nichts mehr geändert.
„Fürchte ich Exzesse? Natürlich,
und ich werde nicht leichten Herzens damit umgehen.
Aber der schlimmste Exzess wäre, wenn ich
meine Pflicht nicht erfüllte, die darin
besteht, die Rentenfinanzen neu zu ordnen.“
Er
drohte Arbeitern, die Raffinerien und Depots
belagern, mit den Worten: „Es gibt Leute,
die wollen arbeiten, und denen kann man nicht
den Sprithahn zudrehen.“ Bei seiner Rückkehr
nach Paris traf sich Sarkozy mit Premierminister
François Fillon, Innenminister Brice
Hortefeux und mehreren anderen Staatsbeamten.
Er erklärte, auf dem Treffen sei versucht
worden, „mehrere Knoten zu lösen“.
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SchülerInnen
blockieren Schulen in der Hauptstadt und
in Vororten wie das Lycée Voltaire |
Die
Regierung gestand gestern ein, dass Frankreich
zunehmend in einer Benzinkrise stecke. Umwelt-
und Verkehrsminister Jean-Louis Borloo gab an,
4.000 der 12.500 Tankstellen des Landes hätten
kein Benzin mehr. Premierminister Fillon sagte,
es werde vier bis fünf Tage dauern, bis
die Treibstoffversorgung wieder normal laufe.
Spediteure
klagten, dass zahlreiche Unternehmen bald auf
dem Trockenen säßen und den Betrieb
schließen und ihre Beschäftigten
beurlauben müssten. Der Nachrichtenagentur
AFP zufolge gab die Industrie- und Handelskammer
von Caen gestern einen Bericht heraus, in dem
es hieß: „In unserer Region gibt
es gegenwärtig kein Benzin mehr…
Die wirtschaftliche Tätigkeit geht zurück.
Sie könnte innerhalb von 48 Stunden vollkommen
zum Stillstand kommen, wenn die Lieferungen
nicht wieder aufgenommen werden.“
Zwischen
der Arbeiterklasse und dem Staat bahnt sich
ein offener Kampf an. Die Polizei versucht den
Ölstreik zu brechen und die Unternehmen
wieder zu beliefern. Damit nimmt sie den Arbeitern
ihre schärfste Waffe im Kampf gegen Sarkozys
Kürzungen. Nachdem die Bereitschaftspolizei
CRS den Streik der Ölarbeiter vor den Toren
von Marseille gebrochen hat, wurden die Arbeiter
von Grandpuits formell „eingezogen“
und mit der Drohung einer fünfjährigen
Gefängnisstrafe zur Rückkehr an die
Arbeit gezwungen.
Einem
Bericht zufolge wurden bei einem bestreikten
Öldepot in Le Havre Manager heimlich über
See ins Werk geschmuggelt, um die Belieferung
des Flughafens Roissy-Charles-de-Gaulle mit
Kerosin wieder in Gang zu bringen. Arbeiter
äußerten die Befürchtung, dass
sie nicht garantieren könnten, dass die
Manager die Anlage zur Produktion von Kerosin
sicher bedienen könnten. In Caen beseitigte
die Polizei die Barrikaden der Arbeiter mit
einem Bulldozer und eskortierte Tanklaster hinein
und heraus.
In
der Presse werden in drohendem Ton die juristischen
Möglichkeiten aufgezählt, die gegen
Blockaden zum Einsatz kommen könnten. So
zitierte Le Monde Juristen, denen zufolge Arbeiter
auf der Stelle ohne jede Entschädigung
entlassen werden könnten. Schüler
seien von der Schule zu verweisen, wenn sie
sich an der Blockade einer Schule beteiligen,
die gar nicht ihre eigene ist; zusätzlich
könnten sie mit drei Jahren Haft und Bußgeldern
von bis zu 45.000 Euro bestraft werden.
Die
nationale Gewerkschaftsführung verteidigt
die Arbeiter bisher mit keinem einzigen Wort.
Ohne Zweifel verhandelt sie mit der Regierung
über die Bedingungen eines Ausverkaufs.
Für Donnerstag ist ein Treffen der großen
Gewerkschaftsverbände angesetzt, bei dem
die nächsten Schritte abgestimmt werden
sollen.
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Bei
Demonstrationen in Lyon ging die Polizei
mit Tränengas und Schlagstöcken
gegen SchülerInnen vor. |
An
der Spitze des Demonstrationszugs vom Dienstag
marschierte Bernard Thibault, der Chef der Stalinisten-freundlichen
Gewerkschaft CGT. Er appellierte an Sarkozy
mit den Worten: „Bitte seien Sie vernünftig,
akzeptieren Sie Gespräche mit den Gewerkschaften.
Verschließen sie sich uns nicht mit einer
einseitigen Option.“
Thibault
machte vage Andeutungen, das Ausmaß der
Demonstrationen erlaube es der Gewerkschaft,
„noch andere Initiativen in Betracht zu
ziehen”. Dennoch unterließ es der
Gewerkschaftsdachverband, wie bei frühern
Gelegenheiten das Datum der nächsten Aktion
bekanntzugeben.
Frankreichs
zweitgrößte Gewerkschaft, die CFDT,
die der Sozialistischen Partei nahesteht, ließ
durchblicken, falls die Kürzungen vom Senat
verabschiedet würden, sei sie gegen weitere
Aktionen. CFDT-Funktionäre sagten der Wirtschaftszeitung
Les Echos: „Wenn die Streiks weitergehen
und noch größer werden, dann müssen
wir sie führen. Aber wenn es in wenigen
isolierten Branchen zu harten Auseinandersetzungen
kommt, dann werden wir sie nicht auf unbestimmte
Zeit unterstützen können.“
Die
Funktionäre fügten hinzu, dies werde
wohl nicht zum Bruch mit der CGT führen,
denn Thibault sei der gleichen Meinung. „Die
Situation ist schwierig für uns, aber für
die CGT auch. Bernard Thibault drängt vorwärts,
aber er kann seinem aktivistischen Flügel,
der seine Führung in der Gewerkschaft herausfordert,
nicht allzu viel Rückendeckung geben.“
Thibault
gerät wegen seiner rechten Politik, die
selbst unter CGT-Arbeitern auf Widerstand stößt,
immer mehr in Verruf. So hat der CGT-Vertrauensmann
Xavier Mathieu von Continental Thibault letztes
Jahr öffentlich kritisiert. Funktionäre
wie Thibault, so Mathieu, seien „Abschaum,
die nur dazu gut sind, sich bei der Regierung
anzubiedern und die Leute ruhig zu stellen“.
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Demonstration
in Marseille (12. Oktober): Im ganzen Land
beteiligen sich die Menschen an den Streiks
und Demonstrationen |
Thibault
steht auch in der Kritik, weil er 2007 Rentenkürzungen
für Beschäftigte im öffentlichen
Dienst ausgehandelt hat, und weil er vergangenes
Jahr, als die Sans-Papiers das CGT-Büro
in Paris besetzt hielten, CRS-Polizisten zu
Hilfe rief und Schläger der Gewerkschaft
einsetzte.
Die
Gewerkschaften handeln praktisch als Sarkozys
Berater; sie geben ihm Ratschläge, wie
die Kürzungen am besten durchzusetzen seien.
Sie empfehlen der Regierung, das Rentengesetz
nicht zu rasch zu verabschieden, um den Widerstand
der Arbeiterklasse nicht in einem Ausmaß
zu provozieren, das nicht mehr zu kontrollieren
wäre.
CGT-Sprecherin
Nadine Prigent sagte Agence France Presse: „Es
ist nicht gesagt, dass die Dinge zur Ruhe kommen,
wenn der Senat dafür [für die Kürzungen]
stimmt.“ Die UNSA (Nationaler Verband
autonomer Gewerkschaften) warnte: “Niemand
weiß, was ein solches Abstimmungsergebnis
für Auswirkungen hätte.“
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