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„Das Referendum drückt die grosse, soziale
Unzufriedenheit aus...“

Interview mit Léon Crémieux, Mitglied der Leitung der LCR,
über den Widerstand in Frankreich

Was ist der politische und soziale Kontext des Referendums über den europäischen Verfassungsvertrag vom 29. Mai in Frankreich? Darüber unterhielt sich La brèche (Monatszeitung der MPS-BFS) mit Léon Crémieux, Mitglied der nationalen Leitung der Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR).

Die Auseinandersetzung in Frankreich über die europäische Verfassung hat eine grosse Tragweite. Die Umfragen, bei denen das Nein überwiegt, häufen sich Was drückt sich bei diesem Referendum vom 29. Mai aus?

Bei diesem Referendum drückt sich auf der Wahlebene eine grosse soziale Unzufriedenheit aus, die sich in Frankreich seit Jahren bemerkbar macht. Daher ist nicht erstaunlich, dass sowohl die rechten als auch linken Regierungen niemals darauf verzichtet haben, ihre sozial rückschrittlichen Massnahmen mit der Europäischen Union in Verbindung zu bringen. Aber das ist eine Realität, die nicht nur von der Rechten, sondern auch von der Führung des PS (sozialdemokratische Partei) unter Hollande weit unterschätzt wurde.
Seit Anfang Jahr folgten mehrere soziale Kämpfe aufeinander (für die Verteidigung der 35h-Woche, für Lohnerhöhungen, die Bewegung der SchülerInnen). Haben diese Bewegungen eine andere Tragweite als jene zur Verteidigung der Altersrenten, der sozialen Sicherheit (Krankenversicherung) und gegen die Privatisierung der EDF-GDF (ehemals staatliches Energieunternehmen), die 2003 und 2004 in Misserfolge mündeten?
Diese Kämpfe sind seit zwei Jahren zahlreich, bleiben aber vereinzelt. Gewiss war die Mobilisierung vom 10. März für die Anpassung der Löhne sehr umfangreich, die gemeinsam von den verschiedenen Sektoren im öffentlichen Dienst und bei den Privatunternehmen getragen wurde. Die Frage der Löhne gewinnt zusehends an Bedeutung, aber nicht nur wegen ihrer Blockierung. Die Schläge der Regierungen gegen die Altersrenten und die soziale Sicherheit vermindern die kollektiven Rechte und erhöhen die individuellen Lasten. Ohne die Zunahme der lokalen Steuern zu vergessen.
Die aktuellen Streiks im privaten Sektor oder die Mobilisierung der GymnasiastInnen, ebenso der Kampf der ForscherInnen oder die Mobilisierung der Lohnabhängigen der EDF-GDF 2004 sind Bewegungen, die auf eine riesige Popularität stossen. Die Lohnabhängigen spüren, dass sie eine Antwort auf eine allgemeine Politik sind, die zu ihren Lasten vorangetrieben wird. Aber gleichzeitig haben die Gewerkschaftsleitungen darauf geachtet, dass der nationale Streiktag vom 10. März nicht ausgeweitet wurde, obwohl die Bewegung anwuchs. Dieser Entscheid diente dazu, die Situation im Hinblick auf die Referendumsabstimmung zu beruhigen.

Trotz diesen Protestbewegungen setzte die Regierung Raffarin all ihre Projekte durch. Sie machte einige kleine Zugeständnisse, um einem Teil der Opposition den Wind aus den Segeln zu nehmen. Verfolgt sie diesen Weg weiter?

Zur Zeit hat sie ein wenig Angst, frontale Massnahmen zu ergreifen, die eine Ablehnung der Verfassung begünstigen könnten. Das erklärt ihre Konzession bei den Löhnen der Beamten: eine zusätzliche Erhöhung um 0,9% im 2005, die im Verhältnis zu den Forderungen lächerlich ist. Das ist zwar eine Wende, aber sie konjunkturell. Im Grunde genommen gibt es keine Änderung. Bei der 35h-Woche, beim Arbeitsgesetz, den Privatisierung gibt es keine Pause und die Regierung setzt ihren Kurs fort.
Geht die von der Basis gegen die Position der Leitung um Bernard Thibault durchgesetzte Stellungnahme der Gewerkschaft CGT für ein Nein mit einer allgemeinen Debatte über die gewerkschaftliche Orientierung einher?
Die Abstimmung in der CGT ist nicht nur Ergebnis der Debatte über die europäische Verfassung. Die Frage des Referendums hat die Unzufriedenheit kristallisiert und zwar gegenüber der Art und Weise wie die Führung der Gewerkschaft in den letzten beiden Jahren mit den Themen der Altersrenten, der sozialen Sicherheit und der Privatisierung der EDF-GDF, die sie letztlich akzeptiert hat, umgegangen ist. Aber wir können auch nicht sagen, dass es in der CGT eine strukturierte, landesweite Opposition gibt, die über die Netze der linken AktivistInnen hinausgeht und eine Alternative zur Orientierung der Führung um Thibault darstellen würde. Das Nein zur Verfassung ist ein historisches Ereignis. Es war das erste Mal, das die nationale Leitung der Gewerkschaft bei einem wichtigen Thema in die Minderheit versetzt wurde.

Die Spaltungen in der Sozialistischen Partei sind stark. Bedeuten sie mehr als nur unterschiedliche Strategien, um die Führung der Partei zu erobern und Dominanz über die „plurale Linke“ fortzusetzen?

Ja. Das Engagement von Fabius für das Nein entspringt deutlich einem bürokratischen Manöver im Kampf um die Kontrolle der PS. Hingegen sind die traditionellen Oppositionsströmungen der PS stark in der Kampagne für das Nein engagiert. Wir finden sie in den einheitlichen Basiskollektivs wieder. Im Fall eines Siegs des Nein werden sie in der Lage sein, ihren Platz in der PS neu zu gewichten. Allerdings wird das nicht unbedingt in eine Dynamik für eine andere Strategie münden. Aber selbstverständlich kann ein solcher Sieg eine politische Krise auslösen, die über die üblichen Manöver der Strömungen hinausgeht.

Nach den regionalen und europäischen Wahlen von 2004 kann der 29. Mai eine zusätzliche Abstrafung für die Regierung Raffarin bedeuten? Wird sich diese Debatte im Hinblick auf die sozialen und politischen Konsequenzen dieser Abstrafungen weiterentwickeln?

Kaum. Ich habe von der Position der Linken der PS gesprochen. Auf der Seite der radikalen Linken laufen die Bemühungen, eine alternative, antikapitalistische Kraft aufzubauen zurzeit ins Leere. Die LCR hat bereits mehrfach Initiativen in diese Richtung gestartet. Aber die organisierten und interessierten Partner sind schwach. Und uns alleine gelingt es nicht, eine Dynamik zur Sammlung auf politischer Ebene in Gang zu bringen. Das Bedürfnis für eine politische Alternative ist bei jenen, die sich in den letzten Jahren stark in den Bewegungen engagiert haben, sehr breit vorhanden. Dennoch gibt derzeit keine organisatorische Konkretisie rung.

Interview: La brèche