1.
In Europa findet gerade eine neue und brutale
Phase der Angriffe der herrschenden Klassen
zur Beschleunigung der Integration des Kontinents
in die kapitalistische Globalisierung und zur
Umgestaltung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Beziehungen statt. Seit den Gipfeltreffen von
Lissabon (2000) und Barcelona haben die wichtigsten
Regierungen der Europäischen Union eine
Strategie entwickelt, wie man den europäischen
Bourgeoisien größere Manövrierspielräume
verschaffen kann. Diese Strategie reagiert auf
die neue Stärke der innerimperialistischen
Widersprüche. Diese Widersprüche haben
sich anlässlich des Irak- Krieges gezeigt,
aber es geht auch um den unbarmherzigen Kampf
um die Aufteilung des Weltmarktes. Ein weiterer
Ausdruck dieser neuen innerimperialistischen
Konkurrenz zeigt sich in der Politik des schwachen
Dollars, die das Ziel hat, US-amerikanische
Waren und Firmen zu begünstigen. Die herrschenden
Klassen in Europa, die die kapitalistische Globalisierung
vorantreiben, reagieren auf diesen neuen Wettbewerb
mit einer Umstrukturierung der wirtschaftlichen
und sozialen Beziehungen.
2.
Es geht ihnen darum, die Überreste des
„europäischen Sozialmodells“
zu beseitigen, eine Reihe von Maßnahmen
zu entwickeln, um die Arbeitskosten zu senken,
die Systeme der sozialen Sicherheit abzubauen,
die Öffentlichen Dienste zu privatisieren,
die Arbeitszeit zu verlängern, wie dies
gerade die deutschen, belgischen und französischen
Unternehmen machen, indem sie die Maßnahmen
zur Verkürzung der Arbeitszeit zunichte
machen.
Diese Angriffe werden auf der ganzen Linie vorgetragen,
vor allem in Deutschland, einem Land, das in
bestimmter Weise geradezu die Verkörperung
des sogenannten „Wohlfahrtsstaates“
war. Die Regierung Schröder hat in letzter
Zeit alle Leinen losgelassen, um auf drastische
Weise die Rechte von Erwerbslosen einzuschränken,
die Arbeitszeit zu verlängern und die Zuzahlungen
in der Krankenversicherung und bei den Medikamenten
zu erhöhen.
Allein im September und Oktober 2004 hat die
deutsche Industrie 41 000 Arbeitsplätze
vernichtet. Dies bestätigt einmal mehr,
dass es auch unter einer linken (rot-grünen)
Regierung im globalisierten weltweiten Kapitalismus
keinen Raum für eine keynesianische oder
neokeynesianische Politik der Wirtschaftsankurbelung
gibt.
3. Diese Politik wird sowohl
von rechten Regierungen wie derjenigen von Chirac
und Berlusconi, wie von solchen der Linken wie
Schröder und Blair durchgezogen. Wir müssen
auch anmerken, dass die Regierung Zapatero in
Spanien eine Reihe mutiger Maßnahmen zum
Rückzug der Truppen aus dem Irak oder in
Gesellschaftsfragen (Rechte von Frauen, Heirat
von Schwulen usw.) ergriffen hat, aber im Grunde
auch eine kapitalistisch- neoliberale Wirtschaftspolitik
umsetzt.
Die traditionelle Rechte wie die Linke handeln
im Rahmen des Neoliberalismus, was dazu führt,
die unsozialen und antidemokratischen Angriffe
zu verschärfen. Wir müssen uns auf
die Bewegungen des Widerstands gegen eine solche
Politik stützen. Wir müssen auch eine
„konkrete Analyse der konkreten Lage“
entwickeln. Wenn die Rechte an der Regierung
und die Linke in der Opposition ist, können
die Lohnabhängigen und BürgerInnen
bei gewissen Wahlen die Linksparteien benützen,
um diese Ablehnung auszudrücken. In diesen
Phasen ändert das ihre Beziehung zu diesen
Parteien kaum, denn wir befinden uns in einer
neuen historischen Epoche, die durch die Entwicklung
der Sozialdemokratie hin zum Sozialliberalismus
und durch den Niedergang der Parteien stalinistischen
Ursprungs gekennzeichnet ist.
So hat sich die französische PS zu keiner
Zeit an den Mobilisierungen des Kampfes gegen
die neoliberale Rentenreform beteiligt, hat
aber zehn Monate später, bei den Regional-
und Europawahlen 2004 dennoch auf Wahlebene
die Früchte dieser Kämpfe eingefahren.
Die Stimmen für die parlamentarische Linke
bedeuteten weder einen Zuwachs an Vertrauen
in diese Parteien noch eine deutliche Kontrolle
der Massenbewegung durch ihre Apparate. Sie
zeugen in den weniger begüterten Schichten
der Bevölkerung nur von Angst und Ablehnung
der neoliberalen Reformen und von ihrem Willen,
deren Ausmaß zu reduzieren, indem man
diejenigen abstraft, die sie politisch umgesetzt
haben.
Wenn die neoliberale Rechte regiert, müssen
wir Mobilisierungen mit dem Ziel organisieren,
diese Regierungen auf der Straße und an
den Wahlurnen davonzujagen. Wir müssen
uns aktiv daran beteiligen, denn hier geht es
um einen wichtigen Teil unseres Kampfes für
eine Alternative zum Neoliberalismus. Die ganze
Schwierigkeit besteht für die antikapitalistische
Linke darin, als nützliches Werkzeug zu
erscheinen, auch auf Wahlebene, um diesen Kampf
auch wirklich bis zum Ende führen zu können.
Diese Nützlichkeitsproblematik ist in Frankreich
bei den letzten Wahlen aufgetaucht. Wenn nun
die sozialdemokratische Linke an der Regierung
ist und prokapitalistische Maßnahmen durchsetzt,
dann lehnen breite Teile der einfachen Bevölkerung
diese Politik ab und drücken dies in ihrem
Wahlverhalten aus. In diesem Fall machen wir
ohne Wenn und Aber eine Mobilisierungspolitik
gegen diese Regierungen und versuchen couragiert,
die Notwendigkeit einer wirklichen Alternative
klar zu machen.
Wir möchten daran erinnern, dass Rifondazione
Comunista 1998 zu recht die Zustimmung zur Politik
der italienischen Mitte-Links-Regierung verweigert
hat, was dann zum Sturz der Regierung geführt
hat. Wir müssen mit abrupten Veränderungen
der politischen Lage rechnen und unsere taktischen
Ziele darauf einrichten. Dies umso mehr, weil
– je brutaler die durchgezogene Politik
ist und obgleich sie einige Erfolge erzielen
konnte und die Welt der Arbeit zurückgewichen
ist, hat diese Brutalität zu einer Ablehnung
des Neoliberalismus, zu Spannungen und einigen
Elementen einer politischen Krise in den meisten
traditionellen europäischen Parteien geführt.
Es gibt eine Krise der Rechten – in Italien,
in Frankreich mit dem Duell zwischen Chirac
und Sarkozy, in Portugal mit dem Rücktritt
der Regierung Santana und den vorgezogenen Neuwahlen
– aber auch eine Krise der sozialliberalen
Linken, in der einige Teile der Sozialdemokratie
meinen, dass die Anpassung an den Neoliberalismus
zu weit geht, besonders wenn es eine starke
Ablehnungsfront in der Gesellschaft gibt. Dies
erklärt die Differenzierungen in Deutschland
mit dem Auftauchen der „Wahlalternative
für Arbeit und soziale Gerechtigkeit“
oder den Auftritt von Laurent Fabius in der
PS gegen die Europäische Verfassung.
Die Strömungen brechen nicht mit dem Rahmen
der neoliberalen Politik, sie meinen jedoch,
dass sie zu weit geht und dass die Spannungen
und politischen Krisen die Legitimität
der neoliberalen Projekte untergraben. Man muss
die Entwicklung dieser Strömungen und aller
Differenzierungen aufmerksam verfolgen, um Unterstützung
zu finden beim Aufbau des Widerstands gegen
die Angriffe des Kapitals.
4. Unter diesem Gesichtspunkt
illustrieren die Ergebnisse des Referendums
über die EU-Verfassung in der französischen
PS recht gut die Entwicklung der Sozialdemokratie
und die Rückwirkungen auf den gesellschaftlichen
Widerstand innerhalb dieser Parteien. Im gesamteuropäischen
Rahmen verfügt die PS noch über einige
Besonderheiten. Sie ist die einzige sozialdemokratische
Partei, in der über 40 Prozent der Mitglieder
Nein zur europäischen Verfassung sagen.
Solches gibt es in keiner anderen sozialdemokratischen
oder sozialistischen Partei. Die sozialistische
„Linke“ in den anderen Parteien,
so in Spanien und Portugal, ruft zumeist zur
Abstimmung mit Ja auf. Diese 40 Prozent Nein-Stimmen
bleiben eine Besonderheit und stellen einen
Anker bei den kommenden Kampagnen, die möglichst
einheitlich geführt werden müssen,
für das Nein zur Verfassung dar.
Doch die 60 Prozent Ja-Stimmen in der französischen
PS bedeuten eine Wende in der Entwicklung dieser
Partei. Wie das wichtigste Führungsmitglied
(Hollande) betont hat, stellt dieses Ja die
Integration der französischen Sozialdemokratie
in die europäische Sozialdemokratie dar,
somit auch einen erheblichen Bruch mit den Besonderheiten
der Parti Socialiste von Epinay. 1
Von den Anhängern wird das Ja als wichtiger
politischer Akt der Anerkennung dessen, was
die Parteiführung den „Linksreformismus“
genannt hat, hingestellt. Dieser Linksreformismus
ist weder links noch reformistisch, sondern
stellt einen Bruch mit der Geschichte der PS
seit ihrer Verankerung in der „Linksunion“
dar. Das Ja der PS in Frankreich bedeutet also
die Vertiefung eines Prozesses der Anpassung
dieser Partei an die gegenwärtige kapitalistische
Wirtschaft und Politik. Diese drücken der
traditionellen Linken, wenn sie die Regierung
übernimmt, aufs Auge, frontale Angriffe
auf den Lebensstandard und die Arbeitsbedingungen
der arbeitenden Bevölkerung durchzuführen.
5. In diesem für die Arbeitenden
sehr ungünstigen Rahmen lehnen die Lohnabhängigen,
ja sogar die Bevölkerungsmehrheit den Neoliberalismus
ab. Dies führt zu immer kürzeren Zyklen
des Regierungswechsels; die Gewählten werden
regelmäßig wieder abgewählt.
So zeigt sich der Widerstand bei Wahlen und
Nachwahlen, bei denen es Mehrheiten gegen die
gerade Regierenden gibt; gegen die Rechte in
Frankreich, Italien, Spanien und demnächst
wahrscheinlich Portugal, gegen die sozialliberale
Linke in England oder Deutschland. Die Lohnabhängigen,
die soziale Niederlagen und blockierte Kampfesperspektiven
verdauen müssen, versuchen den Stimmzettel
zu nützen, um den Regierenden eins auszuwischen.
Hinsichtlich der gesellschaftlichen Kämpfe
ist die Lage von Land zu Land sehr unterschiedlich.
In Italien gab es einen starken Generalstreik
von einem Tag, an dem sich mehr als sechs Millionen
Streikende beteiligt haben. In den Niederlanden
erfolgten die größten Streiks der
letzten Jahre gegen die Sozialreformen der Regierung.
In Deutschland gab es eine Demonstrationswelle
gegen die Agenda 2010 und Hartz IV von Kanzler
Schröder, sowie Arbeitsniederlegungen gegen
Entlassungen, die allerdings zu Misserfolgen
führten. In Frankreich endeten die Streiks
gegen die Rentenreform oder die Privatisierung
des Elektrizitätsunternehmens EDF mit Niederlagen.
Auf der Ebene der Kämpfe und sozialen Bewegungen
hat jede nationale Konjunktur ihre Besonderheiten,
die von den Höhen und Tiefen des Klassenkampfes,
doch das gesellschaftliche und politische Kräfteverhältnis
führt regelmäßig zu gesellschaftlichem
Widerstand.
Das Problem liegt nicht auf dieser Ebene. Die
Schwierigkeiten liegen anderswo. Die Koordinaten
der historischen Periode, die Bilanz des vergangenen
Jahrhunderts, die Hindernisse, auf die jede
Perspektive gesellschaftlicher Veränderung
stößt, haben grundlegende Konsequenzen
auf die kämpferischsten und fortgeschrittensten
Teile der Gesellschaft: Die Kämpfe führen
nicht zur Entwicklung eines Bewusstseins der
Notwendigkeit der sozialistischen Umgestaltung
der Gesellschaft, und noch weniger zu einem
revolutionären Bewusstsein. Die sozialen
Bewegungen, Parteien und Gewerkschaften, auch
klassenkämpferische Strömungen, wachsen
nicht organisch. Der von revolutionären
und antikapitalistischen Strömungen bei
Wahlen besetzte Raum, wie der der LCR bei den
Präsidentschaftswahlen 2002 oder der des
Linksblocks bei den letzten Wahlen in Portugal,
sind eher Ergebnis der Krise der traditionellen
Linken (vor allem der Kommunistischen Parteien)
als einer Selbsttätigkeit der Massenbewegungen.
6. Unter diesen Bedingungen
entstand außerhalb des Würgegriffs
der Probleme der traditionellen Arbeiterbewegung
vor allem in der Jugend die globalisierungskritische
Bewegung. Hier handelt es sich um einen Zusammenschluss
von entscheidender Bedeutung für den Aufbau
eines Kräfteverhältnisses gegen die
Projekte des Neoliberalismus, aber auch zur
Erneuerung der linken Generationen und der antikapitalistischen
Gruppen. Diese Bewegung muss auf der Höhe
der Angriffe des Kapitals, des Prozesses der
kapitalistischen Globalisierung und der bewaffneten
Globalisierung sein, wie sie sich im Krieg zeigt,
der den Irak verwüstet. Daher hat sie eine
große strategische Bedeutung für
eine breite Einheitsfront gegen die Globalisierung,
eine Front aller Strömungen, aller Erfahrungen,
aller Vereinigungen, aber sie stellt auch einen
Ort für Diskussion und Austausch über
Fragen einer politischen und programmatischen
Alternative dar.
7. In diesem Rahmen müssen
die Elemente einer Alternative um drei Achsen
herum entwickelt werden:
a) Die Politik der Aktionseinheit:
Die gegenwärtige Phase, in der wir politisch
eingreifen, ist für die ArbeiterInnenbewegung
eine defensive Phase, eine Phase des Widerstands.
Dies müssen wir positiv aufgreifen und
uns an allen diesen Bewegungen und Kämpfen,
auch den elementarsten, beteiligen, um den Arbeitenden
und den jungen Leuten Selbstvertrauen zu geben
und zu – ggf partiellen – Siegen
zu kommen. In diesem Rahmen müssen wir
eine Politik einheitlicher Mobilisierungen und
eine Politik des Aufbaus einheitlicher, demokratischer
und pluralistischer Massenbewegungen verfolgen.
Dies muss auch unsere Politik beim Aufbau der
Antikriegsbewegung im Rahmen der globalisierungskritischen
Bewegung sein. So fällt auch unsere Antwort
auf die Frage der Europäischen Verfassung
aus. Besonders in Ländern, in denen Volksabstimmungen
stattfinden werden, starten wir eine Kampagne
der Einheit aller linken Kräfte, die gegen
die Verfassung sind, für ein Nein.
b) Elemente einer programmatischen Antwort:
Die Neugründung eines programmatischen
Projektes, das die soziale Frage im weitesten
Sinn mit dem Feminismus und der Ökologie
in antikapitalistischer Zielsetzung verbindet.
Man muss in allen Staaten, in denen sie sich
stellt, auch die nationale Frage berücksichtigen
und sie mit der sozialen Frage verbinden. Die
programmatischen Antworten müssen von den
Forderungen der Massenbewegungen ausgehen und
sie „bis zum Ende“ weitertreiben.
Ein roter Faden muss unser Vorgehen leiten:
Die Logik der sozialen Rechte, die Befriedigung
der sozialen Bedürfnisse muss vor der Profitlogik
und der kapitalistischen Rentabilität rangieren!
So wie dies in der Wahlkampagne der LCR gesagt
wurde: „Unser Leben gilt mehr als ihre
Profite!“ Es handelt sich um ein demokratisches
und soziales Notprogramm, das die Frage einer
anderen Aufteilung des Reichtums und des Eingriffs
in das Privateigentum der Großunternehmen
und des Kapitals stellt, entweder durch Verteidigung
und Ausweitung der öffentlichen Dienste,
oder durch Maßnahmen, die die Macht der
Unternehmer beschneiden.
Ein solches Programm kann (wie dies der Linksblock
in Portugal macht) in fünf Punkten formuliert
werden: Beschäftigungsplan gegen Arbeitslosigkeit
und Prekarisierung; Kampf gegen die Umwandlung
der Krankenhäuser in Aktiengesellschaften;
Recht auf freie und kostenlose Abtreibung; Papiere
für die illegal Eingewanderten, sowie Kampf
gegen die Korruption. Wir wissen aber, dass
jeder ernsthafte Plan gegen die Prekarisierung
unter den gegebenen Bedingungen des liberalen
Europa zu einem Zusammenstoß mit den Unternehmern
und der Regierung führt, zu einem Bruch
mit dem gegenwärtigen Gleichgewicht der
kapitalistischen Wirtschaft.
c) Eine Position zur Macht- und Regierungsfrage.
Die Frage nach einer Alternative zum Kapitalismus
muss auch auf die Macht- und Regierungsfrage
eine Antwort geben. Die Frage stellt sich in
den Diskussionen im Innern der Linken. Sie wird
uns auch auf direkte oder indirekte Art bei
unseren Interventionen gestellt. Diese Frage
spaltet die ArbeiterInnenbewegung seit langem.
Sie spaltet auch die Linke links von den sozialistischen
Parteien, besonders die antikapitalistischen
Strömungen, die zur kommunistischen Bewegung
gehören. Dies ist auch eine Meinungsverschiedenheit
zwischen der Konferenz der antikapitalistischen
Linken und der europäischen Linkspartei,
die aus verschiedenen kommunistischen Parteien
besteht, von denen die meisten an eine Regierungsbeteiligung
mit der Sozialdemokratie glauben. In Frankreich
würde eine neue Regierung der „pluralistischen
Linken“ die Sozialistische Partei, aber
auch die PCF und die Grünen umfassen. In
Deutschland beteiligt sich die PDS (die aus
der alten SED hervorgegangen ist) auf Länderebene
an Koalitionen mit der SPD. In Spanien verfolgt
die Leitung der Izquierda Unida (Vereinigte
Linke) eine Politik der „linken Mehrheit“
und unterstützt die Regierung Zapatero.
Linke Sektoren wie unsere GenossInnen von Espacio
Alternativo lehnen diese Politik ab und verteidigen
eine Politik der „Linksopposition“
zur Regierung.
Vor kurzem hat die Führung von Rifondazione
Comunista eine Wendung vollzogen, die das Ziel
hat, an einer von Romano Prodi, dem früheren
Präsidenten der Europäischen Kommission,
geführten Mitte-Links-Regierung teilzunehmen!
Unsere GenossInnen schlagen zwar ein Wahlabkommen
gegen die Rechtsparteien vor, führen aber
gleichzeitig den Kampf gegen eine Regierungsbeteiligung
von Rifondazione an einer solchen Regierung,
eine Regierung, die wie in der Vergangenheit
die prokapitalistische und neoliberale Politik
früherer Regierungen fortsetzen würde.
Außer halb Europas sind wir in Brasilien
mit dem Problem der Regierungsbeteiligung konfrontiert.
Aber die Bilanz der Regierung Lula nach zwei
Jahren bestätigt ihre ersten Schritte.
Sie hat die Politik des IWF und der Finanzmärkte
akzeptiert und die Landreform nur auf Sparflamme
entwickelt, sie hat eine Reduzierung der Pensionen
der BeamtInnen nach neoliberalem Vorbild durchgezogen
und vor allem die Arbeitslosigkeit und Armut
nicht eingedämmt. Das Ergebnis war eine
Politik der Demobilisierungen und der Desillusionierung
der Anhängerschaft der PT. Es stellt sich
die Frage des Austritts der Linken, vor allem
unserer Genossen der Tendenz Sozialistische
Demokratie, aus der Regierung. Man kann heute
keine Alternative zur Regierung Lula aufbauen
... und in dieser Regierung sitzen. Für
unsere Strömung muss die Regierungsfrage
mit der allgemeinen Politik verbunden sein.
Wir treten für Regierungen des antikapitalistischen
Bruchs, der gesellschaftlichen Umgestaltung
ein, die den Weg in Richtung Sozialismus ebnen.
Denn tatsächlich kann man nicht die wichtigsten
Forderungen der einfachen Bevölkerung erfüllen,
ohne mit den Institutionen der kapitalistischen
Wirtschaft zu brechen. Aus diesem Grund kann
die antikapitalistische Linke nicht an Regierungen
teilnehmen, die sich in diesem Rahmen bewegen.
Das hat beispielsweise unsere GenossInnen in
Portugal dazu geführt, jede Beteiligung
oder Unterstützung einer PSRegierung abzulehnen,
im Gegensatz zur Kommunistischen Partei, die
an und für sich sehr gegen die PS eingestellt
ist. Unsere GenossInnen lehnen auch jedes allgemeine
parlamentarische Abkommen mit der PS ab und
werden von Fall zu Fall, von Maßnahme
zu Maßnahme, von Gesetz zu Gesetz abstimmen;
was für die Arbeitenden gut ist, werden
sie annehmen und was schlecht ist, ablehnen.
8. Wir treten in eine neue
Phase des Aufbaus antikapitalistischer Organisationen
und revolutionärer Strömungen und
Parteien ein. Die neuen Gegebenheiten der Epoche
setzen die Suche nach neuen Wegen zum Aufbau
einer breiten antikapitalistischen Partei auf
die Tagesordnung. Dies setzt zuerst eine Debatte
über die Inhalte voraus (das Programm,
das Profil und die politischen Konturen, die
eine Alternative zum Sozialliberalismus braucht,
besonders über Fragen der Regierung). Wir
müssen auch nach Zusammenführung und
Konvergenz von politischen Kräften anderen
Ursprungs und anderer politischer Kultur streben,
damit die bestehenden Organisationen überwunden
werden können. In jedem Fall des Auftauchens
solcher neuer Kräfte ist der Dialog zwischen
politischen Strömungen und Organisationen
wesentlich. Der Inhalt und dynamische Organisationsformen
sind umso entscheidender, als die antikapitalistischen
Strömungen heute mit folgendem Widerspruch
konfrontiert sind: Sie können einen bedeutsamen
politischen Raum einnehmen (wie etwa der Linksblock
in Portugal oder die schottische Sozialistische
Partei SSP), ohne dass dies einem Niveau großer
Selbsttätigkeit der Massenbewegungen entspräche.
Ihre Entwicklung rührt vor allem aus der
Krise der traditionellen Linken her, aus der
sozialliberalen Entwicklung der Sozialdemokratie
und dem Niedergang der KPen, die mit den Besonderheiten
der jeweiligen nationalen Konjunktur verbunden
sind. Plötzlich sehen sich unsere antikapitalistischen
oder revolutionären Organisationen Spannungen
und Widersprüchen zwischen ihrer bedeutsamen
Eingliederung ins politische Geschehen, ins
Medienleben, in die institutionelle und politisch-organisatorischer
Realität gegenüber, die weit über
ihren direkten Einfluss hinausreichen. Daher
müssen wir große Anforderungen an
uns selbst stellen, um unsere Organisationen
aufzubauen, indem wir gleichzeitig ihre Unabhängigkeit
wahren und ihre Fähigkeit steigern, die
politische und gesellschaftliche Selbstaktivität
der unteren Schichten der Bevölkerung voranzubringen.
François
Sabado ist Mitglied des Politischen Büros
der Ligue communiste révolutionnaire
(französische Sektion der IV. Internationale)
und des Exekutivbüros der IV. Internationale.
Vor kurzem vertrat er die LCR und die Leitung
der IV. Internationale auf dem Kongress von
Espacio Alternativo (in der die mit der IV.
Internationale verbundenen GenossInnen im spanischen
Staat organisiert sind) und dem Kongress der
Revolutionär-sozialistischen Partei PSR,
portugiesische Sektion der IV. Internationale,
eine Komponente des Linksblocks), die beide
im Dezember 2004 stattfanden.
Übersetzung:
Paul Kleiser
1
Auf dem Kongress von Epinay vom Juni 1971 übernahm
François Mitterrand (Chef der Cenvention
des institutions républicaines) mit Unterstützung
des damaligen linken Flügels (dem CERES,
geführt von Jean-Pierre Chevènement)
und den Parteigliederungen des Nordens (Pierre
Mauroy) und der Rhone-Mündung (Gaston Deferre)
die Parteiführung. Die politische Ausrichtung
war die Linksunion (also das Bündnis mit
den Kommunisten), was eine Erneuerung und einen
Umbau der Partei bedeutete.
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