Die
noch von der Großen Koalition beschlossene
Schuldenbremse, die mit der Aufnahme ins Grundgesetz
Verfassungsrang erhielt, erfordert in den Jahren
2011 bis 2016 dauerhafte jährliche Einsparungen
von zehn Milliarden Euro.
Während
über viele Sparmaßnahmen noch spekuliert
wird, nehmen die Angriffe auf Hartz-IV-Empfänger
bereits konkrete Formen an. So soll die Übernahme
der Mietkosten durch die Kommunen nicht mehr
die realen Kosten abdecken, sondern in Form
einer Mietpauschale ausgezahlt werden. Dieser
Plan stand bereits im Koalitionsvertrag von
CDU/CSU und FDP.
FDP-Generalsekretär
Christian Lindner, ein Hauptbefürworter
der Pauschale, behauptet, "individuelle
Leistungskürzungen oder eine Verschlechterung
der Wohnsituation" seien damit nicht verbunden.
Aber das ist reine Augenwischerei. Der Deutsche
Städte- und Gemeindebund geht davon aus,
dass die Kommunen durch die Umstellung auf die
Mietpauschale bei den 6,7 Millionen Hartz-IV-Empfängern
einen dreistelligen Millionenbetrag einsparen
können. Auch die Beschwerden wegen nicht
übernommenen Mietkosten und zu gering veranschlagten
Betriebskostenpauschalen könnten damit
eingedämmt werden.
Sozialverbände
befürchten, dass aufgrund der Mietpauschalen
viele Hartz-IV-Empfänger ihre jetzigen
Wohnungen nicht mehr bezahlen können und
umziehen müssen. Der Paritätische
Wohlfahrtsverband warnt: "Durch die Mietpauschalen
werden Familien und Kinder im Hartz-IV-Bezug
mutwillig zu einem Umzug in billige und abbruchreife
Wohnungen verführt."
Die
Umsetzung dieser Maßnahmen wird zu einer
weiteren Verschärfung der Lebenssituation
von Hartz-IV-Empfängern führen, deren
jetzige Einnahmen schon so knapp bemessen sind,
dass sie nicht zu einem menschenwürdigen
Leben reichen. Der Regelsatz von 359 Euro im
Monat, von dem jetzt schon ein Teil der Heiz-,
Strom- und Wasserkosten bezahlt werden muss,
reicht kaum für eine ausreichende und gesunde
Ernährung, geschweige denn für die
Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, wie zum
Beispiel einen Kino- oder Theaterbesuch. Die
Regelsätze für Angehörige und
Kinder liegen noch darunter.
Die
Umstellung auf eine Mietkosten- und Betriebskostenpauschale
wird dazu führen, dass arme Menschen nicht
mehr in der Lage sein werden, die Kosten für
Mieten, Strom, Heizung und Wasser zu bezahlen.
In den USA ist dies bereits millionenfach der
Fall.
Die
zuständige Bundesarbeitsministerin Ursula
von der Leyen (CDU) unterstützt die Pläne
einer Mietkostenpauschale. Sie kündigte
weitere Sparbeiträge aus ihrem Ministerium
an, das mit einem Haushalt von 144 Milliarden
Euro den größten Einzelposten im
Bundeshaushalt darstellt. Sie halte eine "schonungslose
Ausgabenkritik" für notwendig, sagte
die Ministerin. In der Arbeitsmarktpolitik gebe
es zum Beispiel bei etwa 20 Prozent der Fördermaßnahmen
für Arbeitslose Kürzungs-möglichkeiten.
Auch
ein zweites, bekannt gewordenes Sparprojekt
im Bereich Arbeit und Soziales zielt auf Arbeitslose
und Hartz-IV-Empfänger. Langzeitarbeitslose
sollen gezwungen werden, eine so genannte "Bürgerarbeit"
anzunehmen. Anstelle von Hartz-IV-Leistungen
sollen sie für eine maximal drei Jahre
dauernde Tätigkeit, möglichst im gemeinnützigen
Bereich, bei 30 Wochenstunden ein Bruttogehalt
von 900 Euro erhalten.
Von
diesem Niedriglohn werden (mit Ausnahme des
Beitrags zur Arbeitslosenversicherung) Sozialabgaben
abgezogen. Die Arbeitgeber der "Bürgerarbeiter"
- Kommunen, Kirchen oder karitative Einrichtungen
- erhalten hingegen mit 180 Euro pro eingestellten
"Bürgerarbeiter" die von ihnen
zu leistenden Sozialbeiträge nahezu vollständig
ersetzt. Da der Lohn aus öffentlichen Mitteln
für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen
gezahlt wird, erhalten sie auf diese Weise nahezu
kostenlose Arbeitskräfte.
Nach
Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums,
die der Süddeutschen Zeitung vorliegen,
sollen 230 Millionen Euro für die "Bürgerarbeit"
fließen. Zusätzlich werden 200 Millionen
Euro vom Europäischen Sozialfonds erwartet.
Auf diese Weise sollen 33.000 "Bürgerarbeiter"-Jobs
geschaffen werden.
Modellprojekte
für die "Bürgerarbeit",
wie es sie bereits in Bad Schmiedeberg in Sachsen-Anhalt
gibt, zeigen, dass Langzeitarbeitslose etwa
für die Betreuung alter Menschen oder für
Reinigungsarbeiten und die Kontrolle von Parks
eingesetzt werden. Während damit reguläre
Arbeitsplätze in diesen Bereichen verdrängt
werden, fallen die "Bürgerarbeiter"
zumindest zeitlich befristet aus der Arbeitslosenstatistik.
Ein Übergang in ein reguläres Arbeitsverhältnis
ist wie schon bei den bisher praktizierten Ein-Euro-Jobs
die absolute Ausnahme.
Die
Einführung der so genannten "Bürgerarbeit"
bedeutet daher nur eine andere Form von Zwangsarbeit
mit Armutslöhnen, die ihrerseits den Druck
auf reguläre Beschäftigungsverhältnisse
verschärfen.
Zu
den ersten, die sich für eine solche Form
der Zwangsarbeit stark gemacht haben, gehört
die Vorsitzende und Spitzenkandidatin der nordrhein-westfälischen
SPD, Hannelore Kraft. Sie hatte Anfang März
in einem Interview mit dem Spiegel erklärt,
dass ein Großteil der Hartz-IV-Empfänger
keinerlei realistische Chance auf Eingliederung
in "reguläre Arbeit" habe.
"Wir
müssen endlich ehrlich sein: Rund ein Viertel
unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen
regulären Job finden", sagte Kraft
und forderte, diese Langzeitarbeitslosen müssten
als Gegenleistung für regelmäßige
staatliche Unterstützung dazu angehalten
werden, "im Rahmen ihrer Möglichkeiten
für die Gesellschaft etwas zu leisten".
Ihre
Vorschläge für "gemeinnützige
Arbeit" - zum Beispiel Vorlesen und Aushelfen
in Altenheimen, Arbeit in Sport- und Freizeitvereinen
oder auch Einsatz beim Straßenfegen -
decken sich praktisch völlig mit den Einsatzgebieten
der jetzt von der Bundesregierung ins Gespräch
gebrachten "Bürgerarbeit".
Auch
alle anderen bisher bekannt gewordenen und diskutierten
Kürzungsvorschläge gehen in diese
Richtung. So werden nach einer von SpiegelOnline
am 26. Mai vorgelegten Liste Einsparungen bei
den Renten und beim Arbeitslosengeld diskutiert,
bei gleichzeitiger Überlegung, den Beitrag
zur Arbeitslosenversicherung wieder zu erhöhen.
Eine Beitragserhöhung von einem Prozent
würde den Bundeshaushalt um acht Milliarden
Euro entlasten.
Der
von der Regierung eingesetzte Sachverständigenrat
schlägt in seinem Gutachten zur gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung sogar eine Kürzung der Hartz-IV-Sätze
um 30 Prozent vor. Diese Maßnahme würde
allein ausreichen, um die Einsparvorgaben von
Finanzminister Schäuble zu erfüllen.
Sie würde aber auch das bisher geltende
Existenzminimum von Hartz-IV-Empfängern
unmittelbar gefährden.
Neben
diesen Kürzungen sind auch die Abschaffung
der Pendlerpauschale und der steuerfreien Zuschläge
für Nacht- und Schichtarbeit wieder im
Gespräch sowie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer.
All
diesen Vorschlägen ist gemeinsam, dass
sie auf soziale Leistungen abzielen, die von
der Arbeiterklasse im Laufe von Jahrzehnten
erkämpft wurden. Arbeiter und Arbeitslose,
Kinder, Jugendliche und Rentner sollen für
eine Krise bezahlen, für die sie nicht
verantwortlich sind. |