Reallohnentwicklung
in Deutschland
„Unternehmen können oft extrem
niedrige Gehälter durchsetzen, weil sich
die Machtverhältnisse zuungunsten der Arbeitnehmer
verschoben haben. Die Angst vor Hartz IV sorgt
dafür, dass sie Lohneinbußen akzeptieren
und notfalls auch extrem schlecht bezahlte Minijobs
oder Leiharbeiter-Stellen annehmen.“
So der Kommentar von Petra Roth in der „Frankfurter
Rundschau“ vom 19 Juli 2011 zu einem Artikel
in derselben Zeitung über die neuesten,
bisher unveröffentlichen Daten des Deutschen
Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Verteilungsforscher
Markus Grabka vom Deutschen Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW) hatte für die
„Berliner Zeitung“ neue Umfrageergebnisse
des Sozio-oekonomischen Panels (Soep) über
die realen Nettoeinkommen in Deutschland ausgewertet.
Das Soep ist eine seit 1984 jährlich durchgeführte
repräsentative Wiederholungsbefragung von
über 12.000 Privathaushalten in Deutschland.
Grabka kommt in seiner Auswertung zum Schluss,
dass Beschäftigte in den unteren Einkommensgruppen
starke Einbußen hatten: Ihre Realeinkommen,
also die preisbereinigten Nettogehälter,
sanken in den letzten zehn Jahren um 16 bis
22 Prozent.
Wer als Minijobber im Jahr 2000 noch über
ein reales Nettoeinkommen von 270 Euro verfügte,
erhielt im letzten Jahr nur noch 211 Euro, das
sind fast 22 Prozent weniger. Wer vor elf Jahren
noch 835 Euro netto verdiente – Verkäufer,
Helfer im Handwerk, Angestellte in Callcentern
und bei Sicherheitsdiensten –, hatte 2010
nur noch 705 Euro oder 16 Prozent weniger.
"Die Wirtschaft ist seit der Jahrtausendwende
ordentlich gewachsen. Die Gewinne und Vermögenseinkommen
sind insgesamt sogar kräftig gestiegen.
Doch bei den meisten Erwerbstätigen ist
von dem Wirtschaftswachstum nichts angekommen",
so die Bilanz von Grabka.
Insgesamt sind die realen Nettolöhne durchschnittlich
laut DIW innerhalb eines Jahrzehnts um 2,5 Prozent
gesunken. Betrug das reale Durchschnittseinkommen
im Jahr 2000 noch 1.429 Euro so fiel es innerhalb
von zehn Jahren auf 1.394 Euro.
Laut Grabka ist diese so genannte untere Mittelschicht
von der negativen Entwicklung am stärksten
betroffen. „Das liegt vor allem an
der wachsenden Zahl atypischer Beschäftigungsverhältnisse.“
Damit sind Leiharbeit, befristete und geringfügige
Stellen sowie Teilzeitjobs mit einer Arbeitszeit
unter 20 Wochenstunden gemeint. Ihre Zahl stieg
2010 in Deutschland auf 7,84 Millionen. Die
Mehrzahl der 2010 geschaffenen Arbeitsplätze,
187.000 von 322.000, waren Leiharbeiter-Stellen.
Die Zahl der Leiharbeiter stieg nach einem Einbruch
2009 wieder auf insgesamt 742.000 und erreichte
damit einen neuen Höchstwert.
Ein weiterer Grund für das Sinken der Reallöhne
ist laut Grabka, dass immer mehr Frauen beschäftigt
sind, die meist unterdurchschnittlich bezahlt
werden. Und auch „junge Menschen beginnen
ihr Berufsleben heute mit deutlich niedrigeren
Einkommen als noch vor zehn Jahren“,
so der DIW-Forscher. Das gilt gleichermaßen
für Akademiker wie für alle anderen.
Hohe Qualifikationen und stringente Lebensläufe
seien mittlerweile keine Versicherung mehr gegen
schmale Einstiegsgehälter.
Die Benachteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt
zeigt auch ein Artikel in derselben Ausgabe
der „Franfurter Rundschau“ vom 19.
Juli 2011 über den jüngsten „Genderbericht“,
der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur
für Arbeit in Frankfurt. Laut diesem Bericht
verdienen im Bundesland Hessen Männer gut
ein Fünftel mehr als Frauen. Gemäss
FA lassen sich diese hessischen Verhältnisse
durchaus auf die andern „alten“
Bundesländer übertragen. Die Kluft
wird vor allem am unteren und oberen Ende der
Gehaltsklassen deutlich. Gut ein Drittel aller
Frauen muss sich mit weniger als 2000 Euro im
Monat begnügen. Der Anteil der Männer
mit diesem Verdienst liegt dagegen bei rund
15 Prozent. Umgekehrt kassiert ein Drittel der
Männer mehr als 4000 Euro, während
nur 17 Prozent der Frauen diese Entgelt-Region
erreichen. Zuletzt galt fast jede/r fünfte
Lohnabhängige in Hessen als NiedriglöhnerIn,
erhielt also weniger als 1870 Euro monatlich.
Knapp 30 Prozent aller Frauen fallen in diese
Kategorie. Bei den Männern sind es knapp
13 Prozent. Die klassischen Normalarbeitsverhältnisse
hätten an Bedeutung verloren, während
atypische Beschäftigungsformen stark zunehmen,
heißt es im Bericht.
Laut „Frankfurter Rundschau“ kritisiert
der Wirtschaftsweise Peter Bofinger kritisiere
ebenfalls diese Entwicklung. „Es gibt
Möglichkeiten, die Löhne zu stabilisieren.
Doch die Politik interessiert sich nicht dafür.“
Bofinger schlägt vor, den Ausstieg aus
der paritätischen Finanzierung in der Krankenversicherung
rückgängig zu machen. Derzeit zahlen
Beschäftigte 8,2 Prozent ihres Einkommens
in die Kassen, Unternehmen nur 7,3 Prozent.
Wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber wieder jeweils
die Hälfte der Kosten übernähmen,
würde „eine solche Rückkehr
zur Parität den Staat keinen Cent kosten“,
betont Bofinger.
„Die Politik hat die Reformschraube
überdreht“, meint DIW-Verteilungsforscher
Markus Grabka. „Wenn von 40 Millionen
Erwerbstätigen sieben Millionen Minijobber
sind, dann ist etwas aus dem Ruder gelaufen.“
Er empfiehlt, die Förderung der geringfügigen
Beschäftigung zu überdenken und Leiharbeiter
ebenso zu entlohnen wie Festangestellte. „Die
meisten Menschen haben das Gefühl, dass
die wirtschaftliche Entwicklung an ihnen vorbei
geht – und sie haben recht“,
so der Professor an der Uni Würzburg.
Von wegen „Jobwunder“
Politiker und Wirtschaft in Deutschland jubeln
wieder über tolle Arbeitsmarkt-Zahlen und
der neue Wirtschaftsminister Philipp Rösler
kann verkünden: „Seit der Wiedervereinigung
waren in Deutschland in einem April niemals
mehr Menschen in Beschäftigung.“
Den Betroffenen ist aber oft nicht nach Jubeln
zumute. In den vergangenen zwölf Monaten
seien in der Bundesrepublik 692’000 sozialversicherungspflichtige
Jobs entstanden. Das klingt super. Bei genauer
Betrachtung zeigt sich aber, dass über
250'000 dieser Jobs Zeitarbeitsjobs sind so
das „Institut für Arbeit und Qualifikation“
IAQ der Uni Duisburg-Essen.
Das vorgebliche „Job-Wunder“ im
derzeitigen Nach-Krisen-Aufschwung in Deutschland
beruht also in der Hauptsache auf der Zunahme
von Leiharbeit. Das heißt: ehemals Festangestellte
ArbeiterInnen werden nach der Krise in Leiharbeitsverhältnissen
mit durchgängig weniger Lohn neu eingestellt.
Ein
weiterer, beträchtlicher Teil davon dürften
gemäss IAQ sogenannte 400 Euro Jobs (Minijobs)
sein, ihr Anstieg im genannten Zeitraum wird
nicht ausgewiesen, jedoch müssen sich mittlerweile
gegen 5 Millionen Menschen in Deutschland mit
einem 400-Euro-Job zufrieden geben. Minijobber
erhalten maximal 400 Euro im Monat, viele verdienen
noch weniger. Davon kann kein Mensch leben.
Zudem sind die Stundenlöhne oft sehr niedrig:
86 Prozent der Minijobber erhalten Niedriglöhne
von weniger als 9,50 Euro pro Stunde im Westen
und weniger als 6,07 Euro im Osten. Die Einkommen
sind also mini – für die Arbeitszeit
gilt das nicht. Die Arbeitszeit der Minijobber
beträgt im Schnitt ein Drittel einer Vollzeitstelle,
so das Forschungsinstitut der Bundesagentur
für Arbeit (IAB). Die meisten Minijobber
sind Frauen, viele arbeiten im Einzelhandel,
in der Gebäudereinigung oder in der Gastronomie.
Zwei Drittel der Minijobberinnen würden
gern länger arbeiten – und mehr verdienen.
Bei den Frauen mit einem regulären Teilzeit-Job
möchte jede zweite ihre Arbeitszeit aufstocken.
Im Oktober 2010 waren in Deutschland mehr als
900.000 Leiharbeiter beschäftigt, deutlich
mehr als bei dem bisherigen Höchststand
vor der Krise. Die Bedingungen in der Branche
haben sich aber drastisch verschlechtert. Zwei
von drei Leiharbeitsbeschäftigten arbeiten
inzwischen zu Niedriglöhnen. Während
Vollzeitbeschäftigte im Durchschnitt 18,04
Euro brutto pro Stunde (2006) verdienen, erreichen
Leiharbeitskräfte mit 9,71 Euro nahezu
nur die Hälfte. Wegen der niedrigen Löhne
müssen 11,5 Prozent aller Leihkräfte
ergänzend Hartz IV-Leistungen für
die Grundsicherung in Anspruch nehmen, fünfmal
mehr als der Durchschnitt aller Beschäftigten.
Leiharbeit ist in Deutschland längst keine
Randerscheinung mehr. Unternehmen und auch öffentlich-rechtliche
Einrichtungen haben zunehmend eigene Verleiheinheiten
gegründet, um Arbeitskräfte zu den
niedrigeren Zeitarbeitstarifen beschäftigen
zu können.
Leiharbeit als die vielgepriesene Brücke
in die „normale“ Beschäftigung
und „normale“ Arbeit funktioniert
nicht: Die von der Politik erwarteten Übergänge
von 50 Prozent und mehr aus den 2004 eingeführten
Personal-Service-Agenturen mündeten in
der Praxis nur zu rund 7 Prozent in reguläre
Beschäftigung.
Gemäss einer IG-Metall Pressemitteilung
machen Minijobs, Befristungen, Leiharbeit und
Teilzeit 75 Prozent des derzeitigen Wachstums
am Arbeitsmarkt in Deutschland aus.
Das Erbe der Agenda 2010
„Die Politik hat die Ausweitung des
Niedriglohnsektors mit den Hartz-Reformen massiv
unterstützt: Leiharbeit wurde erleichtert
und Minijobs gefördert. Begründung:
Dadurch könnten mehr Arbeitslose einen
Job finden.“ So die „Berliner
Zeitung“ zu den DIW-Zahlen in ihrer Dienstagsausgabe
und zitiert zur Begründung Joachim Möller,
Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt-
und Berufsforschung: „Dies ist zum
Teil auch gelungen, allerdings gebe es im Niedriglohnsektor
Auswüchse, die man beschäftigungspolitisch
nicht rechtfertigen kann"
Im Februar 1999, also kurz nach seinem Amtsantritt
1998 verkündete SPD-Kanzler Schröder:
"Wir müssen einen Niedriglohnsektor
schaffen, der die Menschen, die jetzt Transfer-Einkommen
beziehen, wieder in Arbeit und Brot bringt."
Im Januar 2005, Hartz IV war gerade geboren,
preist Schröder auf dem Weltwirtschaftsforum
in Davos: "Wir haben unseren Arbeitsmarkt
liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren
aufgebaut, den es in Europa gibt."
Genau dies bestätigen jetzt einmal mehr
die aktuellen Zahlen des Deutschen Instituts
für Wirtschaftsforschung (DIW) zur Reallohnentwicklung
sowie diejeniegen des „Institut für
Arbeit und Qualifikation“ IAQ zur Arbeitsmarksituation
in Deutschland. Mit den Harz-Reformen als Teil
der Agenda 2010 hat die rotgrüne Regierung
Schröder-Fischer eine soziale Umverteilung
angestossen, wie sie Deutschland nach dem Zweiten
Weltkrieg nicht mehr erlebt hatte. Die sozialdemokratisch-grüne
Regierung hat mit der massenhaften Einführung
von Niedriglohnarbeit die Löhne gedrückt.
Sie hat den Unternehmern grosszügige Steuergeschenke
gewährt und im Gegenzug Leistungen der
Sozialversicherungen reduziert, wie beispielsweise
die von Bolfinger angesprochene Abschaffung
der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung.
2005 hatte die Regierung Schröder diese
Parität über den Haufen geworfen und
den Anteil der Lohnabhängigen von 7.75%
auf 8.2% erhöht. Entsprechend wurde der
Anteil der Arbeitgeber auf 7.3% gesenkt. Im
Jahr 2000 betrug der Beitragssatz zur gesetzlichen
Krankenversicherung (in Prozent des Bruttoverdienstes)
noch 13.6% was damals wie gesagt noch paritätisch
geteilt wurde.
Bestätigung durch die Entwicklung der Arbeitskosten
Seit dem Jahr 2000 hat Deutschland im Vergleich
mit den übrigen Ländern der Eurozone
mit einem Plus von 5.9% den geringsten Anstieg
bei den Lohnstückkosten (Italien + 29,9
%, Frankreich + 6,2 %.
Die Arbeitskosten pro Arbeitsstunde für
die Privatwirtschaft liegen in Deutschland mit
29 Euro pro Arbeitsstunde im Mittelfeld der
EU-Staaten. Im Jahr 2009 sind die Arbeitskosten
langsamer gestiegen als im Durchschnitt der
Eurozone.
Zwischen 2000 und 2009 stiegen die deutschen
Arbeitskosten (pro Arbeitsstunde in Industrie
und privatem Dienstleistungsbereich) durchschnittlich
um 1,9 Prozent pro Jahr und lagen damit 2009
bei 29 Euro (für Bruttolohn, Unternehmeranteile
an den Sozialbeiträgen, Steuern für
Arbeitskosten etc.) Im "Durchschnitt"
des Euroraums (Vergleich mit zwölf Ländern)
betrug die jährliche Zunahme 2,9 Prozent.
In Dänemark, den Niederlanden, Großbritannien
und Spanien stiegen die Arbeitskosten um 3,5
bis 4,5 Prozent. In Slowenien, der Tschechischen
Republik und Ungarn stiegen die Arbeitskosten
um 6,9 bis 8,9 Prozent.
„Die extrem starke Entwicklung der
Exporte unterstreiche, dass die internationale
Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft
weiterhin hervorragend ist", so die
Wissenschaftler des „Instituts für
Makroökonomie und Konjunkturforschung“
(IMK) in der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung.
„Wirtschaftsförderung“
für die einen…
Die rot-grüne Regierung Schröder Fischer,
die nachfolgende „Grosse Koalition“
(2005-2009) und die Regierung Merkel haben seit
1998 einen grossen Teil der Lohnabängigen
Deutschlands in Armut und einen täglichen
Überlebenskampf gestürzt. Gleichzeitig
steigen die Gewinne der Unternehmen und die
Vermögen der Reichen ständig an. Die
weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise vermochte
diese Entwicklung nur kurz zu unterbrechen.
Im Jahr 2010 verzeichneten die im Deutschen
Aktienindex Dax (DAX 100 ) vertretenen Konzerne
wieder einen Anstieg der Gewinne vor Zinsen
und Steuern von durchschnittlich 66 Prozent.
Die Netto-Profite der DAX 30 Konzerne stiegen
gar um 117%. Der Gesamtgewinn der Dax-Konzerne
fiel dabei nicht nur deutlich höher aus
als im Jahr 2009. Er übertraf auch den
des Jahres 2008, in dem sich die Finanzkrise
noch kaum in den Bilanzen niedergeschlagen hatte,
um 22 Prozent. Die Prognosen für die Entwicklung
der Dividenden der DAX-Konzerne liegen derzeit
bei +25%.
Die Arbeitnehmerentgelte, also die Lohnsumme
sämtlicher lohnabhängig Beschäftigten
in Deutschland beliefen sich 2010 mit rund 1‘260
Milliarden Euro auf rund 66 Prozent des deutschen
Volkseinkommens und stieg gegenüber dem
Vorjahr um lediglich 2.6% an. Die Gesamtheit
der Unternehmens- und Vermögenseinkommen
betrug im selben Jahr 642 Milliarden Euro und
nahm im selben Zeitraum um 13.2% zu.
Seit
1998 haben diese drei Regierungen (vorher gab’s
das natürlich auch schon) die Unternehmen
und Reichen grosszügig mit Steuergeschenken
bedacht und das Steueraufkommen der Betreffenden
massiv und systematisch abgebaut. So mit der
Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuer
um insgesamt 1 % (Steuerausfall pro Jahr 12
Milliarden Euro) oder mit der mehrmaligen Senkungen
der Körperschaftssteuer (AGs, GmbHs) auf
zuletzt 15 %. Ab 2009 wurden die Bezüger
grosser Zinserträge durch eine sogenannte
„einheitliche Abgeltungssteuer“
massiv „entlastet“ (Steuerausfall
jährlich knapp 5 Milliarden Euro). Die
Besteuerung von Kapital und Arbeit in Deutschland
im Jahr 2008, betrug für das Kapital 23,1
%, für die der Arbeit 39,2 %. Damit ist
Deutschland im Vergleich zu vielen anderen EU-Ländern,
für das Kapital ein Niedrig - Steuerland.
Nur in Österreich zahlen die Vermögenden
noch weniger Steuern.
… Sparprogramme für die anderen
Vor etwas mehr als einem Jahr (Juni 2010) beschloss
die Regierung Merkel mit einem 80 Milliarden
Euro schweren „Sparpaket“ die Abwälzung
der Krisenkosten auf die Lohnabhängigen.
Sie hatte sich mit der Ankündigung etwas
Zeit gelassen, damit der unmittelbare Zusammenhang
mit dem „Bankenrettungspaket“ im
Umfang von 500 Milliarden Euro vom Herbst 2008
zugunsten der Spekulanten und z.B. der 5 Milliarden
Euro schweren Hilfe für die deutsche Automobilindustrie
in Form der „Abwrackprämie“
von 2009 nicht allzu offensichtlich erscheint.
Nach „intensiven“ Beratungen traten
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr
damaliger Stellvertreter, Außenminister
Guido Westerwelle (FDP), vor die Presse und
verkündeten, ein "einmaliger Kraftakt"
sei gelungen. Die Bundesregierung werde bis
2014 80 Milliarden Euro einsparen, vor allem
bei Sozialleistungen. „Das radikale
Sparprogramm sei notwendig, um die großen
Lücken im Finanzsystem zu schließen",
betonte Merkel. Nur durch eine gewaltige Kraftanstrengung
könne die finanzielle Zukunft des Landes
wieder auf "solide Beine" gestellt
werden. Und In seiner unnachahmbaren Arroganz
erklärte Westerwelle, jeder in Deutschland
müsse nun den Gürtel enger schallen.
"Wir haben in den letzten Jahren deutlich
über unsere Verhältnisse gelebt",
sagte der damalige Chef der FDP. Und, fügte
Westerwelle hinzu, er und die Minister seiner
Partei hätten dafür gesorgt, dass
keine Steuererhöhungen beschlossen wurden.
Das sei eine gute Nachricht. Er erwähnte
allerdings nicht, dass sich seine Initiative
zur Verhinderung von Steuererhöhungen nur
auf die Unternehmensbesteuerung bezog.
Im Zentrum stehen die Kürzungen der Leistungen
für Arbeitslose. So werden die für
zwei Jahre gezahlten Zuschläge beim Übergang
vom Arbeitslosengeld I ins Arbeitslosengeld
II gestrichen. Bisher wurden Alleinstehenden
im ersten Jahr bis zu 160 Euro monatlich gezahlt,
im zweiten bis zu 80 Euro. Für Verheiratete
gab es maximal das Doppelte. Das fällt
nun weg. Hartz-IV-Empfängern wird auch
das Elterngeld komplett gestrichen. Ihr Grundbedarf
sei bereits durch die Regelsätze der staatlichen
Hilfen und durch Zusatzleistungen gesichert.
Gleichzeitig wird der Heizkostenzuschuss für
Wohngeldempfänger gestrichen.
Auch der aus Steuergeldern bezahlte Rentenversicherungsbeitrag
für Langzeitarbeitslose fällt weg.
Grundsätzlich will die Koalition Pflichtleistungen
in Ermessensleistungen umwandeln - etwa bei
Eingliederungshilfen für Jobsuchende. Damit
wird der Druck auf Arbeitslose, jede Art von
Arbeit anzunehmen, drastisch erhöht. Die
Job-Center sollen dadurch bereits im laufenden
Jahr zwei Milliarden Euro einsparen. Im Jahr
2014 soll dieser Sparposten auf sechs Milliarden
Euro steigen. Außerdem soll die Arbeitslosenversicherung
künftig ohne Darlehen oder Zuschüsse
auskommen, was eine Erhöhung des Beitragssatzes
über die für 2011 festgelegten drei
Prozent bedeuten könnte.
500 Millionen Euro werden beim Elterngeld eingespart.
Die Bemessungsgrundlage zu dessen Berechnung
soll von derzeit 2.700 auf 1.800 Euro zurückgenommen
werden. Allerdings sollen Väter und Mütter
nur noch 65 Prozent statt wie bislang 67 Prozent
ihres letzten Nettogehalts beziehen.
Außerdem plant die Regierung die Zahl
der Bundesbeschäftigten in den kommenden
vier Jahren um bis zu 15.000 Stellen zu senken.
Die für das kommende Jahr geplante Besoldungserhöhung
für Bundesbeamte soll ausfallen. Laut dpa
müssen Bundesbeamte sogar mit einer Kürzung
ihrer Bezüge um 2,5 Prozent rechnen. Dies
soll durch den Verzicht auf die geplante Erhöhung
des Weihnachtsgeldes für Beamte im Jahr
2011 erreicht werden.
Die Art und Weise, wie auf dem Buckel der sozial
Schwächsten „gespart“ wird
zeigt den Charakter der „Sparprogramme“
(nicht nur in Deutschland) deutlich auf, als
staatlich geführten Klassenkampf von oben,
wobei die Parallelen zur Brünigschen Sparpolitik
von Anfangs der 1930-er Jahre nicht mehr zu
verkennen sind.
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