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Reallohnentwicklung und "Jobwunder" in Deutschland

Das bittere Erbe der rot-grünen Regierung Schröder-Fischer

von Lothar Moser - 21. Juli 2011


Minijobs, befristete Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit und Teilzeit machen 75 Prozent des derzeitigen Wachstums am Arbeitsmarkt in Deutschland aus. Eine aktelle Studie zeigt auf, dass die realen Nettoeinkommen der Beschäftigten in den untersten Einkommensklassen in den letzten 10 Jahren um bis zu 22 Prozent gesunken sind.

Reallohnentwicklung in Deutschland

„Unternehmen können oft extrem niedrige Gehälter durchsetzen, weil sich die Machtverhältnisse zuungunsten der Arbeitnehmer verschoben haben. Die Angst vor Hartz IV sorgt dafür, dass sie Lohneinbußen akzeptieren und notfalls auch extrem schlecht bezahlte Minijobs oder Leiharbeiter-Stellen annehmen.“ So der Kommentar von Petra Roth in der „Frankfurter Rundschau“ vom 19 Juli 2011 zu einem Artikel in derselben Zeitung über die neuesten, bisher unveröffentlichen Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Verteilungsforscher Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte für die „Berliner Zeitung“ neue Umfrageergebnisse des Sozio-oekonomischen Panels (Soep) über die realen Nettoeinkommen in Deutschland ausgewertet. Das Soep ist eine seit 1984 jährlich durchgeführte repräsentative Wiederholungsbefragung von über 12.000 Privathaushalten in Deutschland.

Grabka kommt in seiner Auswertung zum Schluss, dass Beschäftigte in den unteren Einkommensgruppen starke Einbußen hatten: Ihre Realeinkommen, also die preisbereinigten Nettogehälter, sanken in den letzten zehn Jahren um 16 bis 22 Prozent.

Wer als Minijobber im Jahr 2000 noch über ein reales Nettoeinkommen von 270 Euro verfügte, erhielt im letzten Jahr nur noch 211 Euro, das sind fast 22 Prozent weniger. Wer vor elf Jahren noch 835 Euro netto verdiente – Verkäufer, Helfer im Handwerk, Angestellte in Callcentern und bei Sicherheitsdiensten –, hatte 2010 nur noch 705 Euro oder 16 Prozent weniger.

"Die Wirtschaft ist seit der Jahrtausendwende ordentlich gewachsen. Die Gewinne und Vermögenseinkommen sind insgesamt sogar kräftig gestiegen. Doch bei den meisten Erwerbstätigen ist von dem Wirtschaftswachstum nichts angekommen", so die Bilanz von Grabka.

Insgesamt sind die realen Nettolöhne durchschnittlich laut DIW innerhalb eines Jahrzehnts um 2,5 Prozent gesunken. Betrug das reale Durchschnittseinkommen im Jahr 2000 noch 1.429 Euro so fiel es innerhalb von zehn Jahren auf 1.394 Euro.

Laut Grabka ist diese so genannte untere Mittelschicht von der negativen Entwicklung am stärksten betroffen. „Das liegt vor allem an der wachsenden Zahl atypischer Beschäftigungsverhältnisse.“ Damit sind Leiharbeit, befristete und geringfügige Stellen sowie Teilzeitjobs mit einer Arbeitszeit unter 20 Wochenstunden gemeint. Ihre Zahl stieg 2010 in Deutschland auf 7,84 Millionen. Die Mehrzahl der 2010 geschaffenen Arbeitsplätze, 187.000 von 322.000, waren Leiharbeiter-Stellen. Die Zahl der Leiharbeiter stieg nach einem Einbruch 2009 wieder auf insgesamt 742.000 und erreichte damit einen neuen Höchstwert.


Ein weiterer Grund für das Sinken der Reallöhne ist laut Grabka, dass immer mehr Frauen beschäftigt sind, die meist unterdurchschnittlich bezahlt werden. Und auch „junge Menschen beginnen ihr Berufsleben heute mit deutlich niedrigeren Einkommen als noch vor zehn Jahren“, so der DIW-Forscher. Das gilt gleichermaßen für Akademiker wie für alle anderen. Hohe Qualifikationen und stringente Lebensläufe seien mittlerweile keine Versicherung mehr gegen schmale Einstiegsgehälter.

Die Benachteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt zeigt auch ein Artikel in derselben Ausgabe der „Franfurter Rundschau“ vom 19. Juli 2011 über den jüngsten „Genderbericht“, der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit in Frankfurt. Laut diesem Bericht verdienen im Bundesland Hessen Männer gut ein Fünftel mehr als Frauen. Gemäss FA lassen sich diese hessischen Verhältnisse durchaus auf die andern „alten“ Bundesländer übertragen. Die Kluft wird vor allem am unteren und oberen Ende der Gehaltsklassen deutlich. Gut ein Drittel aller Frauen muss sich mit weniger als 2000 Euro im Monat begnügen. Der Anteil der Männer mit diesem Verdienst liegt dagegen bei rund 15 Prozent. Umgekehrt kassiert ein Drittel der Männer mehr als 4000 Euro, während nur 17 Prozent der Frauen diese Entgelt-Region erreichen. Zuletzt galt fast jede/r fünfte Lohnabhängige in Hessen als NiedriglöhnerIn, erhielt also weniger als 1870 Euro monatlich. Knapp 30 Prozent aller Frauen fallen in diese Kategorie. Bei den Männern sind es knapp 13 Prozent. Die klassischen Normalarbeitsverhältnisse hätten an Bedeutung verloren, während atypische Beschäftigungsformen stark zunehmen, heißt es im Bericht.

Laut „Frankfurter Rundschau“ kritisiert der Wirtschaftsweise Peter Bofinger kritisiere ebenfalls diese Entwicklung. „Es gibt Möglichkeiten, die Löhne zu stabilisieren. Doch die Politik interessiert sich nicht dafür.“ Bofinger schlägt vor, den Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung in der Krankenversicherung rückgängig zu machen. Derzeit zahlen Beschäftigte 8,2 Prozent ihres Einkommens in die Kassen, Unternehmen nur 7,3 Prozent. Wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber wieder jeweils die Hälfte der Kosten übernähmen, würde „eine solche Rückkehr zur Parität den Staat keinen Cent kosten“, betont Bofinger.

„Die Politik hat die Reformschraube überdreht“, meint DIW-Verteilungsforscher Markus Grabka. „Wenn von 40 Millionen Erwerbstätigen sieben Millionen Minijobber sind, dann ist etwas aus dem Ruder gelaufen.“ Er empfiehlt, die Förderung der geringfügigen Beschäftigung zu überdenken und Leiharbeiter ebenso zu entlohnen wie Festangestellte. „Die meisten Menschen haben das Gefühl, dass die wirtschaftliche Entwicklung an ihnen vorbei geht – und sie haben recht“, so der Professor an der Uni Würzburg.

Von wegen „Jobwunder“

Politiker und Wirtschaft in Deutschland jubeln wieder über tolle Arbeitsmarkt-Zahlen und der neue Wirtschaftsminister Philipp Rösler kann verkünden: „Seit der Wiedervereinigung waren in Deutschland in einem April niemals mehr Menschen in Beschäftigung.“ Den Betroffenen ist aber oft nicht nach Jubeln zumute. In den vergangenen zwölf Monaten seien in der Bundesrepublik 692’000 sozialversicherungspflichtige Jobs entstanden. Das klingt super. Bei genauer Betrachtung zeigt sich aber, dass über 250'000 dieser Jobs Zeitarbeitsjobs sind so das „Institut für Arbeit und Qualifikation“ IAQ der Uni Duisburg-Essen.

Das vorgebliche „Job-Wunder“ im derzeitigen Nach-Krisen-Aufschwung in Deutschland beruht also in der Hauptsache auf der Zunahme von Leiharbeit. Das heißt: ehemals Festangestellte ArbeiterInnen werden nach der Krise in Leiharbeitsverhältnissen mit durchgängig weniger Lohn neu eingestellt.

Ein weiterer, beträchtlicher Teil davon dürften gemäss IAQ sogenannte 400 Euro Jobs (Minijobs) sein, ihr Anstieg im genannten Zeitraum wird nicht ausgewiesen, jedoch müssen sich mittlerweile gegen 5 Millionen Menschen in Deutschland mit einem 400-Euro-Job zufrieden geben. Minijobber erhalten maximal 400 Euro im Monat, viele verdienen noch weniger. Davon kann kein Mensch leben. Zudem sind die Stundenlöhne oft sehr niedrig: 86 Prozent der Minijobber erhalten Niedriglöhne von weniger als 9,50 Euro pro Stunde im Westen und weniger als 6,07 Euro im Osten. Die Einkommen sind also mini – für die Arbeitszeit gilt das nicht. Die Arbeitszeit der Minijobber beträgt im Schnitt ein Drittel einer Vollzeitstelle, so das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit (IAB). Die meisten Minijobber sind Frauen, viele arbeiten im Einzelhandel, in der Gebäudereinigung oder in der Gastronomie. Zwei Drittel der Minijobberinnen würden gern länger arbeiten – und mehr verdienen. Bei den Frauen mit einem regulären Teilzeit-Job möchte jede zweite ihre Arbeitszeit aufstocken.

Im Oktober 2010 waren in Deutschland mehr als 900.000 Leiharbeiter beschäftigt, deutlich mehr als bei dem bisherigen Höchststand vor der Krise. Die Bedingungen in der Branche haben sich aber drastisch verschlechtert. Zwei von drei Leiharbeitsbeschäftigten arbeiten inzwischen zu Niedriglöhnen. Während Vollzeitbeschäftigte im Durchschnitt 18,04 Euro brutto pro Stunde (2006) verdienen, erreichen Leiharbeitskräfte mit 9,71 Euro nahezu nur die Hälfte. Wegen der niedrigen Löhne müssen 11,5 Prozent aller Leihkräfte ergänzend Hartz IV-Leistungen für die Grundsicherung in Anspruch nehmen, fünfmal mehr als der Durchschnitt aller Beschäftigten.

Leiharbeit ist in Deutschland längst keine Randerscheinung mehr. Unternehmen und auch öffentlich-rechtliche Einrichtungen haben zunehmend eigene Verleiheinheiten gegründet, um Arbeitskräfte zu den niedrigeren Zeitarbeitstarifen beschäftigen zu können.

Leiharbeit als die vielgepriesene Brücke in die „normale“ Beschäftigung und „normale“ Arbeit funktioniert nicht: Die von der Politik erwarteten Übergänge von 50 Prozent und mehr aus den 2004 eingeführten Personal-Service-Agenturen mündeten in der Praxis nur zu rund 7 Prozent in reguläre Beschäftigung.

Gemäss einer IG-Metall Pressemitteilung machen Minijobs, Befristungen, Leiharbeit und Teilzeit 75 Prozent des derzeitigen Wachstums am Arbeitsmarkt in Deutschland aus.

Das Erbe der Agenda 2010

„Die Politik hat die Ausweitung des Niedriglohnsektors mit den Hartz-Reformen massiv unterstützt: Leiharbeit wurde erleichtert und Minijobs gefördert. Begründung: Dadurch könnten mehr Arbeitslose einen Job finden.“ So die „Berliner Zeitung“ zu den DIW-Zahlen in ihrer Dienstagsausgabe und zitiert zur Begründung Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: „Dies ist zum Teil auch gelungen, allerdings gebe es im Niedriglohnsektor Auswüchse, die man beschäftigungspolitisch nicht rechtfertigen kann"

Im Februar 1999, also kurz nach seinem Amtsantritt 1998 verkündete SPD-Kanzler Schröder: "Wir müssen einen Niedriglohnsektor schaffen, der die Menschen, die jetzt Transfer-Einkommen beziehen, wieder in Arbeit und Brot bringt." Im Januar 2005, Hartz IV war gerade geboren, preist Schröder auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos: "Wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt." Genau dies bestätigen jetzt einmal mehr die aktuellen Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zur Reallohnentwicklung sowie diejeniegen des „Institut für Arbeit und Qualifikation“ IAQ zur Arbeitsmarksituation in Deutschland. Mit den Harz-Reformen als Teil der Agenda 2010 hat die rotgrüne Regierung Schröder-Fischer eine soziale Umverteilung angestossen, wie sie Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt hatte. Die sozialdemokratisch-grüne Regierung hat mit der massenhaften Einführung von Niedriglohnarbeit die Löhne gedrückt. Sie hat den Unternehmern grosszügige Steuergeschenke gewährt und im Gegenzug Leistungen der Sozialversicherungen reduziert, wie beispielsweise die von Bolfinger angesprochene Abschaffung der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung. 2005 hatte die Regierung Schröder diese Parität über den Haufen geworfen und den Anteil der Lohnabhängigen von 7.75% auf 8.2% erhöht. Entsprechend wurde der Anteil der Arbeitgeber auf 7.3% gesenkt. Im Jahr 2000 betrug der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung (in Prozent des Bruttoverdienstes) noch 13.6% was damals wie gesagt noch paritätisch geteilt wurde.

Bestätigung durch die Entwicklung der Arbeitskosten

Seit dem Jahr 2000 hat Deutschland im Vergleich mit den übrigen Ländern der Eurozone mit einem Plus von 5.9% den geringsten Anstieg bei den Lohnstückkosten (Italien + 29,9 %, Frankreich + 6,2 %.

Die Arbeitskosten pro Arbeitsstunde für die Privatwirtschaft liegen in Deutschland mit 29 Euro pro Arbeitsstunde im Mittelfeld der EU-Staaten. Im Jahr 2009 sind die Arbeitskosten langsamer gestiegen als im Durchschnitt der Eurozone.

Zwischen 2000 und 2009 stiegen die deutschen Arbeitskosten (pro Arbeitsstunde in Industrie und privatem Dienstleistungsbereich) durchschnittlich um 1,9 Prozent pro Jahr und lagen damit 2009 bei 29 Euro (für Bruttolohn, Unternehmeranteile an den Sozialbeiträgen, Steuern für Arbeitskosten etc.) Im "Durchschnitt" des Euroraums (Vergleich mit zwölf Ländern) betrug die jährliche Zunahme 2,9 Prozent. In Dänemark, den Niederlanden, Großbritannien und Spanien stiegen die Arbeitskosten um 3,5 bis 4,5 Prozent. In Slowenien, der Tschechischen Republik und Ungarn stiegen die Arbeitskosten um 6,9 bis 8,9 Prozent.

„Die extrem starke Entwicklung der Exporte unterstreiche, dass die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft weiterhin hervorragend ist", so die Wissenschaftler des „Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung“ (IMK) in der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung.

„Wirtschaftsförderung“ für die einen…

Die rot-grüne Regierung Schröder Fischer, die nachfolgende „Grosse Koalition“ (2005-2009) und die Regierung Merkel haben seit 1998 einen grossen Teil der Lohnabängigen Deutschlands in Armut und einen täglichen Überlebenskampf gestürzt. Gleichzeitig steigen die Gewinne der Unternehmen und die Vermögen der Reichen ständig an. Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise vermochte diese Entwicklung nur kurz zu unterbrechen. Im Jahr 2010 verzeichneten die im Deutschen Aktienindex Dax (DAX 100 ) vertretenen Konzerne wieder einen Anstieg der Gewinne vor Zinsen und Steuern von durchschnittlich 66 Prozent. Die Netto-Profite der DAX 30 Konzerne stiegen gar um 117%. Der Gesamtgewinn der Dax-Konzerne fiel dabei nicht nur deutlich höher aus als im Jahr 2009. Er übertraf auch den des Jahres 2008, in dem sich die Finanzkrise noch kaum in den Bilanzen niedergeschlagen hatte, um 22 Prozent. Die Prognosen für die Entwicklung der Dividenden der DAX-Konzerne liegen derzeit bei +25%.

Die Arbeitnehmerentgelte, also die Lohnsumme sämtlicher lohnabhängig Beschäftigten in Deutschland beliefen sich 2010 mit rund 1‘260 Milliarden Euro auf rund 66 Prozent des deutschen Volkseinkommens und stieg gegenüber dem Vorjahr um lediglich 2.6% an. Die Gesamtheit der Unternehmens- und Vermögenseinkommen betrug im selben Jahr 642 Milliarden Euro und nahm im selben Zeitraum um 13.2% zu.

Seit 1998 haben diese drei Regierungen (vorher gab’s das natürlich auch schon) die Unternehmen und Reichen grosszügig mit Steuergeschenken bedacht und das Steueraufkommen der Betreffenden massiv und systematisch abgebaut. So mit der Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuer um insgesamt 1 % (Steuerausfall pro Jahr 12 Milliarden Euro) oder mit der mehrmaligen Senkungen der Körperschaftssteuer (AGs, GmbHs) auf zuletzt 15 %. Ab 2009 wurden die Bezüger grosser Zinserträge durch eine sogenannte „einheitliche Abgeltungssteuer“ massiv „entlastet“ (Steuerausfall jährlich knapp 5 Milliarden Euro). Die Besteuerung von Kapital und Arbeit in Deutschland im Jahr 2008, betrug für das Kapital 23,1 %, für die der Arbeit 39,2 %. Damit ist Deutschland im Vergleich zu vielen anderen EU-Ländern, für das Kapital ein Niedrig - Steuerland. Nur in Österreich zahlen die Vermögenden noch weniger Steuern.

… Sparprogramme für die anderen

Vor etwas mehr als einem Jahr (Juni 2010) beschloss die Regierung Merkel mit einem 80 Milliarden Euro schweren „Sparpaket“ die Abwälzung der Krisenkosten auf die Lohnabhängigen. Sie hatte sich mit der Ankündigung etwas Zeit gelassen, damit der unmittelbare Zusammenhang mit dem „Bankenrettungspaket“ im Umfang von 500 Milliarden Euro vom Herbst 2008 zugunsten der Spekulanten und z.B. der 5 Milliarden Euro schweren Hilfe für die deutsche Automobilindustrie in Form der „Abwrackprämie“ von 2009 nicht allzu offensichtlich erscheint. Nach „intensiven“ Beratungen traten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr damaliger Stellvertreter, Außenminister Guido Westerwelle (FDP), vor die Presse und verkündeten, ein "einmaliger Kraftakt" sei gelungen. Die Bundesregierung werde bis 2014 80 Milliarden Euro einsparen, vor allem bei Sozialleistungen. „Das radikale Sparprogramm sei notwendig, um die großen Lücken im Finanzsystem zu schließen", betonte Merkel. Nur durch eine gewaltige Kraftanstrengung könne die finanzielle Zukunft des Landes wieder auf "solide Beine" gestellt werden. Und In seiner unnachahmbaren Arroganz erklärte Westerwelle, jeder in Deutschland müsse nun den Gürtel enger schallen. "Wir haben in den letzten Jahren deutlich über unsere Verhältnisse gelebt", sagte der damalige Chef der FDP. Und, fügte Westerwelle hinzu, er und die Minister seiner Partei hätten dafür gesorgt, dass keine Steuererhöhungen beschlossen wurden. Das sei eine gute Nachricht. Er erwähnte allerdings nicht, dass sich seine Initiative zur Verhinderung von Steuererhöhungen nur auf die Unternehmensbesteuerung bezog.

Im Zentrum stehen die Kürzungen der Leistungen für Arbeitslose. So werden die für zwei Jahre gezahlten Zuschläge beim Übergang vom Arbeitslosengeld I ins Arbeitslosengeld II gestrichen. Bisher wurden Alleinstehenden im ersten Jahr bis zu 160 Euro monatlich gezahlt, im zweiten bis zu 80 Euro. Für Verheiratete gab es maximal das Doppelte. Das fällt nun weg. Hartz-IV-Empfängern wird auch das Elterngeld komplett gestrichen. Ihr Grundbedarf sei bereits durch die Regelsätze der staatlichen Hilfen und durch Zusatzleistungen gesichert. Gleichzeitig wird der Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger gestrichen.

Auch der aus Steuergeldern bezahlte Rentenversicherungsbeitrag für Langzeitarbeitslose fällt weg. Grundsätzlich will die Koalition Pflichtleistungen in Ermessensleistungen umwandeln - etwa bei Eingliederungshilfen für Jobsuchende. Damit wird der Druck auf Arbeitslose, jede Art von Arbeit anzunehmen, drastisch erhöht. Die Job-Center sollen dadurch bereits im laufenden Jahr zwei Milliarden Euro einsparen. Im Jahr 2014 soll dieser Sparposten auf sechs Milliarden Euro steigen. Außerdem soll die Arbeitslosenversicherung künftig ohne Darlehen oder Zuschüsse auskommen, was eine Erhöhung des Beitragssatzes über die für 2011 festgelegten drei Prozent bedeuten könnte.

500 Millionen Euro werden beim Elterngeld eingespart. Die Bemessungsgrundlage zu dessen Berechnung soll von derzeit 2.700 auf 1.800 Euro zurückgenommen werden. Allerdings sollen Väter und Mütter nur noch 65 Prozent statt wie bislang 67 Prozent ihres letzten Nettogehalts beziehen.

Außerdem plant die Regierung die Zahl der Bundesbeschäftigten in den kommenden vier Jahren um bis zu 15.000 Stellen zu senken. Die für das kommende Jahr geplante Besoldungserhöhung für Bundesbeamte soll ausfallen. Laut dpa müssen Bundesbeamte sogar mit einer Kürzung ihrer Bezüge um 2,5 Prozent rechnen. Dies soll durch den Verzicht auf die geplante Erhöhung des Weihnachtsgeldes für Beamte im Jahr 2011 erreicht werden.

Die Art und Weise, wie auf dem Buckel der sozial Schwächsten „gespart“ wird zeigt den Charakter der „Sparprogramme“ (nicht nur in Deutschland) deutlich auf, als staatlich geführten Klassenkampf von oben, wobei die Parallelen zur Brünigschen Sparpolitik von Anfangs der 1930-er Jahre nicht mehr zu verkennen sind.