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Deutschand

Kommunen in Finanznot

Von Elisabeth Zimmermann - 15. Januar 2010 - wsws.org


Zu Beginn dieses Jahres haben mehrere Vertreter der deutschen Städte und Gemeinden auf die katastrophale Finanzsituation der Kommunen aufmerksam gemacht. Die Haushaltspolitik der Bundesregierung hat in Verbindung mit der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise die Finanznot vieler Städte und Gemeinden drastisch verschärft. Ihre Neuverschuldung ist im Jahr 2009 auf fünf Milliarden Euro gestiegen. Es wird befürchtet, dass die Schulden in den nächsten vier Jahren auf 50 Milliarden Euro steigen. Bisher unvorstellbare Kürzungen und Einsparungen werden die Folge sein.

Nach Angaben des Deutschen Städtetags sanken die Steuereinnahmen der Kommunen 2009 um sieben Milliarden Euro. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer, der Haupteinnahmequelle der Kommunen, sind um 18 Prozent gesunken. Die Gewerbesteuer wird von ortsansässigen Handwerks-, Industrie- und Handelsunternehmen an die jeweilige Stadt oder Gemeinde entrichtet.

In einzelnen Gemeinden sanken die Gewerbesteuereinnahmen sogar um 60 bis 80 Prozent. Das war vor allem in Regionen der Fall, deren Industrie bis 2008 noch gut ausgelastet war und im letzten Jahr drastisch einbrach - wie Teile der Auto- und Zulieferindustrie, des Maschinenbaus und der Stahl- und Chemieindustrie.

Gleichzeitig sind die kommunalen Sozialausgaben, darunter die Unterbringungskosten für Hartz-IV-Empfänger, stark gestiegen. Diese Ausgaben erreichten 2009 eine Rekordhöhe von 40 Milliarden Euro. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Stephan Articus, erwartet, dass die Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben der Kommunen im laufenden Jahr einen Negativrekord von 11 Milliarden Euro erreicht.

Zusätzlich zu den Auswirkungen der Wirtschaftskrise belastet das von der schwarz-gelben Bundesregierung Ende letzten Jahres beschlossene Wachstumsbeschleunigungsgesetz die Kommunen. Durch Steuer-erleichterungen für Unternehmen, Erben und Besserverdienende reduzieren sich die Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden in diesem Jahr um 1,6 Milliarden Euro.

Die geringen Beträge, die Familien etwa durch die Erhöhung des Kindergelds um 20 Euro pro Monat zugute kommen, werden ihnen durch höhere Kommunalgebühren für Kindergärten, Kindertagesstätten und Ganztagsschulen direkt wieder abgenommen. Zahlreiche verschuldete Städte und Gemeinden haben bereits in den vergangenen Jahren drastische Kürzungen und Einsparungen bei der Infrastruktur, sozialen und kulturellen Einrichtungen und Sozialleistungen vollzogen.

Spitzenreiter ist dabei die Bundeshauptstadt Berlin. Sie gilt als "Hauptstadt der Armut" und wird seit neun Jahren von einer Koalition aus SPD und Linkspartei regiert. Nirgendwo sonst sind die öffentlichen Ausgaben derart dramatisch gekürzt und Personal, Löhne und soziale Leistungen derart rabiat abgebaut worden. Auch die Zahl der Hartz-IV-Empfänger und der Ein-Euro-Jobber erreicht in Berlin Rekordwerte. Viele soziale und kulturelle Einrichtungen sind geschlossen oder Gebühren und Eintrittspreise drastisch erhöht worden.

Auch in vielen anderen ost- und westdeutschen Städten, die seit längerem unter wirtschaftlichem Niedergang und hoher Arbeitslosigkeit leiden, gibt es ähnliche Probleme und Kürzungsmaßnahmen, unter anderem in Nordrhein-Westfalen und hier vor allem im Ruhrgebiet. Auch hier sind bereits zahlreiche soziale Einrichtungen wie Jugendhäuser, Schwimmbäder, Bibliotheken, Theater und andere kulturelle Einrichtungen geschlossen worden.

Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 5./6. Januar 2010 können sich viele westdeutsche Städte nur noch mit kurzfristigen Krediten über Wasser halten. Selbst die Stadt Leverkusen, zwischen Düsseldorf und Köln am Rhein gelegen und Hauptsitz des internationalen Chemiekonzerns Bayer Leverkusen, gerät dieses Jahr in die Schuldenfalle. Der Haushalt für 2010 weist bereits ein Defizit von 106 Millionen Euro aus. Voraussichtlich 2015 werden die Schulden das Gesamtvermögen der Kommune übersteigen.

Wie viele Ruhrgebietsstädte steht auch Leverkusen unter einer Art Zwangsverwaltung. Sie muss sich alle unbedingt nötigen Ausgaben, unter anderem so elementare Dinge wie ein neues Fax-Gerät, vorher von der Bezirksregierung genehmigen lassen. Eine Situation, die Städte wie Oberhausen, Essen und Wuppertal schon länger kennen.

Die Süddeutsche Zeitung zitiert den Präsidenten des Städte- und Gemeindebunds Christian Schramm, der gleichzeitig Oberbürgermeister von Bautzen ist, mit den Worten: "In der Kulturhauptstadt Essen werden Grundschulen geschlossen, in Remscheid wird nachts die Straßenbeleuchtung reduziert, und in anderen Gemeinden senkt man die Wassertemperatur in den öffentlichen Bädern. Sie werden sich fragen, was sind das denn für seltsame Maßnahmen? Die Frage ist berechtigt. Es sind Maßnahmen, die hätte sich vor zehn Jahren keiner vorstellen können."

Auch die Einrichtung neuer Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren, die vor allem in Westdeutschland Mangelware sind, bringt die Kommunen in Bedrängnis. Der Bundestag hat beschlossen, dass bis zum Jahr 2013 alle Eltern einen Rechtanspruch auf einen solchen Betreuungsplatz haben. Die Finanzierung der Betreuungsplätze obliegt den Kommunen, deren finanzielle Einnahmen weg brechen. Aufgrund dieser Entwicklung hat der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, erklärt: "Diese Garantie ist nicht einlösbar."

Darüber hinaus hat eine Umfrage des Forsa-Instituts ergeben, dass 66 Prozent der Eltern einen Betreuungsplatz für ihre Kinder in Anspruch nehmen wollen, und nicht 35 Prozent, wie der Bundestag bei Verabschiedung des Gesetzes erwartet hatte. Dafür müssten 1,3 Millionen Plätze, und nicht 750.000, wie ursprünglich geplant, bereit gestellt und zusätzlich 150.000 Erzieherinnen ausgebildet und eingestellt werden.

Zusätzlich zu den Einnahmen der Kommunen aus der Gewerbesteuer sinken auch ihre Einnahmen aus der Einkommenssteuer, bedingt durch steigende Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und sinkende Arbeitnehmereinkommen. Die Kommunen werden dabei von zwei Seiten in die Zange genommen: Die Einnahmen brechen weg und die Ausgaben für Sozialhilfe sowie für Wohn- und Heizkosten für Hartz-IV-Empfänger steigen. Während immer mehr Menschen auf Hilfe angewiesen sind, stecken die Städte und Gemeinden in einem finanziellen Dilemma.

Wie bei der Kinderbetreuung, wo der Bund die Verantwortung den Kommunen aufgetragen hat, ohne sie mit den nötigen finanziellen Mitteln auszurüsten, haben Bundes- und Landesregierungen die Kommunen in den vergangenen Jahren durch zahlreiche Gesetze zusätzlich belastet. So hat der Bund seine Beteiligung an den Wohn- und Heizungskosten für Sozialhilfe- und Hartz-IV-Empfänger gesenkt, während die Ausgaben dafür steigen.

Alleine bei der Stadt Dortmund stiegen die nicht durch den Bund abgedeckten Kosten in diesem Bereich innerhalb von zwei Jahren um 9,5 Millionen Euro. Das Anwachsen der Schulden ist so unvermeidlich. Laut einer Prognose des Städtetags Nordrhein-Westfalen werden in diesem Jahr 47 Prozent der Städte und Gemeinden keinen genehmigungspflichtigen Haushalt aufstellen können und müssen sich den strikten Kürzungsvorgaben der zuständigen Bezirksregierungen unterwerfen.

In Wuppertal, das besonders stark von der Krise betroffen ist, sollen in diesem Jahr fünf Schwimmbäder geschlossen werden. Darüber hinaus hat Oberbürgermeister Peter Jung (CDU) vorgeschlagen, die bereits beschlossene Sanierung des Theaters auszusetzen und die Subventionen für das Theater im Laufe der kommenden vier Jahre um zwei Millionen Euro zu kürzen. Dies könnte zur Schließung des Theaters führen, dass durch das Tanztheater Pina Bauschs weltberühmt wurde.

Der Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow, der in Nordrhein-Westfalen für einen Großteil der unter Zwangsverwaltung stehenden Städte zuständig ist, lobte dieses Vorgehen und stellte es als Beispiel für andere Städte dar, die sich in Finanznot befinden. In einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung erklärte er: "Hier muss ich den Mut der Wuppertaler betonen, ihr Schauspielhaus zu schließen." Im gleichen Interview forderte er, dass mehrere Städte ihre Stadtverwaltungen zusammenlegen und auf diesem Wege Personalkosten einsparen.

Im Gegensatz zu den Banken und Finanzinstituten, die Hunderte Milliarden Euro von der Bundesregierung erhalten haben, können die Kommunen keine solche Unterstützung erwarten. Geht es um die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, ist kein Geld da. Bereits die Große Koalition hat mit der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse einen Mechanismus geschaffen, um die Lasten der Krise der arbeitenden Bevölkerung aufzubürden.