Sozialpartnerschaftliche
Maßnahmen waren es auch, die für
eine relative Ruhe auf dem Arbeitsmarkt sorgten
– so die Kurzarbeiterregelung (der Arbeitgeberanteil
an den Sozialabgaben wurde aus öffentlichen
Kassen bezahlt). Das Gewerkschaftsinstitut WSI
führt die Vermeidung einer größeren
Welle neuer Arbeitslosigkeit auch auf die Praxis
der Tarifverträge zur „Beschäftigungssicherung»
zurück, die in den 90er Jahren eingesetzt
hat und immer mehr um sich greift; sie sehen
vor, dass bei auftragsschwacher Lage ein Betrieb
die Arbeitszeit (in der Regel) ohne Lohnausgleich
verkürzen kann. Allerdings sieht sich das
Institut nicht in der Lage, deren tatsächliche
Auswirkungen zu messen. Schließlich hat
auch die Flexibilisierung der Arbeitszeit positiv
gewirkt: Die Arbeitszeitkonten wurden leergeräumt
und Arbeitszeitschulden aufgebaut, die im Aufschwung
wieder abgearbeitet werden. Die sozialpartnerschaftlich
orientierten Gewerkschaften müssen sich
also in ihrem Kurs – Beschäftigungssicherung
gegen Lohnverzicht und weitere Ausklammerung
der Frage der Arbeitszeitverkürzung –
bestätigt fühlen.
Das
sind schlechte Zeiten für Sozialproteste.
Wenn die «sozialen Stoßdämpfer»
(wie man in Italien sagt) wirken, zieht man
den Kopf ein und ist froh, wenn der Kelch an
einem vorübergeht. Die Angst im Bauch bleibt
trotzdem und das dumpfe Gefühl, dass es
eigentlich nicht sein kann, dass ringsumher
der Spartsunami wütet mit Massenentlassungen
und Lohnkürzungen und wir bleiben als einzige
davon verschont. Doch Angst löst noch kein
Protestverhalten aus.
Interessanterweise gab es eine Ausnahme, das
war die Demonstration in Nürnberg. Ihre
35000 Teilnehmenden kamen für alle überraschend,
vor allem für die Organisatoren, die IG
Metall. In Süddeutschland erklärt
man sich das so: Hier war Arbeitslosigkeit und
Armut bislang noch kaum ein Thema, von einzelnen
Regionen abgesehen. Die Krise von 2008 hat das
Gebiet erstmals flächendeckend mit der
Gefahr des Absturzes konfrontiert – man
denke nur an die Befürchtungen der IG Metall
Baden-Württemberg, der wirtschaftliche
Einbruch werde zu einer Pleitewelle für
die Klein- und Mittelbetriebe auf der Schwäbischen
Alb führen. Die massive Teilnahme an der
Nürnberger Demonstration bringt diese Furcht
und die Auflehnung dagegen zum Ausdruck, die
Position eines sicheren und immer noch gut entlohnten
Arbeitsplatzes dauerhaft räumen zu sollen
und sich auf den Weg der Prekarisierung begeben
zu müssen, den der Rest der Republik schon
seit langem geht.
Diejenigen,
die tatsächlich die Krise bezahlt haben,
waren die Leiharbeiter; ein Drittel des deutschen
Einstellungswunders geht auf ihr Konto. Doch
sie sind kaum gewerkschaftlich organisiert,
haben häufig keine kontinuierliche Anstellung,
wodurch sie nicht in den Genuss von Arbeitslosengeld
I kommen, und bilden die größte Gruppe
der «Aufstocker» in Hartz IV.
Auch die Erwerbslosen hatten und haben Veranlassung,
auf die Straße zu gehen, denn die Hartz-Reform,
die Frau von der Leyen auf den Weg gebracht
hat, bedeutet unter dem Strich erhebliche Einbußen.
Der Preis für das neue deutsche Beschäftigungswunder
liegt hier: bei den Leiharbeitern, der Ausweitung
des Niedriglohnsektors, einer zunehmenden Schar
von Unterbeschäftigten und der spürbaren
Zunahme der Armut. Im Ausbau des Niedriglohnsektors
ist Deutschland Europameister: ein Schalk, wer
da einen Zusammenhang mit der Exportorientierung
sieht.
Diese
Mechanismen der Krisenbewältigung sind
jedoch äußerst kurzatmig. Die Abwrackprämie
war eine Absage an die verkündeten Klimaziele
der Bundesregierung; das Konjunkturprogramm
hat es sich versagt, ökologisch und sozial
richtungsweisend zu wirken. Die Orientierung
auf den Export bleibt eine Sackgasse, sie hängt
zu sehr am seidenen Faden und schafft überdies
große Ungleichgewichte. Die Prognosen
für das laufende und das kommende Jahr
sind in diesem Bereich dazu schon wieder rückläufig.
Das
kurze Jahr des Keynesianismus ist überdies
schon wieder vorbei: Die Krise des Euro hat
der Bundesregierung den willkommenen Vorwand
für einen Kurswechsel Richtung Schuldenbremse
und Sparen geliefert. Nein, die Krise ist nicht
vorbei, das dicke Ende, so steht zu befürchten,
kommt noch.