Elektrizität
aus abgeschriebenen Altreaktoren ist in der
Tat billiger herzustellen als Strom aus Gas
oder Kohle. Doch der Verkaufspreis für
den gesamten Strom wird an der Leipziger Strombörse
festgesetzt und richtet sich nach dem Preis,
den die Kraftwerke mit den höchsten Produktionskosten
verlangen. Somit zahlt also der Verbraucher
denselben Preis für Atomstrom wie für
Strom aus anderen Kraftwerken, und die AKW-Betreiber
streichen die Differenz alleine ein. Das macht
für jeden der 17 laufenden Meiler einen
jährlichen Gewinn von 200 bis 300 Millionen
Euro. Der Atomkonzern RWE hat errechnet, dass
eine Verlängerung der Laufzeiten auf
50 bis 60 Jahre noch einmal zusätzlich
250 Milliarden Euro in die Kassen der vier
großen Energieunternehmen bringen würde.
Dass die Energie aus den AKW derzeit als preiswerte
Alternative dargestellt werden kann, hat einen
einfachen Grund: Seit Beginn des Atomzeitalters
hat der Staat nicht nur die ökonomischen
Risiken der Stromerzeugung mittels Kernspaltung
abgedeckt, sondern große Teile des Atomprogramms
gleich selbst finanziert.
Insbesondere das schmutzige Ende der Atomwirtschaft
fällt kaum denen zur Last, die jetzt
daran verdienen. Der Bau von Forschungsreaktoren
wurde in der Bundesrepublik bisher mit 20
Milliarden Euro subventioniert. In gescheiterte
Atomprojekte wie Wackersdorf, Kalkar und Mülheim-Kärlich
flossen 9 Milliarden Euro öffentliche
Mittel. Die Sanierung der Uranabbaugebiete
in Thüringen und Sachsen hat nach der
Wiedervereinigung 6,6 Milliarden Euro Steuergelder
verschlungen. Der 1990 begonnene „Rückbau”
einer kleinen Pilotanlage zur Wiederaufarbeitung
von Atommüll in Karlsruhe dauert voraussichtlich
noch bis 2019 und kostet 3 Milliarden Euro,
wovon staatlicherseits 2,5 Milliarden übernommen
werden. Der Abriss der DDR- Atomkraftwerke
in Greifswald kostet den Staat 3,7 Milliarden
Euro. Dem Finanzminister sind bisher durch
die steuerfreie Gewinne der Atomwirtschaft
23 Milliarden Euro entgangen, weil die Konzerne
diese Summe als Rückstellungen für
die „Entsorgung” deklariert, aber
nicht wirklich zurückgelegt, sondern
damit Firmenkäufe im In- und Ausland
finanziert haben.
Betrieb und Stilllegung des einsturzgefährdeten
„Endlagers” für schwachaktiven
Müll in Morsleben (Sachsen-Anhalt) haben
die Bundesrepublik bisher 1,2 Milliarden Euro
gekostet. Die Aufwendungen für die Polizeieinsätze
bei Anti-Atom-Demonstrationen und zur Durchsetzung
der Castor-Transporte liegen insgesamt bei
etwa 3 Milliarden Euro. Der Betrieb des absaufenden
„Probe-Endlagers” Asse beläuft
sich derzeit zwar auf vergleichsweise geringe
100 Millionen Euro jährlich. Müssen
die 126000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem
Atommüll allerdings wieder herausgeholt
werden, bevor die strahlende Suppe im Grundwasser
ankommt, dann werden auch hier noch etliche
Milliarden fällig.
Das Bundeswirtschaftsministerium rechnet bei
einem Super-Gau in einem deutschen Reaktor
mit einem volkswirtschaftlichen Gesamtschaden
von 5000 Milliarden Euro. Versichert sind
die Atomkraftwerke nur bis zu 2,5 Mrd. Euro,
also gerade mal 0,5 Promille der möglichen
Schadenssumme. Den Rest des Risikos trägt
der Staat. Keine Versicherung der Welt ist
bereit, diesen Schaden abzudecken. Und würde
sich eine finden, wäre sie so teuer,
dass Atomstrom unverkäuflich wäre.
Bleibt noch zu erwähnen, dass hierzulande
auf die Brennstoffe Öl, Gas und Kohle
Steuern erhoben werden, der Kernbrennstoff
Uran dagegen steuerbefreit ist.
Holger Krawinkel, Energiefachmann des Bundesverbands
der Verbraucherzentralen, rechnete den Anhängern
des Atomstroms rund um Kanzlerin Angela Merkel
vor, wie groß die Entlastung wirklich
wäre, würden zwei Drittel der Reaktoren
zehn Jahre länger laufen als ursprünglich
geplant. Er kam auf eine Ersparnis von etwa
50 Cent pro Monat für einen Durchschnittshaushalt.
Sein Fazit: „Schon der Austausch einer
60-Watt-Glühbirne durch eine gleich helle
11-Watt-Energiesparlampe bringt bereits eine
Ersparnis von 60 bis 90 Cent pro Monat."
Der Autor ist seit 1996 mit Unterbrechungen
Sprecher der Anti-Atom-Kampagne „X-tausendmal
quer” gegen die Castor-Transporte nach
Gorleben.