Die
Informationen über die schrecklichen Vorgänge
in Falludscha, einer Stadt mit 300’000
EinwohnerInnen rund 60 Kilometer westlich von
Bagdad, gelangen nur verzögert an die Öffentlichkeit.
Dank der Anwesenheit einiger mutiger MitarbeiterInnen
humanitärer Organisationen und von JournalistInnen
können wir uns ein Bild über die Grausamkeiten
und Kriegsverbrechen der US-Truppen in Falludscha
machen.
Massenterror
der USA in Falludscha
Angeblich
um jene Personen zu fassen, die vier Angehörige
einer privaten Söldnertruppe getötet
und die Leichen geschändet hatten, begann
die US-Armee am 5. April, die gesamte Stadt
zu belagern, um sie anschliessend militärisch
zu besetzen. Aufgrund der energischen Gegenwehr
der irakischen Widerstandskämpfer wäre
das nur unter Inkaufnahme grosser eigener Verluste
und der massiven Bombardierung der gesamten
Stadt möglich gewesen. Dennoch starben
zwischen dem 5. und dem 15. April über
700 Menschen, mehrheitlich nicht kämpfende
Zivilisten, im Kugel- und Bombenhagel der Besatzungstruppen.
Beinahe ein Drittel der Bevölkerung der
Stadt ist geflohen. Viele Menschen gingen nach
Bagdad, die meisten von ihnen mit wenig Geld
und Kleidung. Denn sie dachten, dass sie nach
wenigen Tagen zurückkehren könnten.
Tote
und Verletzte lagen tagelang auf den Strassen
herum. Die Besatzer schossen auf alles, was
sich bewegte: Menschen, Tiere… auch Ambulanzen
wurden beschossen. Mit modernster Technologie
und Nachtsichtgeräten ausgerüstete
US-Scharfschützen lauern weiterhin auf
Dächern und hinter Mauern. Solche Berichte
erinnern an Sarajewo zu Beginn des Kriegs auf
dem Balkan (1992). Rahul Mahajan (www.empirenotes.org/fallujah.html)
berichtet, dass die US-Truppen das auf der gegenüberliegenden
Seite des Euphrat liegende Spital der Stadt
blockierten, indem sie die Brücke sperrten.
Dem Personal wurde es verunmöglicht, seiner
lebensrettenden Arbeit nachzugehen. Wegen der
dramatischen Zustände für die Verletzten,
und um das Spital wieder zugänglich zu
machen, liessen sich die bewaffneten Widerstandsgruppen
Mitte April auf Verhandlungen über einen
Waffenstillstand ein. Diese Verhandlungen mit
den US-Truppen wurden aber nicht von ihnen geführt,
sondern durch Parteien und Vertretern des sogenannten
Regierungsrates, den die USA eingesetzt haben.
Trotz
der „Waffenruhe“ gingen die US-Angriffe
gegen die Zivilbevölkerung weiter. Die
Los Angeles Times zitierte am 17. April einen
in Falludscha eingesetzten 21jährigen US-Soldaten.
„Es ist ein Traum für Scharfschützen“,
sagte er. „Man kann überall hingehen
und es gibt so viele Arten, auf den Feind zu
schießen, ohne dass er weiss, wo man ist.“
Experten der Marines würden die Stadt als
das „zielreichste“ Kampfgebiet für
Scharfschützen seit den Kämpfen um
Stalingrad im Zweiten Weltkrieg bezeichnen,
berichtete die US-Zeitung. Kriegsminister Rumsfeld
selbst gab am 20. April zu verstehen, dass er
nicht viel von Waffenstillständen mit Aufständischen
hält und kündigte weitere Offensiven
der US-Armee an. Die USA würden es nicht
akzeptieren, dass sich in Teilen des Landes
Strukturen einer Gegenmacht durchsetzen.
Kein
Bürgerkrieg, sondern ein nationaler Befreiungskampf
Die
Unterstützung des Widerstandes von Falludscha
durch die Bevölkerung in Bagdad ist unabhängig
von der Zugehörigkeit zur Konfession der
Sunniten oder Schiiten eindrücklich. Sowohl
die Menschen in mehrheitlich schiitischen als
auch sunnitischen Stadtteilen Bagdads sammeln
Hilfsgüter und spenden Blut für die
Opfer von Falludscha.
Die
Besatzer und die westlichen Medien malen immer
wieder die Gefahr eines Bürgerkrieges zwischen
Sunniten und Schiiten an die Wand, um die Präsenz
der Truppen aus den USA zu rechtfertigen. Die
breite Solidarisierung mit dem Aufstand in Falludscha
deutet in eine andere Richtung. Es entwickelt
sich ein nationaler Widerstandskampf unterschiedlicher
Bevölkerungsgruppen gegen die Besatzungsmächte.
Angesichts der Lebensbedingungen und der permanenten
Demütigung durch die Besatzungstruppen
ist das nicht erstaunlich. Die soziale Lage
ist katastrophal. Das Handelsministerium gab
im Dezember 2003 bekannt, dass achteinhalb Millionen
Iraker, das heisst 40 % der gesamten Bevölkerung,
arbeitslos sind.
Dass
sich der Widerstand ausbreitet, wird auch durch
die aufstandsähnlichen Ereignisse in Najaf,
Kerbala und Kut im Süden des Landes deutlich.
Weite Teile der schiitischen Bevölkerung
lehnen sich gegen die Besatzer auf. Besonders
in Najaf, einer Stadt mit einer grossen religiösen
Bedeutung für die Schiiten, hat sich die
Situation zugespitzt.
Eigentlich
wollten die USA die wichtigen Repräsentanten
des schiitischen Klerus in die neuen Machtstrukturen
einbinden. Sie überliessen Vertretern des
Obersten Rats für die islamische Revolution
(SCIRI), deren Führer sich vor dem Sturz
des Regimes von Saddam Hussein im iranischen
Exil aufhielten, mehrere Sitze im Marionetten-Regierungsrat.
Der einflussreiche Ayatollah Sistani verfolgte
eine Doppelstrategie. Er lehnte sich bislang
nicht offen gegen die Besatzer auf, mobilisierte
aber zu riesigen Massendemonstrationen, um seinen
Einfluss zu wahren. Er forderte direkte und
allgemeine Wahlen zur Bildung einer neuen Regierung.
Als US-Prokonsul Bremer die Interimsverfassung
durch den Regierungsrat peitschte, bestritt
Sistani deren Legitimität, solange sie
nicht durch eine gewählte Nationalversammlung
beschlossen sei. Muqtada al-Sadr, Sohn des bedeutenden
schiitischen Geistlichen Muhammad Sadiq al-Sadr,
der von Saddam Hussein 1999 ermordet wurde,
baute in den armen Stadtteilen Bagdads und in
einigen Städten im Süden des Irak
sein eigenes Netzwerk auf und formierte die
sogenannte Mehdi-Armee, ohne allerdings die
offene Machtprobe mit den Besatzern zu suchen.
Nachdem die Besatzungsbehörde am 28. März
seine Zeitung verboten und einen engen Mitarbeiter
verhaftet hatte, organisierte Sadr in vielen
Städten Massendemonstrationen. Diese wurden
blutig niedergeschlagen. Danach kam es in mehreren
Städten zu aufstandsähnlichen Zuständen.
Kämpfer der Mehdi-Armee vertrieben die
lokale Polizei und kampfunwillige ukrainische
Soldaten und übernahmen zeitweilig die
Kontrolle in Kerbala, Kut und Najaf. Die US-Truppen
haben es bis zum 23. April nicht gewagt, in
Najaf einzumarschieren und ihre Drohung in die
Tat umzusetzen, Sadr zu töten oder zu fangen.
Die Angst, einen allgemeinen Aufstand im ganzen
Land und damit auch Unruhen in vielen arabischen
Ländern zu provozieren, hat sie bislang
davon abgehalten, die Kontrolle über die
Stadt zu übernehmen. Doch die Führer
der US-Armee haben klargestellt, dass sie diese
labile Situation nicht lange akzeptieren werden.
Die
Irakisierung funktioniert nicht
Die
USA haben bislang die „Irakisierung“
des Kriegs angestrebt. Irakische Kräfte
sollen die Drecksarbeit der Sicherstellung der
Ordnung übernehmen. Bis zu 20’000
Iraker wurden für die paramilitärischen
Verteidigungstruppen rekrutiert. Die neu aufzubauende
Armee soll mittlerweile aus 6’000 Soldaten
bestehen. Rund 60’000 Iraker wurden bereits
auf ihre Aufgabe als Polizisten vorbereitet.
Der Aufstand hat diese Bemühungen der USA
massiv zurückgeworfen. Am 5. April verweigerten
mehrere Hundert Soldaten der neuen irakischen
Armee den US-Marines ihre Unterstützung.
Sie hätten gemeinsam mit den Besatzern
eine Offensive gegen Aufständische in Falludscha
starten sollen. Das Problem ist noch schwerwiegender.
Mittlerweile haben Rebellen zehn Prozent der
Truppe unterwandert und arbeiten „gegen
uns“, gestand der US-General Martin Dempsey,
Kommandeur der 1. Panzerdivision, der Nachrichtenagentur
AP am 21. April. 40 Prozent der neu eingestellten
Sicherheitskräfte haben ihren Job schon
wieder an den Nagel gehängt. Nun geht die
Debatte in eine andere Richtung. Die Armeeführung
verlangt eine vorläufige Aufstockung des
US-Truppenbestandes im Irak um mindestens 20’000
Soldaten. Prokonsul Paul Bremer teilte am 18.
April dem Bagdader Stadtrat mit, dass die irakischen
Sicherheitskräfte bis zum 30. Juni, dem
Zeitpunkt der „Übergabe der Macht
an eine souveräne irakische Regierung“,
nicht in der Lage seien, die Bedrohung aus eigener
Kraft abzuwehren. Der Bush-Clan und sein britischer
Gehilfe Blair lassen nicht den geringsten Zweifel
aufkommen, dass sie ihre Truppen noch jahrelang
im Irak lassen werden. Das weckt Erinnerungen
an andere dunkle Zeiten.
Wie
in Vietnam?
Der
Spiegel vom 19. April erinnerte mit seiner Titelgeschichte
an den Vietnamkrieg: „Die Falle Irak.
Bush Vietnam“. Das führende deutsche
Nachrichtenmagazin bringt damit die in den USA
zunehmende Angst zum Ausdruck, in einen jahrelangen
blutigen Krieg zu schlittern – wie in
Vietnam vor vierzig Jahren. Senator Edward Kennedy,
dessen Bruder John F. Kennedy als demokratischer
Präsident in den frühen sechziger
Jahren den Vietnam-Krieg losgetreten hatte,
sagte Anfang April vor der einflussreichen Brookings
Institution: „Der Irak ist Bushs Vietnam“.
Der
Vergleich ist für die USA, aber auch für
die irakische Bevölkerung schmerzlich.
Hoffentlich können die internationale Antikriegsbewegung
und der irakische Widerstand den Krieg beenden,
bevor es zu einem mit dem Vietnamkrieg vergleichen
Blutzoll kommt. Zur Erinnerung: 58’000
US-Soldaten fielen im Kampf, etwa gleiche viele
begingen Selbstmord nach ihrer Rückkehr
aus dem Kriegsgebiet, und mehr als 1,5 Millionen
VietnamesInnen verloren das Leben. Es gibt aber
viele Unterschiede: Noch ist der militärische
Widerstand im Irak nicht vergleichbar mit der
organisatorischen und politischen Kraft der
nationalen Befreiungsfront (Vietcong) in Vietnam.
Die geopolitische Situation präsentiert
sich nach dem Ende des „Kalten Kriegs“
völlig anders, und die Nachbarstaaten Syrien
und Iran bieten kein Hinterland für Widerstandstruppen.
Der Vergleich ist für die Antikriegsbewegung
dennoch lehrreich. Der starke Widerstand in
Vietnam und die Bewegung gegen den Krieg vermochten
die Machteliten in den USA zunehmend zu spalten.
Schliesslich drängten Anfang der siebziger
Jahre die wichtigsten Vertreter des US-Kapitals
auf ein Kriegsende.
Tatsächlich
ist der von Spanien in die Wege geleitete Rückzug
seiner Truppen aus dem Irak ein später
Erfolg der sehr starken Antikriegsbewegung in
diesem Land. Die Breite der Bewegung verhinderte
ein stärkeres Engagement anderer europäischer
Länder am Krieg. Die Entwicklung eines
umfassenden gesellschaftlichen Widerstandes
in den USA und in Grossbritannien ist entscheidend,
um den Rückzug der US-Truppen zu erzwingen.
Da die demokratische Partei keineswegs für
einen Rückzug einsteht, geht die Stärkung
der Antikriegsbewegung in den USA mit der Herausforderung
einher, eine antikapitalistische Bewegung aufzubauen.
Das gilt umso mehr in einer ökonomischen
Situation, die sich deutlich von jener der sechziger
Jahre unterscheidet. Der heutige Besatzungskrieg
findet im Kontext einer internationalen neokonservativen
Offensive statt. Die Lebensbedingungen breiter
Bevölkerungsschichten verschlechtern sich
auch in den führenden Industrieländern.
Die USA werden den Krieg nur finanzieren können,
wenn die Regierung ihre Angriffe auf die Lohnabhängigen
im eigenen Land verschärfen kann und gleichzeitig
weiterhin gewaltige Kapitalmassen aus anderen
Teilen der Welt, also vor allem aus Europa und
Japan, anzuziehen vermag. Angesichts dieser
ökonomischen Zwangslage und trotz den militärischen
Schwierigkeiten, die mit politischen Unwägbarkeiten
einhergehen, wird die US-Regierung in der Logik
einer fortgesetzten Flucht nach vorne ihren
Kurs wahrscheinlich fortsetzen und gar verschärfen.
Stärkste
US-Botschaft der Welt als Sitz der Kolonialverwaltung
Die
„Irakisierung“ der Aufstandsbekämpfung
ist vorerst gescheitert. Der von den USA eingesetzte
Marionetten-Regierungsrat hat keine Glaubwürdigkeit
in der Bevölkerung. Dennoch tut die US-Regierung
so, als ob sie den Irak Ende Juni in die Souveränität
entlassen würde.
In
Wirklichkeit wird die Besatzungsbehörde
diplomatisch einfach in eine US-Botschaft umgewandelt.
Anstelle des Prokonsuls Paul Bremer soll John
Negroponte, der ehemalige „Vizepräsident
für globale Märkte“ des McGraw-Hill
Konzerns und derzeitige UNO-Botschafter der
USA, als US-Botschafter das Zepter im Irak übernehmen.
Negroponte begann seine Karriere in der Zeit
des Vietnamkriegs. In den frühen 80er Jahren
war er US-Botschafter in Honduras. Er finanzierte
dort Todesschwadronen gegen Linke und Gewerkschafter,
und liess Honduras zu einer militärischen
Basis für die „Contras“ ausbauen.
Die „Contras“ versuchten mit Massakern
an der Zivilbevölkerung die sandinistische
Regierung im benachbarten Nicaragua zu stürzen.
Negroponte ist also einer, der die ganz dreckigen
Geschäfte übernehmen kann. Es gibt
wahrscheinlich nur wenige Personen der US-Diplomatie,
die besser dafür qualifiziert sind, die
imperialistische US-Politik kompromisslos umzusetzen
und sie zugleich in die hohlen Worte von „Menschenrechten
und Demokratie“ zu hüllen. Die neue
US-Botschaft wird das eigentliche Machtzentrum
im Irak darstellen. Diese Kolonialverwaltung
mit 1’000 Angestellten liegt in der festungsartig
geschützten, hermetisch abgeriegelten,
zehn Quadratkilometer grossen „grünen
Zone“ im Zentrum Bagdads.
Selbstverständlich
soll auch die militärische Gewalt vollumfänglich
in der Hand der US-Besatzungstruppen verbleiben.
Die vorgesehen Übergabe der Regierungsgeschäfte
an eine „souverän“ genannte
Regierung ist nichts weiter als eine Täuschung
der internationalen Öffentlichkeit. Der
wachsende Widerstand der irakischen Bevölkerung
zeigt klar, dass sie darauf nicht hereinfällt.
Die
UNO als Rettungsanker für die USA
Ganz
anders die Reaktionen der UNO sowie der Regierungen
Deutschlands und Frankreichs. Sie begrüssen
das Manöver der USA ausdrücklich.
UNO-Spitzendiplomat Brahimi und Generalsekretär
Annan leisten der Politik des Bush-Clans diplomatische
Schützenhilfe, indem sie versuchen, den
irakischen Notabeln und Clanführern sowie
den kriegskritischen Ländern in Europa,
letztlich also deren Bevölkerungen, die
Unterstützung des US-amerikanischen Zeitplans
„zur Souveränität des Irak“
abzuringen.
Die
Haltung gegenüber der UNO ist in der Antikriegsbewegung
umstritten. Pazifistische Strömungen und
jene, die sich nicht klar gegen die „kriegskritischen
Regierungen“ in Europa stellen wollen,
fordern ein stärkeres Engagement der UNO
im Irak. Die einen wünschen sich nur eine
politische und humanitäre, andere auch
ein polizeiliche und gewisse sogar eine militärische
Rolle der UNO. Um das Abgleiten des Landes in
das totale Chaos zu vermeiden, müsse eben
die UNO für Ordnung und Sicherheit sorgen,
lautet das Argument. Das heisst letztlich aber
nichts anderes, als der Besetzung des Irak in
einem neuen Kleid zuzustimmen. Jetzt ein militärisches
Engagement der UNO zu fordern, leitet nur Wasser
auf die Mühlen der imperialistischen Interessen
der stärksten europäischen Länder.
In einer Situation, in der selbst die USA wieder
vermehrt einen Beitrag der UNO wünschen,
schwächt die Forderung nach UNO-Truppen
die Antikriegsbewegung in Europa und in den
USA und beraubt sie ihrer Unabhängigkeit.
Die politische Herausforderung besteht hingegen
darin, das Recht auf politische und nationale
Selbstbestimmung der irakischen Bevölkerung
breit in der öffentlichen Meinung in Europa
und in den USA zu verankern.
Selbstbestimmung
für demokratische und soziale Rechte
Die
USA wissen, dass sie freie Wahlen auf absehbare
Zeit nicht zulassen können. Wahrscheinlich
würde sich die Mehrheit der Bevölkerung
für Parteien entscheiden, die den Abzug
der US-Besatzung fordern. Solange die Besatzungstruppen
im Lande sind, kann es ohnehin keine wirklich
freien Wahlen geben. Die irakische Bevölkerung
und die Organisationen, die sie zur Vertretung
ihrer Interessen wählt, müssen das
Recht erhalten, über die Belange des Landes
selbst zu entscheiden. Die kurdische Bevölkerung
soll in einem Referendum entscheiden dürfen,
ob sie im Irak verbleiben oder einen eigenen
Staat bilden will, der allerdings die Rechte
anderer Bevölkerungsgruppen anerkennen
müsste. Diese Forderungen sind zurzeit
nicht durchsetzbar. Darum bildet sich im Irak
eine vielfältige und breit abgestützte
nationale Widerstandsbewegung gegen die Besetzung
des Landes. Offensichtlich beteiligen sich an
diesem Widerstand reaktionäre Kräfte
wie die Mehdi-Armee von Muqtada al-Sadr, die
Frauen unterdrückt und mit ihrer Gewalttätigkeit
ihre politischen Rivalen im Irak einschüchtert.
Dennoch
sollte die Antikriegsbewegung den Widerstand
der Bevölkerung gegen die Besatzer als
legitim anerkennen und unterstützen. Es
ist legitim, Falludscha und Najaf gegen die
brutalen Besatzer zu verteidigen. Es ist legitim,
in den Stadteilen Bagdads Strukturen der Selbstverteidigung
und Selbstorganisation aufzubauen. Noch stärker
als bisher sollte die Antikriegsbewegung zwei
Dinge miteinander verbinden: einerseits eine
möglichst breite Bewegung für den
bedingungslosen Rückzug der imperialistischen
Besatzungstruppen aufbauen und andererseits
eine Solidaritätsarbeit mit jenen Organisationen
im Irak entwickeln, die den Kampf für nationale
Selbstbestimmung verknüpfen mit der Forderung
nach demokratischen, sozialen, gewerkschaftlichen,
kulturellen und religiösen Rechte für
alle Bevölkerungsgruppen. Die nationale
und soziale Befreiung sind im Irak untrennbar
miteinander verbunden.
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