Die
propagandistische Vorbereitung einer Aggression
Das
Lügenspiel
von
John Pilger
1 aus DEBATTE Nr. 4, Oktober
2002
Die
Regierung Blair wurde im Januar 2002 von den
Amerikanern darüber informiert, dass es
keinen Grund gebe, den Irak im Namen eines "Krieges
gegen den Terrorismus" anzugreifen. Die
Amerikaner wiesen hingegen darauf hin, dass
ihr Ziel hauptsächlich daraus bestehe,
Saddam Hussein zu beseitigen, der zu einem Hindernis
für die westliche Kontrolle des Erdölreichtums
des Nahen Ostens geworden sei.
Dies
mag teilweise erklären, weshalb Blair seinen
Plan aufgegeben hat, dem britischen Parlament
ein berühmtes "Dossier" vorzulegen,
in dem "viele Beweise dafür enthalten
seien, dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen
besitzt".2 Bei diesem Dossier handelt es
sich um nichts weiter als eine Ansammlung aufgefrischter
und irreleitender Behauptungen Washingtons.
Laut verlässlichen Informationsquellen
aus anderen westlichen Ländern, welche
in die Geheimnisse dieser Art von Mitteilungen
eingeweiht sind, hat die CIA (Central Intelligence
Agency) eindeutig anerkannt, dass es "keine
wirklichen Beweise" gibt, welche einen
Angriff auf den Irak rechtfertigen würden.
Während
Blair seine Propaganda zum Thema der irakischen
Bedrohung der Region und dessen, was er als
"Zivilisation" bezeichnet, fortsetzt,
pfeifen die Spatzen die Wahrheit schon lange
von den Dächern. Am 5. Februar 2002 berichtete
die New York Times : "Die CIA verfügt
über keine Beweise dafür, dass der
Irak in den letzten zehn oder mehr Jahren in
terroristische Aktivitäten gegen die USA
verwickelt gewesen wäre. Und die CIA ist
ebenfalls überzeugt davon, dass Präsident
Saddam Hussein keinerlei chemische oder biologische
Waffen an Al-Kaida geliefert hat". Als
Blair behauptete, der Irak habe sein Arsenal
an Massenvernichtungswaffen wieder aufgebaut,
wussten seine Berater sehr wohl, dass dies eine
Absurdität sei. Und falls Blair selbst
nicht informiert gewesen sein sollte, dann stellt
sich die folgende Frage : Was ist denn das für
ein Premierminister ?
Der
Irak ist weitgehend entwaffnet
Seine
Berater hatten die von Scott Ritter vorgetragenen
Elemente gelesen. Letzterer war 7 Jahre lang
UNO-Waffeninspektor ersten Ranges im Irak gewesen
und ist daher besonders gut in der Lage, die
Gefahren einzuschätzen, welche vom irakischen
Regime ausgehen. Ritter - ein Amerikaner, der
im Bereich der Abrüstung auf internationaler
Ebene hohes Ansehen geniesst - hat die Inspektionen,
die Nachforschungen und die Zerstörung
der biologischen und chemischen Waffen des irakischen
Rüstungsprogramms persönlich geleitet.
Am 23. Juli 2002 betonte er Folgendes : "Es
gibt nichts, was einen Krieg rechtfertigen würde.
Ich sage das nicht als Pazifist oder als Person,
die sich vor Kriegen fürchtet. Ich habe
im Krieg mit dem amerikanischen Marinekorps
gekämpft. Ausserdem bin ich Mitglied der
Republikanischen Partei und habe George W. Bush
bei den Präsidentschaftswahlen meine Stimme
gegeben. Noch wichtiger ist, dass ich an die
Wahrheit glaube. Die Waffeninspektoren der UNO
sind im Irak äusserst erfolgreich gewesen.
Am Ende unseres Einsatzes konnten wir ein Abrüstungsniveau
von 90 bis 95 Prozent erreichen. Nicht, weil
wir alles für bare Münze hielten,
was uns die Iraker sagten. Wir sind nach Europa
gegangen und haben Nachforschungen in jenen
Ländern angestellt, welche die irakische
Aufrüstung technologisch unterstützt
hatten, bis wir jene Unternehmen aufgespürt
hatten, die Verträge mit irakischen Behörden
abgewickelt hatten. Wir haben jedes Teil und
seine Seriennummer identifiziert. Aus diesem
Grund kann ich die Behauptung aufstellen, der
Irak sei zu 90 oder 95 Prozent entwaffnet. Ich
kann bestätigen, dass 96 Prozent der irakischen
Raketen vernichtet worden sind. Was die chemischen
Waffen angeht : Selbst falls es dem Irak geglückt
ist, Giftgase zu lagern, so sind diese chemischen
Produkte doch nur etwa fünf Jahre lang
haltbar. Danach verschlechtert sich ihre Qualität,
und sie verwandeln sich in ein unbrauchbares
Magma."
Ritter
bestreitet die Möglichkeit nicht, der Irak
könnte ein neues Aufrüstungsprogramm
gestartet haben : "Aber sie hätten
dabei praktisch bei Null beginnen müssen,
da sie keine Fabriken mehr haben. Denn wir haben
sie zerstört, auch jene, die der Forschung
und Entwicklung dienten. Wenn sie das versuchen
würden, könnte man es ohne Schwierigkeiten
nachweisen. Die Technologie steht zur Verfügung.
Aber wenn der Irak heute chemische Waffen in
einem einigermassen bedeutenden Ausmass produzieren
würde, dann könnte man ganz einfach
dafür konkrete Beweise auf den Tisch legen.
Die gibt es aber nicht." Tony
Blair ist bestimmt ebenfalls darüber informiert,
dass die Internationale Agentur für Atomenergie
erklärt hatte, das irakische Atomwaffenprogramm
wirksam ausser Gefecht gesetzt zu haben. Wenn
Blair und Bush "die Rückkehr der Inspektoren
in den Irak verlangen", vergessen sie allerdings
zu sagen, dass diese Inspektoren niemals aus
dem Irak weg gewiesen worden sind.3 In Wirklichkeit
hat die UNO sie dazu aufgefordert, das Land
zu verlassen, nachdem bekannt wurde, dass sie
die Funktion eines Deckmantels für amerikanische
Spionagetätigkeiten erfüllten.4 Das
Absurde ist in der Bush-Welt nie sehr weit entfernt.
Verteidigungsminister Donald Rumsfeld behauptet,
das Fehlen von Beweisen sei nur Ausdruck davon,
dass der teuflische Saddam seine Waffen geschickt
in Höhlen und auf Lastwagenanhängern
versteckt habe. Wie sagt doch Rumsfeld : "Dass
wir keine Beweise haben, beweist noch nicht,
dass es keine Beweise gibt."
Wer
bedroht die Region ?
Die
zweite grosse Lüge besteht daraus zu sagen,
der Irak stelle "eine Bedrohung für
die Region" dar. Blair und Bush behaupten
dies immer wieder, wie wenn sie damit einer
Sorge der Regierungen dieser Region Nachachtung
verleihen möchten. Das Gegenteil davon
ist wahr. Anlässlich des Gipfeltreffens
der Arabischen Liga im März 2002 in Beirut
haben die 22 Regierungen unmissverständlich
ihrem Wunsch Ausdruck verliehen, dass der Konflikt
mit dem Irak beendet werde, weil sie das Land
nicht mehr als eine Bedrohung betrachten. Saudi-Arabien
und der Irak haben ihre gemeinsame Grenze wieder
geöffnet. Der Irak hat eingewilligt, seine
gesamten Archive an Kuwait zu übergeben
und sich auf eine Diskussion über vermisste
Personen einzulassen. Syrien und Libanon haben
ihre Beziehungen zum Irak normalisiert. Die
nationale Fluggesellschaft Jordaniens verbindet
Amman und Bagdad fünf Mal pro Woche. Die
Wahrheit muss also verschwiegen werden. Sie
besteht aus der Tatsache, dass die ganze Golfregion
und der Nahe Osten Kopf stehen, nicht weil sie
Angst vor dem Irak hätten, sondern weil
sich die Amerikaner darauf festgelegt haben,
Saddam Hussein zu ersetzen.
Auf
Saddams Sofa
Vergessen
wir aber nicht, dass er ihr Mann war. Ein Gangster,
dessen Baath-Partei mit Hilfe der CIA an die
Macht gekommen war. Ein CIA-Verantwortlicher
sprach in dieser Hinsicht von "unserem
am meisten geschätzten Staatsstreich".
Als er einmal an der Macht war, wurde er ausserdem
von Ronald Reagan, George Bush Sr. und Margaret
Thatcher unterstützt, die ihm sämtliche
Waffen gegeben haben, die er wollte, oft auf
geheime und illegale Art und Weise. In Washington
sprach man von einer "Liebesbeziehung".
Als
ich 1999 im Irak war, traf ich einen stellvertretenden
Hoteldirektor, dessen Ironie hinsichtlich der
westlichen Doppelmoral mir äusserst sympathisch
war. "Ah ! Ein Journalist aus Grossbritannien",
sagte er. "Möchten Sie sehen, wo M.
Douglas Hurd, sowie M. David Mellon - er wollte
sagen David Mellor -, M. Tony Newton und all
die anderen Mitglieder der Regierung Thatcher
waren ? 5 Diese Herren waren unsere Freunde
und Wohltäter." Der Mann hatte einige
Ausgaben der irakischen Zeitung in englischer
Sprache Bagdad Observer
aus
den "guten alten Zeiten" zur Hand.
Saddam ist auf der ersten Seite zu sehen, so
wie immer. Der einzige Unterschied : Auf jeder
Foto sitzt er neben einem anderen Minister der
britischen Regierung auf dem weissen Präsidentensofa.
Seine Gäste ringen sich dabei jeweils zu
einem unruhigen Lächeln durch, das jenem
des mörderischen Gastgebers gleicht.
Auf
diesen Seiten auf verblichenem Papier kann man
zwei Mal Douglas Hurd sehen : auf dem Sofa und
auf der Seite 2, wie er sich vor dem Tyrannen
verbeugt. Man findet auch den korpulenten David
Mellor, der damals im Amt für auswärtige
Angelegenheiten diente, auf dem weissen Sofa
im Jahr 1988. Zu jenem Zeitpunkt, als Mellor
- oder "M. Melon", wie unser stellvertretende
Hoteldirektor sagt - von Saddam Hussein empfangen
wurde, ordnete der Gastgeber die Vergasung von
5000 KurdInnen in der Stadt Halabija an. Das
britische Foreign Office hat versucht, alle
Informationen über diese Greueltat zu unterdrücken,
und das amerikanische State Department wollte
den Iran dafür verantwortlich machen. "Bitte
richten Sie M. Melon Grüsse aus von mir",
sagte der stellvertretende Hoteldirektor.6
Lügen
und Kandidatenschau im Foreign Office
1994
hat die Studie von Richard Scott über die
illegalen Waffenlieferungen an Saddam Hussein
die Tatsache ans Tageslicht gefördert,
dass Betrügereien unter den britischen
Beamten und Diplomaten weit verbreitet waren.
Eine jener Persönlichkeiten, deren Ehrlichkeit
Sir Richard Scott hervor gehoben hat, ist der
ehemalige Chef der Irak-Abteilung in Whitehall,
Mark Hjson, der die im Foreign Office vorherrschende
"Lügenkultur" beschrieben hat.
Unter Tony Blair hat sich nichts verändert.
Das Foreign Office hat die Öffentlichkeit
systematisch angelogen, was die unmenschlichen
Auswirkungen des unter amerikanischer Führung
durchgesetzten Embargos angeht, unter denen
die irakische Zivilbevölkerung leidet.
Es hat gelogen betreffend das Ansteigen der
Krebserkrankungen im Süden des Iraks, den
so genannten "Hiroshima-Effekt", dessen
Ursache darin liegt, dass die britischen und
amerikanischen Streitkräfte im Golfkrieg
die Massenvernichtungswaffe abgereichertes Uran
eingesetzt haben. Es hat gelogen hinsichtlich
der Bedeutung humanitärer Güter, die
dem Irak verweigert wurden, selbst wenn der
UNO-Sicherheitsrat ihrer Lieferung zugestimmt
hatte. Darunter befinden sich medizinische Ausrüstungen
zur Diagnose und Behandlung von Krebs sowie
Instrumente, die es dem Irak erlauben würden,
die verseuchten Kriegsgebiete zu säubern.
Es
ist bemerkenswert, wie ähnlich die Haltung
der Konservativen unter Thatcher und New Labours
unter Blair gegenüber dem Irak ist. Im
Jahr 2000 hat Peter Hayn, Aussenminister und
überzeugter Anhänger des Embargos
gegen die Zivilbevölkerung, eine Anfrage
des Parlaments blockiert, die darauf abzielte,
die vollständige Liste der britischen Unternehmen
zu veröffentlichen, die Saddam Hussein
an der Macht unterstützt hatten. So wie
das Foreign Office unter der Herrschaft der
Konservativen verhinderte, dass Berichte über
die Vergasung von KurdInnen durch Saddam in
den Medien verbreitet werden (Vertreter des
Foreign Office hatten sogar die Echtheit der
Bilder angezweifelt), so stellen nun ihre Nachfolger
von New Labour den Wahrheitsgehalt der UNO-Studien
über den durch das Embargo verursachten
Tod unzähliger Kinder in Frage. Sie reden
systematisch das humanitäre Desaster klein,
das die IrakerInnen bei einer amerikanischen
Invasion erleiden könnten. Vor vier Jahren
informierte das Pentagon den Präsidenten
Clinton darüber, dass bei einer Invasion
des Iraks mit "Kollateralschäden"
(zivilen Opfern) von 10 000 unschuldigen Personen
gerechnet werden müsse.
In
den letzten Tagen wurden mehrere Persönlichkeiten,
die Saddam Hussein sehr ähnlich sehen,
im Foreign Office empfangen. Es handelt sich
um zahlreiche Generäle, die unter dem Tyrannen
Dienst geleistet haben und die auf Grund von
Kriegsverbrechen verurteilt worden wären,
wenn das internationale Recht auch für
die Freunde des Westens - nicht nur für
seine Feinde - gelten würde. Gesucht wird
ein neuer, gehorsamer Gangster, um den Irak
zu beherrschen, das Land mit den zweitgrössten
Erdölreserven der Welt, nach denen es die
unersättlichen Volkswirtschaften der Industrieländer
dürstet, insbesondere die USA.
Amerikanische
Schwierigkeiten in Saudi-Arabien
Warum
ist es so dringend, den Irak anzugreifen ? Es
ist zweifellos richtig, dass die Administration
Bush etwas braucht, das ihrem rastlosen Kampf
gegen den Terrorismus entspricht. Aber es gibt
einen Grund, der kaum jemals hervorgehoben wird.
Es geht um einen fürchterlichen Staat,
die Nummer 1 bei den weltweiten Erdölreserven,
der neben dem Irak liegt : Saudi-Arabien. Dieses
mittelalterliche Scheusal ist der wichtigste
amerikanische Kunde in der Region, beinahe so
wichtig wie Israel. Und Washington droht die
Kontrolle der Situation zu verlieren. Saudi-Arabien
ist auch die Geburtsstätte von Al-Kaida,
der Mehrheit der Attentäter des 11. Septembers
und Osama bin Ladens. Die Bedeutung Saudi-Arabiens
für die USA zeigt sich in den engen Beziehungen,
die zwischen vielen "Erdöl-Schwergewichten"
der Bush-Administration und den saudischen Scheichs
bestehen. George Bush Vater, ein Berater des
Erdölriesen Carlyle Group, hat sich verschiedentlich
mit der Familie bin Laden getroffen. Es überrascht
daher nicht, dass keine einzige amerikanische
Bombe über Saudi-Arabien abgeworfen wurde.
Die USA zogen das verarmte Afghanistan vor.
Der
Widerstand gegen die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien
und den USA ist in diesem fundamentalistischen
Königreich immer grösser geworden.
Al-Kaida kann im Kreis der herrschenden Familien
zweifellos auf Unterstützung zählen
und Einfluss ausüben. Die Amerikaner versuchen,
den vorsichtigen Führer, Prinz Abdullah,
dazu zu bewegen, Modernisierungsmassnahmen einzuführen.
Dies in einem Land, wo bis heute Frauen nicht
Auto fahren dürfen und zum Tode verurteilt
werden kann, wer den Glauben verleugnet. Aber
der amerikanische Druck hat widersprüchliche
Auswirkungen. Die Unterstützung für
Al-Kaida bleibt in der Bevölkerung verankert.
Bushs
Dilemma
George
W. Bush und sein eigenes, nicht gewähltes
christliches fundamentalistisches Regime sehen
sich mit einem Dilemma konfrontiert. Ein Angriff
auf den Irak und ein Konflikt im Nahen Osten
würden dem amerikanischen militärisch-industriellen
Komplex zum richtigen Zeitpunkt neuen Schwung
verleihen. Bereits hat der Senat einer Erhöhung
der Rüstungsausgaben von historischem Ausmass
zugestimmt. Ein solcher Krieg würde auch
die Aufmerksamkeit vom schlechten Zustand der
Wirtschaft ablenken, die von Korruptionsskandalen
in den grossen Unternehmen geprägt wird,
in welche Bush und sein Vizepräsident selbst
sehr stark verwickelt sind. Ein Angriff auf
den Irak, das Nachbarland Saudi-Arabiens, könnte
allerdings auch Al-Kaida eine lange ersehnte
Konjunktur bringen, die es ihr erlauben würde,
über Mittelsmänner Saudi-Arabien und
damit die grössten Erdölfelder der
Welt zu kontrollieren.
Es
muss wohl nicht erwähnt werden, dass Bushs
Dilemma keinerlei Überlegungen betreffend
jene Tausende IrakerInnen umfasst, deren Leben
den Streubomben und den Sprengstoffen mit abgereichertem
Uran zum Opfer fallen würde. Es ist naïf
zu erwarten, dass Tony Blair irgend etwas über
all dies sagt, dass er uns die Wahrheit sagt.
Doch in der ganzen Welt beginnen Leute sich
zu bewegen. Eine deutliche Mehrheit der britischen
Bevölkerung lehnt das kriminelle Abenteuer
der USA und die Mitschuld der eigenen Regierung
daran ab. Wie sagte doch Martin Luther King
: "Unser Leben endet an jenem Tag, an dem
wir angesichts wichtiger Fragen zu schweigen
beginnen."
1.
John Pilger ist ein englischer Journalist. Sein
kürzlich erschienener Film Palestine is
still the issueliefert einen wertvollen Beitrag
zum Kampf gegen die strategischen Pläne
der imperialistischen Mächte im Nahen Osten.
Der vorliegende Text wurde am 27. August 2002
in der Tageszeitung Daily Mirrorveröffentlicht.
Fussnoten und Zwischentitel hat die Redaktion
gesetzt.
2.
In der letzten Septemberwoche hat Blair dieses
Dossier nun doch noch Parlament und Medien vorgelegt.
Trotz der grossen Aufmerksamkeit, die ihm zu
Teil wurde, halten viele Experten fest, dass
darin eigentlich keine neuen, handfesten Informationen
enthalten seien. Das Dokument ist gespickt mit
"wenn"- und "vielleicht"-Formulierungen.
Am 7. September hatte Tony Blair übrigens
bei seinem Treffen mit Präsident Bush in
Camp David der Öffentlichkeit zu Protokoll
gegeben, man habe keine Ahnung davon, was in
den letzten vier Jahren im Irak in Sachen Aufrüstung
vor sich gegangen sei (Daily Mirror, 9.9.2002).
Dass sein Team nun innerhalb von zwei Wochen
so viele "Beweise" gesammelt hat,
stellt einen ausserordentlichen Effort dar...
3.
Nachdem das irakische Regime am 17. September
2002 seine Bereitschaft erklärt hat, erneut
UNO-Inspektoren ohne Auflagen ins Land hinein
zu lassen, hat die US-Regierung nicht lange
zugewartet zu betonen, dass dem irakischen Angebot
nicht zu trauen sei und die Option einer militärischen
Intervention deswegen keineswegs vom Tisch sei.
Kaum jemals zuvor war derart offensichtlich
geworden, dass Washington in jedem Fall einen
"Regimewechsel" erzwingen will, egal
unter welchem Vorwand.
4.
Unmittelbar nach dem Abzug der UNO-Inspektoren
wurden Ende 1998 - ohne jegliches UNO-Mandat
- die heftigsten britisch-amerikanischen Bombenangriffe
"auf militärische Ziele" im Irak
seit 1991 ausgeführt. Viele der damaligen
(und seitherigen) Angriffsziele wurden wohl
von US-Spionen unter dem Deckmantel der UNO-Inspektionen
ermittelt und der Armeeführung kommuniziert.
5.
Douglas Hurd ist ehemaliger britischer Aussenminister,
David Mellor war in seinem Auftrag tätig
und Tony Newton ist ein konservativer Politiker
aus Grossbritannien.
6.
David Mellor musste sich inzwischen auf Grund
eines Skandals aus der Politik zurück ziehen.
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