Erfolg
der europäischen
Versammlung für Frauenrechte
Von
Anne Leclerc aus INPREKORR Nr. 386/387 Januar/Februar
2004
Mehr
als 3000 Frauen und rund 150 Männer haben
an der europäischen Versammlung für
Frauenrechte teilgenommen, die am 12. November
in Bobigny stattfand. Ein unbestreitbarer Erfolg
für diese wichtige Premiere einer feministischen
Initiative in Europa. Wie kam es zu dieser Versammlung?
ENTSTEHUNG
Die Idee, im Rahmen des zweiten Europäischen
Sozialforums (ESF), das 2003 in Saint Denis
stattfinden sollte, ein spezielles Frauenprogramm
vorzusehen, entstand an einem Seminar des Weltfrauenmarschs
gegen Armut und Gewalt gegen Frauen am ESF in
Florenz. Warum ein eigener Programmpunkt? Die
Teilnehmerinnen dieses Seminars hatten das dringende
Bedürfnis, im Kontext des kommenden ESF
ein Ereignis vorzusehen, mit dem nicht nur die
Teilnahme von Feministinnen am ESF gewährleistet,
sondern zudem unterstrichen werden sollte, dass
die globalisierungskritische Bewegung nicht
vorgeben kann, den Aufbau einer anderen Welt
zu denken und mitzutragen, wenn sie den Kampf
gegen die männliche Vorherrschaft nicht
integriert. Schon bald war man sich einig, zur
Eröffnung des ESF eine eintägige Frauenversammlung
durchzuführen. Im französischen Initiativkomitee
mussten wir uns mit Nachdruck dafür einsetzen,
dass dieser Tag als integraler Bestandteil des
ESF anerkannt wurde. Manche Organisationen reagierten
zurückhaltend, weil sie befürchteten,
alle Bewegungen könnten dasselbe fordern.
Das zeugt einmal mehr vom Unverständnis
für die Tatsache, dass sich die Frage der
Frauenrechte quer durch alle Bewegungen zieht.
Schließlich wurde folgender Kompromiss
gefunden: Die Frauenversammlung sollte ein der
Versammlung der sozialen Bewegungen gleichrangiger
Teil des ESF-Prozesses sein. Dieser Beschluss
wurde im Februar 2003 am europäischen Vorbereitungstreffen
in Brüssel bestätigt.
VORBEREITUNG
In Frankreich begann ein Vorbereitungskomitee,
an dem rund 50 Organisationen beteiligt waren,
sich mit dem
Inhalt dieses Tages zu befassen. Ein Vorsatz
war, eine wirklich kollektive europaweite Vorbereitung
zustande zu bringen, wobei klar war, dass dem
Gastland eine besondere Verantwortung zufiel.
Während der verschiedenen Vorbereitungsversammlungen
(Berlin im April, Genua im Juli und Bobigny
im September) konnten wir durchsetzen, dass
die Tagesordnung auch Zeit für die Vorbereitung
dieser Versammlung vorsah. Dadurch konnte mit
Frauen aus verschiedenen europäischen Ländern
über den Inhalt gesprochen werden. Schon
bald zeichneten sich vier Themenblöcke
ab: Gewalt gegen Frauen; Frauen und Migration;
Beschäftigung, Prekarität und Armut;
Selbstbestimmungsrecht. In Genua kamen zwei
neue Themenbereiche hinzu: Frauen und Krieg
sowie Frauen und Macht. In mehreren Ländern,
etwa Italien und Griechenland, wurden nationale
Vorbereitungstreffen organisiert, um Vorschläge
zu den verschiedenen Themen einzubringen. In
Italien entstand aus diesem Anlass eine eigene
Gruppe, die „Parigi Diverse“, während
in Griechenland eher das Netzwerk der Weltfrauenmärsche
genutzt wurde. In anderen Ländern waren
es ebenfalls vielfach Gruppen rund um den Weltfrauenmarsch,
die sich an den Vorbereitungen beteiligten.
Ein Ziel war zudem, Frauen aus Osteuropa einzubeziehen,
was ebenso gelungen ist wie für das ESF
insgesamt. Bei all den vorgeschlagenen Themen
ging es vorerst darum, einen Befund auf europäischer
Ebene zu erheben, Analysen herauszuarbeiten
und gemeinsame Kampagnenvorschläge zu entwickeln.
Dieses Ziel lag den Vorbereitungsarbeiten zugrunde.
Zwei Diskussionslisten, eine französische
und eine europäische, wurden eingerichtet,
um sich über den Stand der Vorbereitungen
austauschen und Ideen in Umlauf bringen zu können.
Über diese Diskussionslisten wurden regelmäßig
Protokolle der Arbeitsgruppen verschickt, um
Reaktionen und Vorschläge, namentlich von
Frauen anderer Länder, einzuholen. Im ersten
Monat der Vorbereitung tauchte auch die Idee
eines Manifests auf, um am Ende dieser Versammlung
einen starken Text in Händen zu halten
und sowohl auf europäischer Ebene als auch
in den einzelnen Ländern PolitikerInnen
damit konfrontieren zu können. Durch die
regelmäßige Teilnahme an der Vorbereitung
des ESF konnten wir zudem durchsetzen, dass
mehr Frauenthemen in Plena und Seminare einbezogen
wurden als in Florenz. Konkret konnte die Anzahl
der Plenumsdiskussionen zu Frauenrechten von
einer auf fünf erhöht werden. Für
die Planung dieses Tages konnten wir uns europaweit
auf folgende Netzwerke stützen: den Weltfrauenmarsch
und das europäische Netzwerk für Familienplanung
in der Frage des Selbstbestimmungsrechts, die
Gruppe Frauen und Globalisierung von Attac,
die Vereinigung Femmes solidaires, Lesbennetzwerke,
die Europäische Frauenlobby. Ein festes
feministisches Netzwerk auf europäischer
Ebene gibt es nicht, dafür die verschiedenen
Vernetzungen, die oft auf unterschiedlichen
Ebenen arbeiten. Ein Ziel der Frauenversammlung
ist es, ein europäisches feministisches
Netzwerk aufzubauen, mit dessen Hilfe das nötige
Kräfteverhältnis hergestellt werden
kann, um die reale Gleichstellung von Frauen
und Männern durchsetzen zu können.
Das erste Treffen für
die Rechte der Frauen wurde mit einer
Demonstration abgeschlossen
ABLAUF
Am Vormittag wurde zur Eröffnung von Frauen
verschiedener Länder ein Text vorgelesen,
in dem der Sinn der Veranstaltung erklärt
wurde. Danach teilten sich die TeilnehmerInnen
auf sechs Arbeitsgruppen auf. In den Arbeitsgruppen
wurden die Diskussionen durch eine Mischung
aus Erfahrungsberichten und Grundsatzfragen
zum Thema eröffnet. Ebenso wurde in jeder
Arbeitsgruppe versucht, Themen für gemeinsame
Kampagnen in den kommenden Monaten herauszuschälen.
Ziel der Arbeitsgruppe „Beschäftigung,
Prekarität, Armut“ war es, die Folgen
des Neoliberalismus für die Frauenerwerbstätigkeit
in Europa anzusehen und die Ausarbeitung einer
kollektiven europaweiten Antwort in Angriff
zu nehmen. In Europa haben die Frauen weitgehend
Einzug in die Lohnarbeit gehalten, noch bevor
die neue Wirtschaftsordnung fest etabliert war.
Sie haben sich gegen die sozialen Rückschritte
zur Wehr gesetzt, die im Rahmen der ultraliberalen
Politik durchgesetzt wurden. In den letzten
25 Jahren sind erhöhte Arbeitslosigkeit,
unfreiwillige Teilzeitarbeit als Vorbedingung
für eine Anstellung, Arbeit auf Abruf und
flexible Arbeitszeiten zu wesentlichen Kennzeichen
der Frauenarbeit geworden. Nachdem ein Brief
von gekündigten Frauen von Lewis vorgelesen
wurde, gingen mehrere Frauen, darunter eine
belgische Erwerbslose, eine spanische Bäuerin
der europäischen Bauerngewerkschaft Conféderation
paysanne, eine baskische Gewerkschafterin und
die Soziologin Héléna Hirata,
auf die Lage der Frauen in Europa unter dem
Gesichtspunkt von Beschäftigung, Prekarität
und Armut sowie den Auswirkungen der neoliberalen
Politik auf Letztere ein. Überall in Europa
sind Frauen von den Folgen des Neoliberalismus
besonders betroffen. Das Beharren auf dem Prinzip
der tatsächlichen Gleichstellung von Männern
und Frauen und die Ermöglichung tatsächlicher
Selbstständigkeit kommen einem Kampf für
die individuelle Anerkennung aller sozialen
Rechte gleich. Einige Kampagnenthemen wurden
festgelegt:
• Wirkliche Gleichstellung beim Recht
auf Arbeit; die Bekämpfung jeder Form von
beruflicher Diskriminierung;
• Erhöhung der sozialen Mindestbeiträge,
individuelle Gewährung von Sozialleistungen
statt der Gewährung in Abhängigkeit
von der familiären Situation;
• Entwicklung kollektiver Kinderbetreuungsformen.
In
der Arbeitsgruppe „Migrantinnen, Akteurinnen
eines anderen Europa“ kam deutlich die
Tatsache zum Ausdruck, dass Migrantinnen aktiv
zum soziokulturellen Leben des Aufnahmelandes
beitragen, obwohl sie im Zusammenhang mit ihrer
Stellung als Frauen und Migrantinnen doppelt
diskriminiert sind. Europa verschließt
seine Grenzen für MigrantInnen, die Gesetze
der europäischen Staaten behindern die
Einreise und den legalen Aufenthalt von AusländerInnen
und verurteilen sie zu prekären Lebens-
und Arbeitsverhältnissen, zu Rechtlosigkeit,
Willkür und Gewalt. Die Frauen, die unter
den ImmigrantInnen einen immer höheren
Anteil ausmachen, sind mit den Folgen dieser
Politik, die sie als Frauen und als AusländerInnen
doppelt diskriminiert, direkt konfrontiert.
Selbst wenn die Gesetze nicht geschlechtsspezifisch
formuliert sind, haben sie oft geschlechtsspezifische
Auswirkungen, da sie die Ungleichheit zwischen
Männern und Frauen untermauern oder sogar
verschärfen, die Abhängigkeit der
Frauen vom familiären Umfeld institutionalisieren
(insbesondere, indem für die persönliche
Rechtsstellung Gesetze des Herkunftslandes herangezogen
werden, durch die Nichterneuerung von Aufenthaltsgenehmigungen
bei Auflösung der Lebensgemeinschaft etc.)
und leisten der Gewalt (Frauenhandel, arrangierte
Ehen oder Zwangsheirat) bzw. der (beruflichen
und/oder sexuellen) Ausbeutung Vorschub. Als
Mobilisierungsthemen wurden festgehalten:
- die Anwendung der persönlichen Rechtsstellung,
um die Unabhängigkeit und individuelle
Rechte zu fördern und die eheliche Abhängigkeit
und doppelte (familiäre, staatliche) Gewalt
zu bekämpfen;
- Personenfreizügigkeit für alle;
- Anerkennung der Qualifikationen von Migrantinnen.
Arbeitsgruppe
„Gewalt“: Verschiedenen Umfragen
der europäischen Institutionen zufolge
sind zwischen 20
und 50 Prozent aller Frauen in Europa Opfer
männlicher Gewalt. Den Frauenvereinigungen
bleibt noch viel zu tun, um das Unsichtbare
sichtbar zu machen und der Reichweite des Phänomens
Rechnung zu tragen. Feministische Organisationen
waren es, die oft als einzige in den letzten
dreißig Jahren dazu beigetragen haben,
die Gewalt gegen Frauen sichtbar zu machen und
zu ächten. Heute geht es darum, die sozialen
Bewegungen einzubinden, um eine wirkliche Mobilisierung
zu ermöglichen, denn die Frauen sind nicht
mehr länger bereit zu akzeptieren, dass
sie diesen Kampf allein tragen. Drei Fragen
wurden in dieser Arbeitsgruppe hauptsächlich
aufgeworfen:
• Gewalt in der Partnerschaft, die verbreitetste
Form von Gewalt gegen Frauen;
• das System der Prostitution, eine in
Europa intensiv diskutierte Frage;
• der Widerstand der jungen Frauen und
die Verhinderung sexistischen Verhaltens in
den Beziehungen zwischen jungen Männern
und Frauen, eine Frage von hoher Aktualität.
Der
Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen in Europa
muss als vollwertige öffentliche Aufgabe
angesehen werden.Folgende Mobilisierungsthemen
wurden festgehalten:
• Die Harmonisierung nationaler Gesetzgebungen
zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
auf der Grundlage der fortschrittlichsten Gesetzgebungen
mittels einer EU-Direktive;
• Die Anerkennung der staatlichen Verantwortung,
wenn Gesetze nicht zur Anwendung kommen, was
gravierende Folgen für die Opfer hat; gemeint
sind also Klagen gegen die Staaten.
Um
einen breiten Rückhalt für die Bekämpfung
der Gewalt gegen Frauen zu gewinnen, wird vorgeschlagen,
dass die sozialen Bewegungen in allen europäischen
Ländern den 25. November 2004 zum internationalen
Tag gegen Gewalt gegen Frauen machen. Die Organisation
einer europäischen Kampagne für eine
Welt ohne Prostitution und Sklaverei aus Anlass
der Olympischen Spiele in Athen im Juni 2004,
nachdem die Stadtverwaltung beschlossen hat,
die Prostitution in allen Hotels der Stadt zu
organisieren und auszuweiten. Die Arbeitsgruppe
„Sexuelle Rechte, Fortpflanzungsrechte:
,Nein zu einer Angleichung nach unten!'“
hat festgestellt, dass die Unterschiede bezüglich
Selbstbestimmungsrechten von Frauen über
ihren Körper in Europa eine Chance und
eine Gefahr bergen. Das Recht auf Abtreibung
und Verhütung ist die Grundlage für
eine selbstbestimmtes Leben von Frauen. Es ist
für jede einzelne Frau ausschlaggebend,
ob sie ihre anderen Rechte als Privatperson
und Mitglied der Gesellschaft voll ausüben
kann.
Frauen aus Portugal, Polen und Irland stellten
den Stand der Dinge in diesen drei Ländern
dar, in denen die Abtreibung verboten und strafbar
ist. Eine breit abgestützte Kampagne findet
zur Zeit in Portugal statt. Ein anderer wichtiger
Punkt ist die zunehmende Bedeutung von medizinischen
Reproduktionstechnologien. Ob zu Zwecken der
künstlichen Fortpflanzung oder zum therapeutischen
Klonen, die verwendeten Stammzellen werden jeweils
dem weiblichen Körper entnommen. Wir erleben
einen Prozess der Vermarktung und Verschlimmerung
der Abhängigkeitsverhältnisse, angefangen
vom Verkauf von Eizellen über die Zwangssterilisierung
von Roma in der Slowakei bis zum Verkauf von
Organen. Das Recht auf Selbst-bestimmung über
den eigenen Körper wird in den verschiedenen
europäischen Ländern durch die religiösen
Mächte in der Gesellschaft insgesamt, aber
auch in politischen Institutionen immer mehr
in Frage gestellt. Gleichzeitig flaut das Engagement
zugunsten einer selbstbestimmten Sexualität
und Fortpflanzung in feministischen Kämpfen
eher ab. Für die Mobilisierung wurde beschlossen,
das Grundrecht der Frauen auf Selbstbestimmung
über ihren Körper und den freien Zugang
zu Abtreibung und Verhütung in allen Ländern
Europas mit Kostenerstattung klar und deutlich
zu bekräftigen. Diese Forderung muss ein
integraler Bestandteil der Globalisierungskritik
sein. Zu diesem Zweck schlägt die Arbeitsgruppe
vor, ein ständiges Netzwerk für gemeinsame
Mobilisierungen nach dem Vorbild der portugiesischen
Frauen aufzubauen, das die Kämpfe koordiniert,
dem Informationsaustausch, der Diskussion, der
Solidarität dient und als Art von Frühwarnsystem
funktioniert. Die Arbeitsgruppe „Frauen
und Kriege“ stellte Widerstandskämpfe
ins Zentrum, über die tschetschenische,
palästinensische, russische, israelische
und kurdische Frauen Zeugnis ablegten, und thematisierte
die spezifische Opposition von Frauen gegen
den Krieg, deren politische Besonderheit und
die Verflechtung mit dem Feminismus sowie Solidaritätsbeziehungen
zwischen Frauen und deren Probleme (vor, während
und nach Kriegen, der Zusammenhang mit Migrantinnen,
die vor Kriegen flüchten).
Die wichtigsten Aktionsvorschläge sind:
• die Übernahme von Patenschaften
für palästinensische Frauen, die in
Gefängnissen festgehalten werden;
• die Beteiligung an der Friedenskarawane,
die von Europa nach Palästina und in den
Irak zieht;
• eine gesonderte Kampagne, damit Europa
in Tschetschenien Frieden durchsetzt;
• der Aufbau eines internationalen „Tisches“
zur Unterstützung der türkischen Friedensaktivistinnen
im September 2004;
• und schließlich soll der 8. März
2004 für Mobilisierungen gegen den Krieg
genützt werden.
Im Workshop „Frauen und Macht“ wurde
eine breit abgestützte Analyse darüber
vorgelegt, wonach Weiblichkeit als Kategorie
eine historische Konstruktion ist, die den Ausschluss
von Frauen aus der öffentlichen Sphäre
zur Folge hat. Die patriarchale Herrschaft überdauert
alle Gesellschaftsformen, und die Machtfrage
zieht sich durch alle Ebenen der Gesellschaftsorganisation.
Deshalb sind die Präsenz von Frauen in
allen Entscheidungsstrukturen und die Gemischtheit
der Machtebenen eine entscheidene demokratische
Frage. Die Arbeitsgruppe konzentrierte sich
auf Mobilisierungen mit dem Ziel:
• den Texten zur Gleichstellung von Männern
und Frauen durch zwingende Gesetze auf europäischer
Ebene verbindlichen Charakter zu geben;
• in den Ländern, die über eine
entsprechende Gesetzgebung verfügen, die
Parität tatsächlich durchzusetzen
und in allen europäischen und nationalen
Instanzen, deren Mitglieder ernannt oder gewählt
werden - sei dies in beratenden oder beschließenden
Gremien - die Parität einzuführen.
EIN
SPRUNGBRETT FÜR DIE ZUKUNFT
Am Nachmittag konnte man sich in der Plenarversammlung
einen Überblick über die Diskussionen
in den Arbeitsgruppen und die Aktionsvorschläge
verschaffen. Zudem wurde ein Manifest vorgestellt,
das im Vorfeld von den verschiedenen Vorbereitungsgruppen
ausgearbeitet worden war. Darin einbezogen wurden
die Kampagnenvorschläge aus den verschiedenen
Arbeitsgruppen, die zuvor in einer eigenen Sitzung
zusammengetragen wurden. Ein Aspekt, der sich
durch alle Arbeitsgruppen zog, war die Kritik
am EU-Verfassungsvertrag. Es wurde betont, wie
wichtig der europaweite Widerstand ist, um ausgehend
von feministischen Netzwerken wie dem Weltfrauenmarsch,
Lesbennetzwerken, Gruppen mit dem Schwerpunkt
auf dem Selbstbestimmungsrecht, pazifistischen
oder anderen, spontan entstehenden Netzwerken
gemeinsame Kampagnen durchzuführen. Im
Anschluss an die Versammlung brachen alle TeilnehmerInnen
zu einer Demonstration zum symbolträchtigen
Gerichtsgebäude auf, in dem 1972 der Abtreibungsprozess
gegen Marie-Claire stattfand. Mehr als 6000
Personen beteiligten sich an diesem kraftvollen,
bunten Demozug. Dieser Tag war nicht nur ein
Erfolg. Er zeigte auch, welches Mobilisierungspotential
die feministischen Bewegungen und Netzwerke
in den verschiedenen Ländern aufweisen
und dass es notwendig ist, ein breiteres feministisches
Netzwerk auf europäischer Ebene aufzubauen.
Die Diskussionen sind auch in die restlichen
Veranstaltungen des ESF eingeflossen. Viele
Frauen haben sich an den Diskussionen beteiligt
und fühlten sich durch die Versammlung
besser legitimiert, feministische Analysen und
Vorschläge einzubringen. Durch dieses Treffen
konnten verschiedene Frauengruppen (wieder)
belebt werden, vor allem, weil deutlich wurde,
dass es möglich ist, auf europäischer
Ebene ein feministisches Kräfteverhältnis
aufzubauen. Die Herausforderungen sind enorm.
Zur Durchsetzung eines anderen, feministischen,
antikapitalistischen Europas sind alle Energien
erforderlich. Wie an dieser Versammlung deutlich
wurde, sind Frauen von den Rückschritten,
die im Verfassungsentwurf enthalten sind, und
den Auswirkungen der neoliberalen Politik besonders
betroffen. Diese Dimension muss von der globalisierungskritischen
Bewegung mitberücksichtigt werden. Denn
eine andere Welt wird sich schwer aufbauen lassen,
wenn der Kampf gegen das Patriarchat nicht als
politische Dimension des Kampfs gegen die neoliberale
Politik verstanden wird. Diese Botschaft war
es, die die Frauenversammlung am 16. November
an die Versammlung der sozialen Bewegungen richtete.
Anne
Leclerc, Gewerkschafterin (Fédération
syndicale unitaire, FSU) und Feministin (Collectif
national pour les droits des femmes und Weltfrauenmarsch
gegen Armut und Gewalt gegen Frauen), ist Mitglied
der Ligue communiste révolutionnaire
(LCR,französische Sektion der IV. Internationale).
Übersetzung
aus dem Französischen: tigrib
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