In
den letzten Jahren hat sich die Lage für
die
Mehrheit der Frauen verschlechtert
Die
Frauen sind wütend...Alle raus am 8. März
!
von
Sarah Schilliger aus DEBATTE Nr. 7, Januar 2004
Der
8. März - internationaler Tag der Frau
- soll dieses Jahr zu einem Aktionstag und Frauenstreiktag
werden. Die Mobilisierung steht im Zusammenhang
mit dem anstehenden Referendum gegen die 11.
AHV- Revision und mit der Abstimmung zur Mutterschaftsversicherung.
Initiiert vom Manifest "Wir Frauen sind
wütend" (siehe Debatte Nr. 6), rufen
inzwischen verschiedene Gewerkschaften und regionale
Komitees zusammen mit Gruppierungen, die als
Antwort auf die Bundesratswahl vom 10. Dezember
2003 entstanden sind, zu Aktionen und Mobilisierungen
am Tag der Frau auf.
"Wenn
Frau will, steht alles still", lautete
das Motto des Frauenstreiks vom 14. Juni 1991,
an dem sich über eine halbe Million Frauen
in ganz verschiedenen Formen beteiligt haben.
Anlass dazu war der zehnte Jahrestag der Abstimmung
über den Verfassungsartikel zur Gleichberechtigung
von Männern und Frauen und die Tatsache,
dass zwischen dieser dadurch geschaffenen formellen
Gleichheit (auf dem Papier) und der tatsächlichen
Ungleichheit, die die Frauen jeden Tag erleben,
ein grosser Widerspruch besteht. Mit verlängerten
Arbeitspausen, Diskussionen, Arbeitsniederlegungen
und Aktionen verschiedenster Art auf der Strasse
und auf öffentlichen Plätzen prangerten
die Frauen die Ungleichheit im Erwerbsleben
an, forderten die Einrichtung einer Mutterschaftsversicherung,
die Verbesserung der Altervorsorge und diegerechtere
Verteilung von Hausarbeit und der Erziehungsaufgaben
in der Familie, wehrten sich gegen sexuelle
Belästigung und Gewalt an Frauen und setzten
sich für eine angemessenere Präsenz
der Frauen in den politischen Institutionen
ein.
Der
Backlash
Inzwischen
ist mehr als ein Jahrzehnt vergangen. Zwar hat
der Frauenstreik eine Kampagne für eine
bessere Vertretung der Frauen im Parlament und
anderen politischen Instanzen ausgelöst
(u.a. im Zusammenhang mit der Nichtwahl von
Christiane Brunner in den Bundesrat). Dabei
ging aber das alltägliche Schicksal Hunderttausender
Frauen vergessen, die am 14. Juni 1991 für
eine tatsächliche Verbesserung ihrer Arbeits-
und Lebensbedingungen gekämpft haben. An
die Stelle von notwendigen sozialen Kämpfen
trat ein eher institutioneller Feminismus, der
sich hauptsächlich für eine Erhöhung
der Frauenquote in verschiedenen Institutionen
eingesetzt hatte. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund
(SGB), der eigentlich die Mittel dazu gehabt
hätte, eine nationale Struktur aufzubauen,
um den begonnen Kampf der Frauen weiter zu tragen
und eine nationale Frauenbewegung aufzubauen,
entschied sich gegen eine weitere Mobilisierung.
Heute
sind alle Forderungen, für die sich die
Frauen am 14. Juni 1991 eingesetzt haben, noch
immer hochaktuell : Noch immer verdienen Frauen
durchschnittlich 21 % weniger Lohn als Männer,
haben weniger Aufstiegsmöglichkeiten und
schlechtere Weiterbildungsaussichten. Noch immer
gibt es keine gesetzlich garantierte Mutterschaftsversicherung,
fehlt es überall an Kinderkrippen und Tagesschulen.
Und auch bei der Verteilung der Haushalts- und
Erwerbsarbeit zwischen Frau und Mann hat sich
nicht viel geändert, die Frau leistet -
gratis wohlgemerkt - den grössten Teil
der Haushalts- und Erziehungsarbeit.
Von
einer Verbesserung der Situation für die
Frauen kann also keine Rede sein. Vielmehr fand
in einigen Bereichen im Namen der "Gleichheit"
eine Anpassung nach unten statt : So wurde das
Verbot der Nachtarbeit für Frauen in der
Industrie aufgehoben und das Rentenalter der
Frauen im Zuge der 10. AHV-Revision von 62 auf
64 Jahren erhöht. Zudem sind die Frauen
vom neoliberalen Angriff auf die öffentlichen
Dienste besonders betroffen : Durch den Abbau
von Leistungen werden ehemals öffentliche
Aufgaben in den privaten Bereich zurückverlagert.
Das bedeutet, dass Frauen noch mehr Gratisarbeit
zu leisten haben, z.B. bei der Pflege und Betreuung
von alten und kranken Menschen durch den Leistungs-
und Qualitätsabbau im Gesundheitswesen.
Rentenfrage
& Mutterschaftsurlaub als Kristallisationspunkte
Nun
soll durch die 11. AHV-Revision das Rentenalter
der Frauen auf 65 Jahre erhöht werden -
was nach Pascal Couchpin nur ein Schritt in
Richtung Rentenalter 67 für alle sein soll.
Zudem bedeutet die 11. AHV-Revision für
Witwen eine Kürzung ihrer Ansprüche.
Der Leistungsabbau bei der AHV wirkt sich für
die Frauen umso dramatischer aus, weil nur wenige
(gut verdienende) unter ihnen von der zweiten
Säule (BVG) profitieren. Rund eine halbe
Million erwerbstätiger Frauen - v.a. Teilzeitarbeitende
und Kleinverdienerinnen - können keiner
Pensionskasse beitreten, jene, die zwar nicht
erwerbstätig sind, aber als Mütter
und Hausfrauen Gratisarbeit leisten, sind ebenfalls
nicht versichert. Bei einer durchschnittlichen
AHV-Rente von 1769 Franken können diese
Frauen im Alter nicht auf eine existenzsichernde
Rente zählen.
Als
letztes Land in Europa bleibt die Schweiz ohne
eine Mutterschaftsversicherung. Jetzt hat sich
das Parlament zu einer Minimallösung durchgerungen,
nach der künftig ein Mutterschaftsurlaub
von 14 Wochen zu 80 Prozent des aktuellen Lohnes
aus der bestehenden Erwerbsersatzordnung (EO)
finanziert werden soll. Ein überparteiliches
Komitee rund um den neuen Bundesrat Christoph
Blocher und den FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger
hat nun aber das Referendum gegen diesen parlamentarischen
Beschluss ergriffen. Mit dem Slogan "Nein
zur Verschwenderpolitik" wollen sie den
erwerbstätigen Müttern eine weitere
schallende Ohrfeige verpassen und an ihrem rückwärtsgewandten,
patriarchalischen Familienbild festhalten.
Den
Frauen reicht’s : Impulse für eine
breite Mobilisierung
Als
Antwort auf die gravierenden Massnahmen, wie
sie die 11. AHV-Revision vorsieht, wurde im
Sommer letzten Jahres u.a. auf Initiative von
Frauen der Bewegung für den Sozialismus
das Manifest "Wir Frauen sind wütend"
lanciert, das sich gegen die 11. AHV-Revision
wendet, zu einem Referendum dagegen aufruft
und eine breite Debatte über den Ausstieg
aus dem Dreisäulensystem fordert. Der Erfolg
dieses Manifests der wütenden Frauen hat
dazu beigetragen, dass der SGB das Referendum
gegen die 11. AHV-Revision ergriffen hat.
Auch
gegen das Referendum zum Mutterschaftsurlaub
hat sich eine breite Opposition gebildet. Das
Referendum wird - wie auch die 11. AHV-Revision
- frühestens im Mai dieses Jahres zur Abstimmung
kommen. Die "Patriarchenwahl" in den
Bundesrat hat eine grosse Empörung und
Wut in der Bevölkerung ausgelöst,
die sich nicht nur gegen diesen Bundesrat, sondern
vor allem auch gegen die Politik des Sozialabbaus
richtet, für die dieser Bundesrat - allen
voran seine zwei neuen Mitglieder Merz und Blocher
- steht. In Zürich riefen empörte
Studentinnen am 10. Dezember 2003 spontan zum
Protest gegen den Rechtsrutsch und die Ausgrenzung
der Frauen aus der Politik auf und mobilisierten
in wenigen Stunden über 2000 Leute zu einer
Demonstration. In Bern gingen am Samstag nach
der Bundesratswahl gegen 15’000 Menschen
auf die Strasse. Die Zürcher Studentinnen
haben sich inzwischen einen Namen gegeben :
ZOff ! - was für "Zürcher Offensive
- Frauen gegen Rechts" steht. Zusammen
mit den Gewerkschaften, verschiedenen Frauenorganisationen
wie z.B. FemCo, dem Manifest "Wir Frauen
sind wütend" und der BFS-Frauengruppe
rufen sie zu Mobilisierungen am 8. März
auf.
Für
ein feministische und sozialistische Perspektive
Die
Rentenfrage wie auch die Debatte um die Mutterschaftsversicherung
werfen ganz zentrale Fragen der Organisation
der Gesellschaft aus feministischer und sozialistischer
Sicht auf : Diese Fragen möchte die BFS
im Rahmen der Mobilisierungen für den 8.
März und darüber hinaus aufwerfen.
Es geht dabei zum Beispiel um die Frage der
geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und die
damit verbundene Forderung nach einer gerechten
Verteilung von Haushalts- und Erwerbsarbeit
zwischen Frau und Mann. Was eng mit der Forderung
nach einer radikalen Arbeitszeitverkürzung
(ohne Lohneinbusse und Intensivierung der Arbeit)
verbunden ist.
Da
den meisten Frauen die 2.Säule kaum eine
angemessene Rente garantieren kann, ist die
einzige Lösung ein Ausstieg aus dem Drei-Säulensystem
und die Durchsetzung einer egalitären,
frauenfreundlichen Super-AHV, die allen ab 60
Jahren eine würdige, existenzsichernde
Altersrente zusichert.
Um
die gesellschaftlichen Bedingungen für
eine echte Gleichberechtigung zu schaffen, müssen
die öffentlichen Strukturen im Bereich
Kinderbetreuung (z.B. Krippen), Gesundheitswesen,
Betreuung von Kranken und Alten, Bildung usw.
massiv ausgeweitet werden.
Es
geht heute darum, am Aufbau einer neuen Frauenbewegung
zu arbeiten. Diese muss aber unbedingt die Lehren
aus dem Frauenstreik von 1991 ziehen und das
Mobilisierungspotenzial nicht in eine institutionelle
Sackgasse führen. Was nur geschehen kann,
indem sich feministisch radikale Forderungen
mit antikapitalistischen und sozialistischen
Forderungen und Perspektiven verbinden.
Die
BFS und die BFS-Frauengruppe rufen alle Frauen
auf, sich für einen Frauenstreik am 8.
März dieses Jahres zu engagieren !
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