Interview
mit Josette Trat
Die
Aktualität feministischer Kämpfe
Interview
mit Josette Trat (aus DEBATTE Nr. 5, Januar
2003)
Inwiefern
werden Frauen heutzutage in den Ländern
des Zentrums unterdrückt, wie äussert
sich diese Unterdrückung ?
Die
Unterdrückung der Frauen tritt insbesondere
bei den zahlreichen Diskriminierungen in der
Arbeitswelt klar zutage : Lohnungleichheit,
erhöhte Erwerbslosigkeit, stärkere
Prekarisierung der Frauen, fehlender Zugang
zu Qualifikation. Auch im sozialen Leben ist
die Unterdrückung der Frauen sichtbar :
im Rahmen der Familie tragen Frauen weiterhin
den grössten Teil der Haus- und Erziehungsarbeit.
Auch werden Frauen generell aus der politischen
und gewerkschaftlichen Sphäre ausgegrenzt.
Auch die Schwierigkeit, Beruf und politische
Tätigkeit mit der Haus- und Erziehungsarbeit
zu vereinbaren, zeugt von der fortbestehenden
Diskriminierung der Frauen. Und obwohl es bezüglich
Selbstbestimmung der Frauen über ihren
Körper, ihre Mutterschaft und ihre Sexualität
gewisse Fortschritte gibt, wird das Recht der
Frauen auf Kontrolle des eigenen Körpers
in der Praxis immer noch in Frage gestellt.
In Frankreich wirkt sich zudem die Pornographie
sehr stark aus. Es fragt sich, wie früh
männliche Jugendliche die in der Pornographie
dargestellten Beziehungsmuster zwischen Frauen
und Männern aufnehmen. Diese Muster sind
das genaue Gegenteil dessen, was die Frauenbewegungen
als Ziele formuliert hatten : Recht auf Lust
für Frauen wie für Männer, Abschaffung
von gewaltgeprägten Beziehungsformen…
Als übersteigerter Ausdruck von Frauenfeindlichkeit
stellt die Pornographie eine bestimmte Form
der Gewalt dar, nämlich die Vorstellung,
dass sexuelle Lust selbst für Frauen in
solch vollständig von einer aggressiven
Männlichkeit geprägten Beziehungen
möglich ist. Heute werden die Auswirkungen
solcher Darstellungen spürbar. Es gibt
keine direkte Kontinuität zwischen Video-
oder Fernsehbildern und den Verhaltensweisen
männlicher Jugendlicher. Jedoch sind diese
Darstellungen nicht neutral für die Vorstellung
der Jugendlichen über Liebesbeziehungen
mit Frauen. Gewalt ist klar ein Ausdruck der
Unterdrückung von Frauen. Untersuchungen
in Frankreich und auf internationaler Ebene
zeigen, dass Gewalt nicht zurückgeht und
innerhalb der Familie weiterhin eine prägende
Realität darstellt.
Die
Unterdrückung der Frauen darf nicht nur
als Ansammlung von Diskriminierungen und Ungleichheiten
analysiert werden. Frauenunterdrückung
muss als eigentliches System verstanden werden,
das mit überdauernden Machtverhältnissen
zwischen Frauen und Männern zu tun hat,
dies im Rahmen einer von ungleichen sozialen
Verhältnissen geprägten Gesellschaft.
Die Geschlechterverhältnisse sind mit den
gesellschaftlichen Verhältnissen zwischen
Klassen und Ethnien verschränkt, welche
die Unterwerfung der Lohnabhängigen, der
ausländischen Arbeitenden in der Gesellschaft
aufrechterhalten.
Wie
werden Frauen von der neoliberalen Politik erfasst
?
Auf
europäischer Ebene dienten die Frauen generell
als Experimentierfeld für eine Politik
der Prekarisierung und der Flexibilisierung
der Arbeitskraft. In Frankreich hat die Gewerkschaftsbewegung
bei der Frage der Teilzeitarbeit keinen grossen
Widerstand geleistet, denn sie hat die Vorstellung
übernommen, dass damit Beruf und familiäre
Verantwortung besser vereinbar wären. Die
Gewerkschaften haben so getan, als ginge das
Problem der Familienarbeit nur die Frauen etwas
an. Jede Bewegung, die sich sozialistisch oder
gewerkschaftlich nennt, hätte davon ausgehen
müssen, dass sich das Problem der Vereinbarkeit
von Arbeit und Familie für die ganze lohnabhängige
Bevölkerung stellt und nicht nur für
Frauen. Die Gesellschaft muss eine Organisation
der Arbeit entwickeln, die beide Bereiche auf
einander abstimmt, statt die ganze Verantwortung
für diese Frage den Frauen zu überlassen.
Der Neoliberalismus hat in Frankreich in den
letzten 20 Jahren zu einer Zunahme der Teilzeitarbeit
mit Teilzeitlöhnen geführt. Dies hat
wesentlich zur Verschlimmerung der Armut der
Lohnabhängigen beigetragen : Frauen mit
Teilzeitbeschäftigung stellen die Mehrheit
der armen Lohnabhängigen dar, denn sie
erhalten nur einen Bruchteil des vollen Lohns.
Zudem wird eine Teilzeitstunde generell schlechter
bezahlt als eine Vollzeitstunde.
Auch
von der Flexibilität sind Frauen besonders
betroffen. Heute sind flexibilisierte Arbeitsverhältnisse
in vielen Bereichen die Regel, zuerst wurde
diese Form der Prekarisierung jedoch in den
Einkaufszentren ausprobiert, in denen Frauen
als Kassiererinnen oder im Reinigungsdienst
arbeiten. Die Flexibilität wurde in den
Dienstleistungssektoren, in denen eine grosse
Mehrheit Frauen arbeitet, eingeführt und
verallgemeinert.
Ein
weiterer Aspekt der verschärften Diskriminierung
von Frauen drückt sich in der sogenannten
Familienpolitik aus. Teilweise dienten familienpolitische
Massnahmen zur Ausgrenzung von Frauen aus dem
Arbeitsmarkt. In Frankreich führte die
sozialdemokratische Regierung ein Erziehungsgeld
ein. Dies stellt für Frauen, die ein drittes
Kind bekommen, einen Anreiz dar, ihre Erwerbstätigkeit
ganz oder teilweise aufzugeben. Tun sie dies,
erhalten sie ein bescheidenes Taggeld, das keine
Kompensation für einen Vollzeitlohn darstellt.
Daher sind es mehrheitlich die Mütter und
nicht die Väter, die ihre Erwerbsarbeit
aufgeben : weil sie in der Regel eine weniger
interessante und qualifizierte Arbeit haben,
die geringer entlohnt wird, aber auch in Folge
der herrschenden Ideologie, nach der die Frauen
die Pflege der Kinder zu übernehmen haben.
Aus all diesen Gründen haben sich die Arbeitsbedingungen
der Frauen verschlechtert.
Haben
die Frauen in den letzten 30 Jahren nicht vermehrt
Zugang zur Arbeitswelt gefunden ?
Dies
trifft insbesondere für besser qualifizierte
Frauen zu, die in freien Berufen oder in Kaderfunktion
arbeiten. Das ist aber eine kleine Minderheit
aller erwerbstätigen Frauen. Diese Kategorie
von Frauen existierte vor 30 Jahren noch nicht,
stellt heute jedoch eine nicht zu vernachlässigende
soziale und politische Grösse dar. Diese
Frauen haben von den feministischen Kämpfen
in den letzten 30 Jahren am meisten profitiert.
Sie konnten dank der Empfängnisverhütung
ihre Mutterschaft kontrollieren. Mit ihren besseren
Löhnen können sie heute oft Migrantinnen
anstellen, die ihre Hausarbeit erledigen und
ihre Kinder betreuen.
Die
Präsenz dieser Migrantinnen neben den ausländischen
Arbeitern ist ein neues Phänomen. Diese
Frauen suchen Arbeit und stellen den am meisten
ausgebeuteten Teil der ArbeiterInnenklasse dar.
Sie haben die härteste und am schlechtesten
bezahlte Arbeit. Oft ist ihnen ihre Überausbeutung
nicht bewusst, denn sie erhalten einen Lohn,
der ihnen eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber
der Familie verschafft. Aber durch solche Arbeitsverhältnisse
wird die Differenzierung der Lohnabhängigen
vorangetrieben, auf die der Kapitalismus aufbaut.
Klar
ist, dass die Unterdrückung der Frauen
vor dem Kapitalismus bestand. Wie nutzt das
kapitalistische System die Unterdrückung
der Frauen ?
Der
Kapitalismus verschärft die Unterdrückung
der Frauen, indem er die sozialen Geschlechterverhältnisse
ausnützt, um die Lohnabhängigen in
verschiedene Gruppen aufzuteilen und zwischen
ein Verhältnis der Konkurrenz zu schaffen.
Zudem hat die Bevölkerung die Legitimität
der untergeordneten Stellung der Frauen weitgehend
verinnerlicht. Konkret bedeutet dies, dass der
Kapitalismus in gewissen Phasen die Arbeitskraft
maximal ausnützt, um die Maschinen voll
auszulasten, und in Phasen der wirtschaftlichen
Krise die Lohnabhängigen in die Erwerbslosigkeit
entlässt. Die Arbeitslosigkeit wird auch
dazu benutzt, die Löhne nach unten zu drücken.
Seit Ende der 1970er Jahre wurden auf Grund
der steigenden Erwerbslosigkeit die Frauen als
“Reserve” von Lohnabhängigen
behandelt, die über Teilzeitarbeit aus
dem Arbeitsmarkt verdrängt und zur “Rückkehr
in die Familie” bewegt wurde. Dies ist
Teil der Regulierung der Arbeitskraft. Zudem
wird damit die Vorstellung legitimiert, Frauen
könnten weniger verdienen, denn sie seien
vor allem zur Erziehung von Kindern und zum
Unterhalt der Wohnung berufen. Heute ist wieder
moralischer Protest gegen Lohnungleichheit zu
vernehmen. Jedoch hat keine Gewerkschaft den
Kampf für Lohngleichheit als prioritär
aufgefasst.
Wie
hat die ArbeiterInnenbewegung den Kampf der
Frauen aufgenommen ?
Die
ArbeiterInnenbewegung war während Jahrzehnten
gegenüber den Forderungen der Frauen blind.
Erst in den 1970er Jahren hat die ArbeiterInnenbewegung
unter dem Einfluss der neuen Frauenbewegung
diesen Kampf teilweise anerkannt. Die Frauen
bilden heute den aktivsten Teil der Arbeitskraft.
Die Gewerkschaften haben die Gelegenheit verpasst,
sich zu verstärken, einen kämpferischen
Flügel der Lohnabhängigen aufzubauen.
Sie waren unfähig, Frauen in die Gewerkschaftsarbeit
zu integrieren, eine konzertierte Anstrengung
in Richtung der Frauen zu leisten. Es fanden
wohl Kämpfe statt, sie wurden aber isoliert
und individuell geführt und in der Gewerkschaftsbewegung
selten aufgenommen. Die Gewerkschaftsbewegung
ist von Männern dominiert und hat die Legitimität
der hierarchischen Beziehungen zwischen Frauen
und Männern vollständig verinnerlicht.
Welches
war der Beitrag der Frauenbewegung in den 1970er
Jahren ?
Auf
theoretischer Ebene wurde die Gesellschaft insgesamt
dazu gezwungen, die Hausarbeit als eine wirkliche
Arbeit zu begreifen, die von Herrschaftsverhältnissen
geprägt ist und die für die Reproduktion
des Lebens in der Gesellschaft unabdingbar ist.
Das Bewusstsein, dass es für die Analyse
der Situation der Frauen in der Gesellschaft
nicht genügt, die Überausbeutung der
Frauen in der Arbeitswelt zu betrachten, entstand
in Zusammenhang mit der neuen Frauenbewegung.
Es war eine sehr wichtige Neuerung, dass auch
das Familienleben als Ort der Unterdrückung
der Frauen begriffen wurde. Entscheidend war
auch die Erkenntnis, dass der Kampf der Frauen
für ihre Emanzipation keine Nebenfrage
ist, sondern genauso wichtig wie der Klassenkampf
oder der Kampf für die Gleichberechtigung
der ausländischen ArbeiterInnen ist. Das
Verhältnis zwischen Frauen und Männern
ist ein Verhältnis der Unterordnung, ein
soziales Verhältnis, das für die Gesellschaft
ebenso bestimmend ist wie das Klassenverhältnis.
Dass dies anerkannt wurde, ist der Frauenbewegung
insgesamt zu verdanken. Heute wagt niemand mehr
zu behaupten, der Kampf der Frauen sei eine
nebensächliche Frage. Weiter war als Erfahrung
wichtig, dass die Frauen nur auf sich selbst
zählen konnten : Frauen, die auf die Unterstützung
durch Parteien in ihrem Kampf für ihre
Rechte hofften, wurden enttäuscht. (Nach
Erkenntnis von feministischen Historikerinnen,
die die verschiedenen revolutionären Erfahrungen
in der Welt untersuchten, profitieren Frauen
zwar teilweise von den Errungenschaften der
ersten Revolutionsjahre, erleiden jedoch bei
einem politischen Rückschritt in der Regel
als erste wieder Nachteile). Die feministischen
Bewegungen haben erklärt, die Frauen müssten
sich als kollektive Kraft organisieren, ein
Kräfteverhältnis aufbauen und, selbst
wenn sie Bündnisse schliessen, sich auf
ihren eigenen Kampf und auf ihre Organisationsfähigkeit
verlassen.
Auf
der Ebene der Praxis ist eine der grossen Errungenschaften
der feministischen Bewegungen der Kampf für
das Recht auf Abtreibung und auf Empfängnisverhütung,
durch die der Alltag der Frauen und ihre Sicht
der Welt grundlegend verändert wurden.
Diese Kämpfe wurden schon Ende des 19.
Jh. geführt. Die sozialistische Bewegung
hatte bereits eine Kontrolle der Fruchtbarkeit
gefordert. Die anarchistischen Bewegungen hatten
als Motto den “Gebärstreik”
ausgerufen. Hintergrund dieses Mottos war eher
die Vorstellung, dass keine Kinder als Kanonenfutter
für den Kapitalismus auf die Welt gebracht
werden sollten. Zu dieser Zeit stand das Recht
der Frauen, über ihren eigenen Körper
zu bestimmen, nicht im Zentrum der Überlegungen.
In den 1970er Jahren forderten die Frauen, als
vollwertige Subjekte anerkannt zu werden und
entscheiden zu können, Kinder zu haben
oder nicht. Dies hatte auf den Bezug der Frauen
zu Sexualität und zu Erwerbsarbeit grosse
Auswirkungen. Die technischen Fortschritte und
das Recht auf Verfügung über den eigenen
Körper waren für Frauen entscheidend.
Dies ist eine Errungenschaft, die aktiv verteidigt
werden muss, denn sie wird nicht überall
angewandt und es gibt gesellschaftliche Strömungen,
die das Recht auf Abtreibung in Frage stellen.
Wie
entwickelte sich die Frauenbewegung in den 1980er
und 1990er Jahren ?
In
den 1980er Jahren wurden in Frankreich ein Ministerium
für Frauenfragen und ein Stelle für
die Rechte der Frauen geschaffen, die subventioniert
wurde und in den Departements Zentren zur Dokumentation
und Verteidigung der Rechte der Frauen aufbauen
konnte. Diese Strukturen haben einen Teil der
Aktivistinnen der feministischen Bewegung eingebunden,
denn damit wurden berufliche Möglichkeiten
für feministisch sensibilisierte Frauen
geschaffen. Dieser Dienst hat teilweise mit
der Gewerkschaftsbürokratie zusammen gearbeitet.
Man kann aber nicht sagen, dass sich die Frauenbewegung
institutionalisiert hätte, denn in Frankreich
waren die Behörden trotz Sonntagsreden
über Emanzipation und Gleichheit nie fähig,
politische Massnahmen in diese Richtung zu ergreifen.
Die
feministische Bewegung ging in den 1980er Jahren
massiv zurück. Manche Vereinigungen lebten
weiter oder entstanden neu (beispielsweise Gruppen
zur Unterstützung misshandelter Frauen).
Die Frauenberatungsstellen führten ihre
Informationsarbeit weiter. Andere Organisationen
haben weiterhin für die Verteidigung des
Rechts auf Abtreibung und auf Empfängnisverhütung
gekämpft. Insbesondere die Organisation
CADAC war für die Entstehung einer Bewegung
gegen die faschistischen Gruppen, die in den
1980er Jahren in den Spitälern Abtreibungen
verhindern wollten, sehr wichtig. Dies waren
sehr defensive Kämpfe. In Frankreich gab
es Ende der 1980er Jahre in Sektoren, in denen
viele Frauen arbeiteten, einige Kämpfe,
insbesondere die Bewegung der Krankenschwestern
1988-1989, die symbolisch bedeutend, jedoch
quantitativ nicht sehr umfangreich waren. Diese
Frauen forderten die Anerkennung ihres Berufsstandes
und bessere Bezahlung ihrer Arbeitskraft sowie
die Anerkennung ihrer Qualifikationen und Kompetenzen.
Im
November-Dezember 1995 gab es breite Mobilisierungen
auf Initiative der BahnarbeiterInnen, die einen
grossen Teil des öffentlichen Sektors (Bildungswesen,
Spitäler) erfassten. Bei diesen Mobilisierungen
erhielten sowohl die Gewerkschaften wie die
feministische Bewegung Auftrieb. Nach diesen
grossen Kämpfen entstand eine neue Organisation,
das “collectif pour les droits des femmes”,
in der mehr als 100 Organisationen und Gewerkschaften
vereint waren. Auf dieser Grundlage fand 1997
eine Versammlung für die Rechte der Frauen
statt, deren Inhalte sehr fortschrittlich in
Bezug auf die Analyse der Situation der Frauen
und der möglichen Forderungen waren. Insbesondere
zur 35-Stundenwoche wurden Auseinandersetzungen
geführt. Feministinnen haben für die
Idee gekämpft, dass Frauen mit Teilzeitarbeit
die Möglichkeit haben sollten, eine Vollzeitstelle
zu erhalten, um die Subvention an die Unternehmer
zur Schaffung von Teilzeitstellen zu bekämpfen.
Dieser Kampf führte zu einem positiven
Resultat. Weiter wurde eine Kampagne für
einen öffentlichen Dienst von Krippen mit
qualifizierten Frauen und Männern als Personal
geführt. Dieser Kampf wurde begonnen, stiess
jedoch nicht auf sehr viel Resonanz. Hingegen
hat die Marche mondiale des femmes der internationalen
Solidarität einen neuen Elan verliehen.
Die
feministischen Bewegungen müssen jedoch
neue Kraft finden. Zwei Fragen sind zur Zeit
ungelöst. Zunächst stellt die Erneuerung
des Feminismus unter jungen Frauen ein Problem
dar, denn unter den jungen Frauen gibt es keine
breite Bewegung, die sich die feministischen
Kämpfe aneignet. An der Universitäten
gibt es einigen Gruppen gegen Homophobie oder
gegen Sexismus, die die genormten Geschlechterbilder
in Frage stellen. Eine solche eher abstrakte
Ausrichtung erklärt sich auf Grund der
Tatsache, dass eine Reihe von Errungenschaften
bestehen (Recht auf Abtreibung und Empfängnisverhütung)
und junge Frauen, so lange sie nicht in den
Arbeitsmarkt eintretaen, die Unterdrückung
der Frauen nicht als konkrete Realität
erfassen. Die Frauen fühlen sich nicht
in erster Linie als Opfer und treten mit der
Idee einer reellen Gleichberechtigung zwischen
Frauen und Männern in einen Beruf ein.
Die zweite offene Frage ist das Fehlen einer
aktivistischen, feministischen Presse. Hier
sind markante Rückschritte zu verzeichnen.
Die bestehenden Publikationen sind universitär
ausgerichtet. Sie sind zwar interessant, aber
von ihrer Verbreitung her für die lohnabhängige
Bevölkerung nicht zugänglich. Es braucht
eine aktivistische Presse, die Agitation in
feministischen Fragen betreibt und fähig
ist, Diskussionen wiederzugeben und Reflexion
zu fördern.
In
Organisationen oder politischen Bewegungen,
die sich feministisch nennen, müssen Frauen
feministische Positionen vertreten und für
die Integration der feministischen Dimension
kämpfen. Dieser Kampf ist sehr schwierig,
denn es braucht Ausdauer, Bildung, Verständnis
der Mechanismen der Reproduktion von Unterdrückung.
Dieser Kampf ist auch nervlich äusserst
aufreibend, denn er zwingt die Frauen, sich
gegen Genossen zu stellen, die oft gegenüber
den feministischen Kämpfen gleichgültig
sind. Die Männer erfassen die Bedeutung
dieser Kämpfe erst, wenn die bürgerlichen
Medien anfangen, darüber zu berichten.
Es ist wichtig, diese Arbeit kollektiv zu organisieren.
Es sollten Gruppen von überzeugten feministischen
Aktivistinnen aufgebauten werden
Josette
Trat ist Soziologin an der Universität
Paris VIII und Mitglied der Forschungsgruppe
GERS (Genre et rapports sociaux, vormals GEDDIST)
am CNRS (Centre National de la Recherche Scientifique)
in Frankreich
|