ALG-II-EmpfängerInnen
in Deutschland können zu jeder zumutbaren
Arbeit gezwungen werden, was seit Hartz IV
jeder legalen Tätigkeit entspricht. Da
Prostitution seit 2002 legalisiert wurde,
bestehen für die Agenturen für Arbeit
juristisch keinerlei Hinderungsgründe
mehr, in diesen Bereich zu vermitteln.
So berichtet die britische Tageszeitung Daily
Telegraph vom Fall einer 25-jährigen
Arbeitslosen, die sich bereit erklärt
hatte, nachts in einer Bar zu arbeiten. Sie
erhielt daraufhin Post vom Arbeitsamt, dass
ein Arbeitgeber an ihrem Profil interessiert
sei und sie ihn anrufen solle. Als sie ihn
anrief, wurde klar, dass es sich um ein Bordell
handelte. Daraufhin wollte sie rechtliche
Schritte gegen das Arbeitsamt einleiten. Sie
musste jedoch feststellen, dass das Angebot
des Bordells durch das Arbeitsamt nicht gegen
das Gesetz verstoßen hatte.
Die vom Telegraph und auch von der österreichischen
Zeitung Der Standard interviewte Hamburger
Fachanwältin für Familien- und Sozialrecht
Mechthild Garweg berichtet von Fällen,
in denen Frauen, die in Call-Centern gearbeitet
hatten, sich bei Sex-Hotlines bewerben sollten.
In Gotha sei eine 23-jährige Frau dazu
aufgefordert worden, zu einem Bewerbungsgespräch
für einen Job als „Nacktmodell“
zu gehen. Sex-Unternehmer hätten außerdem
das Recht, ihre „Stellenangebote“
ganz regulär über die Arbeitsagenturen
zu verbreiten. Agenturen, die sich weigerten,
liefen Gefahr, auf Schadensersatz verklagt
zu werden. „Sie sind schon jetzt bereit,
Frauen in Jobs zu vermitteln, die mit sexuellen
Dienstleistungen zu tun haben, aber nicht
als Prostitution gelten,“ so Garweg.
Keine
Ausnahme bei Bordellen
Zwar
gibt es im Prostitutionsgesetz einen Paragrafen,
der es verbietet, Frauen zum Sex zu zwingen,
dieser gilt Garweg zufolge aber nur für
Zuhälter. „Niemand wird zu sexuellen
Dienstleistungen gezwungen, wenn er das nicht
will,“ widerspricht Ulrich Waschki,
Sprecher der Nürnberger Bundesagentur
für Arbeit, gegenüber dem Standard.
Das verstehe sich doch von selbst, schließlich
gebe es so etwas wie einen „gesellschaftlichen
Grundkonsens“.
Doch die Hamburger DGB-Sprecherin Claudia
Falk muss einräumen: „Es gibt tatsächlich
keine Untergrenze bei der Zumutbarkeit, da
hat es der Gesetzgeber versäumt, Normen
zu schaffen.“
Die Regierung hatte zwar darüber nachgedacht,
bei Bordellen eine Ausnahme bezüglich
der Zumutbarkeit zu machen, war dann aber
zu dem Schluss gekommen, dass es zu schwierig
sei, diese von Bars zu unterscheiden. Falk
geht aber davon aus, dass die Arbeitsagenturen
an ihrer Selbstverpflichtungserklärung
festhalten, nicht in den Bereich Prostitution
zu vermitteln.
Grenzfall
Tabledance
Diese
Direktive gelte für „Gastronomie
und Tabledance“ allerdings nicht. Dort
befürchtet Falk eine Grauzone: „Es
wird Grenzfälle geben. So die Kellnerin,
die im kurzen Röckchen hinterm Bordelltresen
stehen soll, oder die Tänzerin, die in
ein Tabledance-Lokal vermittelt wird.“
Bei Grenzfällen wollen die Arbeitsagenturen
„kulant“ sein, so Bundesagentur-Sprecher
Waschki. Falls sich beispielsweise eine Frau
bei der Arbeit in einer Tabledance-Bar unfreiwillig
betatschen lassen müsse, könne sie
den Job niederlegen, ohne dass sie Leistungskürzungen
befürchten müsse. Im Einzelfall
müsse man schon die Zumutbarkeit prüfen:
„Wenn jemand im Büro gemobbt wird,
schauen wir uns das ja auch an.“
Zwei
Jahre Legalisierung
Das
Ziel der Bundesregierung bei der Legalisierung
von Prostitution war eigentlich, die Rechtlosigkeit
von Prostituierten zu beenden und ihnen Sozialversicherungen
zu ermöglichen.
Diese Ziele wurden aber keineswegs erreicht:
Laut einem Spiegel-Bericht vom 5. Februar
gibt es bundesweit höchstens ein Dutzend
Arbeitsverträge. Den meisten Frauen waren
die Abzüge zu hoch, weil sie sowieso
schon gezwungen sind, große Teile ihrer
Einnahmen an Zuhälter abzugeben. Darüber
hinaus müssen sie befürchten, für
bis zu zehn Jahre rückwirkend Steuern
zahlen zu müssen und so finanziell ruiniert
zu werden.
Was wirklich nötig wäre, ist praktische
Hilfe, wie zum Beispiel das Ausstiegsprogramm,
das eine Mitarbeiterin der Gesundheitsbehörde
in Esslingen aufbaute. Dort wurde Frauen der
doppelte Sozialhilfesatz ausgezahlt, sie wurden
betreut und umgeschult. Durch Hartz IV wird
das jetzt nicht mehr möglich sein.