Mit
den Frauen, für ein anderes Europa:
• ein Europa der Freiheiten, der Gleichstellung
von Männern und Frauen,
• ein Europa der sozialen und wirtschaftlichen
Rechte für alle,
• ein solidarisches, pazifistisches, entmilitarisiertes
Europa.
Mehr
als 3000 Frauen aus ganz Europa und anderen
Kontinenten haben sich am 12. November in Bobigny
versammelt, um über ihre Lebensbedingungen
zu diskutieren und Erfahrungen mit ihren Kämpfen
und ihrem Widerstand auszutauschen. Wir wenden
uns gegen ein machistisches, sexistisches, patriarchales,
diskriminierendes Europa.
Wir kritisieren den EU-Verfassungsvertrag,
• denn er ignoriert die Gleichstellung
von Männern und Frauen. Im Verfassungsvertrag
muss die Gleichheit von Männern und Frauen
als gemeinsamer Wert verankert werden;
• denn er leistet Versuchen Vorschub,
das christliche Erbe in der festzuschreiben,
obwohl dieses im letzten Jahrhundert an Bedeutung
verloren hat. Auf dem Spiel steht die Gesamtheit
der Errungenschaften der Frauen im Hinblick
auf ihre Freiheiten, namentlich im Bereich des
Selbstbestimmungsrechts, des Scheidungsrechts,
der Arbeit ... ein Nachgeben würde dem
Patriarchat stärkeres Gewicht verleihen;
• denn er schreibt neoliberale Haltungen
fest, die auf der „Anerkennung der Marktwirtschaft
und des freien Wettbewerbs“ beruhen. Im
Klartext heißt dies das Verschwinden des
Wohlfahrtsstaates und die Infragestellung öffentlicher
Dienstleistungen;
• denn er sieht eine gemeinsame Verteidigungspolitik
in enger Zusammenarbeit mit der NATO vor, wodurch
die Staaten der Europäischen Union noch
mehr in einem militaristischen Kurs bestärkt
würden.
Wir wenden uns gegen
• die Festung Europa, wie sie im Schengener
Abkommen konzipiert wurde, das durch Sicherheitsoptionen
den freien Personenverkehr einschränkt
und eine Politik betreibt, die Immigranten und
insbesondere Immigrantinnen benachteiligt, ausgrenzt
und in die Illegalität zwingt;
• ein Europa, das mit seiner neoliberalen
Politik die Frauen immer mehr verarmt, Ungleichheiten
in der Berufsarbeit verstärkt, unfreiwillige
Teilzeitarbeit durchsetzt, Kündigungen
ausspricht, ein Europa, in dem die Frauenrenten
und -pensionen, wo vorhanden, äußerst
bescheiden sind;
• ein Europa, das sich über Gewalt
an Frauen, die Vermarktung der Körper und
die moderne Sklaverei ausschweigt;
• ein Europa, das in die laufenden Kriege
weltweit eingreift oder sie unterstützt.
Wir
Frauen, die sich am 12. November zur Eröffnung
des Sozialforums versammelt haben, behaupten,
dass ein anderes Europa möglich ist:
• ein entmilitarisiertes Europa des Friedens,
das den Krieg als Lösung internationaler
Konflikte ablehnt;
• ein Europa der Menschenrechte, der wirtschaftlichen
und sozialen Rechte;
• ein Europa, das alle öffentlichen
Dienste und namentlich die Dienstleistungen
an Personen, die mehrheitlich von Frauen geleistet
werden, ausbaut;
• ein Europa, in dem sich die Frauen Gehör
verschaffen und gleichberechtigt an Entscheidungen
teilhaben;
• ein Europa der Personenfreizügigkeit,
das allen hier lebenden Menschen volle Bürgerrechte
gewährt;
• ein Europa, in dem die Frauen frei über
ihren Körper verfügen können,
indem sie freien Zugang zu Abtreibung und Verhütungsmitteln
haben, deren Kosten erstattet werden;
• ein Europa, das die sexuellen Orientierungen
respektiert;
• ein laizistisches Europa, das sich gegen
die Zunahme fundamentalistisch-religiöser
Strömungen wehrt und die
Umsetzung sowie den Ausbau grundlegender Menschenund
Frauenrechte gewährleistet;
• ein Europa, das das Recht auf bezahlte
Arbeit und einen angemessenen Lohn garantiert
und sich von einer Politik verabschiedet, die
mit Teilzeitarbeit einhergeht.
Um dieses Europa durchzusetzen, schlagen wir
Kampagnen zu den Schwerpunkten vor, die in den
sechs Arbeitsgruppen zu den Themen „Frauen
und Kriege“, „Arbeit, Prekarität
und Armut“, „Gewalt“, „sexuelle
Rechte, Fortpflanzungsrechte“, „Migrantinnen,
Akteurinnen eines anderen Europa“, „Frauen
und Macht“ festgelegt wurden. Diese Kampagnen
sind Teil der umfassenden Kämpfe der Sozialbewegungen
für ein Europa der sozialen Rechte und
der Gleichheit. Die Kämpfe und Forderungen
der Frauen sind keine Sonderkämpfe, sondern
sind zentral im Widerstand gegen die neoliberale
Globalisierung:
• denn sie betreffen alle Frauen und Männer;
• denn sie stellen die Grundlagen der
patriarchalen, kapitalistischen Ordnung an sich
in Frage;
Wir
Frauen, die heute hier versammelt sind, bekunden
unsere Solidarität mit allen Kämpfen
von Frauen weltweit.
Bobigny, 12. November 2003
Übersetzung: Tigrib
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