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8. März : Internationaler Frauentag

Von der Wut zum Aufbruch

Am 14. Juni 1991 hat der Frauenstreik eine starke Forderung artikuliert :

„Schluss mit Ungleichheiten ! Zusammen können wir Frauen mit den Männern, die uns unterstützen, die patriarchale Ordnung und ihre wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Mechanismen umstossen !“

 

10. Dezember: Spiegel der Ungleichheiten

Zwölf Jahre später ist festzustellen : Die Entschlossenheit von Hunderttausenden Frauen, die im Jahr 1991 stillgestanden sind, hat gewisse Fortschritte ermöglicht Gleichstellungsgesetz, neues Eherecht, Fristenlösung bei der Abtreibung, einige gewonnene Prozesse in Sachen Lohngleichheit. Gleichstellung ist jedoch noch lange keine Tatsache. Das Jahr 2003 war in dieser Hinsicht ein Tiefschlag: erneute Erhöhung des Rentenalters für Frauen (11. AHV-Revision) und wiederum ein Referendumder SVP gegen die Mutterschaftsversicherung. Hinzu kommt noch die Bundesratswahl vom 10. Dezember.

Durch den Ausschluss der Frauen (mit einer Ausnahme) wurden zwei männliche Vertreter der Schweizer Wirtschafts und Finanzoligarchie in den Bundesrat gewählt. Damit wurde wie in einem Vergrösserungsspiegel der soziale Rückschritt der letzten zehn Jahre sichtbar (auch wenn eine Unterscheidung zwischen Ruth Metzler, Christine Beerli, Hans-Rudolf Merz oder Christoph Blocher bezüglich ihrer politischen Prioritäten oftmals unmöglich ist). Die sozialen Ungleichheiten sind markanter als je zuvor. Die konservativen Gegenreformen haben sich in der ganzen Gesellschaft verschärft und die Frauen sind zuallererst davon betroffen. Niedriglöhne sind immer noch meist Frauensache. Frauen sind von Erwerbslosigkeit, Prekarität und grenzenloser Flexibilität am stärksten betroffen. Damit wird die Gestaltung ihrer Lebenszeit zwischen Arbeit, Kinderbetreuung, Haushalt, Sozialkontakte und Privatleben immer schwieriger. Es besteht immer noch keine eidgenössische Mutterschaftsversicherung. Die Gewalt gegen Frauen ist nicht zurückgegangen. In einer Welt, in der alles – auch die Frau – zur Ware wird, ist sexistische Werbung tagtäglich anzutreffen. Und Gleichberechtigung wird gar als Argument genutzt, um sozialen Rückschritt zu rechtfertigen, wie zum Beispiel bei der Erhöhung des Frauenrentenalters. Tausende Frauen und Männer haben am 10. Dezember 2003 und in den folgenden Tagen demonstriert, um angesichts dieser Realität ihre Wut zu zeigen. Ihr Protest gegen die Abwahl einer Frau aus dem Bundesrat hat sich sogleich auf die Benachteiligung ausgeweitet, von der sie in ihrem täglichen Leben betroffen sind. Dies hat den Vorbereitungen für den 8. März 2004, dem internationalen Frauentag, neuen Elan verliehen. Um diese Dynamik zu stützen, sind zwei Lehren aus den letzten zehn Jahren zu berücksichtigen.

Profit ist wichtiger als Gleichstellung

Die Gleichheit von Frau und Mann ist in der Verfassung verankert. Seit 1996 ist das Gleichstellungsgesetz in Kraft, das diesen Verfassungsgrundsatz umsetzen soll. Jedoch gehen die Ungleichheiten in der Realität nicht zurück.
Dieses demokratische Prinzip wird in der Realität tagtäglich von einer zügellosen kapitalistischen Wirtschaft mit Füssen getreten, die ihre Logik der ganzen Gesellschaft aufzwingt. Der Kapitalismus kennt nur eine Regel : die Maximierung des Profits, den sich eine kleine Minderheit aneignet – Eigentümer und Manager der dominierenden Grosskonzerne wie UBS, Credit suisse, Swatch, Novartis, Migros usw. Damit diese Profitmaximierung funktioniert, müssen alte Ungleichheiten beibehalten und neue geschaffen werden, hierzulande wie auf der ganzen Welt. Die Frauen kommen dabei als erste unter die Räder.

Nimmt man die Forderung nach Gleichberechtigung ernst, so stellt sich sogleich die Frage: Wie kann sich das Kollektiv die Mittel geben, damit es einen demokratischen Entscheid – Gleichheit von Frauen und Männern – durchsetzen kann? Wie kann das Kollektiv gegenüber der Wirtschaft und der kleinen Minderheit von Wirtschaftsbossen, die dieses kontrollieren und davon profitieren, ihrem Willen Nachdruck verleihen ?

Dies ist offensichtlich nur möglich, wenn je nach Bedarf in „Hoheitsgebiete“ des Privateigentums und des Marktes eingegriffen wird. Zum Beispiel zur Schaffung von öffentlichen Diensten, die für eine angemessene Betreuung von Kleinkindern und schulpflichtigen Kindern nötig sind ; oder damit jede Frau und jeder Mann über eine echte soziale Sicherheit verfügt ; oder auch für den Wiederaufbau von kollektiven Rechten am Arbeitsplatz, zum Schutz der lohnabhängigen Frauen und Männer gegen die Willkür der Unternehmer. Ein erster wichtiger Schritt ist, die 11. AHV-Revision an der Abstimmung vom 16. Mai zurückzuweisen.

Nehmen wir unsere Anliegen in die Hand

Nach dem 14. Juni 1991 haben Frauen von etablierten Parteien einen Weg aufgezeigt, um unsere Anliegen vor-anzutreiben : mehr Frauen in Parlament und in Regierungsämtern.

Dass Frauen anteilmässig gerecht in den politischen Institutionen vertreten sind, ist sicherlich eine notwendige Änderung, um die patriarchale Ordnung zu bekämpfen. Jedoch ist die Bilanz der 1990er Jahre diesbezüglich klar : Wenn wir die Verteidigung unserer Rechte delegieren – selbst wenn wir sie an Frauen delegieren –, bringt uns dies nicht weiter. Im Übrigen hat die Erhöhung des Frauenrentenalters mit der 10. AHVRevision von Ruth Dreifuss begonnen. Und was die Rechte der asylsuchenden Frauen oder der Frauen ohne legalen Aufenthaltsstatus betrifft, so wurden diese unter Ruth Metzler konstant verschlechtert.

In Tat und Wahrheit waren Veränderungen stets nur möglich, wenn die Frauen den Kampf für ihre Forderungen – Stimm- und Wahlrecht, Recht auf Abtreibung, gleiche Rechte – direkt in die Hand genommen haben und mit kollektiven Aktionen den Trott der herrschenden Ordnung gebrochen haben, wie zum Beispiel am 14. Juni 1991. Heute müssen wir erneut diesen Weg einschlagen, mit der Entschlossenheit und Hartnäckigkeit unserer Wut.


Prekarität, Niedriglöhne, unmögliche
Arbeitszeiten, Doppelbelastung


Willkür des Profits gegen gleiche Rechte

In den letzten zehn Jahren wurden die Hoffnungen von breiten Teilen der Bevölkerung auf anhaltenden sozialen Fortschritt begraben. Stattdessen haben sich die sozialen Ungleichheiten verschärft. Alle Lohnabhängigen haben diesen Rückschritt erlitten. Jedoch sind die Frauen ganz besonders davon betroffen.

Ungleichheiten bleiben bestehen

Immer mehr Frauen sind erwerbstätig : 1,8 Millionen im Jahr 2002, während es 1991 erst 1,5 Millionen waren.

Sie arbeiten auch immer zahlreicher in Teilzeit : 55% im Jahr 2002, gegen 43% im Jahr 1991.

Frauen sind auch deutlich häufiger als Männer von Erwerbslosigkeit und Unterbeschäftigung betroffen; in dieser Hinsicht war 2003 ein Rekordjahr. Die Arbeitslosenquote lag für Frauen bei 4,4%, während sie für Männer 3,8% betrug. Zudem würde jede sechste Frau (15,7 %) mehr arbeiten, wenn sie es könnte. Bei den Männern sind nur 3,5 % in dieser Situation. Insgesamt ist jede fünfte Frau (20 %) von Unterbeschäftigung betroffen ; das sind drei Mal mehr Frauen als Männer.

Frauen sind immer häufiger mit Prekarität konfrontiert. Zwei von drei Personen mit Arbeit auf Abruf oder mit befristetem Arbeitsvertrag sind Frauen.

Das Bildungsniveau von Frauen und Männern ist konstant gestiegen, aber der Abstand zwischen den Geschlechtern hat sich nicht verringert, stellt auch das Bundesamt für Statistikfest. Das Vorhaben, Studiengebühren auf 5000 CHF zu erhöhen, wird diese Situation bestimmt nicht verbessern…

Im Jahr 2002 lagen die Löhne von Frauen insgesamt 20,7 % unter den Männerlöhnen. Dieser Abstand betrug im Jahr 1994 24 % und hat sich seit 1998 nicht mehr verändert. Hunderttausende Frauen stecken im Niedriglohnbereich fest : – Im Jahr 2002 verdienten 10,5% (88 000) der Frauen, die Vollzeit arbeiten, weniger als 3000 CHF netto. Im Verhältnis zu den Männern (2,1 %, d.h. 44 000) sind fünf Mal mehr Frauen in dieser Lage. Fast jede zweite Vollzeit arbeitende Frau (44,5 %, d.h. 373 000) verdient nicht mehr als 4000 CHF netto, während dies nur für jeden siebten Mann (14,4 %, d.h. 301 000) gilt. – Zwischen den Teilzeit Arbeitenden bestehen die gleichen Abstände. Fast jede zweite Frau (48,1 %, d.h. 490 000) verdient weniger als 2000 CHF netto, gegen 39,5% Männer (92 000). Diese Realität gilt nicht nur für Verkäuferinnen, Servierinnen, Coiffeusen oder Frauen im Reinigungsdienst. Der Streik der Arbeiterinnen bei Allpack in Reinach (BL), die bei einem Bruttolohn von 3300 Franken Produkte für Novartis oder Migros verpackten, hat gezeigt : Es besteht ein ganzes Netzwerk von Zuliefererbetrieben, die sich an die Bedingungen ihrer knallharten Auftraggeber – die wichtigsten Unternehmen der Schweizer Wirtschaft – anpassen und ihr Personal schamlos überausbeuten.

Das vorgestellte Bild der Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern – geprägt von der patriarchalen Darstellung der Gesellschaft, nach der die Männer Erwerbsarbeit leisten, während die Frauen Hausund Erziehungsarbeit übernehmen – stimmt immer weniger mit der Realität überein. Im Jahr 2001 waren mehr als 70 % der Frauen mit Kindern unter 15 Jahren erwerbstätig ; 1991 waren es 60%.
Jedoch wird dieses „Modell“ immer noch benutzt, um der Mehrheit der Frauen eine benachteiligte Stellung in der Arbeitswelt aufzuzwingen: Teilzeitarbeit mit oft höherer Flexibilität und Prekarität, tiefere Löhne, schlechtere berufliche Perspektiven.
Diese Diskriminierung wiederum trägt dazu bei, die traditionelle Arbeitsteilung im Haushalt aufrechtzuerhalten, die dank der Gratisarbeit der Frauen funktioniert. Durchschnittlich leisten Frauen fast doppelt so viel Haus- und Erziehungsarbeit (31 Stunden pro Woche) als Männer (17 Stunden).
Gleichzeitig wird Teilzeitarbeit oft als einzige Lösung dargestellt, Erwerbsarbeit und familiäre Verantwortung unter einen Hut zu bringen. Und dies mit den Arbeitszeiten in der Schweiz, die zu den längsten Europas zählen. Arbeiten beide Elternteile, so handelt es sich entweder um eine bewusste Wahl begüterter Paare, die sich dank dem Lohngefälle eine Haushaltshilfe (vielleicht eine Frau ohne legalen Aufenthaltsstatus !) leisten – oder um eine schlichte wirtschaftliche Notwendigkeit. So schliesst sich der Teufelskreis des patriarchalen Modells…

Den Trend umkehren

Seit Beginn der 1990er Jahre haben Unternehmerverbände und ihre politischen Wasserträger immer wieder bekräftigt, dass Ungleichheit nichtbekämpft werden soll. Ungleichheiten sind nach ihnen „natürlich“ und sogar günstig für ein gutes Funktionieren der Wirtschaft. Dabei handelt es sich um ein Kernstück der neoliberalen Gegenreform.
Der Kampf gegen spezifische Ungleichheiten, die gegen die Frauen aufrechterhalten werden, muss einhergehen mit dem Widerstand gegen diese gesamthafte neoliberale Umgestaltung der Gesellschaft.
Als Anknüpfungspunkte für diesen Widerstand können zwei Fragen dienen :

Die
Abschaffung von Niedriglöhnen. Der Mythos der „reichen Schweiz“ lässt glauben, dass Niedriglöhne eine Randerscheinung seien – obwohl Hunderttausende Frauen und Männer davon betroffen sind.
Angesichts der effektiven Lebenshaltungskosten stellt ein Monatslohn von 4000 CHF für eine Vollzeitstelle ein Minimum dar. Ein solcher Lohn würde das Leben von Hunderttausenden erwerbstätigen Frauen grundlegend verbessern. Die Verschärfung der Ungleichheiten würde gestoppt. Nachdem in den Medien Niedriglöhne verurteilt und in einigen Sektoren entsprechende Kampagnen geführt wurden, muss der Druck nun erhöht werden. Es geht um die Einführung eines rechtlich bindenden Mindestlohns, der für alle Branchen und alle Regionen gilt.

– Eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit. Dies ist eine notwendige Massnahme, um die Unterbeschäftigung zu bekämpften, die in der Schweiz seit 1991 zunimmt, und um die Angst, die in den Betrieben herrscht, einzudämmen. Die Arbeitszeitverkürzung kann auch den Anstoss geben, damit sich die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern verändert und die Rollenverteilung von Frauen und Männern in der Gesellschaft und in ihren Beziehungen miteinander neu gedacht werden können. Unabdingbar sind aber zusätzlich die Einrichtung einer öffentlichen und kollektiven Kinderbetreuung (siehe Seite 4) und die Durchführung von Kampagnen, die zu einer neuen Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männer aufrufen und anleiten.

Quellen : Die zitierten Zahlen stammen aus
den Publikationen des Bundesamtes für Statistik.


Am 16. Mai: Nein zur 11. AHV-Revision

Für eine echte soziale Sicherheit

Am 16. Mai stimmen wir über die 11. AHV-Revision ab. Diese Abstimmung wird für die Zukunft der Altersvorsorge in der Schweiz grosse Auswirkungen haben. Die Frauen sind noch stärker davon betroffen als Männer.

Die Frauen in der Falle der 10. AHV-Revision

Die Geschichte der 11. AHV-Revision beginnt… mit der 10. AHVRevision, die unter der Leitung von Ruth Dreifuss durchgeführt wurde. Mit dieser Revision wurde – zum erten Mal seit der Schaffung der AHV im Jahr 1948 – eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen eingeführt : von 62 auf 64 Jahre.
Um dies durchzusetzen, hat Ruth Dreifuss versprochen, dass die 11. Revision das flexible Rentenalter einführen würde, so dass jede und jeder mit 62 Jahren aus dem Erwerbsleben aussteigen könne. Das Resultat ist bekannt. Die 11. AHV-Revision erhöht das Frauenrentenalter auf 65 Jahre. Das flexible Rentenalter war nur ein Ablenkungsmanöver. Mit der 11. AHVRevision wird auch die Witwenrente stark gekürzt. Schliesslich wird die Anpassung der Renten an die Lebenshaltungskosten verlangsamt (Anpassung nur noch alle 3 statt alle 2 Jahre), was die Kaufkraft der Renten vermindert.
Wenn die 11. AHV-Revision in der Abstimmung am 16. Mai angenommen wird, haben Couchepin, Merz und Konsorten freie Bahn, um ihr Programm umzusetzen : Rentenalter 67 für alle, progressive Senkung der Renten durch die Abschaffung des Mischindexes, Aufwertung der 2. und 3. Säule, die auf die sozialen Ungleichheiten aufbauen.

AHV, 2. Säule : Was die Zahlen sagen

Wenn die 11. AHV-Revision in der Abstimmung scheitert, werden diese Vorhaben erst einmal gestoppt. Damit wird eine grundlegende Frage möglich : Wie kann jeder und jedem das Recht auf eine Pensionierung ab 62 Jahre garantiert werden – bevor die Menschen durch die Arbeit zermürbt sind, und mit einer ausreichenden Rente?
Die Frauen sind von dieser Frage ganz besonders betroffen :

  • Im Jahr 2000 betrug die durchschnittliche AHV-Rente für Frauen 1663 CHF pro Monat ; für Männer waren es 1643 CHF.
  • Hingegen lag die durchschnittliche Rente aus der 2. Säule für Frauen bei 1337 CHF, während sie für Männer 2780 betrug. Jede zweite Frau mit einer Rente aus der 2. Säule erhielt weniger als 833 CHF ; bei den Männern war nur jeder fünfte Mann (18 %) in dieser Situation.
  • In Tat und Wahrheit ist die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern bei der 2. Säule noch viel krasser. Im Jahr 2000 waren 500 000 erwerbstätige Frauen (28 %) gar nicht bei der 2. Säule versichert, denn sie verdienten zuwenig dafür (200 000 Männer, d.h. 8,6 %, waren in der gleichen Lage). Werden die nicht erwerbstätigen Frauen – die sehr wohl auch arbeiten – mit einbezogen, so hat jede zweite Frau keine 2. Säule.

Solidarität + Gleichheit = soziale Sicherheit

Diese schockierenden Unterschiede zeigen den Unterschied zwischen dem System der AHV und der 2. Säule. Die AHV ist auf dem Mechanismus der Solidarität aufgebaut. Sie garantiert allen Frauen und Männern, die in der Schweiz gelebt haben, eine Rente. Bei der AHV ist die Gleichberechtigung ausgeprägter, insbesondere zwischen den Geschlechtern. Eine Coop-Verkäuferin zahlt jeden Monat AHV-Beiträge in der Höhe von 4,2% ihres Lohnes von 3000 CHF; der Direktor der Coop- Bank tut mit seinem Lohn von 30000 CHF das gleiche. Beim Bezug de Rente wird der Direktor jedoch nicht einmal doppelt so viel erhalten wie die Verkäuferin.
In der 2. Säule zahlen jedoch alle „für ihr eigenes Guthaben“ ein. Daher wird die Verkäuferin bei der Pensionierung eine elend tiefe Rente erhalten, während der Direktor eine mehr als komfortable Rente beziehen wird, die er noch mit einer gut gefüllten 3. Säule ergänzt.
Will man die Ungleichheiten im Bereich der Altersvorsorge bekämpfen, so muss das heutige Drei-Säulensystems – AHV, 2. Säule und individuell angesparte, steuerbegünstigte 3. Säule –, das die Frauen besonders benachteiligt, abgeschafft werden. Die so freigesetzten Ressourcen müssen für die Entwicklung einer echten sozialen Sicherheit aufgewendet werden, die auf Solidarität aufbaut. Es braucht eine echte „Super-AHV“. In diesem neuen System sollte keine Frau und kein Mann eine Rente von weniger als 3000 CHF pro Monat erhalten (heute beträgt die Mindestrente 1055 CHF).
Diese soziale Sicherheit wird viel gerechter als das aktuelle System sein. Sie wird aber auch viel sicherer. Denn die Entwicklungen der beiden letzten Jahre haben gezeigt, wie verlässlich die Versprechen in Zusammenhang mit der 2. Säule waren…

Das falsche Problem der Finanzierung

Man will uns weismachen, dass die Finanzierung einer solchen sozialen Sicherheit unmöglich sei, und zwar auf Grund der „Überalterung der Bevölkerung“. Dies ist eine Lüge. Dieselbe Lüge wird vorgebracht, wenn es darum geht, den Jugendlichen und ihren Eltern 5000 CHF pro Jahr für die Studiengebühren abzuknöpfen.
Die Steigerung der Produktivität, die bislang eine problemlose Finanzierung der AHV ermöglichte, wird dies auch in Zukunft garantieren. Zwischen 1950 und 2000 ist der Anteil des produzierten Reichtums (des Bruttoinlandprodukts BIP), der für die AHV aufgewendet wurde, um das achtfache gestiegen. Damit wurde eine markante Erhöhung der Renten für eine steigende Anzahl RentnerInnen finanziert. Nötig war dafür lediglich eine Verdoppelung der Beiträge (von 2% auf 4,2% Lohnprozente ; hinzu kommt ein gleich hoher „Arbeitgeberbeitrag“). Dies hat die Schweizer Wirtschaft keineswegs „ruiniert“.
Der gleiche Mechanismus kann in Zukunft angewendet werden. Umso mehr, als sich die Unternehmer seit zwanzig Jahren einen immer höheren Anteil des produzierten Reichtums in Form von Profit aneignen. Dies ist ein Hauptgrund für die Verschärfung der Ungleichheiten. Dieser Trend muss gebrochen werden. So wird das „Problem“ der Finanzierung verschwinden.


Mutterschaftsversicherung, Elternurlaub,
öffentliche Kinderhorte


Gleiche Rechte gegen die
patriarchale Ordnung

Wir werden über eine neue Vorlage zur Mutterschaftsversicherung abzustimmen haben. Inhalt dieses minimalistischen Projekts : 14 Wochen Mutterschaftsurlaub mit 80 % Lohnersatz – obwohl nach der Geburt eines Kindes Miete, Steuern, Krankenkassenprämien und Nahrungskosten ja nicht um 20% sinken… Nichtsdestotrotz wird diese Vorlage erneut von der SVP mit einem Referendum bekämpft. Ungeachtet ihrer offensichtlichen Beschränktheit bringt diese Mutterschaftsversicherung immerhin ein generelles Recht für alle erwerbstätigen Frauen. Wir unterstützen diese Vorlage in der Abstimmung.

Hasler mauert

Peter Hasler, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, verkündet, die Unternehmer hätten „ihre Meinung geändert“ und würden nun diesmal die Mutterschaftsversicherung annehmen.
Haslers „Grosszügigkeit“ fällt nicht vom Himmel. Die Mutterschaftsversicherung konnte nicht bescheidener ausfallen als in der nun vorgeschlagenen Form. Durch die erfolgreichen Kämpfe der Frauen für eine Mutterschaftsversicherung in verschiedenen Kantonen (Genf, Waadt, Zürich) mussten die Unternehmer ein teureres und komplexeres System befürchten.
Die Haltung der Unternehmer ist fadenscheinig : Sie nehmen diesen minimalen, unvermeidbaren Fortschritt an, um alle anderen Massnahmen im Bereich der Rechte der Eltern und im Bereich der Kinderbetreuung abzuwehren.
In dieser Hinsicht drängen sich in den nächsten Jahren umfangreiche Kämpf an.
Elternurlaub auch für Väter
Für das Kind und seine Beziehung mit Mutter und Vater ist ein Mutterschaftsurlaub von 16 Wochen nach der Geburt mit 100 % Lohnersatz nötig. Ebenfalls eine Notwendigkeit sind Stillurlaub und Elternurlaub. Ein Teil des Elternurlaubs sollte von den Vätern bezogen werden müssen, wie es in einigen skandinavischen Ländern der Fall ist. Der vermehrte Einbezug der Väter gleich nach der Geburt ist eine notwendige Massnahme, um die Haltungen bezüglich Arbeitsteilung zu Hause zu verändern. Für den Elternurlaub muss eine Lohnfortzahlung gewährleistet sein. Auch muss garantiert sein, dass der alte Arbeitsplatz erhalten bleibt.
Öffentliche Kinderhorte
Betreuungsstrukturen (Krippen, Tagesheime usw.) für Kleinkinder und schulpflichtige Kinder sind heute massiv unterentwickelt. Nur 28 % der auswärts betreuten Kleinkinder besuchen Krippen oder andere Institutionen. In der Mehrheit der Fälle (56 %) springen die Verwandten ein. Meist sind es die Grossmütter, die wiederum diese unsichtbare und unbezahlte Arbeit leisten.
Die Unternehmer werden weiterhin auf Frauen als Arbeitskräfte zurückgreifen. Daher akzeptieren sie auch einen gewissen Ausbau der Infrastruktur im Bereich Kinderbetreuung. Jedoch muss dies nach Hasler auf der Grundlage der „Privatinitiative“ geschehen.
Im Klartext heisst dies, dass qualitativ hochstehende Kinderbetreuung kein Recht für Familien wer den soll, das im Rahmen des Service public garantiert wird, sondern vom Wohlwol len der Unternehmer abhängen soll. Falls sich diese Politik durchsetzt, wird dies zwei Folgen mit sich bringen :
Erstens werden Tausende Familien weiterhin keinen bezahlbaren Betreuungsplatz für ihre Kinder finden. Die Frauen werden weiterhin jonglieren müssen, um alle Verantwortungen unter einen Hut zu bekommen.
Zweitens kann man sich vorstellen, was passieren würde, wenn die Schule nicht mehr öffentlich, also kein Recht mehr wäre und ihre Finanzierung von der Willkür der Unternehmer abhängen würde. Diese Annahme zeigt, wie wichtig der öffentliche Charakter einer solchen Institution ist. Denn die öffentliche Schule hat ein universelles Recht auf Bildung eingeführt und die Vorstellungen der Gesellschaft über Kinder, über ihre Rechte, ihren Platz in der Gesellschaft und die Verantwortung der Eltern verändert.
Wenn endlich das Recht für jedes Kleinkind erkämpft wird, kostenlos im Rahmen von öffentlichen Strukturen betreut zu werden, wird sich ein Raum öffnen, in dem die Vorstellungen von Frauen und Männern neu gedacht werden können : über ihre Beziehung zu Kindern, über die Vereinbarkeit von Berufsleben und familiärer Verantwortung, über Rollenteilung zwischen Frauen und Männern. Die Möglichkeiten, mit dem patriarchalen Modell zu brechen, werden damit gestärkt.