Schwarzer
Tag für Bildung
Einführung
von Studiengebühren in Deutschland
|
Bundesverfassungsgericht
kippt Verbot allgemeiner Studiengebühren.
Bis zu 700 Euro pro Semester im Gespräch.
Studierende planen massive Proteste in ganz
Deutschland.
aus
junge Welt vom 17. Januar 2005
Das Recht auf Bildung wird künftig
mehr noch als heute das Recht des Besserbegüterten
sein. Wie allseits erwartet und vielfach
befürchtet wurde, hat das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) in Karlsruhe am Mittwoch das geltende
Verbot allgemeiner Studiengebühren
für unvereinbar mit dem Grundgesetz
erklärt. Der Normenkontrollklage sechs
unionsgeführter Bundesländer gegen
die seit zweieinhalb Jahren in Kraft befindliche
6. Novelle des Hochschulrahmengesetzes (HRG)
wurde damit stattgegeben. Darin ist bis
dato die Erhebung von Studiengebühren
»bis zum ersten berufsqualifizierenden
Abschluß« bundesweit untersagt.
Der Bund könne ein Gebührenverbot
nicht auf die – ihm grundsätzlich
zustehende – Rahmengesetzgebungskompetenz
für das Hochschulwesen stützen,
begründete der Vorsitzende Richter
Winfried Hassemer das Urteil. Eine bundesweit
einheitliche Regelung sei weder zur »Herstellung
gleichwertiger Lebensverhältnisse«
noch zur »Wahrung der Wirtschaftseinheit«
erforderlich.
Künftig
können die Bundesländer also in
Eigenregie über Art und Umfang von
Gebühren entscheiden. In Baden-Württemberg
und Bayern sind Beiträge von bis zu
700 Euro pro Semester im Gespräch.
Das Deutsche Studentenwerk will dagegen
auf einen bundesweit einheitlichen Höchstbetrag
von 500 Euro pro Semester dringen. Mit dem
Gebührenverbot kippte auch die bisher
vorgesehene bundesweite Absicherung der
studentischen Interessenvertretung in Gestalt
der Verfaßten Studierendenschaften.
An den Hochschulen sind damit massive Einschränkungen
der Mitbestimmungsrechte zu befürchten.
Während die Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitsgeberverbände (BDA) das Urteil
als wegweisend für eine »umfassende
Modernisierung der Hochschulen« pries,
sprach die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
(GEW) von einem »schwarzen Tag für
Studierende und den Sozialstaat«.
Bundesbildungsministerin
Edelgard Bulmahn (SPD) hat im Namen der
unterlegenen Bundesregierung eine »genaue
Prüfung« der Urteilsbegründung
angekündigt. Sie appellierte an die
Länder, keine »Alleingänge«
zu machen, ohne vorher »Mindeststandards
für die soziale Ausgestaltung«
sichergestellt zu haben. Neben anderen SPD-Ländern
will auch Berlin nach Darstellung von Wissenschaftssenator
Thomas Flierl (PDS) trotz des Urteils bis
zum Ende der Legislaturperiode 2006 keine
Studiengebühren einführen. Es
bleibe beim Koalitionsvertrag, der solche
Abgaben ausschließe, sagte Flierl
am Mittwoch. Während die SPD auf eine
bundeseinheitliche Regelung zur Studienfinanzierung
dringen will, hält es Baden-Württembergs
Wissenschaftsminister Peter Frankenberg
(CDU) »nicht für notwendig, daß
jedes Bundesland dieselben Gebühren-
und Finanzierungsstrukturen hat«.
Das
Aktionsbündnis gegen Studiengebühren
(ABS) hat das Karlsruher Urteil als »fatal
und bildungspolitische Katastrophe«
bezeichnet. »Das Verfassungsgericht
hat heute ein politisch motiviertes Urteil
gefällt. Viele Begründungen sind
nicht haltbar«, hieß es in einer
ersten Stellungnahme. »Mit dem Urteil
ist für die Studierenden noch nichts
entschieden«, erklärte Stefanie
Geyer, Vorstandmitglied des »freien
zusammenschlusses von studentInnenschaften«
(fzs), im Interview mit junge Welt. »Endlich
muß diese Auseinandersetzung politisch
geführt werden.« ABS und fzs
haben für die kommenden Wochen und
Monate massive Proteste angekündigt.
Bereits heute um 14 Uhr treffen sich die
Studenten der FU Berlin zu einer Vollversammlung.
Für Donnerstag nächster Woche
sind Großdemonstrationen in Hamburg,
Leipzig, Mannheim und Essen geplant. Diese
sollen den Auftakt bilden für ein »heißes
Sommersemster« sowie möglicherweise
einen »bundesweit koordinierten Streik«.