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Die neuen Formen der Arbeitslosigkeit

Ein Jahrzehnt tief greifender Veränderungen des Arbeitsmarktes

von Jean-François Marquis (übersetzt aus à l’encontre Nr. 11/2003)

Es war eine abrupte Wendung. Noch im Juni 2001 hat die Zahl der registrierten Arbeitslosen offiziell die 60’000er-Marke unterschritten: 59’176. Das „Problem der Arbeitslosigkeit“ wurde bereits der Vergangenheit zugewiesen, und man feierte die Rückkehr zur „Vollbeschäftigung“. Eineinhalb Jahre später, im November 2002, hat sich die Zahl der Arbeitslosen aber bereits wieder verdoppelt: 120'627. Im Jahr 2003 steigt sie nun weiter an (146'688 Ende September), so dass die Schwelle der 150'000 bald überschritten werden könnte. Die massive Entlassungswelle der letzten Monate hat diese Entwicklung unterstützt.

Interessanterweise zog der erneute Anstieg der Arbeitslosigkeit Ende 2002 kaum die Aufmerksamkeit der Medien und Behörden auf sich. Wir sind also weit vom Schock entfernt, der zu Beginn der 90er Jahre das Land erfasste, sowie von den damaligen Diskussionen über die Ursachen der Arbeitslosigkeit und mögliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Lösungen. Selbst die Gewerkschaftsbewegung und die so genannte Linke sind weitgehend stumm geblieben. Dies zu einem Zeitpunkt, in dem in einer Umfrage 69% der Befragten einen Anstieg der Arbeitslosigkeit befürchten. Zwei Jahre zuvor gaben nur 20% dieser Sorge Ausdruck (SonntagsBlick, 29. 12. 2002).
Tatsächlich wird die Arbeitslosigkeit weiterhin als ein rein konjunkturelles Phänomen betrachtet, das nichts mit den zentralen Funktionsmechanismen der schweizerischen kapitalistischen Wirtschaft zu tun hat. In dieser Optik hat der rasche Rückgang der Arbeitslosigkeit bis in die Jahre 2000/01 bestätigt, dass die Schweiz das Land der Vollbeschäftigung bleibt. Und man versichert uns, die gegenwärtige Verschlechterung der Beschäftigungslage sei wiederum nur ein vorübergehendes Phänomen, das umso schneller vorbei ziehe, je „besser der Arbeitsmarkt funktionieren“ könne.
Gestützt auf eine Durchsicht von offiziellen Daten schlagen wir in diesem Aufsatz eine ganz andere Interpretation vor. Mit der Krise der 90er Jahre ist die Arbeitslosigkeit in der Schweiz zu einem dauerhaften Element der Funktionsweise eines sehr stark flexibilisierten Arbeitsmarkts geworden, auf dem die „Anforderungen“ der Unternehmen auf wenig Widerstand treffen. Die ausgeprägten Schwankungen der Arbeitslosenquote in den letzte vier Jahren spiegeln diese Verankerung der Arbeitslosigkeit im Zentrum des Verhältnisses von Kapital und Arbeit.

Quellen: Die Zahlen zu Beschäftigung und Arbeitslosigkeit in der Schweiz sind Publikationen des Bundesamts für Statistik (BFS), insbesondere den jährlich veröffentlichten Arbeitsmarktindikatoren, und des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) entnommen, insbesondere der jährlich veröffentlichten Reihe über die Arbeitslosigkeit in der Schweiz.
 

I. ARBEITSLOSIGKEIT

Die Phasen eines Zyklus

Die Arbeitslosigkeit wurde in der ersten Hälfte der 90er Jahre zu einer unübersehbaren Realität auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt. Ausgehend von einem sehr tiefen Stand (weniger als 20'000 im Jahr 1990) stieg sie ab Frühjahr 1991 rasch an und erreichte im Januar 1994 einen ersten Höhepunkt (188'167 registrierte Arbeitslose). Daraufhin sank die Zahl der Arbeitslosen bis im Sommer 1995 leicht ab (146'104 im Juli 1995), um dann ausgehend von diesem immer noch hohen Niveau ab Ende Sommer 1996 erneut anzusteigen. Im Februar 1997 wurde der Höchststand von 206'291 gemeldeten Arbeitslosen erreicht.
Darauf folgte ein zunächst langsamer Rückgang (176'548 im Februar 1998), der sich dann aber beschleunigte (122'026 im Februar 1999; 88'702 im Februar 2000) und im Sommer 2001 zum Stillstand kam. Die gegenwärtige Phase steigender Arbeitslosigkeit setzte dann aber schon im Herbst 2001 ein, und der Anstieg beschleunigte sich im Sommer 2002 (Tabelle 1).

Wo ist die Ausnahme?
Im Jahr 2001 wurde das Unterschreiten der Marke von 60'000 Arbeitslosen als Rückkehr zur Vollbeschäftigung dargestellt. Doch der Tiefststand von 2001 übertraf immer noch um das Dreifach das Niveau von 1990, als wirklich Vollbeschäftigung herrschte.
Wenn diese Daten im Rahmen des Zyklus der 90er Jahre betrachtet werden, ergibt sich ein anderes Bild: Zwischen 1992 und 2002 sind die Jahre 2000 und 2001 die einzigen, in denen die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen im Durchschnitt deutlich unter 100'000 lag. Anders gesagt: Diese beiden Jahre lassen sich kaum als Zeichen für eine Rückkehr zur „Norm“ der Vollbeschäftigung betrachten. Vielmehr sind sie die Ausnahme auf einem reorganisierten Arbeitsmarkt, der insbesondere durch eine dauerhafte Arbeitslosigkeit von bedeutendem Ausmass gekennzeichnet ist.

Explosion(en) der Arbeitslosigkeit
Die Schweiz erlebte zu Beginn der 90er Jahre eine regelrechte Explosion der Arbeitslosigkeit. Zwischen April 1991 (33'660) und April 1992 (79'317) hat sich die Zahl der Arbeitslosen mehr als verdoppelt. Im darauf folgenden Jahr hat sie sich noch einmal verdoppelt (155'182 im April 1993), um dann neun Monate später bei knapp 190'000 zu stagnieren.
Wie sieht nun die jüngste Entwicklung aus? Die Zahl der registrierten Arbeitslosen hat sich zwischen August 2001 und November 2002 erneut verdoppelt. Eine Studie von Adecco, dem Branchenleader der Temporärarbeit, über die Entwicklung der Stellenanzeigen in den 20 wichtigsten Tageszeitungen der Schweiz während der ersten neun Monate des Jahres bestätigt diese Feststellung. Die Zahl der Inserate ist zwischen 2001 und 2002 in der Industrie von 21'826 auf 10'151, bei den Finanzdienstleistungen und Immobilien von 16'096 auf 8'135, im Handel von 7'238 auf 4'689, auf dem Bau von 6'683 auf 4'435, bei den Beraterfirmen von 22'292 (27'508 im Jahr 2000!) auf 9'472 und bei den Temporärunternehmen von 6'092 (12'162 im Jahr 2000!) auf 2'097 gesunken (Cash, 22. 11. 2002).
Auch diese Daten deuten an, dass das politische Establishment und die staatlichen Behörden das Ausmass der gegenwärtigen Krise unterschätzen. Das beinahe vollständige Schweigen der Gewerkschaften ist beeindruckend - umso mehr, wenn wir uns an die (zweifellos begrenzten) Aktionen und Diskussionen erinnern, die vor zehn Jahren stattgefunden haben: Kundgebung der Arbeitslosen im Februar 1993 und des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes im März 1993, Diskussionen über die Arbeitszeitverkürzung und die „Verteilung der Arbeit“ („weniger arbeiten, damit alle arbeiten können“), usw.

Ein realistischeres Mass der Arbeitslosigkeit
Die bisher angegebenen Zahlen beziehen sich auf die „registrierten Arbeitslosen“. Die Definition dieses Begriffs ist allerdings sehr restriktiv und erfasst in Wirklichkeit nur jene Personen ohne Beschäftigung, die 1) in einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) gemeldet und 2) unmittelbar verfügbar für eine neue Stelle sind.
Aus der Kategorie der Arbeitslosen heraus fallen damit unter anderen jene arbeitslosen Personen, die zwar beim RAV angemeldet sind, aber 1) sich an einem vorübergehenden Beschäftigungsprogramm beteiligen, 2) Umschulungs- oder Weiterbildungskurse besuchen, 3) einen Zwischenverdienst erwirtschaften oder 4) aus anderen Gründen (Krankheit, Militärdienst, usw.) nicht unmittelbar für eine neue Stelle zur Verfügung stehen. Die Summe dieser verschiedenen Kategorien und der registrierten Arbeitslosen wird mit dem offiziellen Begriff der „registrierten Stellensuchenden“ erfasst.
Im Zusammenhang mit der von den Behörden seit Mitte der 90er Jahre entwickelten „aktivierenden Politik“ - Verpflichtung der Arbeitslosen zu einer „Gegenleistung“ (Teilnahme an Weiterbildungskursen, vorübergehende Beschäftigung, usw.) – ist die Zahl der „nicht arbeitslosen“ Stellensuchenden stark angestiegen. Im gleichen Zeitraum haben die Behörden die Art der Veröffentlichung der Arbeitslosenzahlen verändert, wobei die Unterscheidung zwischen registrierten Arbeitslosen und Stellensuchenden eingeführt wurde. Tabelle 1 zeigt, dass diese statistische Manipulation zu einer deutlichen Senkung der als Mass der Arbeitslosigkeit betrachteten Zahlen geführt hat ii.
Ein Blick auf die Entwicklung der registrierten Stellensuchenden ergibt ein besseres Mass der tatsächlichen Arbeitslosigkeit. Seit 1993 liegt deren Zahl in der Schweiz über 170'000. Während drei Jahren (1996 bis 1998) übertraf sie die 200'000er-Marke, bevor sie 2000 und 2001 deutlich zurückging, ohne jedoch unter 100'000 zu fallen. Im November 2002 wurde die Zahl von 170'000 erneut überschritten. Die Kurve verläuft parallel zu jener der registrierten Arbeitslosen, aber auf einem höheren Niveau.

Zustände und Prozesse
Eine andere Zahlenreihe ist ebenfalls von grossem Interesse: jene der Zu- und Abgänge. Im Gegensatz zu den vorher genannten Zahlen geht es hier nicht um Zustände (die Zahl der registrierten Arbeitslosen zu einem bestimmten Zeitpunkt), sondern um Prozesse: Gezählt werden die Personen, die sich in einem Monat oder Jahr als Arbeitslose an- und abmelden.
Natürlich entsprechen diese Zu- und Abgänge nicht der Zahl der tatsächlich betroffenen Personen, denn jemand kann sich im Verlaufe eines Jahres – und vor allem über einen längeren Zeitraum hinweg - mehrmals als Arbeitslose/r an- und abmelden. Doch wenn wir uns auf einen relativ kurzen Zeitraum beziehen (zum Beispiel ein Jahr), vermitteln diese Zahlen dennoch ein genaueres Bild von der Anzahl Personen, welche von Arbeitslosigkeit betroffen sind. In dieser Hinsicht halten wir Folgendes fest:
· In den Jahren 2000 und 2001 blieb die Zahl der Zu- und Abgänge ziemlich hoch. Im Vergleich mit der Zeit der höchsten Arbeitslosigkeit (1996-97) sank sie jedenfalls weniger stark (um 40.5%) als jene der registrierten Arbeitslosen (um 64.4%) und der Stellensuchenden (um 55.3%).
· Im Jahr 2002 lagen die Zugänge über 207'000 und bewegten sich also auf einem ähnlichen Niveau wie 1992, als der Anstieg der Arbeitslosigkeit begann.
· Ende Dezember 2001 wurden in der Schweiz 129'849 Stellensuchende registriert. Im folgenden Jahr waren 207'580 Zugänge zu verzeichnen. Es scheint daher vernünftig zu schätzen, dass im Jahr 2002 etwa 300'000 Personen zumindest vorübergehend arbeitslos waren. Das wären etwa 7.6% der aktiven Bevölkerung. Mit derselben Berechnungsmethode ergibt sich für das Jahr 1997 ein Anteil von 11%.

Keine Erholung für die Ausgesteuerten

Der Fortbestand einer hohen Arbeitslosigkeit in den 90er Jahren hat natürlich auch dazu geführt, dass der Anteil der Langzeitarbeitslosen, die seit mindestens einem Jahr ohne Beschäftigung sind, und der nach den Regeln der Arbeitslosenversicherung ausgesteuerten Arbeitslosen, die kein Arbeitslosengeld mehr erhalten, zugenommen hat.
1998 fiel ein Drittel der Arbeitslosen unter die Kategorie der Langzeitarbeitslosen, und 42'000 Personen wurden ausgesteuert. Über das ganze Jahrzehnt gesehen gerieten mindestens 100'000 bis 150'000 Personen in diese Situation. Studien, die in den 90er Jahren durchgeführt wurden, umschreiben die Erfahrungen der ausgesteuerten Arbeitslosen: Ein Jahr nach dem letzten Bezug von Arbeitslosengeld hatte nur die Hälfte eine Stelle gefunden. 50% von ihnen verdiente weniger als den letzten Lohn, ein Drittel erhielt weniger als das zuletzt bezogene Arbeitslosengeld.
Die Langzeitarbeitslosigkeit und die Zahl der ausgesteuerten Arbeitslosen gingen in den Jahren 2000 und 2001 stark zurück. Dennoch wurden 2001 immer noch über 1'000 Personen pro Monat ausgesteuert. Und ihre Zahl steigt bereits wieder an: 2002 lag sie bei 18'000.

Unterschiedliche Situationen
Die Arbeitslosigkeit ist hinsichtlich des Geschlechts, der Nationalität, der Regionen und der Wirtschaftszweige ungleich verteilt (Tabelle 2). Diese Ungleichheiten sind bekannt. Dennoch möchten wir hier einige Entwicklungen hervorheben:

· Die Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen sowie zwischen SchweizerInnen und AusländerInnen sind im Verlauf des Jahrzehnts erhalten geblieben. Die konjunkturelle Erholung mit ihrem Höhepunkt im Jahr 2001 hat sie keineswegs gemindert. Besonders hoch ist die Arbeitslosenquote der immigrierten Lohnabhängigen: Sie betrug dauerhaft das Zweieinhalb- oder Dreifache der aktiven Bevölkerung mit Schweizer Pass. Und damit wird erst ein Teil der Realität sichtbar, denn die offiziellen Statistiken verdecken die den GrenzgängerInnen, den Personen mit befristeter Aufenthaltsbewilligung und den Papierlosen aufgezwungene Prekarität der Arbeitsverhältnisse. Die immigrierten ArbeiterInnen und die (gesetzliche) Vielfalt ihres Status’ werden also weiterhin dazu verwendet, im Interesse der Unternehmer die „Flexibilität des Arbeitsmarkts“ zu erhöhen.

· Auch der Unterschied zwischen Westschweiz und Tessin auf der einen und der Deutschschweiz auf der anderen Seite bleibt bestehen. Er ist allerdings nach einem Höchststand im Jahr 2001 im Verlauf des gegenwärtigen konjunkturellen Einbruchs deutlich kleiner geworden. Im November 2002 lag die Arbeitslosenquote des Kantons Zürich mit 3.9% deutlich über dem nationalen Durchschnitt von 3.3%. Zwischen 1993 und 1997 war dies nie der Fall gewesen.

· Die demographische Verteilung der Arbeitslosen hat sich merklich verändert. 1993 waren 47.2% der Arbeitslosen 20 bis 29 Jahre alt. 25.7% waren 30 bis 39, 14% waren 40 bis 49 und 7.5% waren 50 bis 59 Jahre alt. Im November 2002 zeigten die Zahlen das folgende Bild: 27.9% waren 20 bis 29, 28.6% waren 30 bis 39, 20.6% waren 40 bis 49 und 13.8% waren 50 bis 59 Jahre alt. Der Anteil der jungen Arbeitslosen ist stark gesunken. Die verschiedenen Altersklassen werden nun viel gleichmässiger von der Arbeitslosigkeit erfasst, und die 30- bis 50jährigen – das Herzstück der stabilen aktiven Bevölkerung – ist anteilsmässig stärker betroffen als vor zehn Jahren.
· „Reich und hoch qualifiziert: Das sind die neuen Arbeitslosen“ – so war es am 21. November 2002 in der Tageszeitung Le Temps zu lesen. Was sagen die Zahlen dazu? Im November 2002 waren 34.5% der Arbeitslosen Hilfskräfte, 52.6% Spezialisten und 6.6% Führungskräfte. 1993 betrugen die entsprechenden Werte 39.4%, 49.1% und 4.6%. Der Anteil der qualifizierten Arbeitskräfte unter den Arbeitslosen ist also in den 90er Jahren angestiegen. Die Prozentzahlen vom November 2002 unterscheiden sich kaum von jenen des Jahres 2001, als die Arbeitslosigkeit zwischenzeitlich einen Tiefststand erreichte. Dennoch sind Personen ohne überobligatorische Ausbildung unter den Arbeitslosen weiterhin besonders stark vertreten.

· Die gegenwärtige Welle der Arbeitslosigkeit scheint weniger deutlich als in den 90er Jahren mit der Krise bestimmter Industriezweige verbunden zu sein (zumindest sofern die Stagnation der Investitionen in Produktionsgüter in Europa nicht zu lange anhält).

· In den Jahren 1993 und 1997 spiegelten die nach Wirtschaftszweigen aufgeschlüsselten Arbeitslosenstatistiken (siehe Tabelle 2) die Auswirkungen der Restrukturierungen auf die Beschäftigung (siehe Tabelle 3). Diese Umwälzungen haben vor allem in der Textilindustrie, im graphischen Gewerbe, in der Maschinen- und der Uhrenindustrie sowie auf dem Bau stattgefunden. In all diesen Wirtschaftszweigen lag die Arbeitslosenquote im Jahr 2001 unter dem Durchschnitt. Daran wird erkennbar, dass die Unternehmen einen Restrukturierungszyklus abgeschlossen haben. Mit Ausnahme der Uhrenindustrie liegt die Arbeitslosigkeit in diesen Sektoren weiterhin unter dem Durchschnitt der ganzen Wirtschaft.

· Seit Beginn der 90er Jahre weisen Hotellerie und Gastgewerbe eine ausserordentlich hohe Arbeitslosenquote aus. Dieser Wirtschaftszweig zeichnet sich durch sehr prekäre Arbeitsverhältnisse aus.

· Im äusserst heterogenen Sektor „Beratung, Planung und Informatik“ – es handelt sich weitgehend um Dienstleistungen für die Industrie – ist seit den 90er Jahren ebenfalls eine deutlich überdurchschnittliche Arbeitslosenquote zu beobachten. Diese Kategorie ist so ungenau, dass es schwierig ist, dafür eine Erklärung ins Feld zu führen. Seit 1997 hat sich die Situation noch einmal deutlich verschlechtert. Der Zusammenbruch der Spekulationsblase der new economy – das heisst der Einbruch eines mit Informatik und Telekommunikation verknüpften Wirtschaftsbereichs nach einem regelrechten Investitionsboom - zählt sicherlich zu den Ursachen dieser Entwicklung.

· In Wirtschaftszweigen wie chemische Industrie, Banken und Versicherungen lag die Arbeitslosenquote dauerhaft deutlich unter dem Durchschnitt. Trotz tief greifender Restrukturierungen in den 90er Jahren hat sich die Situation in der Chemie weiter verbessert, was sich zweifellos durch die Eigenschaften eines grenzüberschreitenden Arbeitsmarkts und das starke Wachstum der letzten Jahre erklären lässt. Im Gegensatz dazu hat sich die Lage im Bankensektor, in dem sich die relative Arbeitslosenquote zwischen 1997 und November 2002 beinahe verdoppelt hat, langsam verschlechtert.

Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung
Das Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlicht seit einigen Jahren Statistiken über die Unterbeschäftigung, die sich auf die Daten der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) stützen. Erfasst werden Personen, die 1) eine Stelle haben, 2) weniger als 90% beschäftigt sind und 3) mehr arbeiten möchten.
Wenn wir diese Daten und jene der Arbeitslosen zusammenzählen, erhalten wir die Anzahl Personen, denen es an Arbeit mangelt. Die Resultate, von denen einige in Tabelle 3 dargestellt sind, sprechen eine deutliche Sprache:

· Die Unterbeschäftigungsquote hat sich zwischen 1991 und 2001 um das 1.7fache multipliziert. Erinnern wir uns: Das Jahr 2001 stellte den Höhepunkt der 1997 begonnenen Phase des wirtschaftlichen Wachstums dar. Genau zu dem Zeitpunkt erreichte aber die Unterbeschäftigung ihren höchsten Stand, seit es die Statistik gibt.

· Die Unterbeschäftigungsquote ist bei den Frauen besonders hoch, vier Mal höher als bei den Männern. Übrigens arbeiten auch vier Mal mehr Frauen als Männer Teilzeit. Dieser Vergleich zeigt auf, dass Teilzeitarbeit oft nicht den Wünschen der Lohnabhängigen, sondern der Unternehmen entspricht.


II. ARBEITSPLÄTZE

Die Beschäftigungszyklen

Die kurz dargestellte Entwicklung der Arbeitslosigkeit ist im Zusammenhang mit jener der Beschäftigung zu sehen. Seit Beginn der 90er Jahre lassen sich vier Phasen unterscheiden (vgl. Tabelle 3):
· Zwischen dem zweiten Quartal 1991 und dem zweiten Quartal 1994 sank die Beschäftigung in der Schweiz um 140'000 aktive Personen (von 3.921 auf 3.781 Millionen). Dieser starke Rückgang hat die Explosion der Arbeitslosigkeit genährt.

· In den folgenden drei Jahren (1995-97) stagnierte die Beschäftigung bei der Zahl von 3.8 Millionen aktiven Personen. Die Arbeitslosigkeit verharrt auf hohem Niveau, mit einem Höhepunkt Anfang 1997.

· Ab dem zweiten Quartal 1997 stieg die Beschäftigung erneut an. Sie erreichte im zweiten Quartal 2001 einen neuen historischen Höchststand von 3.979 Millionen Personen. Das Wirtschaftswachstum war zwischen dem zweiten Quartal 1997 und dem zweiten Quartal 1998 sowie zwischen dem zweiten Quartal 2000 und dem zweiten Quartal 2001 besonders stark.

· Im vierten Quartal 2001 setzte ein Rückfluss ein. Im zweiten Quartal 2002 lag die Beschäftigung bei 3.959 Millionen aktiven Personen, also um 20'000 unter dem Stand des Vorjahresquartals (-0.5%).
Zwischen Frühjahr 1997 und Frühjahr 2001 ist die Zahl der Beschäftigten in der Schweiz um 175'000 angestiegen. Zur Erinnerung: In der letzten Wachstumsphase der schweizerischen Wirtschaft, zwischen 1985 und 1990, entstanden 300'000 zusätzliche Arbeitsplätze. Das Wunder der new economy ist also von begrenztem Ausmass gewesen. Die Entwicklung des Bruttoinlandprodukts (BIP) bestätigt diese Feststellung. In den sechs Wachstumsjahren am Ende der 80er Jahre wuchs das BIP durchschnittlich um 2.6% pro Jahr. Das war bereits deutlich weniger als in den Wachstumszyklen der 60er und 70er Jahre. Ende der 90er Jahre war das Wachstum nun von kürzerer Dauer und noch schwächer: durchschnittlich 2.2% in den Jahren 1997 bis 2000 und nur noch 0.9% im Jahr 2001. Darauf folgte 2002 praktisch ein Nullwachstum. Die Kürze und Schwäche dieses Wachstumszyklus wiegen umso schwerer, als sechs Jahre der Stagnation (1991-96) vorausgingen.

Die Frauenerwerbstätigkeit wächst weiter an
Tabelle 5 zeigt wichtige Entwicklungen auf.
· Der Anteil der Frauen unter den Beschäftigten steigt an. Zwischen 1991 und 2001 hat eine bedeutende Verschiebung stattgefunden: Die Zahl der erwerbstätigen Frauen nahm zu (+137'000), während jene der erwerbstätigen Männer um 75'000 sank. Zwischen 1991 und 1997 betrug der Rückgang sogar 152'000.
· Noch ausgeprägter ist der Rückgang von Vollzeitarbeitsplätzen bei den Männern, aber auch bei den Frauen, um insgesamt 197'000.
· Die Zahl der Teilzeitarbeitsplätze hat beinahe um eine Viertelmillion zugenommen. Diese Entwicklung ging weitgehend mit dem Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit einher, obschon auch immer mehr Männer Teilzeit arbeiten. Mit der Teilzeitarbeit stieg zugleich die Unterbeschäftigung an (vgl. Tabelle 4). In vielen Fällen entspricht die Teilzeitarbeit (der Beschäftigungsgrad) nicht den Wünschen der Lohnabhängigen.
· Die immigrierten Beschäftigten erfüllen weiterhin eine Pufferfunktion zum Ausgleich der Schwankungen von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit in der Schweiz. Die statistischen Daten zeigen dies allerdings in einem kleineren Ausmass als früher auf. Würden die Papierlosen mitgezählt, könnte das Bild in einigen Wirtschaftszweigen allerdings anders aussehen.


III. ENTWICKLUNGSDYNAMIKEN


Die hier dargestellten Daten zur Entwicklung von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit führen zu den folgenden vier Überlegungen.

Destabilisierte Arbeit
Mit der Krise der 90er Jahre ist die Arbeitslosigkeit – und die Unsicherheit, welche sie direkt oder als Bedrohung für die Beschäftigten darstellt – zu einer dauerhaften Realität der Arbeitswelt geworden. Ihr tatsächliches Ausmass wird stark unterschätzt. Vor allem aber verbindet sich die Bedrohung durch die Arbeitslosigkeit mit weiteren Veränderungen der Arbeitsverhältnisse. Diese Kombination destabilisiert die Lohnabhängigen insgesamt und verschlechtert ihre Position gegenüber den Unternehmern deutlich.

1) Ganze Sektoren von Lohnabhängigen wurden tief greifenden Umwälzungen unterworfen, selbst wenn die Arbeitslosigkeit sie nicht direkt erfasst haben mag. Dies gilt vor allem für die Beschäftigten der Post, der Swisscom oder der SBB. Zehntausende Arbeitsplätze sind hier vernichtet worden. In einem Unternehmen wie Swisscom wurde die Belegschaft in kurzer Zeit sehr stark durcheinander gewirbelt und ausgetauscht. Alle neu Eingestellten wurden sofort auf die neue „Unternehmenskultur“ getrimmt: Verpflichtung zur Rentabilität, Kundenverhältnis statt Service public; Zwang zum Verkauf von Produkten; erneuertes Management unter der Vorherrschaft der Verkäufer; Flexibilität als Norm; Bewertung der individuellen Leistung und verschärfte Konkurrenz im Betrieb…

2) Die Industriezweige, welche in den 90er Jahren tief greifende Restrukturierungen durchführten, haben ihre Methoden der Produktion und Personalführung reorganisiert. Die Flexibilität – also prekäre Arbeitsverhältnisse für die Beschäftigten – ist von der Ausnahme zur Regel geworden.
Auf dem Bau ist zum Beispiel eine Konstellation zu beobachten, die folgende Elemente umfasst: einige Grossunternehmen, die eine wichtige Rolle als Generalunternehmer spielen, selbst aber relativ wenige Arbeiter beschäftigen; der Rückgriff auf zuarbeitende, kleine und mittelgrosse Unternehmen; der Einsatz von in grosser Zahl verfügbaren temporären oder papierlosen Beschäftigten. Als Krönung: Flexibilität durch die Einführung eines Systems von Gleitstunden, auf dessen Grundlage faktisch die Jahresarbeitszeit möglich wird.
In der Maschinenindustrie ist die Kombination der Jahresarbeitszeit mit einem verstärkten Zugriff auf Zuliefererbetriebe von zentraler Bedeutung für die von den führenden Unternehmern dieser Branche gewünschte Flexibilisierung der Produktion.

Die Auswirkungen sind unschwer zu erkennen. Unsicherheit und prekäre Arbeitsverhältnisse sind zur täglichen Erfahrung der Lohnabhängigen geworden. Sie bleiben nicht mehr auf Ereignisse wie Arbeitsplatzabbau und Entlassungen beschränkt. Zugleich wird der Abbau von Arbeitsplätzen inzwischen als etwas Normales betrachtet. Dies gilt allerdings nicht für die direkt Betroffenen und ihr Umfeld: Das Trauma des Stellenverlusts bleibt stark. Das zeigen einige sozialpsychologische Studien. Aber eine diffuse und dennoch wirksame politische und ideologische Kampagne befördert die Naturalisierung des Stellenabbaus, der als ein Instrument unter anderen dargestellt wird, um die stetige Anpassung des Arbeitsvolumens an die „Anforderungen des Marktes“ sicherzustellen. Das Ziel liegt offensichtlich darin, den Fatalismus und das Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber den „ökonomischen Gesetzen“ zu unterstützen. Die diesen „Gesetzen“ zu Grunde liegenden gesellschaftlichen Verhältnisse geraten aus dem Blickfeld, so dass sie als eigene Realität zu existieren scheinen. Übrigens bricht der Diskurs der Gewerkschaften in dieser Hinsicht keineswegs mit der vorherrschenden Sicht der Dinge.

3) Die demographische Entwicklung der Lohnabhängigen seit Beginn der 90er Jahre muss ebenfalls in Betracht gezogen werden. Im Verlauf von zehn Jahren haben bei einer aktiven Bevölkerung von insgesamt vier Millionen etwa eine Million Männer und Frauen das Alter erreicht, um ins Erwerbsleben einzutreten, und ebenso viele sind in den Ruhestand gegangen. Diesen „Zu- und Abgängen“ müssen jene Personen angefügt werden, die nach einem Unterbruch wieder ins Erwerbsleben einsteigen, ein- und auswandern, usw.

Im zuvor beschriebenen Umfeld erleichtern solche Bewegungen die Veränderung der Bezugspunkte in ausgeprägtem Masse. „Gewohnheiten“ werden nicht mehr weitergegeben und geraten in Vergessenheit. Hunderttausende von Lohnabhängigen kennen keine andere Arbeit mehr als jene in Unternehmen, in denen unter dem Damoklesschwert der Quartalsergebnisse gearbeitet wird; sich Flexibilität, Prekarität und Intensivierung der Arbeit verstärken; jede/r für sich schaut und zugleich fleissig die „Unternehmenskultur“ umsetzen soll; neue Lohnsysteme mit Einzelgesprächen zur Prüfung der individuellen Leistung eingeführt werden und die Spannungen zwischen den Generationen sich verschärfen. Diese neuen „Spielregeln“ setzen sich umso drastischer durch, als die kollektiven Institutionen, die eine glaubwürdige alternative Vorstellung von der Arbeitswelt vertreten sollten (die Gewerkschaften), im besten Falle geschwächt, sehr oft abwesend und in vielen Fällen zu einem Instrument der neuen Managementkonzepte geworden sind.

Die Entlassungspläne
In den 90er Jahren sind der Abbau von Arbeitsplätzen und die Entlassungen von aussergewöhnlichen Massnahmen zu Instrumenten der Unternehmens- und Personalführung unter anderen geworden.
Weiterhin gibt es direkt in ihrer Existenz bedrohte Unternehmen, die Entlassungen vornehmen. Doch es kommt immer öfter vor, dass der Stellenabbau dazu dient, ein hohes Rentabilitätsziel zu erreichen und die Position auf dem Markt zu stärken.
Solche Programme wurden mitten im Boom der new economy angekündigt und folgen sich oft serienweise in Zeiten des allgemeinen oder sektorspezifischen konjunkturellen Einbruchs. Stellenabbau hat also nicht mehr unbedingt mit „wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ zu tun, sondern ist Teil des normalen Funktionierens eines Unternehmens in der Marktwirtschaft geworden.
Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung betreiben vor allem relativ grosse Unternehmen eine Kommunikationspolitik, deren Ziel daraus besteht, Entlassungen als etwas Normales darzustellen.
1) Die Entlassungen werden auf eine von zahlreichen Auswirkungen eines Gesamtplans reduziert, der das Fortbestehen des Unternehmens, das heisst der verbleibenden Arbeitsplätze garantieren soll. Sie sind im Übrigen nur eine von verschiedenen Formen des Stellenabbaus, der in solchen Programmen von zentraler Bedeutung ist: So genannte Frühpensionierungen und natürliche und freiwillige Abgänge vervollständigen das Bild. Hinzu kommt die Ausgliederung ganzer Unternehmensteile, die auch zu Entlassungen und Verschlechterungen der Anstellungsbedingungen führt.
2) Der Stellenabbau wird sofort mit einem „Sozialplan“ verknüpft. Dadurch erfolgt eine Verschiebung der Diskussionen und Auseinandersetzungen: Es geht nun nicht mehr um den Grundsatz der Entlassungen, sondern um deren Modalitäten. Im vergangenen Jahr haben einige Unternehmen ihre Logik des Sozialplans bis auf die Spitze getrieben und dessen Inhalt mit den Gewerkschaften bereits vor der Ankündigung konkreter Massnahmen „ausgehandelt“. Erst nach Abschluss der Vereinbarung, das heisst mit dem grünen Licht der Gewerkschaften für Stellenabbau im Rücken, haben sie der Öffentlichkeit dann einen genauen Plan mit dem Abbau von Arbeitsplätzen und Entlassungen präsentiert. So ging zum Beispiel das Medienunternehmen NZZ vor.
3) Entlassungen werden auf eine Weise angekündigt, die möglichen Widerstand im Keim ersticken soll. Dies gilt insbesondere für die oft massiven Stellenabbaupläne, die lange vor ihrer tatsächlichen Umsetzung bekannt gemacht werden. Ohne Zweifel soll damit oft (und manchmal in erster Linie) ein Zeichen an die Aktionäre und Investoren gesendet werden, damit der Aktienkurs wieder ansteigt. Darüber hinaus geht es darum, den Schock – den Paukenschlag einer umfassenden Restrukturierung – mit der notwendigen Zeit zu verbinden, um mit den Reaktionen so umzugehen, dass der Widerstand sich aufteilt und versandet und unter den Betroffenen Verzweiflung und individuelle Lösungen Oberhand nehmen. Zugleich wird den Gewerkschaften die Möglichkeit eröffnet „so zu tun“, als ob sie etwas unternehmen würden, um dann die letztlich umgesetzten Massnahmen als das Ergebnis eines „Ausgleichs“ verschiedener Interessen darstellen zu können. Die Direktion der Post ist in dieser des Vorgehens unübertroffen.

Die Funktion des Arbeitslosengesetzes
Diese Unternehmenspolitiken geben dem neuen, 1994-95 mit dem Segen der Führung des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) ausgearbeiteten Gesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung (AVIG) seine ganze Bedeutung. In der laufenden und kommenden Phase steigender Arbeitslosigkeit werden die Auswirkungen dieser Gesetzesrevision erstmals zum Tragen kommen.
In den Augen der Unternehmer dienen die verschiedenen Formen der Flexibilisierung und die Entlassungen dazu, „den Arbeitsmarkt zu schmieren“. Anders gesagt: Sie sollen es ihnen erlauben, die Arbeitskraft so zu verwalten und kontrollieren, dass sie sich zu einem möglichst vorteilhaften Preis kaufen lässt. Deshalb muss aus unternehmerischer und bürgerlicher Sicht eine Arbeitslosenversicherung in erster Linie sicherstellen, dass Personen ohne Beschäftigung den Mechanismen des Arbeitsmarkts möglichst stark ausgesetzt bleiben.
Dieses Ziel verfolgte die „aktivierende Politik“ im Rahmen der Revision des Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung (AVIG) in den Jahren 1994 und 1995: sehr breite Definition der „zumutbaren Arbeit“, um die Arbeitslosen zur Annahme von Stellenangeboten zu zwingen; Arbeitsvermittlungszentren, die „effizienter“ arbeiten, also mehr Druck auf die Personen ohne Beschäftigung ausüben sollen, damit sie „aus der Arbeitslosigkeit aussteigen“; Verpflichtung für die Arbeitslosen, eine „Gegenleistung“ zu bieten (Umschulung, Weiterbildung, vorübergehende Beschäftigung…), die ihre employability (Anstellbarkeit) verbessern soll.
Das Alles dient selbstverständlich nur dem Wohl der Personen ohne Beschäftigung und schützt sie davor, in die „Falle“ der Langzeitarbeitslosigkeit zu treten. Mit diesem Argument hat der Bundesrat die Reduktion der maximalen Bezugsdauer von Arbeitslosengeld von 520 auf 400 Tage gerechtfertigt, die in der Volksabstimmung vom 24. November 2002 über die jüngste Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) angenommen wurde.
Das verächtliche Zerrbild von den faulen Arbeitslosen reicht nicht mehr aus und ist auch nicht mehr unbedingt glaubwürdig genug, um die Einschränkung der Rechte der Personen ohne Beschäftigung zu rechtfertigen. Das neue Argument ist viel überzeugender: Es geht um das gute Funktionieren des Arbeitsmarkts, das als Voraussetzung für eine möglichst tiefe Arbeitslosigkeit gilt. Darauf stützte sich die siegreiche Kampagne der Unternehmer, der bürgerlichen Parteien und des Bundesrats zu Gunsten der jüngsten Revision der Arbeitslosenversicherung.
Die Führung des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) hat Mitte der 90er Jahre dieser „neuen Philosophie“ der Arbeitslosenversicherung applaudiert und die „aktivierenden Massnahmen“ als Hilfe an die Arbeitslosen zum erneuten Einstieg in den Arbeitsmarkt präsentiert. Damit ist sie in eine Falle getreten und konnte die darauf folgenden Angriffe auf die Rechte der Arbeitslosen in den Revisionen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) höchstens noch als „übertrieben“, „nicht ausgeglichen“ oder „nutzlos“ kritisieren. Die „Philosophie“ des AVIG – die auch in den Modellen der OECD (Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und allen Änderungen der Arbeitslosenversicherungssysteme der Industrieländer in den letzten Jahren (Frankreich, Spanien, Deutschland mit dem Bericht der Hartz-Kommission) vorzufinden ist - wird nicht grundsätzlich mehr in Frage gestellt.
Doch aus der Sicht der Lohnabhängigen sollte ein Schutzsystem gegen die Arbeitslosigkeit von einem ganz anderen Anliegen ausgehen: Es sollte die Personen ohne Beschäftigung vor den Mechanismen des Arbeitsmarkts schützen, anstatt sie diesen noch stärker zu unterwerfen. Darin liegt übrigens die wichtigste Funktion aller kollektiven Rechte, die sich die Lohnabhängigen erkämpft haben. Es geht darum, Räume, Bereiche und Zeiten zu schaffen, in denen die „rationellen“ Mechanismen des Arbeitsmarkts eingeschränkt oder aufgehoben sind. Denn diese arbeiten angesichts des strukturell ungleichen Kräfteverhältnisses zwischen einer Person, die ihre Arbeitskraft verkaufen muss, um leben zu können, und einem Unternehmer, der diese für eine gewisse Zeit kauft und anwendet, letztlich immer gegen die Beschäftigten.
Ein Kampf für eine Arbeitslosenversicherung, die diesen Namen auch verdient, setzt also einen Perspektivenwechsel voraus: Das Ziel würde nicht darin bestehen, den Arbeitsmarkt leistungsfähiger zu machen und die employability der Lohnabhängigen zu steigern, sondern ein System von Rechten zu entwickeln (Schutz gegen Entlassungen, Garantie eines Ersatzeinkommens für Personen ohne Beschäftigung), das die Unternehmer so weit möglich daran hindert, mit Hilfe des Arbeitsmarkts die Beschäftigten ihren Anforderungen, also jenen der Kapitalverwertung zu unterwerfen.

Zurück zur Frage der Beschäftigung
Ein Perspektivenwechsel ist auch bei der Beschäftigungspolitik notwendig. Im Verlauf der Krise der 90er Jahre stellte die Idee einer anderen „Verteilung der Arbeit“ die am meisten entwickelte Antwort der Gewerkschaftsführungen und der so genannten Linken auf die Arbeitsplatzverluste und Entlassungen dar. Diese Formel enthielt eine Prämisse: Die „Anforderungen“ der Wettbewerbsfähigkeit - eigentlich handelt es sich um die Rentabilitätsansprüche der Kapitaleigentümer und Unternehmen im globalisierten Markt, auf dem der Konkurrenzkampf intensiv geführt wird - dürfen nicht angetastet werden. Dennoch sei es möglich, sich eine andere Verteilung der Arbeit unter den Lohnabhängigen „vorzustellen“, die weniger ungleich wäre als jene, die heute dazu führt, dass Beschäftigte einerseits überlastet sind und Personen andererseits arbeitslos werden. Eine solche Verteilung könne auf eine Weise durchgeführt werden, dass alle nur gewinnen würden: Beschäftigte, Arbeitslose und Unternehmer.
Wir wissen, was daraus geworden ist. Die Unternehmer, deren Entscheidungsmacht durch einen solchen Ansatz nicht in Frage gestellt wird, haben ganz praktisch entschieden. In der Regel wird einerseits die Flexibilität erhöht und die tatsächlich geleistete Arbeitszeit verlängert, andererseits werden wiederholt Arbeitsplätze abgebaut, von den Lohnkürzungen gar nicht zu sprechen.
Die 35-Stunden-Woche in Frankreich ist das einzige Beispiel für die Anwendung des Modells einer „anderen Verteilung der Arbeit“ in einem ganzen Land. Die Erfahrung ist enttäuschend. Die direkt daraus resultierende Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze ist von begrenztem Ausmass (500'000 statt der angestrebten 1.5 Millionen Arbeitsplätze), und diese wurden erst noch grosszügig durch die Lohnabhängigen subventioniert. Viele Beschäftigte setzen die 35 Stunden nun in einen Zusammenhang mit den jüngsten Errungenschaften der unternehmerischen Reorganisation der Arbeit: Flexibilität, Jahresarbeitszeit, restriktive Definition der Zeiten für Pausen, Kleiderwechsel, usw. All dies hat zu einer starken Intensivierung der Arbeit geführt, welche wiederum die Entstehung zusätzlicher Arbeitsplätze weitgehend „absorbierte“. Die Flexibilisierungsmassnahmen bleiben heute bestehen, während die 35 Stunden langsam aber sicher aus der Arbeitswelt verschwinden werden. Die neue Regierung Raffarin hat den Unternehmen dafür bereits grünes Licht gegeben.
Die Idee einer anderen „Verteilung der Arbeit“ als Lösung für das Problem der Arbeitslosigkeit hat durch die Entwicklungen der 90er Jahre ihre Glaubwürdigkeit weitgehend eingebüsst. Zugleich beherrscht das Argument, die „Marktgesetze“ seien unveränderbar, die Diskussion stärker als jemals zuvor. Vor diesem Hintergrund beschränkt sich der Horizont der Gewerkschaften immer mehr auf den „guten“ Sozialplan.
Ein Kampf für die Rückkehr zur Vollbeschäftigung erfordert es, vom Standpunkt der Lohnabhängigen aus das in Frage zu stellen, was beim Modell der „Verteilung der Arbeit“ unangetastet blieb: die für das kapitalistische System zentrale Vorstellung, das für den Markt produzierende Unternehmen - geführt durch private Eigentümer (Aktionäre, Unternehmer) gemäss ihren eigenen Interessen, die sich am besten am erwirtschafteten Profit messen lassen – sei die vernünftigste Form der Organisation der Produktion von Gütern und Dienstleistungen.
Ein wirksamer Kampf gegen die Arbeitslosigkeit müsste mindestens mit den folgenden zwei Massnahmen beginnen: 1) ein Verbot von Entlassungen und 2) eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit ohne Lohneinbussen und mit der Verpflichtung für die Unternehmen, zum Ausgleich neue Arbeitsplätze zu schaffen. Um solche Massnahmen in einem Land oder in Europa durchführen zu können ist es notwendig, die mit dem Privateigentum verbundene Entscheidungsfreiheit tatsächlich einzuschränken und die Wertschöpfung anders, vorteilhafter für die Lohnabhängigen zu verteilen.
Ohne einen solchen Bruch werden die Mechanismen, die seit drei Jahrzehnten die Rechte der Lohnabhängigen unterlaufen, ihnen immer prekärere Arbeitsverhältnisse bringen und die Arbeitslosigkeit nähren, weiterhin ihre gesellschaftlich zersetzenden Auswirkungen entfalten.


Tabelle 1: Arbeitslose und Stellensuchende (1990-2002)

 

Zugänge (gesamt)

Abgänge (gesamt)

Registrierte Arbeitslose (Durchschnitt)

Stellensuchende (Durchschnitt)

Ausgesteuerte

Langzeit-arbeitslose (%)

1990

68157

61868

18133

19361

n. bek.

6.6

1991

128305

98163

39222

41165

n. bek.

4.4

1992

224937

159638

92308

95123

n. bek.

8.7

1993

256646

206590

163135

169643

n. bek.

17.3

1994

226452

244650

171038

183809

42424

28.8

1995

227511

218692

153316

174883

36802

28.7

1996

254339

202193

168630

206731

31982

26.1

1997

240447

212355

188304

244695

23703

30.5

1998

203807

195410

139660

217518

42209*

32.5

1999**

178238

163993

98602

170921

34124

25.8

2000

151041

134770

71987

124633

17129

20.1

2001

160568

113900

67197

109423

13226

15.7

2002

           

Jan

20230

11173

93714

138443

1860

11.2

Feb

14719

10891

94472

140581

1418

11.1

Mär

13921

11762

92371

140468

1142

11.5

Apr

15468

12258

92025

140054

1568

11.6

Mai

13949

11507

90930

139202

1333

12.0

Jun

13542

10479

90705

139715

1005

12.5

Jul

15929

11129

92948

142271

1342

12.8

Aug

15484

10144

96362

145202

1545

13.1

Sep

18198

10147

101889

151503

1143

13.1

Okt

22340

11605

110197

161105

1740

13.3

Nov

23177

10404

120627

173500

1713

13.4

Dez

20623

10556

129809

183262

2348

13.5

2002

207580

132055

100504

149609

18157

 

* Verlängerung der Rahmenfrist, nach der eine Person erneut Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, von 6 auf 12 Monate. Dies führte zu einer starken Zunahme der Ausgesteuerten.
** Am 1. September 1999 wurde die maximale Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für von der Erfüllung der Beitragszeit befreite oder eine Ausbildungszeit abschliessende Personen von 520 auf 260 Tage reduziert.



Tabelle 2: Arbeitslosenquote in % (1993-2002)

 

1993

1997

2001

Nov. 2002

Allgemein

4.5

5.2

1.9

3.3

Männer

4.4 (0.97)

4.9 (0.94)

1.6 (0.84)

3.0 (0.91)

Frauen

4.7 (1.04)

5.7 (1.10)

2.3 (1.21)

3.8 (1.15)

SchweizerInnen

3.5 (0.78)

3.6 (0.69)

1.3 (0.68)

2.4 (0.73)

AusländerInnen

7.8 (1.73)

10.7 (2.06)

3.8 (2.00)

6.4 (1.94)

Westschweiz, Tessin

6.5 (1.44)

7.0 (1.35)

2.8 (1.47)

4.2 (1.27)

Deutschschweiz

3.7 (0.82)

4.5 (0.87)

1.5 (0.79)

3.0 (0.91)

Textilindustrie

7.2 (1.60)

6.6 (1.27)

1.8 (0.95)

2.6 (0.79)

Graphik, Druck

6.8 (1.51)

5.1 (0.98)

1.6 (0.84)

3.0 (0.91)

Chemie

2.5 (0.55)

2.1 (0.40)

0.7 (0.37)

1.1 (0.33)

Maschinenindustrie

5.5 (1.22)

4.2 (0.81)

1.1 (0.58)

2.5 (0.76)

Elektrotechnik

6.2 (1.38)

4.0 (0.77)

1.3 (0.68)

3.0 (0.91)

Uhren, Bijouterie

6.6 (1.47)

6.5 (1.25)

1.9 (1.00)

3.9 (1.18)

Baugewerbe

5.6 (1.24)

6.9 (1.33)

1.3 (0.68)

2.2 (0.67)

Handel

4.6 (1.02)

5.2 (1.00)

1.9 (1.00)

3.3 (1.00)

Gastgewerbe

9.5 (2.10)

14.7 (2.83)

5.3 (2.79)

9.3 (2.82)

Verkehr, Nachrichten

2.4 (0.53)

2.6 (0.50)

1.3 (0.68)

2.2 (0.67)

Banken

2.4 (0.53)

2.1 (0.40)

1.0 (0.53)

2.5 (0.76)

Versicherungen

2.9 (0.64)

2.5 (0.48)

0.9 (0.47)

1.8 (0.55)

Beratung, Planung, Informatik

7.3 (1.62)

7.8 (1.50)

3.6 (1.89)

7.5 (2.27)

Unterrichtswesen

1.9 (0.42)

2.2 (0.42)

0.9 (0.47)

1.4 (0.42)

Gesundheitswesen

2.3 (0.51)

2.9 (0.56)

1.1 (0.58)

1.6 (0.48)

Öffentliche Dienste

2.5 (0.55)

5.5 (1.06)

2.3 (1.21)

2.7 (0.82)

 

Die erste Zahl zeigt die Arbeitslosenquote für die entsprechende Kategorie an. In Klammern angegeben ist das Verhältnis dieser besonderen Arbeitslosenquote (z.B. der Männer im Jahr 1993) zur durchschnittlichen Arbeitslosenquote (alle Kategorien im Jahr 1993) aufgeführt. Daraus wird ersichtlich, bei welchen Kategorien die Arbeitslosigkeit über (Ziffer grösser als 1) bzw. unter dem Durchschnitt (Ziffer kleiner als 1) liegt


Tabelle 3: Erwerbstätige Bevölkerung (1991-2001) (im Jahresdurchschnitt, in Tausend) .

1991

1994

1997

2001

Gesamt

3891

3789

3804

3974

Textilien, Bekleidung

44

36

29

22

Holz

50

43

38

37

Druck

68

62

60

56

Chemie

76

68

62

66

Maschinen, elektronische Geräte

192

164

152

152

Uhren, med. und Präzisionsgeräte

73

66

67

75

Baugewerbe

346

325

288

299

Grosshandel

209

200

200

217

Detailhandel

378

366

352

351

Gastgewerbe

242

232

233

236

Verkehr, Nachrichten

248

242

251

257

Finanzgeschäfte, Versicherungen

201

201

201

213

Informatik

29

32

39

63

Andere Dienstleistungen an Unternehmen

259

265

279

310

Öff. Verwaltung, soziale Sicherheit

145

146

149

152

Bildungswesen

197

212

222

244

Gesundheitswesen, Sozialarbeit

317

350

387

408

 

Diese Angaben sind der Erwerbstätigenstatistik (ETS) des Bundesamts für Statistik (BFS) entnommen. Die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE) liefert einen anderen Datensatz. Im Gegensatz zur ETS zählt sie alle Personen, die mindestens eine Stunde pro Woche erwerbstätig sind (statt mindestens 6 Stunden wie in der ETS). Dies entspricht den internationalen Normen und erleichtert deshalb Vergleiche. Die SAKE zeigt logischerweise eine leicht höhere Erwerbstätigkeit an, sowie grössere Anteile von Teilzeitarbeit und Frauenerwerbstätigkeit. Bislang vermittelte jedoch die ETS ein genaueres Bild über die Lage in den einzelnen Wirtschaftszweigen. Seit Ende 2002 wird in der ETS dieselbe Definition von Erwerbstätigkeit verwendet wie in der SAKE, und das BFS hat eine Rekonstruktion der statistischen Reihen bis ins Jahr 1991 angekündigt. Diese Tabelle wurde allerdings auf der Grundlage der herkömmlichen ETS-Daten erstellt.


Tabelle 4: Unterbeschäftigung und Mangel an Arbeit (1991-2001)

1991

1997

2001

Personen ohne Beschäftigung

68 (1.8)

162 (4.1)

101 (2.5)

Unterbeschäftigte Personen

192 (5.0)

309 (8.0)

334 (8.3)

Personen, denen es an Arbeit mangelt

260 (6.8)

476 (12.1)

434 (10.8)

Männer ohne Beschäftigung

27 (1.2)

95 (4.3)

38 (1.7)

Unterbeschäftigte Männer

37 (1.7)

58 (2.6)

76 (3.4)

Männer, denen es an Arbeit mangelt

63 (2.9)

153 (6.9)

114 (5.1)

Frauen ohne Beschäftigung

41 (2.5)

67 (3.9)

63 (3.5)

Unterbeschäftigte Frauen

155 (9.4)

255 (14.9)

258 (14.2)

Frauen, denen es an Arbeit mangelt

196 (11.9)

323 (18.8)

320 (17.7)

 

Die erste Zahl ist ein absoluter Wert in Tausend, in Klammern folgt der entsprechende Prozentsatz (%). Beispiel: 1991 waren 68'000 Personen ohne Beschäftigung, das entsprach 1.8% der erwerbstätigen Bevölkerung. Die Arbeitslosenquoten (ohne Beschäftigung) entsprechen nicht den anderen Tabellen des Artikels, weil sie hier einer anderen Quelle, der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) entnommen wurden (vgl. Note ii des Artikels).

Tabelle 5: Beschäftigungsentwicklung (1991-2001) (Ende 2. Quartal, in Tausend, ETS)

1991

1997

2001

Männer Vollzeit

2235

2057

2087

Männer Teilzeit

138

164

211

Männer Gesamt

2373

2221

2298

Frauen Vollzeit

872

796

823

Frauen Vollzeit

672

788

858

Frauen Gesamt

1544

1583

1681

SchweizerInnen

2860

2857

2940

AusländerInnen

1061

947

1039

 

i In der besonders schweren Rezession von 1974-76 wurden die Arbeitsplatzverluste im Wesentlichen durch die Ausweisung mehrerer Zehntausend ausländischer Beschäftigter (die aktive Bevölkerung ohne Schweizer Pass wurde zwischen 1974 und 1977 um 247'000 Personen reduziert) und einen bedeutenden Rückzug von Frauen aus der Erwerbstätigkeit aufgefangen. Ausserdem gab es keine obligatorische Arbeitslosenversicherung. Dies trug dazu bei, die Arbeitslosigkeit unsichtbar zu machen. Auch in der Rezession von 1982-82 spielten die zwei erwähnten Mechanismen eine Rolle, wenn auch in geringerem Ausmass. Die Arbeitslosenversicherung war gerade eingeführt worden, und die offizielle Arbeitslosenquote überstieg knapp 1 Prozent.
ii Es gibt auch noch die Arbeitslosenstatistik der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) des Bundesamts für Statistik (BFS). Die SAKE übernimmt die Definition der Arbeitslosigkeit des zur UNO gehörigen ILO (International Labor Office). Als Arbeitslose gelten alle Personen, die 1) in der Woche vor der Befragung keine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, 2) in den letzten vier Wochen eine Stelle gesucht haben, 3) in den letzten vier Wochen eine oder mehrere besondere Massnahmen ergriffen haben, um eine Stelle zu finden, und 4) spätestens vier Wochen nach der Befragung eine Stelle antreten könnten. Die von uns verwendeten Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) spiegeln also teilweise andere Realitäten als die SAKE-Daten. Beide Quellen sollten herangezogen werden, um ein präziseres Bild von der Arbeitslosigkeit zu erhalten. Doch nur die Daten des seco enthalten bestimmte Angaben (Fliesszahlen, Aufteilung nach Alter und wirtschaftlicher Tätigkeit, Langzeitarbeitslose, Ausgesteuerte, usw.), die für uns von Interesse sind.
iii Daniel Aeppli et al.: Die Situation der Ausgesteuerten. Bern, 1996.
iv Gemäss den Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) sind zwischen 1991 und 2000 durchschnittlich 283'000 Personen pro Jahr ins Erwerbsleben ein- und 261'000 aus dem Erwerbsleben ausgetreten. Pro Jahr sind im gleichen Zeitraum durchschnittlich 101'000 Erwerbstätige ein- und 80'000 Erwerbstätige ausgewandert.