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Warnstreik brachte Chef auf Trab

Für Managementfehler sollten die Angestellten mit einer
Lohnkürzung büssen. Doch da sagten die Ingenieure der
Genesys Biogas AG in Frauenfeld Nein.

von Ralph Hug - aus Work - 15.11.2007


Foto: Ralph Hug


«Das konnten wir uns nicht bieten lassen», sagt Lothar Moser von der Betriebskommission der Genesys Biogas AG. Am Montag, 5. November, war es so weit: Nach einer Betriebsversammlung traten die elf Angestellten der Frauenfelder Alternativenergiefirma in einen halbtägigen Warnstreik – der bisherige Höhepunkt eines Konflikts, der sich seit dem Sommer zugespitzt hatte.

Die Firma Genesys baut Biogasanlagen für die Landwirtschaft und ist noch kein Jahr alt. Gründer Daniel Ruch verfügt jedoch über viel Know-how auf diesem Gebiet. Er wurde für seine Innovationen schon mehrfach preisgekrönt, unter anderem zweimal mit dem Axpo-Forschungspreis. Trotzdem geriet die Firma finanziell in Schieflage. Die Geschäftsleitung sei ihren Aufgaben nicht gewachsen gewesen, musste Ruch gegenüber den Angestellten nachträglich eingestehen. Anfang September wurde für teures Geld – man spricht von 650'000 Franken Jahresgehalt – der Sanierer Dieter Wiedmann aus Deutschland angeheuert. Nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt im September verfügte der Manager eine Lohnreduktion um zwanzig Prozent. Ohne die Betriebskommission zu informieren. Und ohne Verhandlungen.

RUPPIGER UMGANGSTON

Die Angestellten, zumeist junge Ingenieure und Biotechnologen, akzeptierten diese einseitige Sanierung auf ihrem Buckel nicht. Stattdessen boten sie eine Lösung mit Pensenreduktionen und anderen temporären Verzichtsmassnahmen an. Lothar Moser: «Wir anerkennen die gegenwärtigen Schwierigkeiten der Firma und wollen das Überleben der Firma ermöglichen.»

Der Geschäftsleiter legte jedoch wenig Bereitschaft zu reellen Verhandlungen an den Tag. Arbeitsreduktionen könne er selber verfügen, soll er den Mitarbeitenden kurzerhand beschieden haben. Diese beklagen sich unisono über den ruppigen Umgangston. Man werde einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Vier Personen erhielten die Kündigung, bei fünf sollten die Arbeitsverträge abgeändert werden. Ein Ingenieur, der bisher einen Teil seiner Arbeit zu Hause erledigen konnte, hatte fortan voll präsent zu sein. «Reine Repression», stellt Unia-Regionalsekretär Stefan Schmutz lapidar fest. Laut Schmutz sind fast alle Kündigungen widerrechtlich. Ein Angestellter erhielt den blauen Brief, als er krank war. Andere Kündigungen wurden ausgesprochen, als gleichzeitig ein Gesuch beim Thurgauer Amt für Wirtschaft und Arbeit um Kurzarbeit hängig war. Offenkundig habe der Geschäftsleiter Mühe mit dem hiesigen Arbeitsrecht, bilanziert Schmutz. «Wir verlangen die Rücknahme aller Kündigungen und die Aufnahme ernsthafter Verhandlungen», bekräftigt Beko-Sprecher Lothar Moser. Man sei der Firma so weit entgegengekommen, dass sich «jeder Gewerkschaft die Haare sträuben» würden. Als sich die Unia einschaltete, unterbreitete ihr Wiedmann zuerst eine Geheimhaltungsvereinbarung samt Konventionalstrafe von 2 Millionen Franken.

WIDERRECHTLICH GEKÜNDIGT

Drei Tage nach dem Warnstreik kam es letzte Woche zu einer Verhandlungsrunde. Tags darauf konnten die verdutzten Angestellten in der Zeitung lesen, dass die Umstrukturierung der Firma Entlassungen erfordere und man das Geschäftsvolumen durch eine Kooperation mit der Bernischen Kraftwerke AG markant ausbauen wolle. Wie das mit dem Personalabbau zusammengehen soll, fragen sich nun die Angestellten, die nichts von dem Communiqué wussten. Der laufende Arbeitskampf wurde darin glatt verschwiegen.

Verwaltungsratspräsident Daniel Ruch bagatellisiert die Vorgänge gegenüber den Medien als «Sturm im Wasserglas». Allerdings wurde ein Mitarbeiter sogar per sofort freigestellt. Unia-Sekretär Schmutz glaubt den Grund zu kennen: «Weil er Sprecher der Beko war.» Doch scheint der Widerstand jetzt zu wirken. In einem Schreiben willigte der Verwaltungsrat Anfang Woche in die Rücknahme der Kündigungen mit einer Ausnahme ein. «Kunststück, wenn sie rechtlich unzulässig sind», dämpft Lothar Moser ab. Immerhin erübrigen sich die Kündigungsanfechtungen, die die Unia bereits in die Wege geleitet hat. Der Verwaltungsrat will nun seinerseits mit einer Delegation der Mitarbeitenden verhandeln. «Vorher müssen aber alle Kündigungen zurückgezogen werden», bleibt Moser standhaft. Bis Redaktionsschluss lief eine Frist. Notfalls sei man zu weiteren Kampfmassnahmen entschlossen. Laut Moser kann man sich durchaus eine Lösung via Kurzarbeit vorstellen. Nächstes Jahr werden sich nämlich die Marktaussichten für Biogasanlagen verbessern, da die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien ins Netz besser abgegolten wird.

work, 15.11.2007