«Das
konnten wir uns nicht bieten lassen»,
sagt Lothar Moser von der Betriebskommission
der Genesys Biogas AG. Am Montag, 5. November,
war es so weit: Nach einer Betriebsversammlung
traten die elf Angestellten der Frauenfelder
Alternativenergiefirma in einen halbtägigen
Warnstreik – der bisherige Höhepunkt
eines Konflikts, der sich seit dem Sommer zugespitzt
hatte.
Die Firma Genesys baut Biogasanlagen für
die Landwirtschaft und ist noch kein Jahr alt.
Gründer Daniel Ruch verfügt jedoch
über viel Know-how auf diesem Gebiet. Er
wurde für seine Innovationen schon mehrfach
preisgekrönt, unter anderem zweimal mit
dem Axpo-Forschungspreis. Trotzdem geriet die
Firma finanziell in Schieflage. Die Geschäftsleitung
sei ihren Aufgaben nicht gewachsen gewesen,
musste Ruch gegenüber den Angestellten
nachträglich eingestehen. Anfang September
wurde für teures Geld – man spricht
von 650'000 Franken Jahresgehalt – der
Sanierer Dieter Wiedmann aus Deutschland angeheuert.
Nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt im September
verfügte der Manager eine Lohnreduktion
um zwanzig Prozent. Ohne die Betriebskommission
zu informieren. Und ohne Verhandlungen.
RUPPIGER
UMGANGSTON
Die
Angestellten, zumeist junge Ingenieure und Biotechnologen,
akzeptierten diese einseitige Sanierung auf
ihrem Buckel nicht. Stattdessen boten sie eine
Lösung mit Pensenreduktionen und anderen
temporären Verzichtsmassnahmen an. Lothar
Moser: «Wir anerkennen die gegenwärtigen
Schwierigkeiten der Firma und wollen das Überleben
der Firma ermöglichen.»
Der Geschäftsleiter legte jedoch wenig
Bereitschaft zu reellen Verhandlungen an den
Tag. Arbeitsreduktionen könne er selber
verfügen, soll er den Mitarbeitenden kurzerhand
beschieden haben. Diese beklagen sich unisono
über den ruppigen Umgangston. Man werde
einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Vier
Personen erhielten die Kündigung, bei fünf
sollten die Arbeitsverträge abgeändert
werden. Ein Ingenieur, der bisher einen Teil
seiner Arbeit zu Hause erledigen konnte, hatte
fortan voll präsent zu sein. «Reine
Repression», stellt Unia-Regionalsekretär
Stefan Schmutz lapidar fest. Laut Schmutz sind
fast alle Kündigungen widerrechtlich. Ein
Angestellter erhielt den blauen Brief, als er
krank war. Andere Kündigungen wurden ausgesprochen,
als gleichzeitig ein Gesuch beim Thurgauer Amt
für Wirtschaft und Arbeit um Kurzarbeit
hängig war. Offenkundig habe der Geschäftsleiter
Mühe mit dem hiesigen Arbeitsrecht, bilanziert
Schmutz. «Wir verlangen die Rücknahme
aller Kündigungen und die Aufnahme ernsthafter
Verhandlungen», bekräftigt Beko-Sprecher
Lothar Moser. Man sei der Firma so weit entgegengekommen,
dass sich «jeder Gewerkschaft die Haare
sträuben» würden. Als sich die
Unia einschaltete, unterbreitete ihr Wiedmann
zuerst eine Geheimhaltungsvereinbarung samt
Konventionalstrafe von 2 Millionen Franken.
WIDERRECHTLICH
GEKÜNDIGT
Drei
Tage nach dem Warnstreik kam es letzte Woche
zu einer Verhandlungsrunde. Tags darauf konnten
die verdutzten Angestellten in der Zeitung lesen,
dass die Umstrukturierung der Firma Entlassungen
erfordere und man das Geschäftsvolumen
durch eine Kooperation mit der Bernischen Kraftwerke
AG markant ausbauen wolle. Wie das mit dem Personalabbau
zusammengehen soll, fragen sich nun die Angestellten,
die nichts von dem Communiqué wussten.
Der laufende Arbeitskampf wurde darin glatt
verschwiegen.
Verwaltungsratspräsident Daniel Ruch bagatellisiert
die Vorgänge gegenüber den Medien
als «Sturm im Wasserglas». Allerdings
wurde ein Mitarbeiter sogar per sofort freigestellt.
Unia-Sekretär Schmutz glaubt den Grund
zu kennen: «Weil er Sprecher der Beko
war.» Doch scheint der Widerstand jetzt
zu wirken. In einem Schreiben willigte der Verwaltungsrat
Anfang Woche in die Rücknahme der Kündigungen
mit einer Ausnahme ein. «Kunststück,
wenn sie rechtlich unzulässig sind»,
dämpft Lothar Moser ab. Immerhin erübrigen
sich die Kündigungsanfechtungen, die die
Unia bereits in die Wege geleitet hat. Der Verwaltungsrat
will nun seinerseits mit einer Delegation der
Mitarbeitenden verhandeln. «Vorher müssen
aber alle Kündigungen zurückgezogen
werden», bleibt Moser standhaft. Bis Redaktionsschluss
lief eine Frist. Notfalls sei man zu weiteren
Kampfmassnahmen entschlossen. Laut Moser kann
man sich durchaus eine Lösung via Kurzarbeit
vorstellen. Nächstes Jahr werden sich nämlich
die Marktaussichten für Biogasanlagen verbessern,
da die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren
Energien ins Netz besser abgegolten wird.
work,
15.11.2007 |