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Bilaterale
II |
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Solidarität
mit den Angeklagten im Allpack-Prozess!
Flyer der
Solidaritätskomitees Basel und Zürich
13.
März 2009
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"2003
haben die Beschäftigten der Verpackungsfirma
Allpack (Reinach BL) gestreikt. AktivistInnen,
die die Streikenden vor Ort unterstützten,
sind wegen Nötigung angeklagt. Sie brauchen
unsere Unterstützung bei der Berufungsverhandlung
vom 25. - 27. März in Liestal." |
Für
alle, die froh sind, wenn der Lohn jeweils
bis ans Monatsende reicht, kann ein unvorhergesehenes
Ereignis - beispielsweise eine hohe Zahnarztrechnung,
vor allem aber der Verlust der Arbeitsstelle
- dazu führen, dass die Armutsfalle zuschnappt.
Solche Probleme sind Robert Scheitlin, dem
Besitzer der Verpackungsfirma Allpack in Reinach
(BL) fremd. Seine Sorgen drehen sich darum,
aus seinen MitarbeiterInnen einen möglichst
grossen Profit herauszupressen, um sich einen
standesgemässen Lebensstil finanzieren
zu können, beispielsweise als Ehrengast
und Sponsor von Pferderennen. Dieser Zweck,
so muss man vermuten, heiligt in seinen Augen
auch die Mittel, die er anwendet: Entweder
unbezahlte Mehrarbeit, Verzicht auf eine Woche
Ferien sowie auf den 13. Monatslohn oder der
Verlust der Arbeitsstelle. Im Fachjargon nennt
sich das „Änderungskündigung“,
im Klartext jedoch Erpressung oder etwas juristischer
ausgedrückt „Nötigung“.
So definiert das Strafgesetz ein Verhalten,
bei der jemand durch „Androhung ernstlicher
Nachteile“ veranlasst wird, „etwas
zu tun, zu unterlassen oder zu dulden“.
|
Polizeigrenadiere
der "Sondereinheit Kodiak"
kurz vor der Räumung |
Der
Verlust der Arbeitsstelle ist ohne jeden Zweifel
ein solch „ernstlicher Nachteil“.
Um ihn abzuwenden, bleibt den Betroffenen
meist nicht viel anderes übrig, als eine
Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zu
dulden. Robert Scheitlins Angestellte jedoch
taten im November 2003 das, wofür den
meisten in einer solchen Situation der Mut
fehlt, was jedoch angesichts der Umstände
die einzig richtige Antwort ist: Sie traten
in den Streik und blockierten die Werkszufahrt,
um ihren Forderungen Nachachtung zu verschaffen.
Unterstützt wurden sie von der Gewerkschaft
Comedia und etlichen solidarischen Menschen,
die sich ihnen anschlossen. Wie früher
das Militär, sah sich darauf die Baselbieter
Polizei veranlasst, „Arbeitswillige“
zu schützen und beseitigte mit Gewalt
die Streikposten. Drei Frauen wurden bei dieser
Polizeiaktion verletzt.
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1.
Dezember 2003: Mit einem brutalen Eingriff
räumt die Polizei
den Streikposten vor dem Haupteingang
der Firma Allpack
|
Mehr
als fünf Jahre später hat der Streik
bei Allpack nun ein juristisches Nachspiel.
Doch wer aufgrund eines natürlichen Rechtsempfindens
geglaubt hätte, der Allpack-Besitzer
Scheitlin stünde wegen Nötigung
seiner MitarbeiterInnen vor Gericht oder die
Polizisten wegen Körperverletzung, der
sieht sich getäuscht. Angeklagt sind
über zwanzig Streikende, GewerkschafterInnen
und UnterstützerInnen, und zwar wegen
„Nötigung“. Einmal mehr haben
die Herrschenden und ihre Helfer das „Recht“
auf ihrer Seite. Einmal mehr ergreift die
Justiz in einem Arbeitskampf Partei für
die Unternehmer und zeigt, dass sie alles
andere als unabhängig ist. Wer sich organisiert
und mit Streiks und Betriebsbesetzungen zur
Wehr setzt, wird kriminalisiert. Ausser einer
Verurteilung wegen Nötigung droht den
Angeklagten auch noch eine Schadenersatzklage
des Allpack-Besitzers in der Höhe von
rund einer Million Franken (inkl. Zinsen).
Auf diese Weise soll das verfassungsmässig
garantierte Streikrecht ausgehöhlt werden!
In einem Land, das zu den reichsten der Welt
gehört, sich hinsichtlich ArbeitnehmerInnenrechte
aber nur mit den ärmsten Ländern
messen kann und keinen nennenswerten Kündigungsschutz
kennt, zählen einzig die Profitinteressen.
Insbesondere auch die Freiheit, nach Belieben
Leute zu entlassen. Tausende haben in den
letzten Monaten diese bittere Wahrheit am
eigenen Leib erfahren. Die Arbeitslosigkeit
in der Schweiz ist im Januar auf 130'000 Betroffene
geklettert. Massenentlassungen und Betriebsschliessungen
werden wie ein Naturereignis achselzuckend
hingenommen. Das muss sich ändern, das
wird sich ändern!
Es
darf darum nicht schweigend hingenommen werden,
dass zur Einschüchterung aller Lohnabhängigen,
die sich für ihre Interessen wehren könnten,
am Streik beteiligte AktivistInnen vor Gericht
gestellt und verurteilt werden. Der Allpack-Prozess
geht uns alle etwas an! Eine Verurteilung
der Angeklagten bedeutet einen Angriff auf
das Streikrecht! Das dürfen wir nicht
zulassen! Solidarisieren wir uns mit den Angeklagten!
Kommt alle an den Prozess in Liestal (25.
bis 27. März 2009) und sorgt dafür,
dass die Stimme der arbeitenden Menschen in
unserem Land nicht länger ungehört
bleibt!
Solidaritätskomitees
Basel und Zürich
Chronologie
des Allpack-Streiks
21. November 2003:
Allpack-Besitzer Robert Scheitlin stellt
seinen Angestellten neue Arbeitsverträge
zu. Diese beinhalten massive Verschlechterungen:
Die Ferien werden um eine Woche gekürzt,
das 13. Monatsgehalt in einen freiwilligen
Bonus umgewandelt; dazu kommen unbezahlte
Mehrarbeit und verringerter Mutterschutz.
Wer nicht innerhalb von vier Tagen unterschreibt,
wird entlassen.
25. November 2003:
13 Mitarbeiterinnen treten in den unbefristeten
Streik und blockieren die Werkszufahrt,
um ihren Forderungen Nachachtung zu
verschaffen: Rücknahme aller ausgesprochenen
Kündigungen, keine Verschlechterung
der Arbeitsbedingungen, ein GAV sowie
Respekt der Beschäftigten und ihrer
Arbeit. Unterstützt werden sie
von der Gewerkschaft Comedia und etlichen
AktivistInnen, die sich mit ihnen solidarisieren.
26. November 2003:
Frühmorgens versucht Scheitlin
erfolglos, mit Hilfe der Polizei „arbeitswillige“
Temporärbeschäftigte in den
bestreikten Betrieb zu bringen. Die
Behörden von Basel-Land verurteilen
daraufhin die Blockierung der Firma
durch die Streikenden als „Nötigung“
und als Angriff auf die „Freiheit
zu arbeiten“. Ausserdem bewilligt
das Kantonale Amt für Industrie,
Gewerbe und Arbeit (KIGA) ein Gesuch
der Allpack AG und erlaubt ab dem 1.
Dezember Nachtarbeit, um die Produktionsausfälle
nachzuholen.
1. Dezember 2003: Der
Versuch des staatlichen Einigungsamtes,
mit einem sog. „Schlichtungsverfahren“
den Streik zu beenden ist gescheitert.
Der Vermittlungsvorschlag, die Kündigungen
bis Ende März auszusetzen, wird
von beiden Parteien abgelehnt: Scheitlin
hält an den sofortigen Kündigungen
fest, die Gewerkschaft verlangt deren
Rücknahme. Der Staat greift nun
mit all seiner Macht ein, um den in
seinen Augen „rechtswidrigen Zustand“
zu beseitigen. Um 16.00 Uhr intervenieren
Polizeigrenadiere in Kampfmontur rücksichtslos
und verhaften die Personen, die sich
am Streikposten beteiligen - in ihrer
grossen Mehrheit Frauen, die sich auf
völlig friedliche Art und Weise
widersetzen und sitzen bleiben. Mehrere
Personen werden in Handschellen abgeführt.
Um die dreissig Personen werden verhaftet,
in Polizeiwagen gesperrt, es gibt vier
Verletzte.
2. Dezember 2003: Gegen
tausend Personen gehen in Liestal auf
die Strasse und demonstrieren für
das Streikrecht und gegen den brutalen
Polizeieinsatz vom Vortag. Begleitet
und abgeriegelt von einem absurd anmutenden
Aufgebot von Polizeigrenadieren, teilweise
mit Kampfhunden, bringen sie auf Transparenten
und Plakaten ("Halt Polizeigewalt",
"Polizei = Privatarmee der Reichen
und Sozialabbauer", "Unterstützt
den Streik") ihre Solidarität
mit den streikenden ArbeiterInnen der
Allpack AG in Reinach zum Ausdruck.
4. Dezember 2003: Mit
der Annahme eines Schlichtungsvorschlags
geht der gut einwöchige Streik
bei Allpack zu Ende. Er sieht einen
GAV zwischen der Allpack
Betriebsleitung und der Gewerkschaft
Comedia vor, der u.a. die Beibehaltung
des 13. Monatslohnes beinhaltet. Die
Wiedereinstellung der entlassenen Streikenden,
eine der Hauptforderungen des Streiks
jedoch ist nicht erfüllt worden.
Dennoch spricht die Gewerkschaft Comedia
von einem „erfolgreichen Streik“. |
mehr
zum Streik bei Allpack
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