Wie
am Freitag bekannt wurde, hat der Konzern Nestlé
mehr als ein Jahr lang eine Arbeitsgruppe von
Attac Schweiz überwachen lassen. Der Grund:
Die Gruppe arbeitete an einem Buch über
die Machenschaften Nestlés ("Nestlé.
Anatomie eines Weltkonzerns", 2005). Im
Auftrag des Konzerns schlich sich eine Mitarbeiterin
der Sicherheitsfirma Securitas unter falschem
Namen in die Attac-Autorengruppe im Schweizer
Kanton Waadt (Vaud) ein und spionierte diese
bis Sommer 2004 aus. Nachstehend erklären
die Betroffenen:
Die
Sendung "Temps présent", die
das Westschweizer Fernsehen TSR am Donnerstag,
den 12. Juni 2008, um 20.05 Uhr ausgestrahlt
hat, deckt auf, dass der multinationale Konzern
Nestlé die Sicherheitsfirma Securitas
damit beauftragt hat, über ein Jahr eine
Arbeitsgruppe von Attac Waadt auszuspionieren,
während diese an einem Buch über die
Machenschaften der Firma Nestlé gearbeitet
hat (Nestlé. Anatomie eines Weltkonzerns,
2005). Es handelt sich um eine wissenschaftliche
Recherche, die anhand von publizierten und verfügbaren
Dokumenten geführt worden ist. Sie hatte
zum Ziel, das Funktionieren dieses multinationalen
Konzerns und seine weltweite Unternehmensniederlassung
zu untersuchen. Diese Bespitzelung fand während
mindestens einem Jahr statt.
Eine
Agentin hat sich unter falschem Namen erst in
eine Arbeitsgruppe von Attac Waadt und dann
in die Gruppe der sieben AutorInnen des Buches
infiltriert. Sie hatte so direkten Zugang (insbesondere
über eine vertrauliche E-Mail-Liste der
AutorInnen) zu allen Kontakten, die die sieben
Personen unterhielten, zu ihren Recherchen und
ihren Quellen - in der Schweiz sowie auch im
Ausland. Dies im Rahmen der Arbeit am Nestlé-Buch
als auch im Rahmen der Kampagne zur Lancierung
des Buches. Im Besonderen betroffen war davon
das Nestlé-Forum in Vevey am 12. Juni
2004. Die Securitas-Agentin begab sich auch
regelmäßig in die Wohnungen der sieben
AutorInnen, in denen die Arbeitstreffen stattfanden.
Das Buch befasst sich mit Nestlés Einstellung
zu genmanipulierten Organismen und der Privatisierung
von Trinkwasser, behandelt aber auch empfindliche
Themen wie die Arbeitskämpfe, die GewerkschafterInnen
und AktivistInnen in verschiedenen Ländern
gegen Nestlé führen, in denen die
Menschenrechte nicht respektiert werden, wie
beispielsweise in Kolumbien.
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Nestlé:
Hauptsitz in Vevey |
Das
G8-Gipfeltreffen fand vom 1. bis zum 3. Juni
2003 statt. Die Verfassung des Buches über
Nestlé und die Treffen der engeren Autorengruppe,
in die sich die Securitasagentin infiltriert
hat, haben jedoch erst im Herbst 2003 begonnen,
also einiges nach dem G8- Gipfeltreffen, und
die Agentin hat die Gruppe bis im Sommer 2004
bespitzelt. Demzufolge hat Nestlé diese
Überwachung nicht beauftragt, um seine
Gebäude zu schützen, sondern um sich
über die laufenden Buchrecherchen und deren
VerfasserInnen zu informieren.
Die
Agentin hat Securitas regelmäßig
Berichte unterbreitet, die auch dessen Klientin,
Nestlé, weitergereicht wurden. Gemäß
der Nachforschungen von Temps présent,
hat sich die Agentin mindestens einmal mit Verantwortlichen
von Securitas in den Hauptsitz von Nestlé
begeben, wo sie den Verantwortlichen für
die Sicherheit und einen Verantwortlichen für
die Kommunikation getroffen, und ihnen ausführlich
über die Treffen der Arbeitsgruppe von
Attac berichtet hat. Die Waadtländer Polizei
war ebenfalls über diese Infiltration und
die so gesammelten Informationen unterrichtet.
Sie war also über dieses unlautere Vorgehen
in Kenntnis, hat es jedoch nicht als ihre Aufgabe
erachtet, die betroffenen Personen davon zu
informieren.
Wir
erachten dieses Vorgehen, das die Prinzipien
der Redefreiheit und demokratischen Basisrechten
mit den Füßen tritt, als empörend.
Wir erachten, dass unsere Persönlichkeitsrechte
missachtet worden sind und wir sind im Besonderen
darüber schockiert, dass diese Spionagentätigkeit
unter dem Mitwissen der Waadtländer Kantonspolizei
stattgefunden hat.
Diese
hat es nicht für notwendig gehalten, uns
darüber in Kenntnis zu setzen, dass wir
die Zielgruppe dieser Infiltration waren. Es
versteht sich von selbst, dass die Angestellten
dieses großen Multinationalen Konzerns
in keiner Weise in Frage gestellt werden und
nicht über diese Tätigkeiten ihrer
Direktion in Kenntnis waren. Nestlé hat
sich dafür entschieden, es einer Bürgergruppe
nicht zu erlauben, ohne ihre Kontrolle eine
wissenschaftliche Studie über ihre Aktivitäten
zu führen. Ausgeübte Kontrolle und
gesammelte Informationen durch Infiltration
und Spionage. Schließlich verurteilen
wir die Rolle von Securitas. Diese private Sicherheitsfirma,
deren traditionelle Dienstleistungen in den
Bereichen der Bewachung von Gebäuden und
Parkplätzen bestehen, hat einen Spionageauftrag
einer Gruppe von Personen akzeptiert, die in
keinem Fall auch nur irgendeine Bedrohung oder
Gefahr darstellten, außerhalb der Tatsache,
dass die Recherchenergebnisse nicht direkt von
dem multinationalen Konzern Nestlé kontrolliert
werden konnten.
Aus
diesen Gründen haben die BuchautorInnen
entschieden, Strafanzeige gegen X zur erstatten.
Sandra
Bott, Ounsi El Daïf, Isabelle Paccaud,
Janick Schaufelbühl, Béatrice Schmid
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