Wir
befinden uns an einem wichtigen Wendepunkt.
Die jetzt stattfindende Rezession kennzeichnet
das Ende der fünfundzwanzig Jahre dauernden
Periode des Wirtschaftswachstums, das auf dem
neoliberalen Modell basierte – einem Modell,
das für das Kapital jahrelang ein großer
Segen war, für die Arbeiterklasse aber
viel Elend brachte. Neoliberale Maßnahmen
wurden vor einer Generation eingeführt
– nach dem langen Nachkriegsboom und dem
Beginn der Krise in den 70er Jahren –,
um die kapitalistische Rentabilität wiederherzustellen.
Diese Politik beinhaltete, was Angebotsökonomie
genannt wurde, wozu Steuersenkungen für
die Reichen, ökonomische Deregulierung
und Privatisierung, Einschnitte bei den Sozialleistungen,
Angriffe auf die Gewerkschaften und Lohn-kürzungen
gehörten. Diese Politik führte zu
einer gewaltigen Zunahme der Verschuldung. Der
Monetarismus war die Grundlage der Finanz-politik,
und billige Kredite wurden als Lösung gegen
den Wirtschafts-abschwung betrachtet. Diese
Politik hat nun zu einer ökonomischen Katastrophe
geführt – zuerst für die Werktätigen,
aber nun auch für das kapitalistische System
selbst.
Die
destruktiven Folgen des Neoliberalismus werden
eine Reorganisat-ion des Kreditsystems und der
Banken erfordern sowie eine Sanierung des unausgewogenen
Systems des Welthandels. Diese Krise ist tiefer
als eine klassische zyklische Rezession –
sie wird lange, schmerzvolle Jahre von Krise
und Umstrukturierung zur Folge haben. Das bürgerliche
Programm dafür ist noch nicht bestimmt,
aber zweifellos treten wir in eine neue Periode
ein, sowohl in ökonomischer wie in politischer
Hinsicht, die das Kräfteverhältnis
zwischen den führenden Nationen in der
Welt verändern wird.
Vor
einem Jahr wurde klar, dass die USA einer Rezession
entgegengehen. Der Wirtschaftszyklus war an
seinem Gipfelpunkt angekommen und die Überproduktion
an Immobilien produzierte erst stagnierende
und dann sinkende Immobilienpreise, als der
„Subprime”-Immobilienmarkt1
verfiel. Der immer noch stattfindende Zerfall
der Immobilienblase leitete einen gleichermaßen
langsamen Zerfall der Kreditblase ein, die der
Economist vor einigen Jahren als die größte
Finanzblase der Welt bezeichnet hatte. Der Einfluss
sinkender Hypotheken sandte die ersten Schockwellen,
die einen Hebeleffekt auf die Struktur des stark
verschuldeten Finanzsystems hatten. Die massiven
Forderungsausfälle zerstörten die
Profite der Banken, beschränkten ihre Fähigkeit
zur Kreditausgabe und führten eindeutig
zu einer Kreditkrise und Rezession
1
Es handelt sich um Hypothekendarlehen
zu variablen Zinsraten. Die Erhöhung
der Basiszinsrate durch die Federal Reserve
hat zur Folge, dass zahlreiche Haushalte
diese Darlehen nicht zurückzahlen
können, während gleichzeitig
die Immobilienüberproduktion den
Wert der Immobilien senkt, was dazu führt,
dass die Gläubiger ihre Darlehen
nicht zurückerhalten, selbst wenn
sie sich die Immobilie aneignen und die
„Eigentümer“ vor die
Tür setzen. |
Es
war anfangs nicht vorauszusehen, wann sich dies
auf die gesamte Ökonomie auswirken würde,
wenngleich wir annahmen, dass es in ein bis
zwei Jahren der Fall sein würde. Die Welt
befand sich noch auf dem Gipfel ihres größten
Booms seit den frühen 70er Jahren. In den
USA waren die Profite sehr hoch und die Profitraten
der Banken waren die höchsten seit den
20er Jahren. Auch konnten wir nicht voraussehen,
welche Maßnahmen die Regierung ergreifen
würde, um den Prozess der Rezession zu
verlangsamen oder seine Wirkungen zu schwächen.
Als
1998 die Asienkrise in das globale Finanzsystem
schwappte, beschloss Alan Greenspan, der Chef
der Federal Reserve Bank, erstmalig einen laufenden
Wirtschaftsboom anzureizen. Die Rezession wurde
in den USA über zwei Jahre lang erfolgreich
hinaus-gezögert. Der Preis dafür war
hoch: Die Blase der „new economy“
führte zu einer Implosion der Börsenkurse,
und gewaltige Handelsdefizite und Auslandsschulden
häuften sich, als die USA für Asien
als Käufer „der letzte Ausweg“
wurden. Und als die Rezession schließlich
2001 die USA erreichte – mit den größten
Abstürzen bei den Profiten seit den 30er
Jahren –, wurden ihre Auswirkungen durch
das größte Paket an Anreizen seit
dem Zweiten Weltkrieg abgefedert. Das Plus von
250 Milliarden Dollar im Regierungsbudget wurde
in ein Defizit von 300 Milliarden Dollar verwandelt;
1 Billion Dollar an Steuerkürzungen für
die Reichen und Kriegsausgaben wurden verwendet,
um die Auswirkungen der Krise abzuschwächen.
Die Zinsraten wurden drei Jahre lang auf 1–2
% gekürzt, um die Betriebskosten zu senken
und die Rentabilität wiederherzustellen.
Das Resultat war die schwächste Erholung
seit dem Zweiten Weltkrieg, und der Preis dafür
waren die Immobilien- und Schuldenblase, deren
Zerfall zur gegenwärtigen Krise führte.
Die
Wirtschaft befindet sich nun in einer Rezession
oder steht vor einer solchen. Bei jedem Wendepunkt
liefern die Eckdaten noch widersprüchliche
Signale. Teile der Wirtschaft be- finden sich
sichtbar in einer Rezession; bei Bau, Auto,
Finanzen und Einzelhandel bspw. werden keine
Arbeitsplätze mehr geschaffen. Kreditzusammenbrüche
haben in den bislang stabilsten Bereichen des
Finanzsystems stattgefunden. Doch einige Daten
liefern die Illusion, wonach die Ökonomie
sich nicht in einer Rezession befindet, sondern
nur in einer Wachstumsverzögerung, oder
wonach die Rezession mild oder kurz sein wird.
Demnach soll das Wachstum in einem Zeitraum
von sechs Monaten wiederhergestellt sein, da
niedrigere Zinsraten und ein Finanzhilfsprogramm
von 150 Milliarden Dollar den Konsum wiederherstellen
würden. Einige Analysten sagen voraus,
dass die Exportindustrie die Wirtschaft über
Wasser halten wird. Aber die Exporte, die im
dritten Quartal 2007 um 19 % gewachsen waren,
wuchsen im vierten Quartal nur um 3,9 %, trotz
des niedrigen Dollarkurses. Die Verlangsamung
des Exportwachstums ist ein Zeichen ökonomischer
Schwäche, die sich international ausbreitet.
Die
Argumente zugunsten einer milden Rezession gründen
auf der Erwartung eines schnellen Wiederaufschwungs
der Profite. Während die Profite im vierten
Quartal 2007 dramatisch sanken – um 20
% gegenüber dem Vorjahr –, beruhte
der Niedergang auf den großen Abschreibungen
im Bankensystem, die fortdauern werden. In den
übrigen Bereichen der Ökonomie schienen
die Profite standzuhalten, insbesondere in den
Sektoren Öl, Rohstoffe und Hightech, die
alle vom weltweiten Boom profitierten. Die Profite
der 500 größten Unternehmen wuchsen
noch um 11 % im Verlauf des Jahres 2007. Doch
der größte Teil dieser Profite stammt
aus internationalen Geschäftsabschlüssen.
Es gibt noch keine verlässlichen Zahlen
über die Profi- te aus dem Inlandsgeschäft,
die im Jahresverlauf gesunken sind.
Jeden
Tag gibt es neue Daten des ökonomischen
Niedergangs. Der größte Schock war
der heftige Zusammenbruch der Dienstleistungsökonomie
(das Institute for Supply Management berichtete,
dass sein Index der Aktivität des Dienstleistungssektors
im Januar 2008 auf 41,9 gesunken sei –
von 54,4 im Dezember 2007; ein Index unter 50
zeigt eine Rezession an). Mittlerweile erreichen
Krediteinschränkungen ständig neue
Bereiche – trotz massiver Liquiditätsspritzen
(Zentralbanken stecken Geld in die Banken, um
eine Lähmung des Kredits zu verhindern).
Das Wall Street Journal erwähnte kürzlich
„die Reduzierung der Bonität von
Kreditkarten“, weshalb 7,6 % der Kreditkartendarlehen
mindestens 60 Tage im Verzug sind oder zwangsvollstreckt
werden. Das Scheitern von Krediten die „auction-rated“
(d. h. deren variable Zinsraten periodisch durch
Versteigerungen bewertet werden) sind –
angeblich die sichersten Kredite – hat
die kommunalen Zinsraten nach oben schnellen
lassen. Kredite für Studiendarlehen versiegen
und die Kreditrestriktionen für Unternehmen
wie Konsumenten nehmen zu.
GLOBALE
DIMENSIONEN
Der
Abschwung ist nun global geworden. Die Rezession
begann in den USA und hat dort ihr Zentrum,
aber es gibt auch einen Konjunkturrückgang
in Europa und Japan. Italien scheint sich bereits
in der Rezession zu befinden. Die Immobilienblase
ist u.a. in Großbritannien, Irland und
Spanien zerplatzt; andere, darunter China, werden
vermutlich folgen. Die europäischen Banken
haben begonnen, über ähnliche Schwierigkeiten
zu berichten wie die amerikanischen Banken.
Im Januar gab es einen internationalen Börsencrash,
der die USA, Kanada, Japan, Großbritannien,
Frankreich und Deutschland betraf, aber auch
die aufstrebenden Märkte (Brasilien, Russland,
Indien und China). Der Crash dauerte drei Wochen,
vom 2. bis 23. Januar, und die Börsenkurse
sanken zwischen 15 und 20 %. Über 7 Billionen
Dollar an Effekten wurden dabei ausgelöscht.
Die Theorie, nach der die Weltökonomie
sich von der US-Ökonomie abgekoppelt habe
und der weltweite Boom auch angesichts einer
Rezession in den USA weitergehen werde, ist
in einer internationalen Börsenpanik zusammengebrochen.
In
den letzten Jahren ist der Anteil der USA an
der Weltwirtschaft dramatisch gesunken, von
30 % auf unter 25 % des weltweiten Bruttoinlandsprodukts
(BIP), aber die USA sind noch immer das Zentrum
des internationalen kapitalistischen Systems.
55 % aller in Asien produzierten Güter
werden exportiert, zwei Drittel davon in die
USA und die anderen fortgeschrittenen Industrieländer.
Der Konsumentenmarkt in den USA beläuft
sich auf 9,5 Billionen Dollar, in Indien und
China zusammen auf 1,6 Billionen Dollar. Asiatische
Fertiger sind für den Verkauf ihrer Waren
vom US-Markt abhängig – ohne ihn
haben sie eine Überproduktionskrise. Deshalb
wird der Niedergang des US-Marktes eine unheilvolle
Auswirkung auf die übrige Weltwirtschaft
haben.
Zunehmend
sieht es so aus, als ob die ganze Welt zusammen
in eine Rezession eintritt. Seit 1973 hat es
keine koordinierte internationale Rezession
mehr gegeben. Seit damals boomten einige Länder,
wenn andere eine Rezession aufwiesen, und hielten
ihre Exportmärkte aufrecht, um den Abschwung
in den Ländern mit einer Rezession zu lindern.
Wenn alle gemeinsam in die Rezession gehen,
ziehen sich die Exportmärkte überall
zusammen und vertiefen so die Rezession weiter.
Die
aktuelle Krise ist auch eine Krise des Finanzkapitals,
die in den USA begonnen hat, sich aber auf das
internationale Banksystem ausbreitet. Das Banksystem
ist der Schlüssel zur kapitalistischen
Produktion ebenso wie zur Verteilung, die beide
ohne Kredit nicht funktionieren können.
Und es ist auch einer der wesentlichen Wege,
auf dem der US-Imperialismus die Welt beherrscht
hat, durch sein internationales Banksystem.
Vor einem Jahr, als die Verlangsamung begann,
waren die meisten Aspekte des Kreditsystems
vor der Öffentlichkeit verborgen. Es gab
keine öffentliche Kenntnis der structural
investment vehicles (SIV)2,
die angewandt wurden, um die Kapitalreserven
niedrig zu halten und so die Profite aufzublähen,
oder der massiven Verbreitung von Betrug und
Korruption im Zentrum des Finanzsystems.
2
SIV sind Fonds, die kurzfristig Geld zu
niedrigen Zinsen aufnehmen und langfristig
zu höheren Zinsen anlegen. Diese
Fonds, die massiv in langfristige Subprime-Kredite
investiert haben, sind als erste von der
aktuellen Krise betroffen. |
Die
Banken werden durch Verluste gelähmt, die
ihren Ursprung in der Immobilienblase haben.
Bislang haben sie 160 Milliarden Dollar an Ab-schreibungen
aus Subprime-Hypotheken verloren (ein Drittel
davon bei nur drei Banken – Citicorp,
Merrill Lynch und UBS), und es wird erwartet,
dass sie insgesamt 300–400 Milliarden
Dollar an Subprime-Hypotheken verlieren. Der
Immobilienmarkt hat den Tiefpunkt noch nicht
erreicht, und wenn die Immobilienpreise weiter
sinken (sie sind bereits um 10 % gesunken und
sollen in den nächsten Jahren um weitere
10–20 % sinken), werden die Banken noch
größere Verluste zu verzeichnen haben.
Die Hausbesitzer werden 4–6 Billionen
Dollar verlieren, und ein Drittel der Haushalte
wird mit Hypotheken belastet sein, die höher
sind als der Wert ihrer Häuser. Auf dem
Subprime- Markt erzielte Verluste führen
zu Kreditschrumpfungen im Wert von 2 Billionen
Dollar. Die gesamte Kreditschrumpfung ist womöglich
noch viel größer. Die kommerziellen
Immobilienmärkte, die vor Monaten noch
boomten, brechen jetzt zusammen. Ihre geschätzten
Verluste können ebenso groß sein
wie die auf Subprime-Hypotheken. Andere Kreditprobleme
nehmen auch zu, von Obligationen auf die Schulden
von Kreditkarten zu Unternehmensfusionen und
-aufkäufen, die durch Risikoobligationen
(sog. junk bonds) finanziert werden.
Firmenobligationen
werden mit Paketen finanziert, die den subprimes
ähneln. Die Obligationen werden geteilt
und als Pakete verkauft; die schlimmsten, risikoreichsten
Teile mit den höchsten Zinsraten. In diesem
pyramidenförmigen Schema, wird der Rest
abgewertet, wenn ein Teil in Verzug gerät.
Obligationen hochverschuldeter Unternehmen wurden
populär, weil die Käufer einen Schutz
in Form der credit derivative swaps (CDS)3
erwerben konnten. Diese CDS stellen einen vollkommen
unregulierten Markt von 45 Billionen Dollar
mit lockeren Leihbedingungen dar. Sie werden
ständig ge-handelt, so dass niemand weiß,
wer den Schutz garantiert und ob die Ressourcen
für seine Finanzierung vorhanden sind.
Gewiss ist, dass mit der Kreditrestriktion und
der Rezession eine große Zahl von Unternehmen
nicht über den nötigen Kapitalfluss
verfügt, um Zahlungen auf eine hohe Verschuldung
zu leisten. Sie werden pleite gehen –
ein Prozess, der gerade erst anfängt und
in den kommenden zwei Jahren in Fahrt kommen
wird. Infolge der fehlenden Transparenz und
des damit einhergehenden Schwindels gibt es
keine sicheren Informationen darüber, wie
groß dieses Problem werden kann.
3
Die CDS sind bilaterale Finanzverträge
zwischen Käufern und Verkäufern
eines Darlehensschutzes. Der Käufer
zahlt jedes Jahr im Voraus eine Prämie,
abhängig vom Betrag des gewährten
Darlehens, an den Verkäufer, der
verspricht, die Verluste auszugleichen,
die aus einem eventuellen Zahlungsverzug
resultieren. Der Verkäufer des Schutzes
erhält somit periodische Prämien
und erhöht sein Haben ohne eine Kapitalinvestition,
wenn bis zur Fälligkeit des Vertrags
kein Zahlungsverzug eintritt. Andernfalls
ist er gezwungen, Gelder zu liefern. Es
handelt sich also um eine Operation außerhalb
der Bilanzen. |
NEOLIBERALE
KRISE
Dieses
wachsende Schulden-debakel resultiert aus der
neoliberalen Politik der Bankenderegulierung,
die mit Reagans Reformen der „Liberalisierung
des Marktes“ in den 80er Jahren begann
und den Banken erlaubte, Operationen à
la Enron durchzuführen, die nicht in der
Unternehmensbilanz auftauchen.4
Um ihre Profite zu erhöhen, konnten die
Banken ihre Darlehen vervielfachen, mit dem
Risiko, dass sie nicht über die Reserven
verfügten, falls die Rückzahlung der
Darlehen scheiterte. Die Steuergesetze von Clinton
und Bush ermutigten Operationen außerhalb
der Bilanzen, indem sie die Löhne der Bankangestellten
als „Zinsertrag“ besteuerten, ein
Steuerschlupfloch für die Kapitalistenklasse,
das es ihr erlaubt, ihren höchsten Steuersatz
auf nur 15 % der Einkommen zu halten, was die
demokratische Mehrheit im Kongress immer noch
konserviert.
4
Enron war an seinem Börsenkapital
gemessen eins der größten
amerikanischen Unternehmen. Außerhalb
ihres Kerngeschäfts im Erdgassektor
hatte diese texanische Gesellschaft
ein Maklersystem aufgebaut, mit dem
sie Strom kaufte und weiterverkaufte,
besonders in das Netz der Stromanbieter
des Bundesstaates Kalifornien. Im Dezember
2001 machte sie Bankrott auf Grund der
Verluste, die sie mit ihren spekulativen
Operationen auf dem Elektrizitätsmarkt
eingefahren hatte – Verluste,
die durch Buchungsmanipulationen als
Gewinne maskiert worden waren. Vgl.
Andrew Pollack,
„EnronOnline und die nicht ganz
so neue New
Economyì, Inprekorr Nr. 367,
Mai 2002
|
Unter
Clinton bestand das neoliberale Geschenk an
die Banken in der Abschaffung des Glass-Steagall-Gesetzes
aus dem Jahr 1933, der Zeit der Großen
Depression, das der Trennung zwischen kommerziellen
und Investment-banken ein Ende bereitet hatte.
Die Investmentbanken standen am Ursprung der
Verschuldungspakete der Unternehmen. Die Agenturen
zur Bewertung von Obligationen (Moody’s,
Standard & Poor’s, Fitch) wurden von
den Urhebern dieser Obligationen bezahlt, um
die bestmöglichen Bewertungen zu liefern,
so dass Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften
sie erwerben können. Die Firma Goldman
Sachs, größte Urheberin dieser tödlichen
Schulden, hat gewaltige Honorare eingestrichen,
wenn sie diese Obligationen an ihre KundInnen
verkaufte, während sie gleichzeitig Milliarden
durch die Spekulation gegen diese Obligationen
eingenommen hat, von denen sie wusste, dass
sie in Zahlungsverzug und Bankrott enden würden.
Es gibt einige Gewinner inmitten dieses Elends.
Hinter
der Finanzkrise des Banksystems gibt es die
Schuldenkrise der KonsumentInnen. Der Hauptgrund
für die Explosion der ausufernden Verschuldung
der KonsumentInnen ist die extreme soziale Ungleichheit
infolge der neoliberalen Politik des freien
Marktes. Die US-Wirtschaft hat sich seit 1973
nahezu verdreifacht, aber das gesamte Wachstum
ging an das Kapital, nicht an die Arbeit. Die
Reallöhne sind heute niedriger als 1973,
vor 35 Jahren also. Der einzige Weg, den Lebensstandard
zu halten, waren längere Arbeitszeiten
und zwei Einkommen in einer Familie zu haben.
Selbst das reichte nicht: Das reale Familieneinkommen
ist heute niedriger als vor zehn Jahren. Um
ihren Lebensstandard zu halten, versanken die
Arbeitenden tiefer in der Verschuldung. Die
äußerste und schlimmste Verschuldung
bestand in der Aufnahme einer Anleihe mit einer
Hypothek auf die einzigen Ersparnisse, den steigenden
Wert ihrer Häuser. Von 2004 bis zur ersten
Jahreshälfte von 2007 nahmen Hausbesitzer
800 Milliarden Dollar pro Jahr durch die Refinanzierung
ihrer Immobiliendarlehen und durch Hypothekendarlehen
ein. 34 Millionen US-amerikanische Haushalte
– fast ein Drittel der Bevölkerung
– nahmen Anleihen mit einer Hypothek auf
ihr Haus auf. Zusammen hatten sie eine Nettosparrate
von minus 13 %. Anders gesagt, sie lebten buchstäblich
von ihren Häusern.
Als
die Immobilienblase platzte und die Hypothekenraten
in die Höheschnellten, konnte eine große
Anzahl von Lohnabhängigen ihre Zahlungen
auf ihre Häuser nicht mehr leisten und
trug so zu der Spirale der verfallenden Immobilienwerte
bei, und damit auch zur Bankenkrise. Dies hatte
gleichfalls dazu geführt, dass Konsumausgaben,
die auf den Anleihen auf den steigenden Wert
der Häuser beruhten, ein Ende nahmen, was
seinerseits Druck auf die Produzenten von Konsumgütern
– besonders auf die Hersteller von Produkten
wie Autos und Haushaltsgeräten– ausübte
und mittlerweile die Fertigwarenindustrie erreichte.
Natürlich wird dieser Zusammenbruch der
Ausgaben der KonsumentInnen auch einen internationalen
Einfluss auf Länder haben, die von den
USA als dem entscheidenden Markt für den
Export abhängen, da die USA seit der Asienkrise
als „Käufer der letzte Ausweg“
sind.
Seit
der Panik von 1907 und der Schaffung des Systems
der Federal Reserve 1913 ist dies die dritte
US-amerikanische Finanzkrise. Die erste fand
in den 30er Jahren statt, als die innerimperialistischen
Beziehungen, die zu den beiden Weltkriegen führten,
zwischen den Kriegen den internationalen Bankenkrach
produzierten, der die Depression der 30er Jahre
unlenkbar machte. In dieser Periode gab es keine
Einlagenversicherung, und die Krise führte
zu einem Run auf die Banken, als die Menschen
versuchten, ihre Einlagen zurückzuziehen.
Die daraus resultierende Panik führte zum
Bankrott Tausender Banken.
Das
zweite Finanzdesaster war die Spar- und Darlehenskrise
der 80er Jahre, die auf Hypothekengeber beschränkt
war. Dies war ein Verlust von 180 Milliarden
Dollar, der durch eine Finanzspritze der Steuerzahler
sozialisiert wurde, wobei die Aktiva durch die
Resolution Trust Company zu Preisen verkauft
wurden, die Investoren gewaltige Profite ermöglichten.
Es gab eine Kreditkontraktion, aber sie war
nicht intensiv genug, um einen langfristigen
Einfluss auf die Ökonomie auszuüben.
Die
jetzige dritte Krise ist viel weitreichender
als die zweite. In ihrem Anfangsstadium lässt
sie bereits das Ausmaß der zweiten hinter
sich. Es gibt noch kein genaues Bild, wie schlimm
sie wirklich werden wird. Doch die Banken werden
sogar mit einem Teil des Verlusts der Subprime-Hypotheken
gelähmt. Sie mussten Kapital zusammenbringen,
indem sie Teile der Banken nach Abu Dhabi, Singapur
und an verschiedene andere souveräne Vermögensfonds
verkauften – was faktisch zur teilweisen
Kontrolle durch ausländische Regierungen
führt.
Als
Japans Immobilien- und Aktienblase 1990 platzte,
wurden die japanischen Banken, die Inhaber der
Schulden waren, durch zweifelhafte Außenstände
gelähmt. Japan litt über ein Jahrzehnt
an einer Rezession und Stagnation, trotz Zinsraten,
die nahezu auf Null reduziert wurden. Japan
entging der Rezession erst kürzlich durch
den Asienboom. Die jetzige Bankenkrise könnte
durchaus schlimmer sein als diejenige Japans
aufgrund der Anzahl der Banken in der ganzen
Welt, die von der Schaffung nichtregulierter
Kreditderivate und von Operationen außerhalb
der Bilanz betroffen sind. Ihre globale Auswirkung
wird größer sein, weil anders als
die US-Banken die japanischen Banken nicht im
Zentrum des internationalen Finanzsystems stehen.
ANGEHÄUFTE
WIDERSPRüCHE
Diese
Finanzkrise ist potenziell gefährlicher,
weil sie sich vor dem Hintergrund der tiefen
Widersprüche der neoliberalen Periode vollzieht.
Das System des Welthandels nahm nach der Asienkrise
von 1997/98 und der Antwort der von Greenspan
geführten Federal Reserve auf diese Krise
eine besondere Form an. Die USA wurden zum Käufer
in letzter Instanz, indem sie billigere asiatische
Waren importieren und Produktionsstätten
nach Asien, vor allem China, verlagern. Die
USA verloren ihre Wettbewerbsposition auf dem
Weltmarkt. Das US-Handelsde- fizit blähte
sich in den letzten Jahren auf jährlich
700–800 Milliarden Dollar auf, das durch
eine Auslandsverschuldung von 3,5 Billionen
Dollar bezahlt wird – 80 % der weltweiten
Ersparnisse finanzierten dieses Defizit. In
diesem Wirtschaftszyklus haben die USUnternehmen
nicht in die Schaffung neuer Fabriken und Ausrüstung,
d. h. in die Ausdehnung der Produktionsmittel,
investiert. Es gibt heute in den USA weniger
Fabriken als vor Beginn der Wachstumsphase vor
sechs Jahren. Es gibt heute 3 Millionen industrielle
Lohnabhängige weniger als vor fünf
Jahren. Mittlerweile haben US-Unternehmen massiv
in neue Fabriken in China und Südostasien
investiert. Der größte Teil der Produktion
dieser Fabriken geht in den Export und dadurch
in einem Kreislauf zum großen Teil in
die USA.
Dieses
internationale Handelssystem mit dem gewaltigen,
von asiatischen Zentralbanken finanzierten USHandelsdefizit
kann nicht ewig bestehen bleiben. Doch existiert
es schon so lange, dass es ein akzeptierter
Teil von Welthandel und -finanzen geworden ist.
Aber das US-Handelsdefizit wird unhaltbar, denn
es trifft auf die Kredit- und Verschuldungskrise
sowie auf den Niedergang des Dollarkurses. Die
USA, die nun der Welt größter Schuldner
sind, liehen im Ausland 3,5 Billionen Dollar,
wobei sie sich weigerten, ihre Währung
zu verteidigen. Sie erlaubten (und ermutigten
als Exportstütze) die Abwertung des Dollars
um 30 % seit dem Jahr 2000. Die ausländischen
Gläubiger der USA haben durch die Dollarabwertung
eine Billion Dollar verloren, der größte
Schuldenzahlungsausfall der Geschichte. Es gibt
deshalb eine größere Zurückhaltung
seitens ausländischer Banken und Investoren,
die US-Verschuldung durch Erhöhung ihrer
Dollarreserven weiter zu finanzieren, da der
Dollar aufgrund der Schuldenprobleme, der Kürzung
der Zinsraten, schwacher US-Pro fite und der
Handels- und Haushaltsde- fizite weiter an Wert
verliert.
Zur
schmerzhaften Umstrukturierung der US-Ökonomie
gehört eine schmerzhafte Angleichung des
Welthandels. Länder, die vom Export für
den US-Markt abhängig sind, werden von
dieser Krise betroffen sein. Der chinesische
Binnenkonsum beträgt nur 35 % des BIP;
bei sinkenden Exporten ist China mit einer Überproduktion
in den meisten Industriezweigen konfrontiert.
Die chinesische Produktion wurde bislang durch
die Handelsbeziehungen mit den USA aufrechterhalten,
die nun zunehmend unhaltbar geworden sind. Die
chinesische Regierung hält 1,5 Billionen
Dollar an Fremdwährungsreserven, wovon
der größte Teil aus Schulden der
US-Regierung besteht. Unhaltbare Bedingungen
werden, auch wenn sie jahrelang fortbestehen,
schließlich zum Eklat führen. Die
aktuelle Krise wird dies verdeutlichen.
Auch
die Kriegsökonomie verstärkt das Ausmaß
der Krise. Im Jahr 2000 betrugen die Militärausgaben
299 Milliarden Dollar; mittlerweile belaufen
sie sich auf über 800 Milliarden Dollar
– eine Zunahme von einer halben Billion
Dollar in sieben Jahren. Vom Ende des Vietnamkriegs
bis 2007 betrugen die Rüstungsausgaben
3–4 % der Wirtschaft, mit Ausnahme einiger
Jahre der Aufrüstung während Reagans
zweitem Kalten Krieg.
Die
Rechte verlangt eine Ausweitung des Militärs
und eine Erhöhung der Rüstungsausgaben.
Sie behauptet, dass sie gegenwärtig 4 %
des Bruttosozialprodukts (BSP) betragen, und
spricht von 515 Milliarden Dollar. Aber wenn
man die zusätzlichen Ausgaben für
den Krieg in Afghanistan und im Irak einbezieht
sowie die Ausgaben für die innere Sicherheit,
die CIA, die Nuklearwaffen als Teil des Energiehaushalts
und die zusätzlichen Kosten für die
Gesundheitsversorgung von Veteranen, machen
die Militärausgaben über 800 Milliarden
Dollar, also 6 % des BSP, aus.
Gegen
Ende der permanenten Rüstungswirtschaft
mit der Niederlage der USA in Vietnam konnten
die USA ein Ausmaß von 6 % oder mehr des
BSP nicht länger aufrechterhalten. Es war
nur durch eine totale Beherrschung des Weltmarkts
durch die USA erreichbar. Nachdem die USA Ende
der 60er Jahre Konkurrenten erhalten hatten
– die wiederaufgebauten Länder Deutschland
und Japan –, konnten sie eine permanente
Rüstungswirtschaft dieses Ausmaßes
nicht länger halten. Die Geschichte wiederholt
sich. Mit einer geringen Wettbewerbsfähigkeit
der USA auf dem Weltmarkt, einem gewaltigen
Handelsdefizit und nun auch der Abhängigkeit
von Auslandsanleihen haben die USA Probleme,
das Ausmaß an Kriegsausgaben aufzubringen,
das erforderlich ist, um ihre Position als Weltsupermacht
zu bewahren. Durch seine endlose militärische
und politische Katastrophe im Irak und in Afghanistan
geschwächt, hat der US-Imperialismus nun
gewaltige Wirtschaftsprobleme, die seine Macht
untergraben und das internationale Kräfteverhältnis
ändern.
Das
diesjährige Defizit im Regierungshaushalt
wird von 4 Milliarden aufwärts bis zu 500
Milliarden Dollar reichen, wovon der größte
Teil vom Rest der Welt geliehen wird. Die Demokraten
werden dafür die Steuerkürzungen der
Bush-Regierung verantwortlich machen und dabei
die zusätzlichen 500 Milliarden Dollar
übersehen, die für den Krieg ausgegeben
wurden, für den auch sie gestimmt haben.
Wegen
der oben genannten Gründe erleben wir jetzt
mehr als nur den Beginn einer Rezession, nämlich
einen Wendepunkt, ähnlich dem beim Ende
des Nachkriegsbooms 1970–73. Damals führten
die Widersprüche der permanenten Rüstungswirtschaft
– die USA verloren ihren Wettbewerbsvorteil
in der Weltwirtschaft – zu einer tiefen
Rentabilitätskrise, auf die eine größere
Umstrukturierung des US-Kapitalismus folgte.
In den zwölf Jahren von 1970 bis 1982 gab
es vier Rezessionen. Die USA waren gezwungen,
das Abkommen von Bretton Woods und feste Wechselkurse
aufzugeben und den Dollar zu floaten zu lassen.
In den 70er Jahren hatten die USA noch die höchsten
Löhne und die niedrigste Produktivität
im Vergleich zu ihren Hauptkonkurrenten. Ende
der 80er Jahre hatten sie geringere Löhne
und eine höhere Produktivität als
ihre Hauptrivalen.
Diese
enorme Umstrukturierung wurde unter dem ideologischen
Banner des Neoliberalismus erreicht. Der Keynesianismus
war die akzeptierte Orthodoxie der bürgerlichen
Ökonomie seit der Depression der 30er Jahre
gewesen. Die keynesianische Umverteilung mit
dem Ziel, die Konsumentennachfrage zu erhöhen
und so Rezessionen zu bekämpfen, wurde
für die In- flation verantwortlich gemacht,
und sie hatte keine Antworten auf die Stagflationskrise
der 70er Jahre mit gleichzeitiger Inflation
und Verlangsamung des Wachstums.
Das
neue ökonomische Modell des Neoliberalismus
markierte eine Rückkehr zu den Bedingungen
des „freien Marktes“ vor dem Aufstieg
der Gewerkschaften, des Wohlfahrtstaats und
der staatlichen Regulierung in den 30er Jahren.
Das neoliberale Mantra bestand darin, dass Privatisierung
und Deregulierung der Industrie die Wettbewerbsfähigkeit
stärken, zu geringeren Kosten führen
und die Inflation zügeln würden. Die
Neoliberalen befürworteten auch die „Angebotsökonomie“
(im Gegensatz zur keynesianischen „Nachfrageökonomie“):
An die Stelle von Staatsausgaben zur Stärkung
der Konsumentennachfrage sollten Steuerkürzungen
für die KapitalistInnen treten, die, so
die Theorie, dafür in die Wirtschaft zurückinvestieren
und so das Wachstum fördern. Das Argument
war, dass das Geld in den Händen der KapitalistInnen
allen Bereichen der Gesellschaft zugute kommen
würde. In den ersten Jahren der Krise der
70er Jahre war die proletarische Linke international
im Aufschwung; am Ende gab es eine totale Niederlage
der Arbeiterklasse. Das Kräfteverhältnis
zwischen den Klassen verschob sich in den USA
ebenso wie international. Das Kapital und die
konservative Rechte hatten gewonnen. Ihr totaler
Sieg in den 90er Jahren wurde durch den Zusammenbruch
des Stalinismus begünstigt, der zum ideologischen
Triumph des freien Marktes als einziger Alternative
führte.
Nun
stoßen wir auf die Grenzen des Neoliberalismus.
Man kann nicht zulassen, dass in naher Zukunft
Deregulierung bei Hypotheken und Banken zu einer
weiteren Krise wie dieser führt. Die Banken
werden wieder reguliert werden. Die Northern
Rock Bank in England – eines der Opfer
der Hypothekenkrise – ist gerade verstaatlicht
worden. Dies ist die erste Verstaatlichung dieser
Art seit Jahrzehnten. Weitere Steuerkürzungen
für die Reichen, das Steckenpferd der gesamten
Republikanischen Partei, sind nicht länger
haltbar. Die höchsten Spitzensteuersätze
werden erhöht werden, egal wer die Wahlen
gewinnt. Das gemeinsame Umverteilungsprogramm
der Demokraten und Republikaner von 150 Milliarden
Dollar ist – wie unzureichend auch immer
– ein Bruch mit dem Neoliberalismus. Es
ist im Wesentlichen ein keynesianisches Paket,
das die Konsumentennachfrage stimulieren soll.
Es ist auf Personen beschränkt, von denen
erwartet wird, dass sie es ausgeben, für
Personen, die weniger als 150 000 Dollar im
Jahr verdienen. Man kann es nennen wie man will,
aber es ist kein Steuergeschenk an die Reichen.
Der
Neoliberalismus hat sich nun als ökonomische
Strategie des Kapitals erschöpft. Für
die Arbeiterklasse war er stets ein Fehlschlag.
Aber während der Börsenindex 1982
bei 750 lag, sprang er im Jahr 2007 auf 14 000
und spiegelte so den Erfolg des Modells bei
der Wiederherstellung der Profite auf Kosten
der Arbeiterklasse wider. Die Kapitalisten liebten
den Neoliberalismus, weil er ihnen fantastischen
Reichtumbescherte. Sie zögern, ihn aufzugeben,
und werden darum kämpfen, so viel wie möglich
von ihm zu behalten. Der Neoliberalismus wird
erst verschwinden, wenn die herrschende Klasse
ihn durch eine alternative Strategie ersetzt
hat. Geändert hat sich allerdings, dass
die Bourgeoisie mit dem Scheitern ihrer eigenen
neoliberalen Politik konfrontiert ist und eine
Lösung finden muss; doch dies wird nicht
geschehen ohne politische Kämpfe und eine
ideologische Krise, die das Scheitern des freien
Marktes hervorbringen wird.
Es
wird eine neue Wirtschaftspolitik entwickelt
werden. Das wird nicht über Nacht passieren.
Zu Beginn der Krise der 70er Jahre sagte ein
Konservativer wie Nixon: „Wir sind alle
Keynesianer.“ Am Ende des Jahrzehnts gab
es sogar kaum noch Liberale [d. h. im amerikanischen
Sinn „Progressive”], die den Keynesianismus
verteidigten.
NOCH
KEINE NEUE STRATEGIE
Die
herrschende Klasse hat bislang keine neue Strategie
entwickelt. Sie hofft noch, dass ein weltweiter
Boom die Rettung bringt und ist auf kurzfristige
Finanzspritzen fixiert. Es wird Versuche geben,
die Spirale der Hypothekenkrise zu mildern,
den Schutz kommunaler Bürgschaften zu erhalten
und Studiendarlehen zu bewahren. Doch in diesem
Stadium werden nur Bemühungen vorgeschlagen,
die Stückwerk sind, keine neue ökonomische
Strategie. Es sollte auch klar sein, dass jede
neue Strategie, wie sie auch immer heißen
mag, mit einer fortgesetzten, wenn nicht gar
verstärkten Offensive der herrschenden
Klasse einhergeht, die auf den Abbau von Löhnen
und Sozialleistungen und die Erhöhung der
Produktivität abzielt.
„Politik
ist konzentrierte Ökonomie“, pflegte
Lenin zu sagen. Diese Wirtschaftskrise wird
neue politische Programme und Lösungen
hervorbringen. Der Neoliberalismus wird der
neokonservativen Außenpolitik beim Weg
in die ideologische Wüste folgen. Die Niederlage
klärt den Geist; Fehlschläge zwingen
zur Entwicklung neuer Optionen. Aber das Bewusstsein
hinkt hinter der Erfahrung her. Die Rechte befindet
sich in Auflösung und ist auf dem Rückzug.
Sie wird zu Recht verantwortlich gemacht für
den wachsenden militärischen und wirtschaftlichen
Schlamassel, verurteilt wegen ihrer Blindheit,
Inkompetenz und Korruption. Aber die Rechte
ist zu stark, zu sehr mit dem Kapital verbunden,
um zu verschwinden. Das rechte Programm wird
sich ändern. Es kann nicht länger
glaubwürdig darauf hoffen, Steuerkürzungen
für die Reichen, Deregulierung und Einschnitte
ins soziale Netz zu erreichen. Es wird eine
andere Rechte geben, vielleicht entlang der
Linie von Lou Dobbs – ein rechter Populismus,
der ImmigrantInnen attackiert, und der protektionistisch
ist – oder vielleicht noch extremer. Vielleicht
wird eine größere Niederlage bei
den kommenden Wahlen den Prozess der konservativen
Anpassung in Gang setzen, aber die Ideen für
eine neue Rechte sind noch zu rudimentär,
als dass eine klare Vorstellung davon möglich
wäre.
Mit
der Entfaltung der Wirtschaftskrise in den letzten
Monaten sind die Liberalen zögernd nach
links gerückt, wenn auch nur rhetorisch.
Die massive Reaktion auf Obamas vagen Aufruf
zum Wandel hat ihnen gezeigt, dass unter den
Massen der Wunsch nach einer Linkswende besteht,
und dazu geführt, dass seit den Vorwahlen
von Iowa Obama und Hillary Clinton um die Unterstützung
der Arbeiterklasse wetteifern.
Im
Dezember zog John Edwards ein Umverteilungsprogramm
von 70 Milliarden Dollar aus der Tasche, im
Januar konterte Clinton mit 110 Milliarden und
Obama erhöhte auf 120 Milliarden; doch
sogar Bush übertraf sie mit 150 Milliarden
Dollar. Über diese unmittelbaren Antworten
hinaus ist von größerer Bedeutung,
wie der Liberalismus sich in der neuen kommenden
Periode definieren wird. Es wird verschiedene
Versuche geben, keynesianische oder regulierende
Ideen wiederzubeleben, eine staatliche Bürgschaft
für Hypotheken oder eine Einschränkung
von Zwangsvollstreckungen zu präsentieren,
da sich das private Kapital als unfähig
erwiesen hat, seine eigenen Probleme zu lösen.
Aber es gibt noch kein grundlegendes liberales
Programm, um mit der Krise des US-Kapitalismus
fertigzuwerden – nur unmittelbare, beschränkte
Antworten angesichts sich ständig bewegender
Ziele.
In
den letzten Monaten haben die Demokraten viele,
meist vage Versprechen gemacht. Aber sie haben
die Erwartungen und Hoffnungen der Menschen
verstärkt. Die Demokraten haben die besten
Chancen seit Jahrzehnten, die Wahlen deutlich
zu gewinnen. Die Rechte ist diskreditiert. Wie
die Liberalen die Probleme von Krieg und Rezession
behandeln und wie sie die Enttäuschung
über sie behandeln werden, wenn sie bei
der Umsetzung ihrer zahlreichen Versprechen
scheitern, wird den politischen Kontext in der
kommenden Periode prägen.
Wir
sind durch dreißig Jahre der Reaktion,
der Politik des neoliberalen freien Marktes
und der Ideologie von TINA (There Is No Alternative),
die die meisten Menschen mehr oder weniger akzeptiert
haben, hindurch-gegangen. Sogar die Linke kam
nach 1991 zu der Schlussfolgerung, dass eine
Planwirtschaft nicht funktioniere und dass der
freie Markt der einzig effiziente Weg für
eine funktionierende Wirtschaft sei.
Hindernis
für die Entwicklung der sozialistischen
Bewegung ist die generelle Akzeptanz des freien
Marktes als der einzigen Alternative in Verbindung
mit der Vorstellung, dass die Arbeiterklasse
die Gesellschaft nicht verändern könne.
Die aus dem Scheitern des freien Marktes entstandene
ideologische Krise führt nicht automatisch
zu seiner Ablehnung. Aber von dem Glauben, dass
der freie Markt ein positives Gut sei, kann
sich infolge des Einflusses des freien Markts
auf die Arbeitenden der Glaube entwickeln, dass
der freie Markt und seine Auswirkungen schreckliche
Konsequenzen haben.
Wenngleich
wir die Auswirkungen der Krise auf die Kämpfe
der Arbeiterklasse nicht voraussehen können,
können wir sagen, dass die damit einhergehende
Krise des Neoliberalismus größere
Möglichkeiten für die Gewinnung von
Menschen für die Notwendigkeit einer Alternative
zum Kapitalismus schafft.
Joel
Geier ist Redakteur von International Socialist
Review, der zweimonatlichen Zeitschrift
der International Socialist Organization (ISO),
der größten Organisation der revolutionären
Linken in den USA. Der vorliegende Beitrag
ist eine überarbeitete Fassung eines Vortrags,
den Joel Geier auf einer Konferenz der ISO im
Februar 2008 gehalten hat.
Übersetzung: HGM
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