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Seit Anfang Juli wird bei der Flugzeugreinigung in
Genf Cointrin gestreikt

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Von Christoph Schlatter - aus VPOD-Magazin 2. September 2010


Es geht um Löhne – in einem Billiglohnbereich. Die Kolleginnen und Kollegen, die seit 9. Juli ihre Arbeit bei ISS ruhen lassen, kämpfen aber nicht nur dafür. Ihnen geht es auch um Respekt. Und sie kämpfen nicht nur für sich selber: Ihr Streik hat vielmehr exemplarischen Charakter.

ISS Aviation Genf hat – ohne Kader – etwa 130 Beschäftigte. Ein kleiner, unbedeutender Streik bei einer kleinen Firma, so könnte man auf den ersten Blick denken. Der Streik hat aber zahlreiche Besonderheiten, die ihn zu einer ganz wichtigen Auseinandersetzung machen. Zunächst einmal ist es ein ungewöhnlich langer Streik. Bei Drucklegung dieses Hefts dauerte er bereits 53 Tage, fast zwei Monate also. Und über einen Monat hat es gedauert, bis die Arbeitgeber überhaupt angefangen haben, sich millimeterweise zu bewegen. Inzwischen sind Gespräche im Gang.

Unter dem Existenzminimum

Weiter geht es um einen Streik im Tieflohnbereich. Wer sich bei der ISS verdingt, wird nicht reich – auch nicht zu Zeiten des vorher gültigen Gesamt-arbeitsvertrags. Damals hatten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Lohnkarriere zu erwarten, die von 3650 bis 4850 Franken führte. Gewiss tiefe Löhne für Genf, die teuerste Stadt der Schweiz, aber immerhin halbwegs anständige, existenzsichernde Löhne. Die Arbeitgeberin hat diesen GAV gekündigt, um diese Löhne unter das Existenzminimum zu drücken. Neu sollen Monatslöhnerinnen nur noch 3430 und im Maximum – am Ende der Lohnkarriere – 3550 Franken verdienen.

Wer im Stundenlohn angestellt ist, soll nach dem Willen der ISS sogar nur noch 3200 Franken verdienen. Damit kann man in Genf nicht leben – und wird von der Sozialhilfe abhängig. Typisch ist, dass es vorab Frauen sind, die in diesem Bereich arbeiten. Auch bei der Reinigungsfirma ISS Aviation sind die Mehrheit der Beschäftigten Frauen. Bei den (bisher besser gestellten) Monatslöhnern sind zwar die Männer in der Überzahl – die Mehrheit des Pesonals ist aber im Stundenlohn als «Aushilfen» («Auxilières») angestellt. Und unter diesen «Aushilfen» findet man fast nur Frauen.

Es geht in Genf auch um einen Streik gegen Lohn-dumping. Über 15 Jahre lang hatte der Gesamt-arbeitsvertrag für die ISS Aviation Bestand. Diesen langjährigen Vertrag hat die ISS Ende 2009 per Ende Juni 2010 gekündigt. Zielsetzung: bisher einigermas-sen anständige Löhne drücken – je nach Alter 200 bis 1300 Franken im Monat unter die bisherigen Löhne.

Skandalöse Rolle

Letztmals wurde der GAV am 1. Januar 2009 unterzeichnet. Seit 1994 gilt darin die Regelung, dass Beschäftigte mit einem Pensum von 50 Prozent oder mehr automatisch die besseren Bedingungen der Festanstellung im Monatslohn geniessen, für welche ein gewisser Lohnaufstieg programmiert war. In Tat und Wahrheit foutierte sich die ISS um den unterschriebenen Vertrag. Sie engagierte und bezahlte Leute im Stundenlohn, setzte sie aber regelmässig mit Pensen von 70 oder 80 Prozent ein wie Monatslöhnerinnen – einfach zu viel tieferen Löhnen. Als der vpod die Einhaltung des GAV verlangte, weigerte sich die ISS und zog es vor, den Vertrag zu kündigen, den sie kaum ein Jahr vorher unterschrieben hatte.

Eine Besonderheit beim Genfer Streik ist zudem, dass der Staat darin involviert ist – leider hat er bis anhin eine skandalöse Rolle gespielt. Die ISS arbeitet in einem staatlichen Monopolbetrieb und braucht für ihre Tätigkeit eine Konzession. Der Genfer Regierungs-präsident François Longchamp, in Personalunion zugleich Präsident der Flughafengesellschaft und Vorsitzender des zuständigen Wirtschaftsdeparte-ments, gibt zwar zu, dass die konzessionierten Firmen die Gesamtarbeitsverträge und die branchenüblichen Löhne einhalten müssen. Er unternimmt aber nichts, um diese Verpflichtung aus der staatlichen Konzession einzulösen. Im Gegenteil: Longchamp unterstützt das staatliche Lohndumping.