|
Antiglobalisierung |
|
ArbeiterInnenbewegung |
|
Bildungspolitik |
|
Frauenbewegung |
|
Imperialismus
& Krieg |
|
International |
|
Kanton
Zürich |
|
Marxismus |
|
Umweltpolitik |
|
Startseite |
|
Über
uns |
|
Agenda |
|
Zeitung |
|
Literatur |
|
Links |
|
Kontakt |
Schwerpunke
/ Kampagnen |
|
Bilaterale
II |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
(download
im pdf-Format)
|
|
Am
25. September 2005 stimmen wir über zwei
Teile eines „Pakets“ ab: Erstens
über ein Abkommen mit der Europäischen
Union (EU der 25) für die Erweiterung
des freien Personenverkehrs auf die zehn neuen
EU-Länder. Und zweitens über Massnahmen,
die das Parlament beschlossen hat, um schweizerische
und ausländische Lohnabhängige angeblich
vor Lohn- und Sozialdumping zu schützen,
die sogenannten „flankierenden Massnahmen“
zur Erweiterung der Personenfreizügigkeit.
Wir sagen NEIN zu diesen „flankierenden
Massnahmen“, denn sie sind völlig
ungenügend, um die Rechte der schwei¬zerischen
und ausländischen Arbeitnehmer zu schützen,
die in der Schweiz arbeiten oder arbeiten
werden. Die grossen Unternehmen und die Arbeitgeber
sind auf bilaterale Abkommen mit der EU angewiesen.
Es gilt, diesen Umstand auszunützen,
um den Bossen Rechte abzuringen, die bedingungslos
für alle Lohnabhängigen gelten.
Ein
NEIN am 25. September führt keineswegs
zu einer Spaltung der eingewanderten Lohnabhängigen
in diejenigen, die bereits in die Schweiz
kommen können (EU der 15) und diejenigen
der 10 neuen EU-Länder. Für die
Angehörigen der neuen EU-Ländern
wird sich die Rechtslage vor 2011 praktisch
nicht ändern.
Das
NEIN führt lediglich zu einem Moratorium
in Sachen Ausweitung des freien Personenverkehrs
zwischen der Schweiz und der EU der 25. Es
muss eine zweite Abstimmung durchgeführt
werden. Wenn bis dann wirksame „flankierende
Massnahmen“ getroffen worden sind, steht
einem JA nichts mehr im Wege.
|
economiesuisse
(Verband der Schweizer Unternehmen), der Schweizerische
Arbeitgeberverband und der Schweizerische
Gewerbeverband – also alle Arbeitgeberverbände
– geben etwa 10 Millionen Franken aus,
um eine trügerische Propaganda für
ein JA an der Abstimmung vom 25. September
zu finanzieren. Bereits daraus ergibt sich,
wer die wahren Gewinner sind, wenn das „Paket“
angenommen wird.
Entlassungsdrohungen
und vermehrter Lohndruck sind bewährte
Mittel, die die Bosse immer häufiger
anwenden.
Der
Grossunternehmer und Bundesrat Christoph Blocher
steht für das JA ein: „In gewissen
Branchen, etwa im Banken- und Versich-erungsbereich
oder bei den Ingenieuren und der Industrie
dürfte der Druck auf die Löhne wohl
zunehmen.“ (Tages-Anzeiger, 5.7.05)
Beispiele
von Lohnsenkungen (oder von Arbeitszeitverlängerungen
ohne Lohnerhöhung) sind immer zahlreicher,
sowohl in der Privatwirtschaft wie im öffentlichen
Sektor. Bei den SBB will die Leitung die Reinigung
der Wagen 20% billiger erledigen lassen (Le
Matin, 1.7.05). MOPAC, das grösste
Verpackungsunternehmen der Schweiz (beliefert
COOP, Migros usw.), hat Lohnkürzungen
von 15% bis 30% durchgesetzt. Wer sich weigerte,
wurde entlassen! Ein Hauptverantwortlicher
der Gewerkschaft UNIA stellt ernüchternd
fest: „Die Arbeitnehmer müssen
schlechtere Bedingungen in Kauf nehmen oder
gehen.“ (SonntagsBlick, 17.7.05)
Daher
setzen die Bosse für die JA-Kampagne
auf die Gewerkschaftsführung. Der Präsident
des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes,
Rudolf Stämpfli, erklärt, dass „ohne
Zustimmung der Gewerkschaften, respektive
ihrer Basis diese Abstimmung nie zu gewinnen
wäre“ (17.6.05).
Deshalb meinen die Arbeitgeber, es sei Sache
der Leitung des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes
SGB, den Lohnabhängigen das Abkommen
und die „flankierenden Massnahmen“
schmackhaft zu machen. Der Direktor des Schweizerischen
Arbeitgeberverbandes Peter Hasler kommt seit
Dezember 2004 immer wieder auf diesem Punkt
zurück (Schweizer Arbeitgeber, 25/26).
Hier
ist nur eine Antwort angebracht: NEIN zu diesem
Täuschungsmanöver !
|
„Heute
ist der Arbeitsmarkt noch rigider und
unflexibler als mit den flankierenden
Massnahmen.“
Rudolf
Stämpfli, Präsident des Schweizerischen
Arbeitgeberverbandes |
Zeichnung
SonntagsBlick, 17.7.05. |
„Im
Banken- und Versicherungsbereich... oder
bei der Industrie dürfte der Druck
auf die Löhne wohl zunehmen“
Christoph
Blocher, der für ein JA eintritt
(„Tages-Anzeiger“, 5.7.05) |
|
|
|
Die
Arbeitgeberorganisationen machen Kampagne für
ein JA an der Abstimmung. Damit führen
sie ganz einfach die Politik weiter, die sie
seit Jahren zu Lasten der Lohnabhängigen
betreiben.
Zwischen 2001 und 2004 haben die Gesuche um
eine Bewilligung für Nachtarbeit um 75%
zugenommen! Das Jahresarbeitszeitmodell –
gleichbedeutend mit erzwungener Flexibilität
und unbezahlten Überstunden – ist
um 55% häufiger geworden. Und angesichts
der 50’000 fehlenden Krippenplätze
in der Schweiz hat der Direktor des Schweizerischen
Arbeitgeberverbandes Peter Hasler eine Lösung
parat: „Die Unternehmen sind insbesondere
bereit, flexiblere Arbeitsbedingungen zu bieten“
(24 heures, 28.6.05). Hasler ist einer
der prominentesten Befürworter des sogenannten
„freien Personenverkehrs“.
Im Gastgewerbe ist laut dem neuen Gesamtarbeitsvertrag
(GAV) eine Lohnsenkung von 280 Franken im Monat
für Beschäftigte mit Lehrabschluss
und sieben Jahren Berufserfahrung zulässig.
Der neue Präsident von „hotelleriesuisse“,
Guglielmo Brentel, erklärt, heute würde
man Beschäftigten 3150 Franken Monatslohn
brutto bezahlen, die auch für 2000 arbeiten
würden.
In der Maschinenindustrie – deren Dachverband
lautstark bei der JA-Kampagne mitmacht –
wollen die Bosse die Regelung der Arbeitszeit
praktisch aushöhlen. Ein Mindestlohn wird
im Gesamtarbeitsvertrag nicht festgelegt. In
dieser Branche wird der GAV immer mehr wie jener
der ASTAG (Schweizerischer Nutzfahrzeugverband)
aussehen: weder Mindestlohn noch Arbeitszeitenregelung,
Kürzung der Ferienwochen...
Die Post will die Löhne der Posthalter
um 500 bis 1200 Franken monatlich senken. Beim
„gelben Riesen“ ist eine generelle
Lohnsenkung abzusehen, während die Arbeitsbedingungen
immer härter und prekärer werden.
Die Politik der grossen Mehrheit der Kantone
ist von Sparmassnahmen und Lohndruck geprägt.
Der sogenannte Leistungslohn – und damit
Willkür bei der Lohnfestlegung –
wird zur Norm. Die Kantonsregierungen bauen
Personal ab und lagern Dienstleistungen an private
Anbieter mit miesen Löhnen aus. Wer will
ernsthaft daran glauben, dass diese kantonalen
Behörden gegen Lohndruck einstehen werden
?
Mit seinem Beschluss, die Bezugsdauer von Arbeitslosengeldern
von 520 auf 400 Tage (für unter 50-Jährige)
zu senken, hat der Bundesrat 2000 Erwerbslose
der Region Genfersee und Neuenburg in die Fürsorgeabhängigkeit
getrieben. Damit werden sie gezwungen, jegliche
Arbeit anzunehmen – egal wie schlecht
Lohn und Arbeitsbedingungen sind. Die Lage dieser
Erwerbslosen umschreibt der stellvertretende
Direktor der Sozialhilfe Genf jedoch wie folgt:
„Diese umgeschulten Personen [die
also eine Umschulung absolviert haben] sind
auf Grund von Alter und Gesundheitszustand (ab
45 Jahren !) nicht mehr in der Lage, den gesteigerten
Arbeitsrhythmen gerecht zu werden“ (Le
Temps, 15.6.05). Die Sparpolitik des Bundes
wird bis Ende 2010 weitere 28’000 Erwerbslose
produzieren. Wie kann man glauben, dass der
Bundesrat in Zukunft flankierende Massnahmen
zum Schutz der Lohnabhängigen umsetzen
wird ?
Nach Meinung des Waadtländer Arbeitgeberverbandes
soll das JA „für unser Land und
unsere Unternehmen wachstumsfördernde Rahmenbedingungen“
schaffen (Patrons, Juli-August 2005). Aber was
heisst hier Wachstum ? Explodierende Profite
(Zunahme von 18,6 Milliarden im Jahr 2002 auf
62 Milliarden im Jahr 2005 für börsenkotierte
Unternehmen) und Stagnation der Löhne,
wie es untenstehende Grafik zeigt. Zudem haben
die 26 Firmen des SMI (Aktienindex der Schweizer
Börse) zwischen 2000 und 2004 74,8 Milliarden
an ihre Aktionäre ausgeschüttet (Finanz
und Wirtschaft, 3.8.05).
|
Quelle;
Bank Vontobel, Bundesamt für Statistik
* Profite der börsenkotierten Unternehmen |
Wer
für ein JA zur Abstimmungsvorlage eintritt
– und dabei diese Fakten und politischen
Zustände unter den Teppich kehrt –,
täuscht die Lohnabhängigen und Erwerbslosen.
|
Die
zwei Kreise der offiziellen Fremdenfeindlichkeit
Die
Wirtschaftselite der SVP (Schweizerische
Volkspartei) macht Kampagne für das
JA, wie auch der bekannte Fremdenhasser
Philipp Müller, Freisinniger
aus dem Aargau. Dieser hatte die Initiative
zur Begrenzung des Ausländeranteils
auf 18% und zur Verschärfung der
Massnahmen gegen AsylbewerberInnen lanciert
(die Abstimmung fand im September 2000
statt).
Warum
tritt er für ein JA ein ? Seine Antwort:
„Mit der Personenfreizügigkeit
wird die Qualität der Arbeitskräfte
und daher der Immigration verbessert.
Eine Immigration mit erhöhter Schweiz-Kompatibilität“
(Le Temps, 26.7.05).
Diese Sicht der Dinge deckt sich
mit der „Migrationspolitik“,
die der Bundesrat und Christoph Blocher
betreiben. Der Bericht des Observatoriums
zum Freizügigkeitabkommen Schweiz-EU
(seco, 28. Juni 2005), hebt eine Tatsache
hervor: „Mit Inkrafttreten des
Freizügigkeitabkommens hat sich die
Zuwanderung von Bürgerinnen und Bürgern
aus dem EU 15-Raum in die Schweiz etwas
verstärkt während jene aus Drittstaaten
abgenommen hat.“ Mit „Drittstaaten“
sind ausser-europäische Länder
gemeint.
Diese
„Umschichtung“ der Migration
ist erklärtes Ziel der Bundesbehörden.
Ihre Politik stützt sich auf drei
Säulen ab: Das Ausländergesetz
(AuG), das Asylgesetz (AsylG) zur „Kontrolle“
der ausser-europäischen Migration
und die Erweiterung der Personenfreizügigkeit
auf die EU der 25. Es sollen nur jene
Arbeitskräfte einwandern dürfen,
die „den Unternehmen die bestmöglichen
Bedingungen bieten“ (Bundestat
Joseph Deiss).
Wer das JA bei der Abstimmung
für die beste Möglichkeit hält,
Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen,
erliegt einer Täuschung.
Denn
damit wird die Realität der „Migrationspolitik“
des Bundesrats und der Arbeitgeber ausser
Acht gelassen.
Es
wird richtig ein wichtiges Grundrecht
hervorgehoben, das Recht der Lohnabhängigen
auf freien Personenverkehr. Jedoch wird
übersehen, dass dieses Grundrecht
von sozialen und gewerkschaftlichen Rechten
nicht getrennt werden darf.
Diese
Rechte machen erst – sofern sie
verstärkt werden – aus dem
freien Personenverkehr ein echtes Recht
der Lohnabhängigen. Verstärkte
soziale und gewerkschaftliche Rechte werden
die Fremdenfeindlichkeit bekämpfen
und den Kampf für die Regularisierung
der „Sans-papiers“ erleichtern.
Hingegen
ist der „freie Personenverkehr“,
so wie ihn Bosse und Behörden zur
Zeit verlangen, ein Mittel, um die Lohnabhängigen
gegeneinander auszuspielen und das Lohndumping
zu verschärfen, indem fremdenfeindliche
Konflikte geschürt werden.
Auch
dies sind Gründe für ein NEIN
an der Abstimmung und für die Forderung
nach echten Schutzmassnahmen für
alle Lohnabhängigen. Diese Forderung
muss bei einer nächsten Abstimmung
untrennbar mit dem Recht auf freien Personenverkehr
verknüpft werden. |
"Guillotine-Klausel"
oder Plan B? |
Die
Kreise, die für ein JA an
der Abstimmmung eintreten –
in erster Linie die Arbeitgeber
-drohen den StimmbürgerInnen
für den Fall der Ablehnung
der Vorlage am 25.September:
„Wenn das NEIN siegt, sind
alle Abkommen mit der EU hinfälig,
was zu einer wirtschaftlichen
Katastrophe führen würde."
Die
Realität sieht ganz anders
aus. Zunächst müsste
der Entscheid der Kündigung
aller Verträge mit der Schweiz
durch alle EU-Mitglieder einstimmig
getroffen werden. Unter den Mitgliedsländern
sind etliche an den Abkommen mit
der Schweiz interessiert. Hinzu
kommt, was auch die NZZ, die prominenteste
Befürworterin der Abstimmungsvorlage
unter den Medien, in einem Leitartikel
zugeben muss: „Lehnt
die Schweiz eine Ausdehnung der
Personenfreizügigkeit ab,riskiert
sie letztlich die Kündigung
der gesamten Bilateralen I durch
die EU. Das muss nicht zwingend
sofort geschehen, da auch EU-
Staaten von den Bilateralen Verträgen
mit der Schweiz durchaus profitieren“
(NZZ 25/26.6.05).
Schliesslich
gilt, was auch der ehemalige Präsident
der Sozialdemokratischen Partei
Peter Bodenmann festhält:
„Wenn das Volk NEIN sagt,
braucht es einen zweiten Anlauf
mit härteren flankierenden
Massnahen“ (Blick 06.07.05).
Die
Drohungen von Arbeitgebern und
Behörden sind schlicht undemokratische
Erpressungsmanöver.
|
|
|
|
Flankierende
Massnahmen. : Glauben an ein Wunder? |
Die
Investmentbank Morgan Stanley
hat kürzlich folgende Feststellung
gemacht: „Im Euro-Gebiet
wachsen die Reallöhne überhaupt
nicht mehr. Die Konkurrenz der
Billigarbeiter aus den neuen EULändern
hat die Verhandlungsmacht der
Gewerkschaften dramatisch geschwächt“
(SonntagsBlick, W. Vontobel,
31.7 2005).
Die Schweizer Arbeitgeber haben
dies sehr wohl verstanden. Sie
wissen, dass der Druck auf Arbeitsbedingungen
und Löhne zunehmen wird.
Die „flankierenden Massnahmen“
sollen diesen Prozess angeblich
aufhalten. Entspricht dies den
Tatsachen ? Betrachten wir einmal
die Massnahme, die am häufigsten
genannt wird: Die erleichterte
Allgemeinverbindlicherklärung
der Gesamtarbeitsverträge
(GAV). Ein allgemeinverbindlicher
GAV ist bindend für alle
Arbeitgeber und sämtliche
Beschäftigte einer Branche
in einem gegebenen Raum (Kanton
oder kantonsübergreifend
usw.).
„Leider
sehen wir [weder bei den
Arbeitgeberorganisationen,
noch bei den Kantonen] einen
konkreten Willen, [die flankierenden
Massnahmen] wirklich in
die Tat umzusetzen.“
Delegiertenversammlung
der Sozialdemokratischen
Partei SPS, 25. Juni 2005 |
1.
In der Schweiz sind mehr als 60%
der Beschäftigten nicht durch
einen Gesamtarbeitsvertrag geschützt.
Diese Tatsache sollte die Gewerkschaft
UNIA dazu bewegen, die NEINParole
zu empfehlen, denn ihr Motto lautet:
„Für Personenfreizügigkeit
– aber nur mit GAV“.
2. Von den 46
wichtigsten Gesamtarbeitsverträgen
waren im Jahr 2004 nur 20 Anlass
für Verhandlungen über
Mindestlöhne (diese 20 GAV
betreffen lediglich 9,7% der Lohnabhängigen).
Damit ist klar, dass der Schutz
durch Gesamtarbeitsverträge
äusserst bescheiden ist und
sehr nahe bei den minimalen rechtlichen
Verpflichtungen liegt (Obligationenrecht).
3. Gemäss den „flankierenden
Massnahmen“ muss für
eine erleichterte Allgemeinverbindlichkeit
„zuvor missbräuchliches
und wiederholtes Unterbieten in
einer Branche oder einem Beruf
festgestellt“ werden
(seco, 18.3.2004). Der Begriff
„missbräuchlich“
ist äusserst vage. Im Mai
2003 verlangte der Schweizerische
Gewerkschaftsbund SGB noch eine
Definition des Begriffs „wiederholt“
– eigentlich eine selbstverständliche
Forderung. Seither hat er dieses
Ansinnen aufgeben.
4. Bei „wiederholtem,
missbräuchlichem Unterbieten“
von Löhnen und Arbeitsbedingungen
kann eine tripartite Kommission
(Gewerkschaft, Arbeitgeber, Kanton)
einschreiten. Das braucht Zeit,
denn die Kommission muss „sicher“
sein, dass das Unterbieten „missbräuchlich“
und „wiederholt“ stattfindet
und dass damit ein
|
Dumpingrisiko
für die Branche verbunden
ist ! Nach diesem Hürdenlauf
hat die tripartite Kommission
eine Frist von zwei Monaten, um
zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten
eine „Einigung“ zu
erzielen. In dieser Zeit sind
alle erdenklichen Manöver
möglich.
5.
Die tripartite Kommission reicht
dann – mit Einverständnis
der Vertragsparteien des Gesamtarbeitsvertrags
– bei Kanton oder Bundesrat
(falls mindestens zwei Kantone
betroffen sind) ein Gesuch um
Allgemeinverbindlicherklärung
ein. Nur der Mindestlohn und die
ihm entsprechende Arbeitszeit
können Gegenstand eines Entscheids
der Behörden für oder
gegen die erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung
des GAV sein. Bei einer Allgemeinverbindlicherklärung
wird die Kontrolle von paritätischen
Organen durchgeführt. Die
Erfahrung (Gastgewerbe) zeigt,
dass die „Kontrolle“
äusserst oberflächlich
ausfallen kann.
6. Damit die
erleichterte Allgemeinverbindlichkeit
in Kraft treten kann, müssen
die bereits am GAV beteiligten
Arbeitgeber mindestens 50% der
Lohnabhängigen einer Branche
beschäftigen.
Schlussfolgerungen. Eine Vielzahl
von Faktoren werden die Umsetzung
dieses ganzen Konstrukts beeinflussen:
Die Informationen, über die
die tripartite Kommission verfügt,
die Funktionsfähigkeit der
tripartiten Kommission und der
Willen der Beteiligten, die Entscheide
der Arbeitgeber, die politische
Haltung der kantonalen und eidgenössischen
Behörden, insbesondere auch
die Position der SVP-RegierungsrätInnen,
die für ein JA zur Abstimmungsvorlage
eintreten...
All dies erklärt vermutlich,
warum die Delegiertenversammlung
der Sozialdemokratischen Partei
SPS am 25. Juni 2005 die Behörden
angefleht hat, etwas für
die Umsetzung der flankierenden
Massnahmen zu tun: „Mit
diesen Neuerungen [den flankierenden
Massnahmen] – falls
sie umgesetzt werden – könnten
wir die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit
[...] mittragen, ohne schlechtere
Arbeitsbedingungen in der Schweiz
befürchten zu müssen
! Leider sehen wir keinen konkreten
Willen, sie wirklich in die Tat
umzusetzen, weder bei den Arbeitgeberorganisationen,
noch bei den Kantonen“.
Was braucht es mehr, damit
die SPS NEIN stimmt ?
Der Kanton Waadt wurde bereits
zum Testfall. Der Sekretär
der Gewerkschaft UNIA gibt zu:
„Indem er im Rahmen
der Beratungen über das Beschäftigungsgesetz
alle Forderungen der Gewerkschaften
verworfen hat, verzichtet der
Waadtländer Grosse Rat faktisch
auf jegliche ernsthafte Massnahme
zum Schutz gegen Lohn- und Sozialdumping“
(24 heures, 14.6.05). Zwischen
der Werbekampagne der Schweizerischen
Gewerkschaftsbundes SGB über
die flankierenden Massnahmen und
der politischen und sozialen Realität
klafft ein Abgrund. Schon
dies allein ist Grund genug, NEIN
zu stimmen.
Nicht gehaltene Versprechen werden
zu Enttäuschung, Demobilisierung
und vermehrter Angst vor den Chefs
führen. Damit ist die Bahn
frei für fremdenfeindliche
Kräfte.
|
|
|
|
|
Fremdenfeindliche Kreise und Kräfte der
politischen Rechten machen Kampagne für
ein NEIN und sprechen sich klar gegen jegliche
„flankierende Massnahme“ aus.
Auch Peter Spuhler (Industrieller aus dem
Thurgau), prominentester SVP-Befürworter
der Abstimmungsvorlage, ist gegen flankierende
Massnahmen und gibt offen zu: „Ja,
es gibt einen Druck auf die Löhne“
(Blick, 18.7.05).
Kräfte
aus dem rechtsnationalistischen und fremdenfeindlichen
Spektrum, die für ein NEIN am 25. September
werben, lehnen die Festlegung von Mindestlöhnen
durch die Behörden ab (Blick,
19.7.05). In diesem Punkt sind sie einer Meinung
mit dem Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes,
Peter Hasler, der an vorderster Stelle für
ein JA eintritt (Blick, 24.7.05).
Zwischen
allen politisch rechtsstehenden Kräften,
sei es, dass sie für das JA oder aber
für das NEIN Kampagne führen, gibt
es also Übereinstimmung in einem wesentlichen
Punkt: Sie sind gegen jegliche „Regulierung“
des Arbeitsmarktes – genauer gesagt
gegen wirksame Rechte zugunsten der Lohnabhängigen
aller Nationalitäten.
Beispiele von Lohndumping häufen sich.
Mit der Zeit wirken sie sich auf das gesamte
Lohngefüge und die Beschäftigungssicherheit
aus. Das ist so beabsichtigt. Dauerhafte Arbeitslosigkeit
ist ein mächtiger Hebel zur Senkung der
Löhne. Währenddessen steigen Krankenkassenprämien
und Wohnungsmieten immer mehr. Zwischen Mai
1989 und Mai 2005 sind die Mieten in der Schweiz
um 52% gestiegen. In den Städten ist
die Zunahme noch viel krasser.
Angesichts dieser Situation muss das NEIN
zu Lohn- und Sozialdumping mit einer Reihe
von Forderungen für die Zukunft verknüpft
werden. Diese Forderungen müssen zu zentralen
Bestandteilen eines echten Arbeitsrechts werden,
das in der Schweiz – dieser Insel der
Rechtlosigkeit für die Lohnabhängigen
mitten in Europa – erkämpft werden
muss. Die geforderten Rechte sind elementar,
aber entscheidend für die Förderung
kollektiver Kämpfe. Nur so kann der universelle
Leitsatz von gleichem Lohn für gleichwertige
Arbeit umgesetzt werden. Dieses Prinzip wurde
1981 im Zusammenhang mit der Gleichstellung
zwischen Frauen und Männern in der Verfassung
verankert. Das Einführungsgesetz zum
Verfassungsartikel wurde erst 1996 in Kraft
gesetzt. Das Resultat ist in Bezug auf die
Löhne nicht gerade erhebend: 1960 betrug
der durchschnittliche Lohnunterschied zwischen
Frauen und Männern 32%, im Jahr 2002
sind es immer noch 26,4%. Das Ausbleiben von
kollektiven Kämpfen der ArbeitnehmerInnen
erklärt diese desolate Lage zum grossen
Teil. Die Diskriminierung der Frauen in Sachen
Beschäftigung ist in der Schweiz markanter
als in der EU der 15 (NZZ am Sonntag,
26.6.05). Nun enthält aber das Gleichstellungsgesetz
mehr eingreifende Bestimmungen als die „flankierenden
Massnahmen“ der Abstimmungvorlage von
25. September. Diese hängen zudem vom
guten Willen der Arbeitgeber und Behörden
ab.
Willkürliche Diskriminierungen unter
allen Beschäftigten werden immer krasser
und alltäglicher. Das Individualisieren
und Geheimhalten der Löhne – wie
es oft von Arbeitgebern gefordert wird –
fördert diese Entwicklung noch. Mit der
gesteigerten Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt
werden Diskriminierung und Dumping weiter
zunehmen, was auch fremdenfeindliche Spannungen
schürt. Aus diesem Grund braucht es Rechte,
die dieses Namens wert sind. Solche Rechte
können jedoch nur durch kollektives und
solidarisches Handeln bekannt und für
alle geltend gemacht werden. Die Verpflichtungen
der Arbeitgeber müssen präzis und
verpflichtend festgelegt werden.
|
Die
mit dem NEIN verknüpften Forderungen
– zur Verstärkung der Rechte
aller Lohnabhängigen und zur Konkretisierung
des Rechts auf freien Personenverkehr
mit gleichem Lohn für gleichwertige
Arbeit – sind im Folgenden ausgeführt.
1.
Es braucht einen verstärkten Kündigungsschutz.
Zuerst muss die Entlassung von gewählten
Vertreter- Innen der ArbeitnehmerInnen
verboten werden. Ungerechtfertigte Entlassungen
müssen vom Richter aufgehoben werden
können, wie es bei der Kündigung
von Mietverhältnissen der Fall ist.
Denn die Arbeit der tripartiten Kommissionen
hängt in erster Linie von den Informationen
ab, die ihnen die Beschäftigten liefern.
Im Jahr 2003 gab der Schweizerische Gewerkschaftsbund
noch zu: „Solange [Vertrauensleute
der Gewerkschaft] aber nur über
einen sehr schwachen Kündigungsschutz
verfügen, ist es unrealistisch, auf
eine solche sozialpartnerschaftliche Kontrolle
der Arbeitsbedingungen zu setzen.“
Heute handeln die Arbeitgeber immer mehr
nach dem Motto: „Wer nicht einverstanden
ist, kann gehen“. Ein echter Kündigungsschutz
ist daher wesentlich für unsere persönliche
Würde sowie für den Kampf gegen
Lohndumping, katastrophale Arbeitsbedingungen
und Diskriminierung.
2.
Für die Allgemeinverbindlichkeit
der Gesamtarbeitsverträge (GAV)
– d.h. ihre Ausdehnung auf die gesamte
Branche – muss ein Gesuch der gewerkschaftlich
organisierten Beschäftigten ohne
Zustimmung der Arbeitgeber ausreichen.
Die GAV müssen (qualifikationsgerechte)
Mindestlöhne und verbindliche Höchstarbeitszeiten
festlegen. Der GAV darf nicht ein blosser
Abklatsch des Obligationenrechts sein.
3.
In allen Branchen ohne GAV müssen
die Behörden (Kanton oder Bund) im
Einverständnis mit den Beschäftigten
Höchstarbeitszeiten, Minimallöhne
(für ungelernte Beschäftigte
ohne Erfahrung) und effektive („übliche“)
Löhne festlegen.
4.
Die Arbeitgeber müssen Löhne
und Qualifikation aller neu eingestellten
Beschäftigten im elektronischen Amtsblatt
(unter Wahrung der Anonymität der
Beschäftigten) veröffentlichen.
Die Gewerkschaften können diese Daten
verwenden, insbesondere im Rahmen der
tripartiten Kommissionen, und den Lohnabhängigen
vermitteln.
5.
In allen Unternehmen müssen
ArbeitsinspektorInnen –
in genügender Anzahl, d.h. 800 für
die ganze Schweiz – jederzeit und
ohne Anmeldung Zutritt zu allen
Räumlichkeiten und Unterlagen haben.
Die InspektorInnen müssen über
einen stabilen Status und abgesicherte
Anstellungsbedingungen verfügen,
damit sie unabhängig von einem Wechsel
in den kantonalen Mehrheitsverhältnissen
und von irgendwelchen Einflüssen
arbeiten können. Sie müssen
über eine angemessene juristische
Ausbildung und einschlägige Erfahrung
verfügen. Sie müssen qualifizierte
ExpertInnen beiziehen können. |
Lohndumping
im öffentlichen Dienst |
Der
Verband des Personals öffentlicher
Dienste (VPOD) Genf hat bei der
Berufsklasse der „Fachfrauen/Fachmänner
Betreuung“ im Erziehungsbereich
missbräuchliches Lohndumping
festgestellt. Die tripartite Kommission
der Region Genf antwortet auf die
Vorwürfe mit der Aussage: „Diese
Arbeitsverhältnisse sind durch
öffentlich-rechtliche Verträge
geregelt, die durch die flankierenden
Massnahmen zum Abkommen über
die Personenfreizügigkeit nicht
betroffen sind“ (24.6.05).
Bereiche, die vom Staat subventioniert
sind, können also Beschäftigte
aus EU-Ländern mit entsprechender
Qualifikation zu niedrigeren Löhnen
einstellen. In solchen Fällen
sind die ohnehin wirkungslosen „flankierenden
Massnahmen“ nicht einmal anwendbar. |
|
|
Referendumskomitee
gegen Lohn- und Sozialdumping, Postfach
8707, 8036 Zürich
stopdumping@bluewin.ch
PCK 10-95859-4
Bewegung
für den Sozialismus
www.bfs-zh.ch
www.labreche.ch
BFS, Pf 2002, 4001 Basel
BFS, Pf 129, 3000 Bern 23
BFS, Pf 8707, 8036 Zürich
MPS, CP 209, 1211 Genève 4, mps-ge@bluewin.ch
MPS-BFS, CP 961, 1700 Freiburg 1, mpsfribourg@labreche.ch
MPS, CP 120, 1000 Lausanne 20, mps-vd@fastnet.ch
MPS, CP 2218, 1950 Sion 2, mpsvs@hotmail.com
MPS, CP 2320, 6501 Bellinzona, mps-ti@bluemail.ch
August
2005 |
|
|
|
|