Während die Regierungen überall Milliardensummen
in die Kassen der Banken pumpen, um Schaden
von den Spekulanten abzuwenden, droht Millionen
von Arbeitern der Verlust von Arbeitsplatz und
Einkommen, ohne dass sie mit Hilfe rechnen können.
Geht man nach den jüngsten Meldungen
aus der Autoindustrie, so werden die Auswirkungen
der Finanzkrise auf die Beschäftigung
ebenso dramatisch sein, wie dies nach dem
Krach von 1929 der Fall war. Damals verloren
Millionen ihren Arbeitsplatz.
Alle großen Autokonzerne melden drastische
Absatzeinbussen und haben Produktionspausen
oder Entlassungen angekündigt. Dabei
sind die gegenwärtigen Absatzprobleme
zum Teil noch auf die Benzinspreissteigerungen
zu Jahresbeginn zurückzuführen.
Die Folgen der Finanzkrise beginnen sich erst
abzuzeichnen und werden sich in den kommenden
Wochen weiter verschärfen.
Betroffen ist sowohl der Markt für Luxusfahrzeuge
wie die Massenproduktion.
Die teuren Sportwagen und Luxuskarossen von
Porsche und BMW fanden bisher vor allem unter
jenen Schichten Absatz, die durch Finanzgeschäfte
große Vermögen verdienten und denen
es auf einige Zehntausend Euro mehr oder weniger
für ein Auto nicht ankam. Viele sind
nun ihren Job los und schaffen sich kein neues
Auto an.
So berichtet die Süddeutsche Zeitung
über den Sportwagenhersteller Porsche:
"Bislang galt Russland für den kleinen
Sportwagenhersteller als eine sichere Bank.
Wenn irgendwo ein Markt nachgab, glich Russland
den Schwund locker aus. Die Stuttgarter fanden
bis zuletzt genügend Reiche, die ihnen
ihre 100.000 im Jahr produzierten Gelände-
und Sportwagen abkauften. Das scheint vorbei
zu sein."
BMW, wie Porsche auf Wagen der oberen Preisklassen
spezialisiert, meldet für September einen
weltweiten Absatzrückgang von 14 Prozent.
In den USA ging der Absatz von BMW im selben
Monat sogar um ein Viertel zurück. Porsche
verzeichnete in den USA einen Rückgang
von 44 Prozent, die deutschen Autohersteller
insgesamt 27 Prozent. Auch der weltgrößte
Autobauer Toyota erlitt in den USA im September
ein Minus von 32 Prozent.
Aber auch unter normalen Kunden bricht der
Absatz ein. Viele schrecken angesichts der
Ungewissheiten der Krise vor den hohen Ausgaben
für einen Neuwagen zurück. Andere
erhalten den erforderlichen Kredit von ihrer
Bank nicht mehr.
Laut ifo-Forschungsinstitut sind die Geschäftserwartungen
der deutschen Autoverkäufer so schlecht
wie seit Anfang der neunziger Jahre nicht
mehr.
"Auf dem Automobilsalon in Paris herrscht
Alarmstimmung", meldete die Deutsche
Presseagentur (dpa). Und ein Sprecher von
Opel (General Motors) in Rüsselsheim
kommentierte: "Die Finanzkrise führt
dazu, dass die Menschen in Europa sich beim
Autokauf zurückhalten." Das gelte
besonders für Spanien, Deutschland und
Großbritannien.
Der Autoabsatz in Spanien, das von der Immobilienkrise
besonders hart betroffen ist, liegt im Moment
44 Prozent unter dem Vorjahreswert. Nach Berechnungen
des CAR Instituts der Fachhochschule Gelsenkirchen
wird der italienische Markt in diesem Jahr
mindestens 14 Prozent einbüßen,
der US-Markt 13 Prozent, der englische fünf
bis sechs Prozent und der deutsche Markt ein
bis zwei Prozent.
Produktionsstopp
und Arbeitsplatzabbau
Obwohl sich die Auswirkungen der Krise erst
abzeichnen, haben die Autokonzerne sofort
mit Produktionsstopp und Entlassungen reagiert.
Die Autoindustrie klagt seit langem über
Überkapazitäten. Nun nutzt sie die
Gelegenheit, um Pläne zu verwirklichen,
die bisher am Widerstand der Belegschaften
gescheitert sind.
Der zum Ford-Konzern gehörende schwedische
Autoproduzent Volvo hat die Entlassung von
zusätzlichen 3.000 Mitarbeitern bekannt
gegeben. Damit erhöht sich die Zahl der
Stellenstreichungen auf insgesamt 6.000. Als
Grund gab Unternehmenschef Stephen Odell die
"schnell einbrechende Marktlage der weltweiten
Autoindustrie" an.
In Deutschland entlässt Ford im Werk
in Saarlouis zum 31. Oktober rund 200 Zeitarbeiter
zwei Monate früher als geplant. Das Werk
im Saarland mit rund 6.500 Beschäftigten
produziert vor allem für den Export.
Der bayerische Autoproduzent BMW stellt die
Produktion im Werk Leipzig Ende Oktober vier
Tage lang ein. Auch in anderen Fabriken soll
die Produktion zeitweilig ruhen. BMW will
in diesem Jahr etwa 20.000 bis 25.000 Autos
weniger produzieren als im Vorjahr.
Daimler hatte schon im Sommer mitgeteilt,
den Ausstoß bis zum Jahresende um 45.000
Fahrzeuge senken zu wollen. Eine darüber
hinaus gehende Drosselung der Produktion sei
bislang nicht geplant.
VW drosselt zwar nicht die Produktion, aber
den geplanten Bau neuer Fabriken. "Weitere
Ausbaustufen werden wir hinten anstellen,
bis wir eine Verbesserung der Lage haben",
sagte Hans Dieter Pötsch, der Finanzchef
des Konzerns. Die Rahmenbedingungen hätten
sich "erheblich verschlechtert".
Die tschechische VW-Tochter Skoda wird die
Produktion einschränken und in diesem
Jahr 13.000 Fahrzeuge weniger bauen als geplant.
So stand die Produktion am vergangenen Freitag
für einen Arbeitstag weitgehend still.
Am radikalsten geht die europäische
General-Motors-Tochter Opel vor. Sie will
die Produktion bis Jahresende um rund 40.000
Fahrzeuge drosseln. Im Werk in Eisenach mit
1.800 Beschäftigten stehen ab Montag
für drei Wochen alle Bänder still.
In Bochum mit knapp 5.000 Arbeitern hatten
Betriebsrat und Geschäftsführung
schon im August eine zweiwöchige Schließung
während der nordrhein-westfälischen
Herbstferien ab Ende September vereinbart.
Und schon Ende Oktober soll die Produktion
erneut stehen. Opel hat angekündigt,
in der Zeit vom 20. bis 31. Oktober die Produktion
in allen europäischen Werken mit Ausnahme
von Rüsselsheim zu stoppen. Damit wären
auch die Opel-Standorte in Kaiserslautern,
Gliwice (Polen), Ellesmere Port und Luton
(England) sowie Saragossa (Spanien) betroffen.
"Die Menschen sind verunsichert und
halten ihr Geld fest. Die Nachfrage ist im
Keller", rechtfertigte Opel-Sprecher
Andreas Krömer diese Maßnahmen.
"Wir müssen mit Anpassung reagieren.
Wir bauen keine Autos auf Halde."
Tatsächlich ist Opel seit langem dabei,
Arbeitsplätze wegzurationalisieren und
die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern.
Im Bochumer Opel-Werk sind dem Betriebsrat
zufolge unabhängig von der derzeitigen
Absatzflaute wegen Rationalisierungen 900
Stellen in der Produktion in Gefahr. Die Firmenleitung
habe errechnet, dass durch straffere Arbeitsabläufe
und neue Roboter die Produktionszeit von 27
auf 15 Stunden gesenkt werden könne.
Massenarbeitslosigkeit
Die Krise in der Autoindustrie wird eine
Lawine von Entlassungen nach sich ziehen.
Allein in den direkten Kernsektoren der Automobilindustrie
sind in Europa 2,1 Millionen Arbeiter beschäftigt.
Zählt man die indirekten Sektoren hinzu,
so sind über 12 Millionen Beschäftigte
vom Automobil abhängig.
Die Drosselung der Produktion wirkt sich
direkt auf die Zulieferindustrie aus, die
oft auf mittelständischen Betrieben beruht,
die mit geringen Gewinnmargen arbeiten und
schnell vor dem Bankrott stehen. Hinzu kommen
Autohandel und Kfz-Handwerk, die allein in
Deutschland 468.000 Menschen beschäftigen,
darunter 90.000 Auszubildende. Die durchschnittliche
Betriebsgröße beträgt zwölf
Personen, und viele sind hoch verschuldet.
Der Verband des Kraftfahrzeuggewerbes sieht
"schwierige Zeiten" kommen. Zwischen
75 und 80 Prozent der Vertragshändler
hätten schon in den vergangenen drei
Jahren rote Zahlen geschrieben. Die Rendite
der Betriebe läge bei allenfalls einem
Prozent. Die meisten Betriebe verdienten nur
noch mit Reparaturen und Service Geld. Das
Geschäft mit Neuwagen sei praktisch zum
Erliegen gekommen. Neue Autos ließen
sich nur noch mit hohen Rabatten von 15 bis
30 Prozent verkaufen. Gewinn lasse sich damit
nicht mehr erzielen.
Wie die Banken fordern inzwischen auch die
großen Automobilkonzerne Geld vom Staat.
In den USA stimmte am Mittwoch das Repräsentantenhaus
einem Entwurf zu, der den Autoherstellern
zinsgünstige Kredite von 25 Milliarden
Dollar zur Verfügung stellt.
Deutsche Hersteller kritisieren dies: "Das
bringt eine Verzerrung im internationalen
Wettbewerb", sagte der Chef des Verbands
der deutschen Automobilindustrie (VDA) Matthias
Wissmann.
Das hindert die europäische Autoindustrie
nicht daran, von der Europäischen Union
ebenfalls ein Hilfspaket zu fordern. Die Hersteller
verlangen Unterstützungsmaßnahmen
- unter anderem ein niedrig verzinstes Kreditpaket
über 40 Milliarden Euro zur Entwicklung
sparsamerer Fahrzeuge sowie Anreize für
Kunden, Autos, die älter als acht Jahre
sind, auszutauschen.
Profitieren werden davon die großen
Konzerne und ihre Aktionäre. Die Arbeiter,
die ihren Arbeitsplatz verlieren, können
dagegen nicht mit Unterstützung rechnen.
In Deutschland hat die Bundesregierung erst
diese Woche beschlossen, die Beiträge
zur Arbeitslosenversicherung ab dem nächsten
Jahr um 0,5 Prozentpunkt auf 2,8 Prozent des
Bruttolohns zu kürzen. Damit sollen die
Unternehmen von Lohnnebenkosten entlastet
werden.
Die Folge wird sein, dass die Bundesagentur
für Arbeit kein Geld in der Kasse hat,
um das Schicksal der Autoarbeiter, die ihren
Arbeitsplatz verlieren, abzufedern und sie
zu unterstützen.