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Migration,
Konkurrenz, Spaltung und Fragmentierung
der Lohnabhängigen. Wir müssen
die Fremdenfeindlichkeit dort bekämpfen,
wo sie durch das System entsteht und durch
die verschiedenen rechten Strömungen
genährt wird! |
Bei
den verschiedenen politischen Kräften
wie auch an der Spitze der Gewerkschaften
ist es ziemlich normal, die Fremdenfeindlichkeit
zu dulden, ohne viel Aufhebens darum zu
machen.
Man kombiniert dann einige Grundsatzerklärungen
mit sehr wenigen – oder gar keinen
– Massnahmen, welche diese besondere
Spaltung der Lohnabhängigen an der
Wurzel anpacken.
Bei der Rechten ist das nicht überraschend.
Was die „offizielle Linke“
angeht, so wissen wir, dass sich ein Teil
der Gewerkschaftsapparate (der SMUV, heute
Bestandteil von UNIA) seit Jahrzehnten
schon zu einer nur dem ökonomischen
Nutzen verpflichteten Politik gegenüber
den „ausländischen Arbeitskräften“
bekennt. Diese Politik wurde schon immer
durch die Unternehmer und die Behörden
vorangetrieben.
Die Propaganda für das „Paket“
wird nun einige Allgemeinplätze aufgreifen
und sie in Dogmen verwandeln, die nicht
hinterfragt werden dürfen.Wer diese
ablehnt läuft Gefahr, von der classe
politique geächtet zu werden. Das
wäre allerdings nicht weiter tragisch.Aber
schauen wir uns diese Schwindeleien etwas
genauer an, die als „Wahrheiten
von oben“ verbreitet werden.
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Dies ist das beste Beispiel einer falschen
Vorstellung, die den Blick auf die Realität
verstellt.
Es gibt nur wenige Volkswirtschaften auf
der Welt, die im selben Ausmass wie der
schweizerische Kapitalismus über
eine riesige Masse von internationalen
Investitionen – vor allem in den
EU-Staaten und in Länder, die einen
starken Entwicklungsschub erfahren –
verfügen.
Es handelt sich um die am stärksten
internationalisierte Wirtschaft, nicht
nur im Verhältnis zu ihrer Grösse,
sondern auch in absoluten Zahlen. Im Jahr
2002 lag der Nettoüberschuss der
ausländischen Direktinvestitionen6
– es handelt sich um Investitionen,
die zur Kontrolle von Unternehmen im Ausland
führen – bei 179 Milliarden
Franken (Neue Zürcher Zeitung,
3. Februar 2004; Studie der Credit
Suisse Group).
Gemessen an diesem entscheidenden Kriterium
rangiert der schweizerische Kapitalismus
hinter Grossbritannien, Japan und Frankreich
an vierter Stelle. Dabei handelt es sich
nicht um Investitionen, die dazu dienen,
Fabriken oder Dienstleistungen zu delokalisieren
– auch wenn es möglich ist,
dass diese Tendenzen in Zukunft zunehmen
werden. Diese Investitionen werden getätigt,
um Märkte zu erobern, Positionen
zu besetzen, Rohstoffe zu gewinnen und
sich Reichtum (unterschiedliche Profite)
anzueignen, der in der Schweiz zusammenfliesst
und teilweise wieder investiert wird.
Der schweizerische Kapitalismus ist also
sehr offen gegenüber der ganzen Welt,
wenn es darum geht, sich Mehrwert anzueignen
und Lohnabhängige auf internationaler
Ebene „zum Arbeiten“ zu bringen.
2003 arbeiteten 1’808’298
Lohnabhängige in Unternehmen im Ausland,
die durch schweizerisches Kapital kontrolliert
werden. Das entspricht beinahe der Hälfte
der erwerbstätigen Bevölkerung
in der Schweiz.
Nur schon in den 15 „alten“
EU-Ländern (ohne Osterweiterung)
zählt man 1’333’732 Lohnabhängige,
die in Unternehmen unter Kontrolle helvetischen
Kapitals beschäftigt sind. Seit 1999
ist diese Zahl in Ländern wie Tschechien
(von 15’900 auf 20’900) oder
Ungarn (von 9’500 auf 12’158)
stark angestiegen. Allein in Brasilien
arbeiten 87’000 Beschäftigte
in Unternehmen unter Kontrolle des helvetischen
Kapitals (Schweizerische Nationalbank,
Statistische Monatshefte, Dezember
2004).
Auf der Grundlage von drei Kriterien –
wirtschaftliche Integration, Technologietransfer
und Kontakte mit internationalen Business-Netzwerken
– liegt die schweizerische Wirtschaft
auf dem dritten Rang aller Länder
in Bezug auf deren Integration in die
Weltgesellschaft (Neue Zürcher
Zeitung, 26. Februar 2004).
Diese „schweizerische Präsenz“
ist eine Facette von dem, was man als
schweizerischen Imperialismus bezeichnen
kann. Dieser stützt sich auf die
„helvetische politische Neutralität“,
um seine Geschäfte – Industrie,
Banken und Versicherungen – besser
vorantreiben zu können. Die „schweizerischen
Banken“ dienen dem Export des kumulierten
Reichtums der Diktatoren, der vermögenden
und korrupten Kreise Russlands, Brasiliens
oder Argentiniens, und sie bieten all
denen ihre Hilfe an, die in ihrem Land
– von Italien bis Deutschland –
keine Steuern bezahlen wollen.
Schlussfolgerung: Der schweizerische
Kapitalismus ist also gar nicht geschlossen,
er ist sogar das Gegenteil von zugeknöpft.
Doch er öffnet sich nur um seine
Interessen durchzusetzen, um sich den
durch die Lohnabhängigen der ganzen
Welt produzierten Reichtum anzueignen,
und um den Privilegierten und der Autokratie
des Geldes in der Schweiz eine Banken-Versicherung
gegen jegliche Untersuchung wegen Steuerhinterziehung
anzubieten. Dieselbe Dienstleistung wird
der kleinen Minderheit angeboten, die
den Grossteil des Vermögens in der
Schweiz kontrolliert.
Von dieser Öffnung spricht das offizielle
Denken nicht, weder rechts, noch in der
Mitte, noch links. Stattdessen wird ein
groteskes Theater aufgeführt, in
dem zwei unwirkliche Figuren die Hauptrolle
spielen: der (in der Regel sozial-liberal
eingestellte) „Schweizer EU-Befürworter“
und der (rechte) „Schweizer EU-Gegner“.
Genau dies spielt dem transnationalen
Unternehmer Blocher und der nationalistischen
Rechten in die Hände. |
Die
„geschlossene“ gegen
die „offene“ Schweiz? |
6.
Der Nettoüberschuss der ausländischen
Direktinvestitionen ergibt sich
aus dem Gesamtvolumen der aus der
Schweiz im Ausland getätigten
Investitionen abzüglich der
aus dem Ausland in der Schweiz getätigten
Investitionen |
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Die
Notwendigkeit des „freien Personenverkehrs“
und die Gefahr der „fremdenfeindlichen
Abschottung“ : Diese beiden Leitmotive
werden die Vertreter des offiziellen Diskurses
ins Feld führen – zusammen
mit denen, die faktisch beim verbilligten
Verkauf des Pakets dieselbe Perspektive
übernehmen.Welches ist der wahre
Wert dieser Angebote im Ausverkauf ?
Nach dem Zweiten Weltkrieg (um nicht noch
weiter zurückzublicken) hat der schweizerische
Kapitalismus einen doppelten, koordinierten
Prozess vollzogen:
Erstens wurden unter der Führung
der grossen transnationalen Konzerne (von
der Chemie über die Pharmazeutika
und die Banken und Versicherungen bis
zur Maschinenindustrie) Direktinvestitionen
im Ausland getätigt.
Zweitens wurde ein steter Zustrom von
MigrantInnen sichergestellt, ohne dabei
die Kontrolle über die Migrationsbewegungen
zu verlieren. Diese sollen nämlich
an die Entwicklung der Investitionsbedürfnisse
(Kauf von Maschinen und Arbeitskraft)
in den verschiedenen Wirtschaftssektoren
angepasst werden.
Der Bericht des Bundesrats (2003) zur
Aussen-wirtschaftspolitik ist in dieser
Hinsicht mehr als deutlich: „Nicht
jede Unterbietung von Löhnen durch
Zuwanderer (sic!) ist jedoch als Missbrauch
zu qualifizieren. Insbesondere im Bereich
von qualifizierten und hoch qualifizierten
Tätigkeitsfeldern kann eine Belebung
der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt durch
die Personenfreizügigkeit durchaus
erwünscht sein.“ (Beilage zu
Die Volkswirtschaft, 2004) Man
kann sich kaum eindeutiger für eine
verschärfte Konkurrenz unter den
Lohnabhängigen in den so genannten
Spitzenbrachen aussprechen.
Wenn es übrigens um die Auswahl von
Personen von ausserhalb der EU der 25
geht, ist die Qualifikation das entscheidende
Kriterium, denn sie kann billig gekauft
werden, „ohne Missbrauch“.
Denn in gewissen Bereichen des Arbeitsmarkts
sind die „Spezialisten“ in
den Augen der Unternehmer zu teuer geworden.
Die verschiedenen Sektoren der Unternehmer
verlangen also weiterhin möglichst
freien Zugriff auf bestimmte Kategorien
von zugewanderten Arbeitskräften.
Dabei sind sich die Betreiber von Restaurants
mit den Grosskonzernen der Pharmaindustrie
nicht in allen Punkten einig. Aber der
Bundesrat wird versuchen, es allen beiden
recht zu machen. Das Wesentliche liegt
aus Sicht der Unternehmer allerdings noch
einmal anderswo. Ihre Interessen konzentrieren
sich zurzeit auf die folgenden zwei Themen
:
1. Das Hauptziel besteht
darin, eine Selektion aufrecht zu erhalten
und die „Rentabilität“
dieser Arbeitskräfte sicherzustellen.
Bestimmte Kategorien von Personen (Arbeitslose,
Asylbewerber, IV-Bezüger) werden
immer als „Last für die Gemeinschaft“
dargestellt. In den 1950er und 1960er
Jahren zeigte man mit dem Finger auf die
Familien der Saisonniers – die sich
endlich in der Schweiz einrichten konnten
(Familiennachzug) – wenn einige
Mitglieder dieser Familien nicht arbeiten
gingen. Doch die Söhne und Töchter
von MigrantInnen aus Italien oder Spanien
(zweite oder dritte Generation) bilden
heutzutage einen bedeutenden Teil des
Personals der Banken und Versicherungen.
Diese lügnerische Kampagne über
die durch MigrantInnen oder Arbeitslosen
verursachten „Kosten“ dient
dazu, Spaltungen innerhalb der Migrationsbewegungen
und zwischen den zugewanderten und den
ansässigen ArbeiterInnen aufrecht
zu erhalten.
Ausserdem verstellt diese jämmerliche
Lüge den Blick auf die Art und Weise,
in der die Unternehmer den Arbeitsmarkt
organisieren. In den Jahrzehnten 1950
bis 1980 blieb die Entwicklung der Reallöhne
stets hinter dem Wachstum der Produktivität
zurück, was sich in sämtlichen
Studien der OECD über die Schweiz
nachlesen lässt. Seit Beginn der
1990er Jahre besteht das Ziel darin, die
Löhne zu blockieren und zu senken.
Um die Aufmerksamkeit vom Kern der Unternehmerpolitik
weg zu lenken und einen Sündenbock
zu finden ist es ganz nützlich, die
AsylbewerberInnen, die Invaliden oder
die Arbeitslosen als eine Last für
die Gemeinschaft zu bezeichnen.Wenn wir
dies in Erinnerung behalten, ist es nicht
mehr so schwierig zu verstehen, wie die
gesellschaftliche und ideologische Konstruktion
von Fremdenfeindlichkeit vor sich geht.
Die Geschichte zeigt, dass die Sündenböcke
oft dazu gebracht werden, sich gegenseitig
zu bekämpfen (Arbeitslose gegen Zuwanderer,
betrogene Rentner gegen Arbeitslose und
MigrantInnen).
2. Ausserdem soll die
Kontrolle der MigrantInnen und ihrer Herkunft,
durch mehr oder weniger brutale Methoden,
ein Instrument im Dienste des „sozialen
Friedens“ bleiben. Diese Kontrolle
wurde seit jeher durch die „Gefahr
des Anstiegs der Fremdenfeindlichkeit“
gerechtfertigt !
Deshalb kommt es zu diesem verhängnisvollen
Zusammentreffen des freien Personenverkehrs
mit den Verträgen von Schengen und
Dublin und dem neuen Ausländergesetz
(AuG).
Dennoch hat die ausgeprägte Transnationalisierung
des schweizerischen Imperialismus dazu
geführt, dass die Schweiz weltweit
und sicherlich auch in Europa zu den offensten
Einwanderungsländern zählt.
Ein Drittel der Bevölkerung entstammt
entweder direkt oder durch mindestens
einen Elternteil der Einwanderung, ein
Viertel ist ausserhalb der Schweiz geboren.
Für die Unternehmer und die Behörden
ist es sehr wichtig zu verhindern, dass
es zu einem Zusammenschluss eines grossen
Teils der Lohnabhängigen egal welcher
Herkunft in einer gemeinsamen Bewegung
kommt, die dem Kapital gemeinsame Bedürfnisse
und Forderungen entgegenstellt.
Eine „Personenfreizügigkeit“
mit äusserst zerbrechlichen sozialen
und gewerkschaftlichen Rechten wird zu
einer Situation führen, welche die
Konkurrenz und Fragmentierung der Lohnabhängigen
ebenso begünstigt wie individuelle
Reaktionen von Frust und Verzweiflung.
Dies umso mehr, als die Unternehmerschaft
eine Politik durchsetzt, die sich nur
am wirtschaftlichen Nutzen des Migrationspotenzials
aus den zehn neuen Mitgliedsstaaten der
EU7 orientieren.
Ausserdem wird die Arbeitslosigkeit in
der ganzen EU hoch bleiben, ganz im Einklang
mit der Austeritätspolitik der Europäischen
Zentralbank und der Regierungen.
In dieser Situation besteht die
Gefahr, dass ohne wirkliche und gesetzlich
geschützte gemeinsame Verteidigungsinstrumente
(Betriebskommissionen, aktive Gewerkschaften)
die individuelle fremdenfeindliche Haltung
die Oberhand gewinnen kann. Und dann wird
es noch schwieriger werden, gemeinsam
solidarische Aktivitäten zu entwickeln.
Auch das ist ein guter Grund, das „Paket“
zurück an den Absender zu schicken.Auf
der Grundlage eines neues Kampfs für
verbesserte gesetzliche Rechte und Garantien
besteht die Möglichkeit, dass die
Kräfte, die in der neuen EU der 25
die neue neoliberale Europäische
Verfassung ablehnen, miteinander eine
Politik vereinbaren, die eine soziale
Perspektive in ganz Europa eröffnet.8
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Eine
Schweiz, die sich der Einwanderung
verschliesst? |
7.
Die neuen EU-Mitgliedsländer
sind Polen,Tschechische Republik,
Ungarn, Slowenien, Slowakei, Lettland,
Zypern, Litauen, Estland und Malta.
Ihre Gesamtbevölkerung umfasst
77 Millionen. Die neue EU der 25
hat nun 455 Millionen Einwohner.
Das BIP der erweiterten EU entspricht
etwa 28 % des weltweiten BIP. Im
Jahr 2003 lag die durchschnittliche
Arbeitslosigkeit in den „alten“
Mitglieds-ländern der EU knapp
unter 8%. In der EU der 25 liegt
sie bei 9%.
8. Zu einer solchen
solidarischen und sozialen Perspektive
zählen die folgenden Elemente:
Erstens die Durchsetzung eines europäischen
Minimallohnes, der sich an den Ländern
mit den höheren Standards orientiert.
Zweitens ist eine radikale Arbeitszeitverkürzung
ins Auge zu fassen.Als erster Schritt
in diese Richtung ist die 35-Stunden-Woche
zu verwirklichen und zwar so, dass
einzelne Länder nicht ausscheren
können. Drittens gilt es in
ganz Europa ein garantiertes Mindesteinkommen
für alle durchzusetzen. Diese
Schritte erlauben es, die Produktivitätsgewinne
anders in der Gesellschaft zu verteilen.
Dazu gehören auch öffentliche
Investitionen zur Erneuerung und
Verbesserung der öffentlichen
Dienste.
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