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Aufruf zur aktiven Unterstützung des Streiks bei
ISS Aviation Genève

Gegen Lohn- und Sozialdumping!

08. September 2010


Seit dem 9. Juli streikt auf dem Flughafen Cointrin ein Teil der Beschäftigten von ISS Aviation Genève. Die Streikenden – mehrheitlich Frauen – kämpfen für die Beibehaltung und Einhaltung ihres alten GAV und dessen Minimallöhne und gegen das Diktat der ISS-Gruppe, die versucht, mit der Kündigung des GAV die Löhne unter das Existenzminimum zu drücken.

Der Kampf ist äusserst ungleich: ISS mit Sitz in Dänemark ist weltweit das grösste Service-Unternehmen mit fast 500'000 Beschäftigten in 53 Ländern, seit 2005 im Besitz eines Konsortiums von EQT und der grossen amerikanischen Bank Goldmann Sachs. Auf der anderen Seite die 15 Frauen und Männer, die konkret gegen Lohn- und Sozialdumping kämpfen. Diese Auseinandersetzung betrifft in direkter Art und Weise die heutigen und künftigen Lohn- und Arbeitsbedingungen von tausenden von Lohnabhängigen in der Schweiz – darunter grosse Teile der Belegschaften auf den Flughäfen.

ISS ist in der Schweiz mit 10'600 Beschäftigten und einem Umsatz von 536 Millionen Franken Branchenleader im Reinigungsgewerbe und darüber hinaus in den Bereichen Support Services(Telefon-service, Empfangsdienstleistungen), Property Services (Schädlingsbekämpfung, Grünflächenunter-halt), Infrastructure Services (Kanalreinigung, Strassenreinigung, Entsorgung) und Security tätig. In Bereichen also, in die die Privatwirtschaft in den letzten Jahren aus Profitgründen stark ausgelagert hat und in welche im Zuge der zunehmenden Privatisierung auch die „öffentliche Hand“ ihre „Aufträge“ vergibt.

Die ISS-Filiale in der Schweiz weist in ihrem Finanzbericht für das Jahr 2009 eine Steigerung der operationellen Profitmarge von 7,8% auf 8,5% aus und ist damit eine der profitabelsten Niederlassungen der ISS-Gruppe weltweit. Übertroffen wird die Schweizer Filiale in ihrer Profiterwirtschaftung nur durch Länder wie Indonesien 9.8%, Indien 8.6%, Rumänien 19.5%, Südafrika 19.1% und Brunei 22.7%. Zum Vergleich: Deutschland 1.8%, Frankreich 3.8%, USA 5.3%, Österreich 5.5%. Am 25. und 26. Februar 2010 fand die Top Management Conference der ISS-Gruppe in Prag statt. Vor 450 Vertretern aus allen 53 ISS Ländergesellschaften wurde dem CEO der ISS Schweiz, André Nauer, vom Group CEO Jørgen Lindegaard der ISS World Champion Award 2008/09 – eine Art Oskar - verliehen. Wofür? Durch seine Politik der maximalen Ausbeutung der Arbeitskraft erhöhte er den Profit innert Jahresfrist um satte 14%.

Aber ISS will noch mehr: Die Löhne sollen massiv um bis zu 25% runter und gleichzeitig soll die Arbeit intensiviert werden, um die Profite der Besitzer noch mehr zu erhöhen. Der seit 15 Jahren bestehende Gesamtarbeitsvertrag sah einen Einstiegslohn von Fr. 3'650 bei mindestens 50% Beschäftigungsgrad vor und einen Maximallohn von Fr. 4'850 quasi am Ende einer LohnempfängerInnenkarriere. Nicht gerade üppige Löhne in einer Stadt wie Genf, die in der weltweiten Rangliste der Städte mit den höchsten Lebenshaltungskosten ganz weit vorne auf Platz 5 liegt. Diesen GAV hat ISS Aviation gekündigt und bietet ihren Beschäftigten Einzelarbeitsverträge an, bei welchen der Mindestlohn 228 Franken tiefer bei Fr. 3'430 liegt und der Maximallohn um ganze 1'300 Fr. auf Fr. 3'550 reduziert wird. Aushilfen sollen nur noch 3'200 erhalten. ISS kennt auch noch andere Tricks, um ihre Beschäftigten um ihre Löhne zu prellen und den GAV zu umgehen. Leute wurden im Stundenlohn engagiert und bezahlt, aber regelmässig mit Pensen von 70 oder 80 Prozent eingesetzt wie Monatslöhnerinnen – einfach zu viel tieferen Löhnen. So zum Beispiel bei Sèverine, 26, Kabinenreinigerin bei ISS seit zweieinhalb Jahren: „Im Schnitt mache ich hier einen 85-Prozent-Job, 32 Stunden pro Woche. Aber ISS hat mich mit einem Vertrag für Aushilfen angestellt, der 15 Stunden pro Woche vorsieht. Sie zahlen mich weiterhin pro Stunde, statt mir die besseren Bedingungen der Festangestellten zu gewähren. Folge: Ich verliere ungefähr 600 Franken, die ich eigentlich zu gut hätte, Monat für Monat.“ Oder; Clément, 27, der seit 3 Jahren bei ISS arbeitet. Neben der Kabinenreinigung wird er auch für Personaltransporte auf dem Rollfeld eingesetzt „Ich habe einen Vertrag als Aushilfe für 60 Stunden im Monat. Tatsächlich komme ich im Schnitt auf 150 Stunden. Laut Direktion arbeite ich 92,5 Prozent. Für Überstunden gibt es keinen Zuschlag. Man zahlt mir einen Stundenlohn – als ‚feste Aushilfe’. Ich komme zu kurz bei dieser Regelung – mit einer Festanstellung, die mir eigentlich zusteht, würde ich mehr verdienen.

Der Internationale Flughafen Genf (AIG) ist eine eigenständige, öffentliche Einrichtung, mit dem Genfer Regierungspräsidenten und Vorsteher des Wirtschaftsdepartements François Longchamp an der Spitze. In den letzten Jahren wurden auf dem Flughafen massive Investitionen in Infrastrukturausbauten getätigt. 2009 wurden zwei neue Interkontinentale Strecken von Air Canada und United Airlines nach Washington respektive Toronto eröffnet. In den Jahren 2013 bis 2015 soll eine weitere halbe Milliarde Franken in die internationale Konkurrenzfähigkeit des Flughafens investiert werden. Cointrin ist auch ein Tummelplatz der „Billigflieger“, Easyjet alleine stellt 35% des gesamten Flughafenverkehrs. AIG muss also für die 150 auf dem Flughafen tätigen Firmen optimale Verwertungsbedingungen anbieten – auch die Akzeptanz von Lohn- und Sozialdumping gegenüber den 8'500 Beschäftigten des Flughafens.
Um überhaupt am „öffentlichen“ Flughafen tätig sein zu können, braucht die ISS eine staatliche Konzession, die vorsieht, dass Gesamtarbeitsverträge und branchenüblichen Löhne eingehalten werden. Nebst der Weiterführung und Einhaltung des bisherigen GAV verlangen deshalb die Streikenden auch, dass der ISS diese Konzession und damit die Aufträge für die Flugzeugreinigung entzogen wird, um sie an eine Firma zu übergeben die die die Bedingungen des GAV einhält.

Die ISS hat bereits Erfahrungen gemacht mit solchen Rauswürfen. Nachdem sie in Norwegen eine 30- prozentige Steigerung der Arbeitsintensivität (mehr zu reinigende Fläche in derselben Zeiteinheit) angeordnet hatte, ist sie im Ullevål Krankenhaus und an 70 Schulen in Oslo aus Qualitätsgründen aus den Verträgen entlassen worden.

Die Streikenden von ISS Aviation Genève müssen umfassend unterstützt werden, politisch und finanziell. Ihr Streik ist Sand im Getriebe der Politik des Sozial- und Lohndumpings. Deshalb laden wir dich ein zur Gründungsversammlung des Zürcher Unterstützungskomitees für die ISS-Streikenden.

Montag 13. September 2010, 19.00 Uhr
Punto d’Incontro, Josefstrasse 102, 8004 Zürich

Das Punto d’Incontro findet ihr zwischen Limmatplatz und Bahnüberführung Langstrasse an der Ecke Langstrasse / Josefstrasse. Bitte beachtet das Hinweisplakat am Eingang.

Kartenausschnitt Punto d'Incontro

Eine Delegation der Streikenden und des Unterstützungskomitees aus Genf wird anwesend sein und über den Stand der aktuellen Situation informieren.

Wir freuen uns Dich zu begrüssen.

Hans Oppliger, Unterstützungskomitee Genf
Rolf Krauer, Zürich
Lothar Moser, Mönchaltorf

Dossier zum Streik bei ISS (pdf)