Die
Mehrheit der Angestellten der Firma Allpack
in Reinach (Baselland) war vom 25. November
bis zum 4. Dezember 2003 in den Streik getreten,
unterstützt von ihrer Gewerkschaft Comedia.
Am Montag, dem 1. Dezember sind die Grenadiere
der Kantonspolizei brutal interveniert, um die
Streikposten aufzuheben und ein paar Steikbrechern
und dem Firmenbesitzer den Eingang zur Fabrik
frei zu räumen. Die Streikenden haben den
Streik einige Tage lang trotz allem weitergeführt.
Am 2. Dezember versammelten sich an einer Demonstration
in der Kantonshauptstadt Liestal mehr als 500
Personen, um ihre Solidarität mit den Streikenden
und die Verurteilung der Polizeiaktion des Vortages
kund zu tun. Die Regierung liess 180 Polizisten
im Kampfanzug auffahren, die sich - begleitet
von aggressiven Kampfhunden - dieser absolut
friedlichen Demonstration entgegenstellten.
Schliesslich wurde am 4. Dezember der Streik
mit einem Abkommen abgeschlossen. Er sieht vor,
dass die Firma mit der Gewerkschaft einen GAV
aushandeln soll, der für das ganze Unternehmen
gilt. Die ArbeiterInnen, die gestreikt haben,
gehen aber leer aus : ihre Kündigung wird
nicht zurückgezogen. Eine erste Bilanzierung
des Streiks wird von Cécile Pasche und
Denise Chervet in dieser Ausgabe gemacht. Hier
veröffentlichen wir einen Beitrag von Jean-François
Marquis der vor dem Ende des Streiks geschrieben
wurde. (Red.)
Dieser
Streik bietet eine aussergewöhnliche Lektion
über die soziale Realität und die
Machtverhältnisse in der Schweiz. Aber
gehen wir der Reihe nach.
Allpack
ist eine Verpackungsfirma, die im Februar 1971
gegründet worden ist. Seit ihrer Gründung
arbeitet die Firma für zwei Typen von Kundschaften
: Für die pharmazeutische Industrie einerseits
und die Lebensmittelindustrie andererseits.
Novartis, Chocolat Frey (Migros) und Ricola
gehören zu den wichtigsten Auftragsgebern.
Allpack ist also ein Zulieferer für grosse
Konzerne wie Novartis und Migros, was letzteren
einige Vorteile bringt. Die Zulieferung erspart
den Grosskonzernen Investitionen in Maschinen,
die für sie selber kaum rentieren würden
und bietet sich an bei kleinen Serien. Ein Zulieferer-Betreib
ist extrem flexibel und in einem Abhängigkeitsverhältnis,
wodurch ihm tiefe Preise ohne Qualitätseinbusse
diktiert werden können.
Allpack
: Licht auf das Desaster des helvetischen Korporatismus
Das
alles ist möglich aus zwei Gründen
: Erstens ist Allpack als kleine eigenständige
Firma weder einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV)
unterstellt, der (theoretisch) ein kollektives
Regelsystem zum Schutz der Rechte der ArbeitnehmerInnen
darstellen würde, noch in eine grössere
Firma integriert, was in einem gewissen Masse
ein Minimum an Harmonisierung der Arbeitsbedingungen
ermöglichen würde. Zweitens kann eine
Firma wie Allpack sich auf die Fragmentierung
der Lohnabhängigen stützen - zwischen
Frauen und Männern, SchweizerInnen und
ImmigrantInnen.
Seit
den 90er Jahren konnten wegen der Langzeitarbeitslosigkeit
die Arbeitsbedingungen enorm verschlechtert
werden. Das Personal von Allpack - hauptsächlich
Frauen ausländischer Nationalität
- verdient zwischen 3000 und 3500 Franken brutto
für einen Vollzeitjob, bei hyperflexiblen
Arbeitszeiten und einer Leitung, die die Angestellten
brutal und respektlos herumkommandiert.
Allpack
ist in dieser Hinsicht eine gute Illustration
der tatsächlichen Strukturierung des Produktionsapparates
und des Arbeitsmarktes in der Schweiz. Es zeigt,
wie transnationale Konzerne wie Novartis es
geschafft haben, auf dem gleichen Territorium
einerseits Spitzenlabors mit guten Vorzeige-Arbeitsbedingungen
zu haben und andererseits Zulieferer mit so
extrem schlechten Arbeitsbedingungen, dass sich
viele gar nicht vorstellen können, dass
es so was in der Schweiz überhaupt gibt.
Das enge Nebeneinander dieser zwei Welten ist
ein beachtlicher Erfolg des helvetischen Kapitalismus
in seiner Fähigkeit, die Angestellten auszubeuten.
Das
Rezept zu diesem Erfolg ist die Geschicktheit
der herrschenden Klasse dieses Landes, die Spaltung
und Fragmentierung der Lohnabhängigen bis
heute aufrecht zu erhalten und sogar zu verschärfen.
Dies ist natürlich dem Funktionieren des
Arbeitsmarktes in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung
inhärent. Aber die Tiefe dieser Fragmentierung
und Teilung, die in der Schweiz besonders ausgeprägt
ist, und das politische Pendant dazu, die "Politik
der Konkordanz", haben einen verstärkten
Korporatismus institutionalisiert. Während
Jahrzehnten hat auch die Gewerkschaftsbewegung
ihren Teil beigetragen zu dieser Spaltung der
Lohnabhängigen : Indem sie es unterlassen
haben, ganze Schichten von Lohnabhängigen
zu organisieren (z.B. das Personal "ohne
Qualifikation") oder indem sie Diskriminierungen
gegenüber immigrierten ArbeiterInnen unterstützt
haben (Bevorzugung einheimischer Arbeitskräfte).
Die soziale Realität, die sich beim Streik
von Allpack zeigt, ist ein Resultat dieser Geschichte.
Ein
Kraftakt - und wie es dazu kam
Am
21. November hat der Chef der Allpack, Robert
Scheitlin, den Angestellten der Firma neue individuelle
Arbeitsverträge zugestellt. Diese beinhalteten
: 1) Die Abschaffung des 13. Monatslohns, der
ersetzt wird durch eine Prämie, die an
den Umsatz der Firma gebunden ist ; 2) die Erhöhung
der Wochenarbeitszeit von 40 auf 41 Stunden
; 3) Jahresarbeitszeit ; 4) eine Woche weniger
Ferien pro Jahr ; 5) die Verkürzung des
Mutterschaftsurlaubs von 13 auf 8 Wochen und
6) eine Erhöhung des ArbeitnehmerInnenbeitrages
bei der Taggeldversicherung. Das entspricht
alles in allem einer Lohnsenkung von 12-15 Prozent.
Die
Angestellten hatten Zeit bis am Dienstag, 25.
November (!), um diesen neuen Vertrag zu unterzeichnen.
Sonst wären sie entlassen worden. Scheitlin
verweigerte jegliche Diskussion mit der Gewerkschaft.
Dieses brutale Vorgehen passt zu einem Menschen,
der mit der Reitpeitsche umzugehen weiss : Robert
Scheitlin hat nicht nur den Ruf, Ferraris zu
sammeln ; er besitzt auch mehrere Renn- und
Wettkampfpferde, die er offensichtlich besser
behandelt als das Personal seiner Firma.
Der
Inhalt dieses Kraftaktes hat jedoch nichts Aussergewöhnliches.
Er schreibt sich ein in die Politik, für
die die wichtigsten Sektoren der Unternehmer
(Arbeitgeberverband, economiesuisse) seit dem
Beginn der 90er Jahre eintreten : Man stützt
sich auf die Langzeitarbeitslosigkeit, um die
Angestellten zu destabilisieren, ihre Arbeitsbedingungen
zu verschlechtern und um - am Schluss der Rechnung
- die Löhne stark zu drücken (verglichen
mit der starken Produktivitätssteigerung
in der gleichen Zeit). Aus dieser Sicht passt
die Politik der Basler chemischen und pharmazeutischen
Industrie - die Mitte der 90er Jahre auf einem
Schlag den Mechanismus der nationalen Lohnverhandlungen
ausser Kraft gesetzt, die Gewerkschaften ausgeschlossen,
den Unternehmen ihre Bedingungen aufgezwungen
und schliesslich die Lohnunterschiede (Leistungslohn
und Gewinnprämien) verschärft hat
- zur gleichen Logik der Senkung der Lohnkosten,
wie das Diktat des Firmenleiters der Allpack.
Die Herren der Chemie und der Wirtschaft wissen
ihre Peitsche einfach etwas besser zu verdecken
: Sie betonen dafür immer wieder ihre Überzeugung
für die "Sozialpartnerschaft".
Der
Streik beginnt
Da
die Angestellten von der Absicht des Unternehmers,
ihre Arbeitsbedingungen zu verschlechtern, Wind
bekommen haben, nahmen sie schon vor dem 21.
November Kontakt auf mit der Gewerkschaft. Sie
sind entschlossen : Für sie ist dieses
Diktat des Unternehmers schlicht inakzeptabel.
Materiell, aber auch wegen des Rückgriffs
- nach einer Reihe von Entlassungen - auf immer
mehr Temporärangestellte, wegen der Arroganz
und der täglichen Boshaftigkeit des Chefs
und wegen des fehlenden Respekts. Die Angestellten
der Allpack wollen auf diesen Angriff mit einem
Streik antworten.
Es
ist eine Tatsache : nach Jahrzehnten von Gegenreformen,
Arbeitslosigkeit, Unsicherheit und Verschlechterung
der Arbeitsbedingungen kommen immer mehr Sektoren
von Lohnabhängigen zum Schluss, dass sie
keine andere Wahl haben als sich zu wehren.
Sie haben selber die Erfahrung gemacht, dass
"Runde Tische" genau gar nichts gebracht
haben.
Um
sich zu wehren, machen sich die Lohnabhängigen
- unausweichlich - die erste Waffe der ArbeiterInnen
zu Eigen : den Streik. In solchen Fällen
reicht es, wenn die Gewerkschaft diesen Entschluss
der ArbeiterInnen unterstützt. Andererseits
reicht es aber auch schon, wenn die Gewerkschaft
bremst - zum Beispiel unter dem Vorwand, dass
es ein "Risiko" gebe, ein typisches
pseudo-realistisches Argument - damit der Wille
und die Entschlossenheit gebrochen werden, da
sich die Angestellten noch nicht auf genügend
Erfahrungen stützen können, um autonom
zu handeln.
In
diesem Fall ist die Unterstützung der Gewerkschaft
Comedia für die Lohnabhängigen klar.
Der Streik beginnt am Dienstag, dem 25. November
um halb sechs Uhr. Die Streikposten blockieren
den Eingang zur Firma. Die Mehrheit des fixen
Personals der Produktion nimmt daran teil. Ein
paar Temporäre schliessen sich ihnen an.
Verschiedene Angestellte, die in den letzten
Wochen entlassen worden sind, kommen um ihre
KollegInnen zu unterstützen.
Der
Boss als Despot
Allpack-Boss
Robert Scheitlin antwortet auf diesen Streik
dreifach :
Erstensentlässt
er sofort alle Streikenden, die fest angestellt
sind. Dies bedeutet eine krasse Verletzung des
Streikrechts und des Obligationenrechts. Aber
der Schutz der Lohnabhängigen vor solchen
Missbräuchen ist sehr schwach in der Schweiz
: Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung, Lohnabhängige
wieder einzustellen, die missbräuchlich
entlassen worden sind.
Zweitens
versucht er, die Streikposten mit Temporären
und einer Minderheit von Festangestellten, die
nicht am Streik teilnehmen, zu durchbrechen.
Drittensversucht
er die Streikenden zu spalten. Er bietet Lohnerhöhungen
an, Festanstellungen an Temporäre, eine
Wiedereinstellung von jenen, die in den vorangegangenen
Wochen entlassen worden waren. Er erreicht,
dass drei Angestellte die Solidarität mit
ihren KollegInnen aufgeben. Aber nicht mehr.
Die Streikfront bleibt erhalten.
An
diesem Tag zeigen sich die klassischen Mechanismen
des unternehmerischen Despotismus in nackter
Form : Erpressung, Rückgriff auf die industrielle
Reservearmee von prekarisierten (Temporär-)
Angestellten und eine bewusste Politik der Spaltung.
Auf diese Mechanismen wäre eine politische
und gewerkschaftliche Antwort bitter nötig,
wenn man auf längere Sicht in diesem Land
ein Klassenbewusstsein und eine Solidarität
aufbauen möchte.
Der
unverblümte Staat
Seit
dem 26. November handeln die Polizei, der Regierungsrat
und die basellandschaftliche Administration
praktisch zugunsten des Unternehmers :
•
Am Mittwoch, dem 26. November, steht die Polizei
um 7.00 Uhr am Eingang der Firma, um den Streikbrechern
beim Eintreten zu helfen. Diese Intervention
wird in der letzten Minute durch politischen
und gewerkschaftlichen Druck gestoppt.
•
Die Behörden von Basel-Land verurteilen
von diesem Tag an die Blockierung der Firma
durch die Streikenden als eine "Nötigung"
und einen Angriff auf die "Freiheit zu
arbeiten". Die Angestellten haben Angst,
dass es zu einer Polizei-Intervention kommt.
•
Das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe
und Arbeit (KIGA) antwortet positiv auf eine
Anfrage von Allpack, ab dem 1. Dezember Nachtarbeit
zu erlauben. Im Prinzip stellt die Zulassung
von Nachtarbeit eine Ausnahme von der Regel
dar : Die Regel ist das Verbot von Nachtarbeit.
Diese Zulassung wird mitten in einem Streik
erteilt ! Die Gewerkschaft rekurriert gegen
diesen skandalösen Entscheid und erhält
am 1. Dezember eine Aussetzung desgleichen.
Diese wiederum wird am 2. Dezember - währenddem
der Streik weiter geht - vom Regierungsrat des
Kantons Baselland aufgehoben !
Die
Handlungen der basellandschaftlichen Behörden
zeigen auf eklatante Weise, wie die Position
des Staates, der angeblich "neutral"
und "überparteiisch" sein soll,
nichts anderes als die Form seiner strukturellen,
notwendigen und permanenten Parteinahme für
die Interessen der Herrschenden und der Besitzenden
darstellt. Auf gleiche Weise bildet die formelle
Gleichheit zwischen zwei Unterzeichnern eines
Arbeitsvertrages (zwischen dem "Arbeitgeber"
und dem "Arbeitnehmer") die Hülle,
die die tatsächliche Unterwerfung der /
des Lohnabhängigen unter die Tyrannei des
Kapitalbesitzers verschleiert.
In
allen ihren Stellungnahmen vertreten die Behördenvertreter
folgende Argumentation :
1.
Sie wollen nicht Stellung nehmen zum Inhalt
des Arbeitskonfliktes ; das sei nicht ihr Kompetenzbereich.
2.
Sie wollen auch nichts zur Tatsache sagen, dass
der Unternehmer die Streikenden entlassen hat
; die Justiz müsse sich gegebenenfalls
dazu äussern.
3.
Sie stellen an sich das Streikrecht der Lohnabhängigen
nicht in Frage…
4.
… aber die "Freiheit zu arbeiten"
müsse garantiert werden - notfalls mit
einer Polizeiintervention.
In
der Realität war die Entlassung der Streikenden
ein brutaler Ausdruck der Despotie des Patrons
und eine krasse Verletzung des Streikrechts.
Die Entlassungen werden, wenn überhaupt,
in einigen Monaten vom Gericht mit einer lächerlichen
Strafe (höchstens 6 Monatslöhne als
Entschädigung - meistens eher 2 oder 3)
geahndet. Die Intervention der Polizei hingegen,
die das "Recht der Arbeitswilligen"
durchsetzt, ist Sache von Tagen (tatsächlich
wird sie am 1. Dezember stattfinden). Sie zerschlägt
die einzige Waffe, über die die Lohnabhängigen
in ihrem ungleichen Kräfteverhältnis
mit dem "Arbeitgeber" auf dem Terrain
verfügen : Mit Streik und Blockade die
Firma daran zu hindern, dass sie die Produktion
aufrecht erhalten und die Maschinen weiterhin
laufen lassen kann - mit anderen Worten : Dass
der Verwertungsprozess ihres Kapitals weiterhin
stattfindet.
Die
"neutrale" und "ausgewogene"
Position der Behörden entpuppt sich somit
als ein massives Eingreifen zu Gunsten des Unternehmers,
um ihn zu stärken und die Streikenden zu
schwächen. Daraus ergeben sich für
gewerkschaftliche und politische Organisationen
- die die Lohnabhängigen unterstützen
wollen, selbstständig die eigenen Interessen
und die eigenen Rechte zu verteidigen - zwei
Erfordernisse :
Erstens
muss in einem Land wie der Schweiz - wo lange
Zeit der Arbeitsfrieden als Streikverbot dargestellt
wurde (streiken sei "unschweizerisch")
- das Streikrecht und seine Folgen (darunter
Streikposten, Blockaden und unter Umständen
Betriebsbesetzungen) neu legitimiert werden.
Diese Kampfformen müssen als normal betrachtet
werden, wenn die Lohnabhängigen effektiv
ihr Recht auf Streik in Anspruch nehmen sollen.
Nur solche Kampfformen üben einen tatsächlichen
Zwang auf die Unternehmer aus ; sie bilden die
einzige wirksame Antwort auf die alltägliche
Unterwerfung, die für das Lohnverhältnis
konstituierend ist. Das Streikrecht muss uneingeschränkt
verteidigt werden - im Gegensatz zu den Verfassungsbestimmungen,
die zahlreiche Einschränkungen dieses Rechts
einführen.
Zweitens
muss die Rolle des Staates entlarvt und ihm
die Maske der Pseudo-Neutralität entrissen
werden. Was das Gegenteil bedeutet der unglaublichen
Verteidigung des "Modells Schweiz"
und der "Konkordanz", die immer mehr
SP- und GewerkschaftschefInnen (wie Christine
Goll, vpod-Präsidentin seit vergangenem
November oder Vasco Pedrina, GBI-Präsident)
als "Verteidigungslinie" wählen
gegenüber Christoph Blocher, der als eine
"Gefahr für das Modell Schweiz"
dargestellt wird.
Grenadiere
gegen streikende Frauen
Am
Montag, 1. Dezember beginnt die zweite Streikwoche
und der Staat greift wieder mit all seiner Macht
ein. Erstens setzt er ein sogenanntes Einigungsverfahren
durch. Er schlägt ein "Abkommen"
vor, das der Herrschaft des Besitzers in der
eigenen Firma den Rücken stärkt :
Die Entlassungen sollen einfach um zwei Monate
verschoben werden (auf den 31. März) ;
in der Zwischenzeit sollen die Streitparteien
GAV-Verhandlungen aufnehmen - natürlich
ohne die Verpflichtung, einen GAV abzuschliessen
- und es darf nicht gestreikt werden. Noch einmal
wird hinter einer angeblichen "Ausgewogenheit"
die Tatsache verschleiert, dass die ArbeiterInnen
"entwaffnet" werden, währenddem
der Firmenchef alle Möglichkeiten in der
Hand behält, die eigenen Entscheidungen
zu treffen. Die grosse Mehrheit der Streikenden
lehnt dieses "Angebot" ab. Robert
Schetlin übrigens auch : Er ist überzeugt,
dass er sich auch ohne Einigung durchsetzen
kann.
Die
Kantonsbehörden haben nun ein Argument
zum Einschreiten : Da die "Einigung"
versagt hat, ist es Zeit, dem "Recht"
Geltung zu verschaffen - das heisst konkret
das "Recht" des Unternehmers, Streikbrecher
in seine Firma zu lassen, um die Arbeit wieder
aufzunehmen. Um 16.00 Uhr intervenieren Grenadiere
in Kampfmontur rücksichtslos und verhaften
die Personen, die sich am Streikposten beteiligen
- in ihrer grossen Mehrheit Frauen. Sie widersetzen
sich auf völlig friedliche Art und Weise
und bleiben sitzen. Mehrere Personen werden
in Handschellen wie gefährliche Kriminelle
abgeführt. Um die dreissig Personen werden
verhaftet, in Polizeiwagen gesperrt, es gibt
vier Verletzte. Die Leute werden zum Polizeiposten
in einer unterirdischen Garage geführt
und ihre Identität wird kontrolliert.
Die
Behörden wollen die Streikenden einschüchtern.
Die Tageszeitung Le Tempsschreibt am 2. Dezember
: "Die Polizei zerschlägt den Streik
bei Allpack". Der Staat hat die Maske fallengelassen.
Die
kurzfristige Folge dieser Aktion ist eine Stärkung
der Entschlossenheit der streikenden ArbeiterInnen,
die am Abend die Fortführung ihres Kampfes
beschliessen, und eine Zunahme der Solidarität
mit dem Streik : Am Dienstag findet in Liestal
eine Demonstration mit 500 TeilnehmerInnen statt.
Ein grosser Erfolg. Die Behörden kehren
somit zur Methode der "Einigung" zurück,
was pseudo-realistische Argumente stärkt,
wonach ein Abkommen absolut nötig ist,
weil sonst "alles verloren werden kann".
Wie wenn die streikenden ArbeiterInnen nach
den Entlassungen nicht schon "mit dem Rücken
zur Wand" stehen würden. Die Wiederaufnahme
des Einigungsverfahrens führt schliesslich
zum Resultat, das im folgenden Artikel bilanziert
wird.
Eine
wichtige, in der Schweiz vollkommen vergessene
Sache hat dieser Streik gezeigt : Entscheidend
ist der Zeitfaktor, die Fähigkeit, nicht
gleich aufzugeben, sondern auszuharren und die
Solidarität mit dem Streik zu erweitern.
Der zehntägige Streik bei Allpack hat trotz
seines negativen Ausgangs gezeigt, dass dies
der wichtigste, wertvollste Trumpf der Lohnabhängigen
ist.
|