Im
Namen der Organisationen, die zur Demonstration
„Widerstand gegen das WEF“ vom
22. Januar 2005 in Bern aufrufen, wenden wir
uns auf diesem Weg an Sie, damit das Recht
auf Meinungsäusserungs-, Versammlungs-
und Bewegungsfreiheit auch dann gilt, wenn
die Herren des World Econnomic Forums sich
in Davos versammeln.
Bereits
seit mehreren Jahren demonstrieren Ende Januar
jeweils mehrere Tausend Menschen gegen die
Jahreskonferenz des World Economic Forum im
Bündnerland. Tausende von Polizisten
aus der gesamten Schweiz und aus Deutschland,
sowie tausende von Soldaten verhinderten bisher
mit allen Mitteln eine Grossdemonstration
in Davos, damit die Global Leaders vom WEF
ungestört ihr privates Treffen abhalten
können. Trauriger Höhepunkt dieser
Repression war die Einkesselung von über
1000 Personen in Landquart vor einem Jahr,
die beim Rückweg von einer Demonstration
in Chur von der Polizei gestoppt, stundenlang
fest gehalten und kontrolliert und fichiert
wurden.
Um
eine weitere Konfrontation mit der Polizei
zu vermeiden und um den Widerstand gegen Sozialabbau,
Privatisierungen, Lohndumping, rassistische
Ausgrenzung und gegen Krieg gegenüber
einer breiten Öffentlichkeit auszudrücken,
ruft ein breites Demonstrationsbündnis
zu einer Demonstration am 22. Januar in Bern
auf. Die Behörden wollen nun die bereits
in den Vorjahren massiv gesteigerte Repression
dieses Jahr weiter auf die Spitze treiben.
Offensichtlich wollen sie die Protestbewegung
politisch an die Wand drücken. Auf dem
Spiel steht die Verteidigung des Demonstrationsrechts.
Am
7. Januar 2005 fand das zweite Treffen zwischen
den Vertretern der Polizei und der Verhandlungsdelegation
des Demobündnisses statt. Bei dieser
Gelegenheit, also fünf Wochen nach der
Einreichung des Bewilligungsgesuchs und nur
zwei Wochen vor der Demonstration haben uns
die Vertreter der Polizei und der Stadtregierung
nach langem Verschleppen das erste Mal ihre
Bedingungen genannt (siehe offener Brief an
die Berner Stadtregierung).
Die
Verhandlungsdelegation des Demobündnisses
hat sich beim Gespräch mit der Polizei
bereit erklärt, über den konkreten
Verlauf der Route zu diskutieren. Allerdings
gehört es zu den demokratischen Grundrechten,
den Protest gegen die Regierungspolitik vor
dem Sitz eben dieser Regierung – das
heisst auf dem Bundesplatz – zu äussern.
Die
Bedingungen der Polizei stellen das demokratische
Recht auf Demonstration in Frage. Sie sind
ein gefährlicher Präzedenzfall.
Sie betreffen nicht nur die Bewegung gegen
das WEF, sondern alle Organisationen, Gewerkschaften
und sozialen Bewegungen, die ihren Protest
gegen die Verschlechterung der Lebens- und
Arbeitsbedingungen öffentlich ausdrücken
wollen. Deshalb ist es wichtig, dass möglichst
viele Einzelpersonen, Organisationen und Institutionen
dies nicht akzeptieren und sich öffentlich
dazu äussern, um diese besorgniserregenden
Tendenzen zurück zu drängen.
Wir
bitten Sie den Offenen Brief an den Gemeinderat
zu unterschreiben, oder ein eigenes Schreiben
zu verfassen und uns eine Kopie davon zukommen
zu lassen.
Mit freundlichen Grüssen
Daniele
Jenni (Grüne Partei Bern – Demokratische
Alternative), Frauengruppe gegen Sexismus
und Rassismus F.A.M., Alessandro Pelizzari
(Attac Schweiz), Andé Siegenthaler
(Direkte Solidarität mit Chiapas), Mathias
Stalder (Freie ArbeiterInnen Union), Christian
Zeller (Bewegung für Sozialismus), Yvonne
Zimmermann (Anti- WTO-Koordination)
Kontakt: demo@immerda.ch
Nein
zur Abschaffung der Meinungsäusserungs-
und Versammlungsfreiheit
Mit Befremden haben wir vernommen, dass die
Berner Regierung die Demonstration „Widerstand
gegen das WEF“ vom 22. Januar 2005 verhindern
will. Die nachfolgend genannten Bedingungen,
die die Polizei den Demo-OrganisatorInnen
am 7. Dezember 2005 gestellt hat, kommen einem
faktischen Demonstrationsverbot gleich.
1.
Die Polizei will nur eine Platzkundgebung
am Stadtrand gewähren, sei es auf der
Allmend oder allenfalls am Stadtrand in Bümpliz.
Die ganze Innenstadt wird zur „verbotenen
Zone“ und polizeilich abgeriegelt. Damit
wird auch die Durchführung der internationalen
Veranstaltung „Das Andere Davos“
massiv erschwert.
2.
Die Polizei verlangt von den OrganisatorInnen
der Demonstration, dass die Demonstrantinnen
und Demonstranten in Extrazügen anreisen,
die bereits am S-Bahnhof Wankdorf enden. Dort
wird es der Polizei leicht fallen, eine massenhafte
Personenkontrolle durchzuführen und Personen
willkürlich festzunehmen. Das heisst,
was die Zürcher Polizei kürzlich
mit den Fans des FCB (Fussballclub Basel)
in Zürich-Altstetten bereits vorexerziert
hat, soll jetzt systematisiert und verallgemeinert
werden. Wie in den letzten Jahren in Fideris,
Davos und Landquart wird ein umfassendes Repressionsdispositiv
vorbereitet und auf die gesamte Schweiz ausgedehnt.
3.
Zum ersten Mal verlangt die Polizei, dass
die OrganisatorInnen und Bewillungsgesuchsteller
der Demonstration nicht nur für den Ablauf
der Demonstration verantwortlich sind, sondern
auch aktiv jeden Umzug vor und nach der Demonstration
verhindern sowie interne Polizeiaufgaben wahrnehmen
sollen. Das ist praktisch unmöglich und
juristisch nicht haltbar. Damit will die Polizei
den OrganisatorInnen bereits im Vorfeld die
Verantwortung für allfällige Zwischenfälle
zuschieben.
Diese
Bedingungen stellen das Recht auf Demonstrations-
und Versammlungsfreiheit in Frage. Sie sind
ein gefährlicher Präzedenzfall.
Sie betreffen nicht nur die Bewegung gegen
das WEF, sondern alle Personen, Organisationen,
Gewerkschaften und sozialen Bewegungen in
der ganzen Schweiz, die ihren Protest gegen
die Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen
öffentlich ausdrücken wollen.
Wir fordern Sie auf, diese drei Bedingungen
unverzüglich rückgängig zu
machen und die demokratischen Grundrechte
zu respektieren.
Wir fordern die Berner Regierung dazu auf,
die Demonstration zu bewilligen und einen
Demonstrationsumzug in der Innenstadt mit
Besammlung auf dem Waisenhausplatz und Schlusskundgebung
auf dem Bundesplatz zuzulassen.
Bern,
9. Januar 2005