Die
neuen Kleider des World Economic Forums
Der
"Geist der nachhaltigen Entwicklung"
von
Peter Streckeisen aus DEBATTE Nr. 5, Januar
2003
Das
diesjährige Thema des Weltwirtschaftsforums
(WEF) heisst building trust (Vertrauen bilden).
Dieses Ziel soll vor allem durch Diskussionen
der Global Leaders aus Wirtschaft und Politik
über die Grundlagen eines dauerhaften Wachstums
und einer nachhaltigen Entwicklung erreicht
werden. Zweifel am Gelingen dieses Unterfangens
sind erlaubt.
Am
8. November 2002 stellte das World Economic
Forum (WEF) an einer Pressekonferenz in Genf
die Ergebnisse einer Umfrage vor, die das britische
Meinungsforschungsinstitut Gallup Internationaldurchgeführt
hatte. Aus der Befragung von 36’433 Personen
in 46 Ländern wurde ein deutlicher Mangel
an Vertrauen in die Institutionen des gegenwärtigen
Kapitalismus ersichtlich, von den Regierungen
über die Unternehmen bis hin zu den Gewerkschaften.
Am schlechtesten schnitten die nationalen Parlamente
ab, dicht gefolgt von den grossen nationalen
und den globalen Unternehmen, aus denen die
Mitglieder des WEF rekrutiert werden. Am meisten
Vertrauen wird gemäss dieser Studie den
bewaffneten Streitkräften entgegen gebracht
(!), die deutlich vor den Nichtregierungsorganisationen
(NGO) und den Schulsystemen rangieren. Zwei
Drittel der befragten Personen lehnten die Aussage
ab, ihr Land werde nach dem Willen des Volkes
regiert.1
Die
Verpflichtung, "die Welt zu verbessern"
Was
auch immer von solchen Umfragen zu halten ist
: Das Ergebnis dieser Studie vermag im Grossen
und Ganzen niemanden zu überraschen, der
mit halbwegs offenen Augen durch die Welt geht.
Das "fehlende Vertrauen" hat möglicherweise
damit zu tun, dass mehr als eine Milliarde Menschen
mit weniger als einem Dollar pro Tag überleben
müssen, und dass die soziale Ungleichheit
nicht nur in den Ländern des Südens,
sondern auch in den Industrieländern erneut
deutlich ansteigt.2 Vielleicht ist es auch Ausdruck
davon, dass die weltweite Zerstörung der
Ökosysteme und natürlichen Ressourcen
weiterhin voranschreitet, begleitet von spektakulären
Katastrophen wie dem Tankerunglück der
Prestige vor der Küste Galiziens und unbeeindruckt
durch die immer häufiger stattfindenden
internationalen Konferenzen über nachhaltige
Entwicklung, bei denen hinter den Kulissen zunehmend
die "Experten" der Konzerne selbst
die Fäden ziehen. Zu all dem kommt eine
sich vertiefende internationale Wirtschaftskrise,
die auch die USA nicht mehr verschont, 3 sowie
die Aussicht auf einen bereits begonnenen "Krieg
gegen den Terrorismus"4 ohne absehbares
Ende, in dessen Rahmen das Imperium über
eine Liste von 60 Ländern verfügt,
die es vielleicht angreifen wird.5 Wie und wo
soll da jemand noch Vertrauen schöpfen
?
Natürlich
beim berühmten Davoser Geist des WEF. Schliesslich
fühlt sich der illustre Klub der 1000 grössten
Konzerne dazu verpflichtet, den Zustand der
Welt zu verbessern : committed to improving
the state of the world. Das ist keine bescheidene
Aufgabe, zumal einige der Partnerfirmen des
WEF dem Publikum möglicherweise wenig Vertrauen
einflössen, und dies in so wichtigen Bereichen
wie Energieproduktion (British Petroleum, Electricité
de France), umweltschonende Transportsysteme
(Audi, VW), gesunde Ernährung (Coca Cola,
Nestlé), nachhaltige Unternehmensentwicklung
(Swiss, McKinsey) oder Abrüstung (Boeing,
EADS). Aus diesem Grund hat das WEF auch NGO-Vertreter
eingeladen, und am erstmals stattfindenden Open
Forum Davos werden neben Personen vom Schlage
eines Peter Brabeck-Letmathé (Nestlé)
oder Daniel Vasella (Novartis) auch Kenneth
Roth (Human Rights Watch), Paola Ghillani (Max
Haavelar Stiftung), Christoph Stückelberger
(Brot für Brüder) und Nationalrat
Andy Gross (SPS) teilnehmen.
Nachhaltige
Entwicklung nach dem Gusto der Global Leaders
Die
in Davos präsentierten Vorstellungen über
nachhaltige Entwicklung haben sowohl eine wirtschaftliche
als auch eine politische Dimension. Es handelt
sich um Konzepte, die seit einiger Zeit in den
Wirtschafts- und Politikwissenschaften Verbreitung
gefunden und in NGO-Kreisen beinahe schon zum
common sense geworden sind. Das ist kein Grund,
ihnen blind zu vertrauen.
In
ökonomischer Hinsicht stützt sich
der Begriff der nachhaltigen Entwicklung in
der neo-klassischen Theorie auf die Idee, dass
negative Auswirkungen (Externalitäten)
von wirtschaftlichen Tätigkeiten internalisiert,
das heisst formell in die Marktmechanismen integriert
werden müssen, indem ihnen durch staatliche
Regulierung ein Preis auferlegt wird. Wer die
Umwelt verschmutzt, soll dafür einen Preis
bezahlen. Je nachdem, wie hoch dieser liegt,
steigt der Anreiz zur Reduktion der Umweltverschmutzung
im Vergleich zum Nutzen, den die verschmutzende
Tätigkeit bringt. Öko-Steuern verschiedener
Art sind ein Beispiel für solche Regulierungsmassnahmen.
Die Entwicklung von Eigentumsrechten in diesem
Bereich entspringt derselben Idee : Wer die
Umwelt verschmutzen will, muss Eigentumsrechte
erwerben, die dazu berechtigen. Im so genannten
Kyoto-Protokoll6 ist vorgesehen, dass alle Staaten
eine bestimmte Zahl von Verschmutzungsrechten
(Zertifikate für die Emission von Kohlendioxyd)
erhalten. Reicht dies ihrer Volkswirtschaft
nicht aus, müssen sie auf dem Markt weitere
Zertifikate kaufen. Schöpfen sie diese
hingegen nicht voll aus, können sie Zertifikate
an andere Länder verkaufen. So soll die
unsichtbare Hand des Marktes - mit Hilfe der
weit besser sichtbaren Hand des Staates - die
Umweltverschmutzung in den Griff kriegen, und
nebenbei wird gerade noch ein lukrativer neuer
Markt geschaffen (Handel und Spekulation mit
Emissionszertifikaten).
Der
neo-klassische Ansatz der nachhaltigen Entwicklung
zielt also darauf ab, den Warencharakter und
die kapitalistischen Eigentumsrechte auf alle
Bereiche nicht nur des gesellschaftlichen Lebens,
sondern auch der Natur auszudehnen. Er führt
sowohl politisch als auch theoretisch in eine
Sackgasse.
Politisch,
weil so die soziale Ungleichheit - die auch
eine Ungleichheit der Verfügungsmacht über
natürliche und wirtschaftliche Ressourcen
sowie zwischenmenschliche Beziehungen ist, ein
ungleiches Kräfteverhältnis also -
noch stärker den Zugang zu den Reichtümern
der Natur bestimmt und begrenzt. Letztlich müsste
von den Menschen verlangt werden, dass sie dafür
bezahlen, Luft atmen - und dadurch verschmutzen
- zu dürfen : Dann könnten es sich
zahlreiche Menschen gar nicht mehr leisten,
zu atmen. Dass dieses Beispiel weniger weltfremd
ist, als es auf den ersten Blick erscheint,
zeigt die voranschreitende Privatisierung des
Wassers ebenso wie die Zerstörung der traditionellen
Landwirtschaft zu Gunsten des Agro-Business
und der Ernährungsindustrie, deren Produkte
auch in den Ländern des Südens zu
Weltmarktpreisen verkauft werden : Beide Prozesse
führen dazu, dass unzähligen Menschen
der Zugang zu lebensnotwendigen Gütern
verwehrt bleibt. Ähnlich stellt sich das
Problem in den internationalen Verhandlungen
über die Reduktion des weltweiten Ausstosses
von Treibhausgasen. Die ökonomische und
politische Macht der grossen Industriekomplexe
(Erdöl, Auto, Chemie) verhindert ernsthafte
Verhandlungen. Die hierarchische Struktur der
Beziehungen zwischen den Nationalstaaten im
kapitalistischen System führt dazu, dass
die imperialistischen Mächte sich aus ihrer
Verantwortung stehlen, 7 die schlimmsten Formen
von Umweltzerstörung in die Länder
des Südens "delokalisieren" und
zugleich in den Gefahren der Umweltverschmutzung
für die Menschheit und den Planeten einen
weiteren Vorwand finden, um deren eigenständige
wirtschaftliche Entwicklung zu untersagen bzw.
ihre Abhängigkeit und Unterentwicklung
weiterhin im eigenen Interesse zu verwalten.8
Manövern dieser Art dienen auch die so
genannten Flexibilitätsklauseln des Kyoto-Protokolls.9
In
theoretischer Hinsicht führt der neo-klassische
Ansatz der Internalisierung insofern in eine
Sackgasse, als er den Gegenständen und
Reichtümern der Natur - die keine Produkte
menschlicher Arbeit sind und daher auch keine
Produktionskosten aufweisen - einen weitgehend
willkürlichen Preis verleiht.10 Das Verhalten
der Menschen soll sich wie auf allen Märkten
am Verhältnis zwischen Grenzkosten und
Grenznutzen orientieren.11 Doch wie sollen die
Grenzkosten eines Stücks Tropenwald (Waldrodung)
berechnet werden,wenn über dessen Gesamtwert
höchstens sein Schöpfer - Gott, sofern
es ihn gibt - Bescheid wissen könnte ?
Und wie kann die Grenznutzentheorie auf einen
Atemzug Luft angewendet werden, deren Gebrauchswert
für die Menschen im Gegensatz zu dem von
Blusen, Autos oder einigen Tassen Kaffee nicht
mit zunehmendem Konsum abnimmt ?
Gut
regiert ist halb gewonnen
Auf
der politischen Ebene glauben die überzeugten
Anhänger der nachhaltigen Entwicklung an
den Geist der Good Governancein den Ländern
des Südens. Die gepriesenen Regeln des
guten Regierens bestehen im Wesentlichen aus
Vorgaben der internationalen Institutionen des
Finanz- und Industriekapitals (Weltbank, WTO,
IWF, OECD) zur Umsetzung und Verwaltung der
Strukturanpassungsprogramme, die diesen Ländern
unter dem Druck der Schuldenkrise auferlegt
werden. Das Ganze sollte mit einigen Elementen
repräsentativer Demokratie garniert werden,
was die Legitimation der erwünschten Massnahmen
begünstigt. Als wichtig wird der Einbezug
von NGO und Unternehmen erachtet, vor allem
in jenen Bereichen, wo der Staat zum Abbau von
Sozial- und Umweltschutzprogrammen gezwungen
wird, die gemäss WTO-Jargon "den Markt
verzerren" oder "nicht-tarifäre
Handelshindernisse" darstellen. Obschon
die verheerenden Auswirkungen der Strukturanpassungsprogramme
des IWF auf Armut, Gesundheit, Ernährung,
Umwelt u.a. inzwischen auf breiter Basis dokumentiert
sind, liegt das Problem in den Augen der Global
Leadersweiterhin in einer nicht sachgemässen
Verabreichung des einzigen bekannten und anerkannten
Medikamentes. Der Diskurs über die Good
Governance ist in dieser Hinsicht nur der jüngste
Aufguss der alten Ideologie der Kolonialisierung,
die behauptet, dass die Menschen im Süden
an ihrem Elend selbst schuld sind und froh sein
müssen, wenn überlegene Zivilisationen
- oder Rassen - ihr Schicksal in die Hand nehmen.
Überhaupt
entpuppt sich die vorherrschende Diskussion
über nachhaltige Entwicklung bei genauerer
Betrachtung als ideologischer Diskurs, der ein
undurchsichtiges Geflecht von intelligent tönenden
Begriffen entwickelt, um den Blick von den tatsächlichen
Ursachen der ökologischen und sozialen
Katastrophe abzulenken. Diese liegen in den
Funktionsprinzipien des kapitalistischen Systems,
das die gesellschaftliche Produktion in ihrer
Gesamtheit allein an der Maximierung der Rentabilität
des investierten Kapitals ausrichtet, anstatt
sie sozialen Bedürfnissen und ökologischen
Anforderungen unterzuordnen. Systematisch produziert
der Kapitalismus das Gegenteil von Nachhaltigkeit
: gesellschaftliche Verhältnisse, unter
denen eine Mehrheit der Menschen ihr Leben nicht
menschenwürdig planen, organisieren und
führen können ; Konsumgüter,
die aus Gründen des Absatzes und des Profits
kurzlebig sein müssen ; Zerstörung
von Ökosystemen ; unkontrollierter Verbrauch
natürlicher Ressourcen ; Vernachlässigung
von Sicherheits- und Vorsichtsmassnahmen aus
Profitgründen, was zu grossen Unglücksfällen
führt (Eisenbahn, Öltanker, u.a.)
; usw. In einem solchen System kann nachhaltige
Entwicklung höchstens aus einigen flankierenden
sozialen und ökologischen Massnahmen bestehen,
die das Schlimmste gerade noch einmal zu verhindern
suchen. Doch selbst solche Zugeständnisse
lehnt der Imperialismus heute immer öfter
ab.
Für
eine öko-sozialistische Alternative
Wird
die Idee der nachhaltigen Entwicklung ernst
genommen, so ist von den Eigenschaften der Ökosysteme
auszugehen. Diese beruhen auf dem Respekt vor
dem Leben und lassen sich nicht zutreffend in
den Kategorien des Warentausches und der kapitalistischen
Rentabilität erfassen. Auch weist ihre
Reproduktion und Entwicklung ganz andere Rhythmen
und zeitliche Abläufe auf als der verrückte
Wettlauf des Kapitals um Absatz und Profite.
Im Zentrum der Reproduktion der lebenden Systeme
muss auch der Respekt vor dem Leben und der
Würde der Menschen stehen - um so mehr,
als sie zu den bestimmenden Lebewesen im Ökosystem
Erde geworden sind. Im Gegensatz zum Kapitalismus,
der nur den universellen Massstab der Verwertung
und Akkumulation des Kapitals kennt und aller
Materie - auch den Lebewesen - nur mit Bezug
darauf einen relativen Wert zuerkennt, 12 muss
eine wirklich nachhaltige Entwicklung von den
Eigenheiten der Ökosysteme und den Bedürfnissen
der Menschen ausgehen und ihnen die Ziele der
gesellschaftlichen Produktion anpassen. Die
grundlegende Veränderung der Beziehungen
der Menschen zur Natur setzt eine Transformation
der gesellschaftlichen Verhältnisse voraus,
die über den Kapitalismus hinaus weist.
Die
Alternative zur sozialen und ökologischen
Katastrophe der Globalisierung des Kapitals
braucht daherkeineswegs in der Ablehnung von
Wachstum und Entwicklung per seund dem Wunsch
nach einer Rückkehr ins "Paradies"
vormoderner Zeiten zu liegen.13 Vielmehr geht
es darum, Wachstum und Entwicklung qualitativ
wie quantitativ an den Bedürfnissen der
Menschen und den Erfordernissen der natürlichen
Systeme, in denen sie leben, auszurichten. Dies
ruft nach einer Organisationsform von Wirtschaft
und Gesellschaft, die - befreit von der Unterwerfung
unter die Zwänge der Kapitalakkumulation
- sowohl mit den natürlichen Ressourcen
als auch mit der Arbeitskraft der Menschen sparsam
und schonend umgeht. Solche Grundsätze,
die gerade in den Ländern des real existierenden
Sozialismus (auch in China und Kuba) mit Füssen
getreten wurden, müssen heute ins Zentrum
jedes neuen sozialistischen Projektes gestellt
werden.
Unmittelbar
würde die Umsetzung wichtiger Forderungen
der Bewegung für eine andere Globalisierung
einen weitaus grösseren Beitrag zur nachhaltigen
Entwicklung liefern als die wichtigtuerischenDiskussionen
im Davoser Kongresszentrum : ein Stopp der durch
die WTO geförderten Privatisierung der
globalen öffentlichen Güter (Kultur,
Wissen, Natur), die allen Menschen gemeinsam
gehören sollten ; die Finanzierung der
Befriedigung elementarer Bedürfnisse durch
die Tobin-Steuer und die internationale Besteuerung
der Profite der Grosskonzerne ; 14 eine radikale
Veränderung der Entwicklungshilfe, die
heute oftmals aus staatlicher Handels- und Exportförderung
zu Gunsten von Unternehmen aus den Industrieländern
besteht ; die Streichung der Aussenschulden
der Länder des Südens ; der Kampf
gegen die internationale Kapitalflucht ; usw.
Doch
das WEF will davon nichts wissen, sondern nur
das Vertrauen der Menschen in die Institutionen
eines kapitalistischen Systems wieder herstellen,
dessen räuberische und zerstörerische
Züge immer deutlicher hervortreten. Zu
diesem Zweck müssen die Global Leaders
zugleich den Lohnabhängigen undUnterdrückten
das Vertrauen in ihre eigene Fähigkeit
ausreden, sich zu organisieren und diese Welt
zu verändern. Das Anwachsen der Protestbewegung
gegen die kapitalistische Globalisierung und
den imperialistischen Krieg deutet allerdings
darauf hin, dass dies immer weniger gut zu gelingen
scheint.
1
Angaben zur Studie sind auf der Webseite des
WEF zu finden (www. weforum.org).
2
Vgl. die jährlichen UNPD-Berichte über
den Stand der menschlichen Entwicklung.
3
Vgl. den Artikel von Claude Serfati in dieser
Nummer.
4
Die ökologischen Auswirkungen der imperialistischen
Kriege - zum Beispiel die Verseuchung weiter
Gebiete in Serbien / Kosovo, Afghanistan oder
im Irak durch Bomben, die mit abgereichertem
Uran bestückt sind - werden oftmals verschwiegen.
Vietnam bleibt in dieser Hinsicht bis heute
ein schreckliches Beispiel. Solche Kriege verwandeln
die Lebensräume unzähliger Menschen
in Gebiete, wo menschliches Leben höchstens
noch unter schwerwiegendster Beeinträchtigung
der Gesundheit möglich ist.
5
Eine solche Liste hat der US-amerikanische UNO-Botschafter
Negroponte kurze Zeit nach den Anschlägen
des 11. Septembers 2001 präsentiert. Es
handelt sich um Staaten, die laut Washington
im Verdacht stehen, terroristischen Gruppen
Schutz zu gewährleisten bzw. sie zu unterstützen.
6
Benannt nach der internationalen Konferenz über
Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung, die
1997 in der japanischen Stadt Kyoto durchgeführt
wurde.
7
So lehnt die Regierung von G.W. Bush die Ratifizierung
des Kyoto-Protokolls ab und setzt auf "private
Initiativen" der Industrie. Anders gesagt
verzichtet sie auf verbindliche Massnahmen und
setzt explizit die "nationalen Interessen"
der USA über das Interesse der Menschheit
an einem lebenswerten Planeten. Ein schwerer
Schlag für das Kyoto-Protokoll, zumal die
USA jenes Land sind, das mit Abstand am meisten
Treibhausgase ausstösst. Dies hat auch
mit internen Kräfteverhältnissen zu
tun. So hat die amerikanische Auto-Lobby in
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
die Entwicklung der Eisenbahn behindert und
in den Städten den Abbau öffentlicher
Verkehrsmittel durchgesetzt. Geradezu legendär
ist der Einfluss der Erdölindustrie auf
die amerikanische Politik, wobei die heutige
Administration, die zu guten Teilen aus Führungskräften,
Verwaltungsräten und Beratern dieser Branche
gebildet wurde, wohl alles Bisherige in den
Schatten stellt.
8
Zu dieser historischen Kontinuität der
imperialistischen Politik vgl. Noam Chomsky,
World orders, old and new, London, Pluto Press,
1995. Zum Begriff der Unterentwicklung vgl.
die Studien von André Gunder Frank.
9
Zum Beispiel können auf Grund solcher Klauseln
Industrieländer Emissionsreduktionen im
eigenen Land mit dem Argument umgehen, dass
sie "saubere Technologien" an Länder
des Südens liefern, welche dort die Umweltverschmutzung
senken sollen.
10
Verschiedene Varianten der vorherrschenden ökonomischen
Theorie umgehen dieses Problem in eleganter
Manier, da sie den Preis einer Ware allein als
das Resultat des Spiels von Angebot und Nachfrage
betrachten. Sie fallen dadurch wissenschaftlich
nicht nur hinter Marx, sondern auch hinter Ricardo
zurück. Überhaupt ist heute eine Psychologisierung
der Wirtschaftstheorie zu beobachten (vgl. zum
Beispiel die regelmässigen Beiträge
des NZZ-Chefideologen Gerhard Schwarz zu den
"psychologischen Grundlagen der Ökonomie"),
die nichts weiter zum Ausdruck bringt als ihre
Unfähigkeit (oder ihren Unwillen), die
gesellschaftlichen Verhältnisse zu analysieren,
die dem Markt und der kapitalistischen Produktion
zu Grunde liegen.
11
Die Grenzkosten bezeichnen den Preis einer zusätzlichen
Einheit eines Gutes oder einer Dienstleistung,
der Grenznutzen den Vorteil, den der Konsument
daraus zieht. Gemäss neo-klassischer Theorie
konsumiert der homo oeconomicus, bis die Grenzkosten
den in der Regel abnehmenden Grenznutzen übersteigen.
12
Ein eindrückliches Beispiel dafür
ist heute die allgegenwärtige Diskussion
über das Humankapital und die Restrukturierung
des Bildungssystems : Sie bedeutet nichts anderes,
als dass die Menschen gesellschaftlich nur noch
insofern einen Wert haben, als sie zu nützlicher
Arbeitskraft für das Kapital werden.
13
Solche Strömungen zeichnen sich dadurch
aus, dass sie die Analyse der ökologischen
Krise von der des Kapitalismus trennen. Deshalb
sind sie auch nicht in der Lage, die Möglichkeit
einer qualitativ anderen, nicht kapitalistischen
Entwicklung zu denken, auf deren Grundlage menschliche
Bedürfnisse in zunehmendem Ausmass befriedigt
werden könnten, ohne die Reproduktion der
Ökosysteme zu gefährden. Ohne eine
solche öko-sozialistische Perspektive bleibt
nur die Wahl zwischen der absurden Vorstellung,
das Rad der Geschichte anzuhalten oder zurückzudrehen,
und der ethisch nicht zu rechtfertigenden Weigerung,
einer Mehrheit der Menschen das Recht auf wirtschaftliche
und soziale Entwicklung zu anerkennen.
14
Die UNDP-Berichte zeigen auf, dass die Befriedigung
grundlegender Bedürfnisse durchaus finanziert
werden könnte. Im jüngsten Bericht
werden die erforderlichen Ausgaben für
Schulbildung, medizinische Grundversorgung und
Trinkwasser weltweit auf 80 Milliarden Dollars
geschätzt. Im Vergleich dazu liegen allein
schon die Subventionen der Industrieländer
an ihre Agrarwirtschaften bei 350 Milliarden
Dollars - ein Betrag, den das US-amerikanische
Verteidigungsbudget übrigens bald schon
übertreffen soll ! |