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                                  Die Menge des von der Weltökonomie jährlich 
                                    ausgestoßenen Kohlendioxids beträgt 
                                    ungefähr das Doppelte dessen, was die 
                                    Ökosysteme (Meere, Boden, Vegetation) 
                                    aufnehmen können. Der Überschuss 
                                    sammelt sich in der Atmosphäre, verstärkt 
                                    den natürlichen Treibhauseffekts und 
                                    verursacht damit eine Erwärmung der Oberfläche 
                                    des Planeten. Das Phänomen begann mit 
                                    der industriellen Revolution und dem Aufstieg 
                                    des Kapitalismus. Hauptursachen sind die Verbrennung 
                                    fossiler Energieträger (Kohle, Öl, 
                                    Erdgas) und die Veränderungen in der 
                                    Bodennutzung (Abholzungen, Pflugbearbeitung 
                                    und so weiter). Die erste dieser Ursachen 
                                    ist mit der Explosion der Zahl der PKWs seit 
                                    den 50-er Jahren die wichtigste geworden. 
                                    Mehr als 75% der historischen Verantwortung 
                                    für den Klimawandel liegt bei den entwickelten 
                                    Ländern, aber die Emissionen der Entwicklungsländer 
                                    steigen rapid (vor allem in den größeren 
                                    Ländern wie Indien, China, Brasilien) 
                                    (siehe Abb. 1). Spezialisten zufolge sollten 
                                    wir den Anstieg der Temperatur der Erdoberfläche 
                                    verglichen mit der vorindustriellen Zeit auf 
                                    2°C begrenzen [1], da es sonst zu ernsten 
                                    Folgen für die Ökosysteme und die 
                                    Menschheit (vor allem die Länder des 
                                    Südens und die Armen allgemein, so das 
                                    IPCC [2]).  
                                     
                                      |  |   
                                      | Abbildung 
                                        1: Historische Verantwortung der verschiedenen 
                                        Ländergruppen für den Klimawandel. 
                                        Berechnung der zwischen 1870 und 2000 
                                        emittierten Kohlenstoffvolumina nach Weltregionen. Von unten nach oben : Europa, Nordamerika, 
                                        Ozeanien (inkl. Japan, Australien, Neuseeland), 
                                        Osteuropa, Mittel- und Südamerika, 
                                        „zentralgeplantes“ Asien (inkl. 
                                        China), Fernost (inkl. Indien und Südkorea), 
                                        Nahost und Afrika. Das aktuelle Emissionsvolumen 
                                        liegt bei 8 Gigatonnen Kohlenstoff (28,8 
                                        Gigatonnen CO2) pro Jahr.
 Quelle: Oakridge National Laboratory
 |  Um das volle Ausmaß der Aufgabe zu 
                                    verstehen, sollte uns klar sein, dass diese 
                                    Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 2°C 
                                    derzeit nicht mehr durch Aktivitäten 
                                    der entwickelten Länder alleine erreicht 
                                    werden kann: Selbst im hypothetischen Fall, 
                                    dass sie ihre gesamten Emissionen augenblicklich 
                                    auf Null bringen, die Entwicklungsländer 
                                    aber keine Maßnahmen ergreifen würden, 
                                    könnte der Anstieg trotzdem 4° bis 
                                    5°C in einem Jahrhundert erreichen, eine 
                                    Temperaturdifferenz die dem Abstand unserer 
                                    Epoche von der letzten Eiszeit entspricht. 
                                    In einer gigantischen Umkehr des kapitalistischen 
                                    „Fortschritts“ droht die menschliche 
                                    Rasse in eine Situation zu kommen, die sie 
                                    nie zuvor gesehen hat und deren Konsequenzen 
                                    man zumindest als ungeheuerlich bezeichnen 
                                    müsste.  
                                  Physikalische Grenzen und soziale Gesetze Mehr als 20 Jahre wurden die 
                                  Warnungen überhört. Heute ist es zu 
                                  spät, um den Klimawandel zu verhindern: 
                                  Er hat bereits begonnen, und seine Auswirkungen 
                                  werden noch auf Jahrhunderte hinaus zu spüren 
                                  sein. Die Frage lautet lediglich: Wie kann man 
                                  den Schaden begrenzen? Eine Antwort ist nur 
                                  im Rahmen unabänderlicher physikalischer 
                                  Gesetzmäßigkeiten möglich. Klimamodelle 
                                  zeigen, dass der einem Temperaturanstieg von 
                                  2°C entsprechende Anteil von Treibhausgasen 
                                  in der Atmosphäre etwa 450 bis 500 „Millionstel 
                                  Volumenteilen CO2-Äquivalenten – 
                                  ppmv CO2eq“ [3] betragen würde. Die 
                                  obere Grenze wäre etwa das Doppelte der 
                                  Konzentration vor 1780. Die heutige Konzentration aller 
                                  Gase zusammengerechnet bringt uns mit 465 ppmv 
                                  CO2eq (davon 370 ppmv für CO2 alleine) 
                                  bereits in die Gefahrenzone. Und der Anstieg 
                                  scheint sogar noch dramatisch zuzunehmen. [4] 
                                  Um die Temperatur des Globus wieder zu stabilisieren, 
                                  muss der Anteil der betreffenden Gase in der 
                                  Atmosphäre so schnell wie möglich 
                                  stabilisiert werden. Angesichts ihrer Lebensdauer 
                                  und insbesondere der thermischen Trägheit 
                                  der Ozeane [5] wird es nicht ausreichen, die 
                                  Emissionen nur zu stabilisieren; sie müssen 
                                  vielmehr reduziert werden, und zwar drastisch 
                                  und sehr schnell. Die Abbildungen unten zeigen 
                                  diesen Zusammenhang zwischen der zeitlichen 
                                  Entwicklung von Temperatur, Konzentration und 
                                  Emission für eine Stabilisierung nur des 
                                  CO2-Gehalt bei 550 ppmv. Wegen des Vorsorgeprinzips 
                                  und bei Berücksichtigung aller Treibhausgase 
                                  sollte als Ziel die Stabilisation bei 450 ppmv 
                                  CO2eq angestrebt werden, um Ungewissheiten des 
                                  Klimasystems zu berücksichtigen. Nach dem 
                                  Stern-Report [6] erfordert dieses Ziel, dass 
                                  die Emissionen von derzeit 42 Gigatonnen weltweit 
                                  pro Jahr in zehn Jahren ihr Maximum erreichen 
                                  und dann um mindestens 5% jährlich fallen 
                                  müssen, was bis 2050 eine Reduktion um 
                                  75% gegenüber 1990 bedeuten würde. 
                                  Eine Stabilisierung bei 550 ppmv (der oberen 
                                  der beiden Grenzen) würde ein Maximum in 
                                  20 Jahren und dann einen Rückgang von 1 
                                  bis 3 Prozent jährlich erfordern – 
                                  es gäbe dann aber schon ein 50%-iges Risiko, 
                                  die angestrebte Grenze des Temperaturanstiegs 
                                  von 2°C zu überschreiten. In jedem 
                                  Fall müssen die jährlichen Emissionen 
                                  im Laufe des Jahrhunderts auf 5 Gigatonnen CO2eq, 
                                  also auf ein Achtel, gesenkt werden. Das bedeutendste Treibhausgas 
                                  ist Kohlendioxid (CO2). Da dieses Gas unvermeidliches 
                                  Produkt jeder Verbrennung ist, lassen sich die 
                                  Emissionen nicht so leicht wie bei anderen Schadstoffen 
                                  senken, die wie Schwefel aus dem Rauch herausgefiltert 
                                  werden können. [7] Ist es trotzdem möglich, 
                                  solche drakonischen physikalischen Grenzen einzuhalten, 
                                  ohne die Menschheit um Jahrhunderte zurückzuwerfen? 
                                  Um Panikreaktionen, Vogel-Strauß-Reflexe 
                                  und andere Formen irrationalen Verhaltens (aus 
                                  denen reaktionäre Kräfte nutzen ziehen 
                                  könnten) zu vermeiden, ist es extrem wichtig 
                                  einzuhämmern, dass die Antwort auf technisch-wissenschaftlicher 
                                  Ebene lautet: Ja. Ja, der Kampf gegen Energieverschwendung, 
                                  für Steigerung der Energieeffizienz, für 
                                  Ersetzung fossiler Energiequellen durch erneuerbare 
                                  Quellen sowie der Schutz der Böden und 
                                  der Wälder erlaubt es, die Herausforderung 
                                  zu meistern. Wegen der Wichtigkeit der Verbrennungsvorgänge 
                                  steht die Energiefrage im Mittelpunkt der Debatte. 
                                  Tatsächlich beträgt der auf die Erdoberfläche 
                                  auftreffende Energiefluss der Sonne das 7000- 
                                  bis 8000-fache des Weltenergieverbrauchs – 
                                  und das noch für mindestens 5 Milliarden 
                                  Jahre. Ein Tausendstel dieses Energieflusses 
                                  könnte mit der heutigen Technik in nutzbare 
                                  Energie umgewandelt werden. Dieses technische 
                                  Potenzial wird mit dem wissenschaftlichen Fortschritt 
                                  (entsprechende Ressourcen vorausgesetzt) noch 
                                  zunehmen. Das bedeutet nicht, dass es keine 
                                  Probleme gäbe, dass es „genügen“ 
                                  würde, einfach alle fossilen Brennstoffe 
                                  durch erneuerbare Quellen zu ersetzen. Mit einem 
                                  kurzfristigen Übergang wären zahllose 
                                  Schwierigkeiten verbunden. Auf längere 
                                  Sicht würde die Nutzung der Solarenergie, 
                                  da sie eine verteilte Energiequelle ist, einen 
                                  hohen Grad von Dezentralisierung, also sozialer 
                                  Beteiligung und kollektiver Verantwortung erfordern.
 Veränderungen sind vor 
                                  allem beim individuellen Lebensstil der wohlhabenderen 
                                  Teile der Gesellschaft, vor allem in den entwickelten 
                                  Ländern, erforderlich, die ökologisch 
                                  nicht tragfähige Technologien in einem 
                                  Ausmaß benutzen, das nicht auf die gesamte 
                                  Menschheit verallgemeinert werden kann. Aber 
                                  diese erforderlichen Veränderungen sind 
                                  nicht gleichbedeutend mit einer „Regression“ 
                                  [einem historischen Rückschritt – 
                                  d.Üb.]. Wenn das Klima in sozialer Gerechtigkeit 
                                  gerettet wird, kann dies eine bessere Lebensqualität 
                                  für die breite Mehrheit der Bevölkerung 
                                  bedeutet, sogar in den „reichen Ländern“. Der beängstigende Charakter 
                                  des Klimawandels beruht auf der Tatsache, dass 
                                  die bisher durchgeführten Maßnahmen 
                                  viel zu kärglich sind. Warum das? Weil 
                                  solche Maßnahmen die Profitabilität 
                                  des Kapitals verringern, profitable Tätigkeiten 
                                  unterbinden und die mit der Energiezentralisierung 
                                  verbundene Rente [8] und Macht bedrohen, Planung 
                                  und öffentliche Initiative erfordern, eine 
                                  Verlagerung von Aktivitäten bedingen, die 
                                  Überproduktions-/Überkonsumtionsspirale 
                                  der einen und Unterkonsumtion der anderen durchbrechen 
                                  und so weiter. Dies sind ökonomische Gründe, 
                                  und damit soziale. Sie beruhen nicht auf unausweichlichen 
                                  Naturgesetzen, sondern auf sozialen Gesetzen, 
                                  die die Menschheit ändern kann. Die Spezialliteratur charakterisiert 
                                  den Klimawandel als „anthropischen“ 
                                  Ursprungs [menschengemacht – d.Üb.]. 
                                  Dieser Ausdruck ist allerdings nicht ganz korrekt. 
                                  Die Erwärmung ist nicht die vergiftetet 
                                  Frucht „menschlicher Aktivität“ 
                                  im Allgemeinen oder der „Technologie“ 
                                  im Allgemeinen, sondern der kapitalistischen 
                                  Aktivität und kapitalistischen Technologie 
                                  (die die bürokratischen Regimes im früheren 
                                  Sowjetblock im Westlichen nur nachahmten). Sie 
                                  ist Produkt „eines Systems, das immer 
                                  mehr seinem Konzept ähnelt“, wie 
                                  es Michel Husson so wunderbar ausgedrückt 
                                  hat. [9] Der Philosoph Hans Jonas benannte 
                                  in seinem vielgerühmten „Prinzip 
                                  Verantwortung“ als einer der ersten die 
                                  Bedeutung der klimatischen Grenzen für 
                                  die Entwicklung menschlicher Gesellschaften. 
                                  Doch verhallten seine im Jahre 1979 geschriebenen 
                                  Warnungen in diesem konkreten Punkt weitgehend 
                                  ungehört, obwohl seine Thesen im Allgemeinen 
                                  großen Einfluss hatten. [10] Aber seine 
                                  Ideologie führte Jonas dazu, das Problem 
                                  auf den Kopf zu stellen. Statt den Treibhauseffekt 
                                  als Folge des wahnsinnigen kapitalistischen 
                                  Wachstums zu sehen, meint er ein hochwissenschaftliches 
                                  und unwiderlegbares Argument gegen die „marxistische 
                                  Utopie“ gefunden zu haben. Das „Prinzip 
                                  Verantwortung“ beschuldigt die „Utopie“, 
                                  sie wolle der „Technologie“ alle 
                                  Fesseln lösen, was aus sich heraus die 
                                  Umwelt zerstören würde. [11] Entgegen dieser These betrachtet 
                                  die marxistische Analyse den Klimawandel als 
                                  Ergebnis der Produktionsweise, die wegen ihres 
                                  rein quantitativen Ziels, der Akkumulation von 
                                  Wert, nicht nachhaltig ist. Marx weist darauf 
                                  schon zu Beginn des Kapital hin: Das ist das 
                                  Charakeristikum des Werts als historisch spezifischer 
                                  Form des Vermögens, dass er die Illusion 
                                  nährt, ein Prozess unbeschränkter 
                                  materieller Akkumulation sei möglich. Konsequenterweise 
                                  führt in dieser verallgemeinerten Warenproduktion 
                                  die „Produktion um der Produktion wegen“ 
                                  zur „Konsumtion um der Konsumtion wegen“. 
                                  [12] Die Energie-Bulimie ist eine 
                                  spezifische Manifestierung dieser Dynamik, und 
                                  die Technologien, die sie zum Einsatz bringt, 
                                  sind anders als Hans Jonas und viele andere 
                                  gesagt haben, nicht neutral: Sie wurden geschaffen, 
                                  um die Gier nach Mehrwert zu befriedigen. Der 
                                  Griff zu fossilen Brennstoffen und Nuklearenergie 
                                  ist in diesem Zusammenhang beispielhaft. Ihre 
                                  Verwendung ist nicht Ergebnis eines technologischen 
                                  Automatismus sondern eine Entscheidung zugunsten 
                                  von Energiequellen, die man sich aneignen kann, 
                                  weil diese eine Rente, das heißt einen 
                                  Superprofit abwerfen. Wenn der von Edmond Becquerel 
                                  1839 entdeckte photovoltaische Effekt (die Erzeugung 
                                  eines elektrischen Stroms in bestimmten Halbleitermaterialien 
                                  beim Auftreffen von Licht) nie Gegenstand systematischer 
                                  Entwicklung war, dann hauptsächlich, weil 
                                  man sich Solarenergie nicht so einfach aneignen 
                                  kann wie Kohle oder Ölfelder. Heute, nach 
                                  zweieinhalb Jahrhunderten eines auf fossile 
                                  Energiequellen gestützten Kapitalismus, 
                                  ist deren Verwendung völlig antagonistisch 
                                  zur rationalen Regulierung des Materialaustauschs 
                                  zwischen Mensch und Natur (die Marx als „die 
                                  einzig mögliche Freiheit“ bezeichnet) 
                                  geworden. Durch den Klimawandel scheint 
                                  die Natur selbst uns klar machen zu wollen, 
                                  dass die zwingende Notwendigkeit dieser rationalen 
                                  Regulierung ein Hauptgrund zum Aufgeben dieser 
                                  Produktionsweise geworden ist. Wir wollen feststellen, 
                                  dass die seit zwei Jahrhunderten beobachtete 
                                  relative Verringerung der Energie- und Kohlenstoffintensität 
                                  der Ökonomie (d.h. die zur Produktion einer 
                                  Einheit des BSP erforderlichen Menge an Energie 
                                  oder Kohlenstoff) nichts an dieser Notwendigkeit 
                                  ändert: Sie ist mehr als ausgeglichen worden 
                                  durch die absolute Ausweitung der Produktion. 
                                  Das dahinter stehende Gesetz ist wohlbekannt: 
                                  Um den tendenziellen Fall der Profitrate auszugleichen, 
                                  muss der Kapitalismus ständig neue Regionen 
                                  erobern, neue Bedürfnisse schaffen, neue 
                                  Märkte öffnen. Der Wahnsinn des Wachstums 
                                  wird, wenn man ihm freie Bahn lässt, das 
                                  letzte Barrel Öl und die letzte Tonne Kohle 
                                  verfeuern. Zu hoffen, die Schädigung der 
                                  Umwelt könnte aufhören, wenn diese 
                                  Ressourcen „erschöpft“ sind, 
                                  würde sich als Fehler erweisen: Die kapitalistische 
                                  Akkumulationsdynamik würde, wenn sie gezwungen 
                                  ist, auf fossile Energiequellen zu verzichten 
                                  [13], ganze Regionen der Welt in ökologische 
                                  Wüsten verwandeln, um in gewaltigen Monokulturen 
                                  Biotreibstoffe zu produzieren oder wo immer 
                                  möglich Atomkraftwerke zu errichten. Das 
                                  ITER-Projekt [14] stellt nur, wie Jean-Paul 
                                  Deleage et al. [15] es beschreiben, den letzten 
                                  Avatar des Wahnsinns dar: Ein System das völlig 
                                  inkompatibel mit dem Funktionsrhythmus der Biosphäre 
                                  ist. 
                                  
                                    |  |  
                                    | Abbildung 
                                      2: Konstante CO2-Emissionen bedeuten keine 
                                      konstante CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Beziehungen zwischen den zeitlichen Verläufen 
                                      von Emission, Konzentration und Temperatur. 
                                      Die Stabilisierung der Emissionen auf heutigem 
                                      Niveau (horizontale Linie in der linken 
                                      Grafik) führt zu einem weiteren Anstieg 
                                      der CO2-Konzentration bis auf 800 ppmv im 
                                      Jahre 2300 (rote Linie in der mittleren 
                                      Grafik) und einem ungebremsten Temperaturanstieg 
                                      um 3°C gegenüber heute (rechte 
                                      Grafik). Selbst die schnelle Reduktion der 
                                      Emissionen nach einer Spitze von 11 GtC/a 
                                      erlaubt nur eine Stabilisierung der Konzentration 
                                      bei 550 ppmv (dem Doppelten des vorindustriellen 
                                      Niveaus) und damit einen Wendepunkt des 
                                      Temperaturanstiegs (schwarze Linien).
 |   
                                  Drei miteinander verbundene Schwierigkeiten Kann der Kapitalismus trotz 
                                  seiner Akkumulationslogik rechtzeitig die zu 
                                  einer Stabilisierung des Klimas erforderlichen 
                                  physikalischen Grenzen soweit respektieren, 
                                  um eine menschliche und ökologische Katastrophe 
                                  zu vermeiden? Angesichts des bereits erreichten 
                                  hohen Gehalts an Treibhausgasen und der Trägheit 
                                  des Klimasystems scheint dies leider sehr unwahrscheinlich 
                                  wenn nicht unmöglich. Die Katastrophe hat 
                                  tatsächlich bereits begonnen, wie man einer 
                                  Reihe von offensichtlich miteinander verbundenen 
                                  Ereignissen erkennen kann. Angesichts der offensichtlichen 
                                  Beschleunigung der Erwärmung ist die Frage 
                                  eher, ob das System in der Lage ist, den Schaden 
                                  zu begrenzen und die Lage zu stabilisieren – 
                                  und zu welchen sozialen Bedingungen. Um eine 
                                  konkrete Antwort darauf zu geben, müssen 
                                  wir drei miteinander verbundene Schwierigkeiten 
                                  bewerten: Der Umfang der in sehr kurzer Zeit 
                                  zu bewältigenden Aufgaben, die Starrheit 
                                  des Energiesystems und der Wettbewerb, der sich 
                                  im Verhältnis zwischen Staaten ausdrückt 
                                  (vor allem die Nord-Süd-Beziehungen). Erste Schwierigkeit: das Zusammentreffen 
                                  sehr starker Ziele mit sehr kurzen Fristen. 
                                  Der Umfang der in nur wenigen Jahrzehnten zu 
                                  bewältigenden Aufgaben ist atemberaubend: 
                                  Es geht um die fast völlige Ablösung 
                                  der „Kohlenstoffwirtschaft“. Das 
                                  bedeutet eine Abwicklung aller fossilen Energiequellen 
                                  im Allgemeinen als auch von Öl als Rohstoff 
                                  der petrochemischen Industrie im Besonderen. 
                                  Erneuerbare Quellen können die Lücke 
                                  füllen, aber nicht unter allen Bedingungen. 
                                  Nicht unter den Bedingungen einer fortgesetzten 
                                  Energie-Bulimie im Transportbereich oder einer 
                                  aufgeblähten Kunststoffproduktion beispielsweise. Angesichts ihrer gegenüber 
                                  den fossilen Energieträgern höheren 
                                  Preise und der Kürze der Zeit zur Umstellung 
                                  wird der Übergang unter allen Umständen 
                                  mit einem deutlichen Rückgang der Primärnachfrage 
                                  in den entwickelten Ländern einhergehen 
                                  (in der Größenordnung von 50%, und 
                                  sogar noch mehr in den Ländern mit höherem 
                                  Energieverbrauch); also mit einem Kampf gegen 
                                  die Verschwendung und für eine Steigerung 
                                  der Energieeffizienz. Doch dieser Kampf gegen 
                                  Verschwendungen und für Effizienzsteigerung 
                                  betrifft nicht nur einzelne Anlagen, Privatgeräte 
                                  und persönliche Verhaltensänderungen, 
                                  sondern auch und vor allem das globale Energiesystem, 
                                  das alles determiniert. Vom Standpunkt der Vernunft 
                                  aus müssten ganze Bereiche der Wirtschaft 
                                  schlicht und einfach stillgelegt werden, weil 
                                  sie nutzlos oder sogar schädlich sind (Waffenproduktion, 
                                  Werbung usw.), während andere rationeller 
                                  gestaltet werden könnten, um Dopplungen 
                                  durch den Wettbewerb zu vermeiden. Der Kapitalismus 
                                  kann dies nicht einmal in Betracht ziehen, weil 
                                  es seiner Logik völlig zuwider laufen würde. 
                                  Aber er kann trotzdem der Tatsache nicht entgehen, 
                                  dass beträchtliche Änderungen auf 
                                  verschiedenen Gebieten wie Raumordnung, Transport, 
                                  Landwirtschaft, Unterkunft, Freizeit und Tourismus 
                                  erforderlich sein werden. All diese Veränderungen 
                                  in der erforderlichen Zeit vorzunehmen, würde 
                                  eine starke Zentralisierung und demokratische 
                                  Ausarbeitung eines gut durchdachten Plans erfordern. 
                                  All diese Elemente sind kaum vereinbar mit dem 
                                  neoliberalen Management einer hektischen Produktionsweise, 
                                  in der Konkurrenz der Motor und politische Ausgrenzung 
                                  der Bevölkerung ihre Folge ist. Zweite Schwierigkeit: Das kapitalistische 
                                  Energiesystem ist von großer Starrheit 
                                  und starker Zentralisierung geprägt. Sie 
                                  sind nicht nur Folge der Lebensdauer der Investitionen 
                                  (30–40 Jahre für ein Elektrizitätswerk), 
                                  sondern auch und vor allem der Tatsache, dass 
                                  eine mächtige Lobby an der Gans hängt, 
                                  die goldene Eier legt, … und ständig 
                                  neue Bedürfnisse erzeugt, die die Tatsache 
                                  „rechtfertigen“, dass die Gans in 
                                  der Batterie bleiben muss, um noch mehr zu legen. 
                                  Der weltweite Umsatz mit Raffinerieprodukten 
                                  der Ölindustrie wird auf 2000 Milliarden 
                                  Euro pro Jahr geschätzt; die Summe aller 
                                  Kosten, von der Lagerstättensuche über 
                                  die Förderung bis zur Raffinierung, wird 
                                  auf 500 Milliarden geschätzt. Die Differenz 
                                  dieser beiden Zahlen (immerhin 1500 Milliarden 
                                  Euro pro Jahr!) bildet den Profit, und vor allem 
                                  den Superprofit in Form einer Rente aufgrund 
                                  der privaten Aneignung der Ressourcen. [16] Zu dieser kolossalen Macht 
                                  muss jene der mit Öl verbundenen Bereiche 
                                  addiert werden: Autos, Chemie, Petrochemie, 
                                  Luftfahrt, Schiffbau usw.: All diese Branchen 
                                  basieren auf einer ständigen Expansion 
                                  des Weltmarkts und damit des materiellen Verbrauchs 
                                  und Handels. Unter diesen Umständen könnten 
                                  – auch schnelle – Investitionen 
                                  in Wind- und Sonnenergie (wo die Renditeentwicklung 
                                  noch gar nicht absehbar ist) die Umsetzung einer 
                                  Lösung nur hinauszögern. Der weitgehend 
                                  von Großkonzernen wie Shell, BP usw. kontrollierte 
                                  Sektor der erneuerbaren Energien könnte 
                                  die fossilen Brennstoffe nur ergänzen, 
                                  statt sie zu ersetzen. Zusammen mit der des 
                                  PKW-Verkehrs zeigt die Explosion des Lufttransports 
                                  und der sich daraus ergebenden Verbrauchsgewohnheiten 
                                  aufs Beste die Art, wie sich diese Zauberlehrling-Logik 
                                  gegen die Bedürfnisse legitimiert, die 
                                  sie schafft, und uns immer schneller gegen die 
                                  Wand laufen lässt, während wir die 
                                  Augen vor der Realität verschließen. Dritte Schwierigkeit: die Konkurrenz, 
                                  die sich in den Beziehungen zwischen den Staaten 
                                  ausdrückt. Das CO2, das an irgendeinem 
                                  Punkt der Erde produziert wird, trägt zur 
                                  Erwärmung des Planeten bei. Angesichts 
                                  des globalen Charakters dieser Bedrohung sollte 
                                  auch die Antwort auf Weltebene gedacht, geplant 
                                  und formuliert werden und dabei die langfristige 
                                  Zusammenarbeit im Interesse aller im Mittelpunkt 
                                  stehen. Ziel dieser Bemühungen muss es 
                                  vor allem sein, eine gemeinsame Antwort auf 
                                  die Kernfrage zu formulieren: Wie kann man die 
                                  Ressourcen teilen, um sowohl den drastischen 
                                  und schnellen Rückgang der Emissionen im 
                                  Weltmaßstab als auch das Recht auf Entwicklung 
                                  für die Länder des Südens, in 
                                  denen allergrößte Mehrheit der Menschen 
                                  lebt, zu ermöglichen? Trotz aller Bemühungen 
                                  zahlloser Wissenschaftler haben Beherrschung 
                                  und Wettbewerb immer noch Vorrang vor Zusammenarbeit 
                                  und das Aneignen von Ressourcen (auch mit militärischen 
                                  Mitteln) vor dem gerechten Teilen. Die Haltung der wichtigsten 
                                  imperialistischen Protagonisten (USA, Europäische 
                                  Union, Japan) bei den Klimaverhandlungen ist 
                                  deutlich bestimmt von den Interessen ihrer Unternehmen 
                                  und den geostrategischen Interessen der verschiedenen 
                                  Bourgeoisien auf dem Weltmarkt, vor allem dem 
                                  Energiemarkt. Dasselbe gilt für Russland, 
                                  für jeden EU-Mitgliedsstaat einzeln und 
                                  für die großen Entwicklungsländer 
                                  (ganz zu schweigen von den Ölmonarchien). 
                                  Die grenzenlosen Schwierigkeiten, die Langsamkeit 
                                  und die Rückschläge der Klimaverhandlungen 
                                  sind daher Ausdruck dieses unter dem Kapitalismus 
                                  unauflösbaren Widerspruchs zwischen dem 
                                  zunehmend globalisierten Charakter der Ökonomie 
                                  und dem Fortbestehen rivalisierender Staaten 
                                  (oder Staatengruppen), die alle nur der Verteidigung 
                                  der Interessen ihrer Bourgeoisie verpflichtet 
                                  sind, von denen einige die anderen beherrschen. 
                                  Dieser Wirrwarr, in dem das Schicksal der Opfer 
                                  des Klimawandels keine Rolle spielt, könnte 
                                  irreversible Konsequenzen haben. Beispielsweise 
                                  wenn der Interessenkonflikt zwischen den imperialistischen 
                                  Mächten und den herrschenden Klassen der 
                                  großen Entwicklungsländer zu einer 
                                  langfristigen Blockade der Verhandlungen über 
                                  ein Kyoto-Folgeabkommen führt. Oder wenn, 
                                  entgegen aller Erwartungen, die künftige 
                                  US-Regierung an der Bush-Linie noch jahrelang 
                                  festhalten würde. Von 
                                  Kyoto nach Nairobi und darüber hinaus: 
                                  die kapitalistische Antwort Aus all dem sollte nun aber 
                                  nicht gefolgert werden, der kapitalistische 
                                  Moloch werde einem Phänomen tatenlos zusehen, 
                                  das, selbst wenn es in erster Linie die Ausgebeuteten 
                                  betrifft, doch auch die Gefahr einer massiven 
                                  Kapitalentwertung und wachsender Instabilität 
                                  beinhaltet. Aber sein Kampf gegen den Klimawandel 
                                  wird, seit vierzehn Jahren, [17] nach dem vom 
                                  Kapital diktierten Rhythmus geführt, also 
                                  zu langsam, und nach den Regeln des Neoliberalismus, 
                                  was die sozialen Ungleichheiten, die Nord-Süd-Spannungen 
                                  wie auch die Aneignung und Vergeudung von Naturressourcen 
                                  steigert. Langsamkeit und perverse Effekte: 
                                  Trotz einiger positiver Züge verkörpert 
                                  Kyoto beide Charakteristika. So ist nicht nur 
                                  das Emissionsminderungsziel von 5,2% für 
                                  die entwickelten Länder sehr bescheiden 
                                  und erst bis zum Jahre 2012 zu erfüllen, 
                                  sondern das Protokoll enthält auch „flexiblen 
                                  Mechanismen“, die negative soziale und 
                                  ökologische Konsequenzen haben werden. 
                                  Die Verhandlungen über die Zeit nach 2012 
                                  scheinen daran nichts ändern zu werden. 
                                  Wenn George W. Bush das Weiße Haus geräumt 
                                  hat, werden die USA und die EU wahrscheinlich 
                                  schnell einen Kompromiss finden. Dies entspricht 
                                  den immer drängenderen Forderungen zahlloser 
                                  multinationaler Konzerne, die im Bewusstsein 
                                  der Unvermeidlichkeit von Maßnahmen so 
                                  schnell wie möglich ein einheitliches und 
                                  stabiles Regelwerk auf Weltebene wollen. Aber 
                                  diese Wiederannäherung der Klima-Erbfeinde 
                                  könnte gut den neoliberalen Charakter des 
                                  Kyoto-Protokolls verstärken, seine begrenzten 
                                  Regulationskräfte (Quoten, Fristen, Sanktionen 
                                  bei Nichteinhaltung) schwächen und die 
                                  anderen positiven Aspekte gefährden. Diese Tendenz ist deutlich 
                                  erkennbar in der intensiven diplomatischen Aktivität 
                                  von Tony Blair und seinem designierten Nachfolger, 
                                  Gordon Brown. Auf dem von ihm geleiteten G8-Gipfel 
                                  ließ der Bewohner von Downing Street 10 
                                  seine Ambitionen erkennbar werden: Großbritannien 
                                  zum Dreh- und Angelpunkt eines neuen Klimaabkommens 
                                  zu machen, was die Position seines Landes als 
                                  Kandidat für die Führung einer vergrößerten 
                                  Europäischen Union stärken würde. 
                                  [18] Der am 31.10.2006, unmittelbar 
                                  vor der UN-Klimakonferenz in Nairobi (Kenia), 
                                  veröffentlichte Stern-Report über 
                                  die Ökonomie des Klimawandels, kann in 
                                  diesem Zusammenhang gesehen werden. [19] Das 
                                  Besondere an diesem Report ist, dass zum ersten 
                                  Mal ein von einer Regierung eingesetztes Team 
                                  von Ökonomen die Warnungen der Wissenschaft 
                                  ernst nimmt und versucht, eine globale Antwort 
                                  zu geben. Sir Nicholas Stern kommt zweifellos 
                                  das Verdienst zu, den Klimawandel mit einer 
                                  schockierenden Zahl auf die Titelseiten der 
                                  Medien gebracht zu haben: Wenn nichts passiert, 
                                  könnten die Folgen die Erwärmung so 
                                  schlimm sein wie zwei Welkriege und die große 
                                  Weltwirtschaftskrise zusammen, entsprechend 
                                  einem Fall des BSP von bis zu 20%. „Es 
                                  ist besser, sofort zu handeln und gemeinsam 
                                  mit allen, das käme weniger teuer und würde 
                                  den Unternehmen mehr Absatzmöglichkeiten 
                                  öffnen.“ – das ist die Logik 
                                  seines Berichts. Aber unter dem Deckmantel einer 
                                  ehrgeizigen, langfristigen Strategie tendiert 
                                  Stern dazu, die positiven Aspekte von Kyoto 
                                  zugunsten einer 100% neoliberalen Politik auszuhöhlen. 
                                  Paradoxerweise charakterisiert er zwar den Klimawandel 
                                  als das „größte und breiteste 
                                  Marktversagen aller Zeiten“, doch lässt 
                                  die von ihm selbst vorgeschlagene Lösung 
                                  in der abgedroschenen Formel zusammenfassen: 
                                  mehr Markt, mehr Wachstum, mehr Kernenergie, 
                                  mehr Handelsliberalisierung, weniger soziale 
                                  Sicherung und Demokratie – kurz: noch 
                                  mehr von dieser Politik, die die Umwelt zerstört 
                                  und für die die Länder des Südens, 
                                  die Armen und die Arbeiterinnen und Arbeiter 
                                  die Kosten zahlen. Die Nord-Süd-Frage ist 
                                  entscheidend, wie wir gesehen haben. Indem er 
                                  sich von dem engen Rahmen des Kyoto-Zeitplans 
                                  löst, entgeht der Stern-Report dem Grabenkrieg 
                                  zwischen den großen Entwicklungsländern 
                                  und den imperialistischen Metropolen, wo die 
                                  ersten zu den zweiten sagen: „Ihr seid 
                                  verantwortlich, ihr müsst handeln!“ 
                                  und die zweiten antworten: „Ihr werdet 
                                  bald mehr Treibhausgase emittieren als wir, 
                                  also handelt ihr auch!“ Aber das Kräfteverhältnis 
                                  ist für die beherrschten Länder außerhalb 
                                  der Schützengräben nicht wesentlich 
                                  besser als in den Gräben… Zumindest 
                                  für die nächsten Jahrzehnte beinhaltet 
                                  der vom früheren Chefökonomen der 
                                  Weltbank vorgelegte Plan, dass der Großteil 
                                  der durch einen Kohlenstoff-Weltpreis erzwungenen 
                                  Reduktionsbemühungen im Süden durch 
                                  Investitionen des Nordens realisiert wird, über 
                                  die Schaffung von Emissionsrechten für 
                                  den Norden. [20] Also soll die, bislang noch 
                                  als „ergänzend“ zu den sogenannten 
                                  „innenpolitischen“ Maßnahmen 
                                  bezeichnete, „Flexibilität“ 
                                  von Kyoto total werden. Tatsächlich würde 
                                  die Emissionsminderungen, sobald sie ihrer Ortsgebundenheit 
                                  verliert, für die Unternehmen des Nordens 
                                  von einem Kostenfaktor zu einem gigantischen 
                                  Exportmarkt für Anlagen und Dienstleistungen. 
                                  [21] Ein Markt unter den Bedingungen des ungleichen 
                                  Tauschs, auf dem sich die Entwicklungsländer 
                                  dazu „gedrängt“ sehen würden, 
                                  sich zu CO2-Steuern oder zu Quoten zu verpflichten, 
                                  und der die imperialistische Beherrschung ihrer 
                                  Ökonomien verschärfen würde. 
                                  Einige Entscheidungen der letzten UN-Klimakonferenz 
                                  (Nairobi, November 2006) versteht man besser 
                                  im Lichte dieser Analyse. In Nairobi akzeptierten 
                                  die entwickelten Länder das Ziel einer 
                                  Reduktion von „deutlich mehr als 50% bis 
                                  zum Jahre 2050, aber sie präzisierten, 
                                  dass sie den Weg „nicht ganz alleine“ 
                                  gehen würden. Diese drei kleinen Worte 
                                  sind eine offensichtliche Anspielung auf eine 
                                  Erweiterung des „Clean Development Mechanism” 
                                  (CDM, eine der flexiblen Vereinbarungen von 
                                  Kyoto). [22] Andererseits wurde beschlossen, 
                                  einen aus einer Investitionssteuer im Rahmen 
                                  des CDM finanzierten Anpassungsfonds bereitzustellen. 
                                  Kurz: Die Finanzierung der Schutzprojekte richtet 
                                  sich nicht nach den Bedürfnissen der am 
                                  meisten betroffenen Bevölkerungen, sondern 
                                  nach den Erfolgen der multinationalen Konzerne 
                                  im Wettlauf um den großen Markt der „kohlenstoffarmen“ 
                                  Technologien. Kann eine Politik, wie sie 
                                  von Stern vorgeschlagen wird, das Klima retten? 
                                  Zunächst würde es erforderlich sein, 
                                  ein Reduktionsziel festzulegen, das mit den 
                                  physikalischen Grenzen vereinbar ist. In dem 
                                  Bericht, der der britischen Regierung vorgelegt 
                                  wurde, ist dies nicht der Fall, und es wird 
                                  immer zweifelhafter, ob ein solches Ziel künftig 
                                  aufgenommen werden wird. Es wäre auch nötig, 
                                  dass eine starke „Gouvernance“ [etwa: 
                                  „Lenkungsstruktur“ – d.Üb.] 
                                  auf Weltebene in der Lage ist, einen Weltpreis 
                                  für Kohlenstoff festzulegen, der auf der 
                                  Ermittlung der Schäden durch die langfristige 
                                  Erwärmung und nicht durch die kurzfristigen 
                                  Gesetze des Marktes bestimmt ist. Auch das ist 
                                  nicht offensichtlich. Wie auch immer sich der 
                                  post-Kyoto-Prozess entwickelt, so ist durchaus 
                                  wahrscheinlich, dass die neoliberale Klimapolitik 
                                  der nächsten 20 bis 30 Jahre in einer Niederlage 
                                  enden wird. Was könnte dann geschehen? 
                                  Die Antwort hat viel von politischer Spekulation. Angesichts der Fristen, die 
                                  doch sehr drängend geworden sind, ist es 
                                  nicht ausgeschlossen, dass beispielsweise die 
                                  herrschenden Mächte plötzlich den 
                                  Kurs ändern, ihre Staatsapparate mobilisieren 
                                  und alle Ressourcen zentralisieren bis hin zur 
                                  Rationierung wie in Kriegszeiten. Dieser Vergleich 
                                  ist gar nicht mal hergesucht: Der Wendepunkt 
                                  könnte tatsächlich von imperialistischen 
                                  Militärabenteuern begleitet sein, inner-imperialistischen 
                                  Konfrontationen oder anderen Arten mörderischer 
                                  Konflikte. Doch das ist spekulativ. Während 
                                  Kriege für Energieressourcen heute schon 
                                  Realität sind, deutet nichts auf ein Fallenlassen 
                                  des Neoliberalismus zugunsten einer mehr staat-zentrierten 
                                  Politik hin. Wie dem auch sei, eine solche Mobilisierung 
                                  würde offensichtlich nicht das Ziel haben, 
                                  das Klima für alle zu retten, sondern es 
                                  soweit möglich zu retten, ohne die sozialen 
                                  Privilegien der Ausbeuter zu gefährden. 
                                  Das würde zu nicht absehbarem menschlichem 
                                  Leid, zu einem Anwachsen der Ausbeutung, einer 
                                  Zunahme der Ausplünderung der beherrschten 
                                  Länder und einem Angriff auf die demokratischen 
                                  Rechte führen.  
                                  Globale Rationalität oder Rationalität 
                                  des Kapitals Wegen des Fehlens einer glaubwürdigen 
                                  Alternative zur neoliberalen Politik fühlen 
                                  sich bestimmte Szenen und Personen gedrängt, 
                                  Vorschläge zu entwickeln, um den Schutz 
                                  des Klimas auf gerechte Weise zu beschleunigen, 
                                  doch ohne mit den Marktmechanismen zu brechen, 
                                  die sie als unbestrittenen Konsens betrachten. 
                                  Auch wenn sie versuchen realistisch zu sein, 
                                  setzen ihre Vorschläge die Erfüllung 
                                  einer Reihe von Bedingung voraus, die bei genauerer 
                                  Betrachtung höchst utopisch erscheinen. 
                                  In den Augen des Systems haben sie den Fehler, 
                                  auf die Kraft der Überzeugung einer übergeordneten 
                                  Rationalität zu vertrauen. Doch das Kapital 
                                  – eigentlich viele miteinander konkurrierende 
                                  „Kapitale“ – ist durch den 
                                  Widerspruch zwischen seinen zahllosen Teil-Rationalitäten 
                                  und seine wachsende Irrationalität als 
                                  System gekennzeichnet. Von einer globalen Rationalität 
                                  lässt es sich nur zeitweise überzeugen, 
                                  und nur im allerletzten Extremfall, wenn sein 
                                  eigenes Überleben gefährdet ist (aber 
                                  in dem Moment ist es im Allgemeinen schon zu 
                                  spät für das Überleben vieler 
                                  Mitglieder der weniger begünstigten Klassen 
                                  und Schichten). Dieses quid pro quo [etwa: 
                                  Geben und Nehmen – d.Üb.] zwischen 
                                  globaler Vernunft und der Vernunft des Kapitals 
                                  charakterisiert vor allem den als „Contraction 
                                  and Convergence” (C&C – „Verringerung 
                                  und Angleichung“) bekannt gewordenen Vorschlag. 
                                  Er wurde vom indischen Ökologen Anil Agarwal 
                                  [23] formuliert, vom Global Commons Institute 
                                  von Aubrey Meyer [24] aufgegriffen und von bedeutenden 
                                  Wissenschaftlern wie Sir John Houghton [25] 
                                  oder Jean-Pascal van Ypersele [26] verbreitet. 
                                  Diesem Vorschlag kommt das Verdienst zu, das 
                                  Dilemma der Entwicklungsländer zu deren 
                                  Vorteil zu lösen. Wir wollen uns mit dem Problem 
                                  etwas genauer beschäftigen: Würden 
                                  die Entwicklungsländer ihr Wachstum auf 
                                  fossile Energieträger stützen, würden 
                                  sie, selbst wenn der kombinierte Charakter der 
                                  Entwicklung nicht exakt dem Weg entsprechen 
                                  würde, den die imperialistischen Länder 
                                  seit 1780 gegangen sind, den Klimawandel verschärfen, 
                                  dessen Hauptopfer ihre eigenen Völker sein 
                                  werden (und bereits sind!). Die Armen haben 
                                  recht, dass sie nicht arm bleiben wollen, um 
                                  das Klima zu retten, das die Reichen ruiniert 
                                  haben. C&C will daher eine radikale Reduktion 
                                  der globalen Emissionen („Contraction“) 
                                  mit einer Angleichung der Emissionen pro Einwohner 
                                  („Convergence“) und einem Aufholen 
                                  der Entwicklung des Nordens durch den Süden 
                                  dank sauberer Technologien kombinieren (Abb. 
                                  3). Wir teilen diese egalitäre Perspektive, 
                                  aber wie soll sie in die Praxis umgesetzt werden? 
                                   
                                    |  |   
                                    | Abbildung 
                                      3: Verteilung der Emissionsrechte auf die 
                                      verschiedenen Ländergruppen Das „Contraction and Convergence“-Modell 
                                      sieht vor, die Gesamtemission fossiler Brennstoffe 
                                      (auf 1 Milliarde Tonnen Kohlenstoff) zu 
                                      reduzieren und nach Pro-Kopf-Quoten aufzuteilen. 
                                      Damit soll der CO2-Gehalt bei450 ppmv im 
                                      Jahre 2100 stabilisiert werden. Quelle: 
                                      Global Commons Institute und J. Houghton.
 |  Als Antwort wird vorgeschlagen, 
                                  dass die handelbaren Emissionsrechte an die 
                                  Entwicklungsländer in dem Maße ausgegeben 
                                  werden, in dem sie unterhalb der [weltweiten] 
                                  Pro-Kopf-Quote liegen. Die Länder des Nordens, 
                                  die ihre Emissionen nicht reduzieren, müssten 
                                  diese Rechte dann kaufen. Der entsprechende 
                                  Verdienst würde es den Ländern des 
                                  Südens erlauben, die für eine kohlenstofffreie 
                                  Entwicklung erforderlichen Technologien zu erwerben. 
                                  Doch dieses Szenario wirft mehrere praktische 
                                  Fragen auf: An wen sollen die Rechte verteilt 
                                  werden? Wer sollte garantieren, dass ihr Verkauf 
                                  tatsächlich den Menschen zugute kommen 
                                  würde (und nicht der Schuldentilgung oder 
                                  der Mästung der Reichen)? Das sind entscheidende 
                                  Fragen. Aber auch der Mechanismus selbst hat 
                                  eine entscheidende Schwachstelle. In seiner Darstellung des C&C-Szenarios 
                                  schreibt der Klimatologe Jean-Pascal van Ypersele, 
                                  dem niemand seine solidarische Perspektive zur 
                                  Rettung des Klimas abspricht: „Wenn die 
                                  ursprüngliche Aufteilung der [Emissions-] 
                                  Rechte nach dem Prinzip der Gleichheit erfolgt, 
                                  könnten diese Rechte unter bestimmten Bedingungen 
                                  einen enormen Strom der Hilfe für die Entwicklungsländer 
                                  bilden. Und unter der Voraussetzung, dass die 
                                  Gesamtmenge der ausgestellten Erlaubnisse nur 
                                  unter dem Gesichtspunkt bemessen wird, das Klima 
                                  der kommenden Jahrhunderte zu schützen, 
                                  könnte ein solches System erlauben, die 
                                  erforderlichen Reduktionen zu geringsten Kosten 
                                  zu bewirken.“ [27] Das Problem steckt 
                                  ganz offensichtlich in dem kleinen Wörtchen 
                                  „wenn“ und dem Ausdruck „unter 
                                  der Voraussetzung, dass“. Der Kapitalismus 
                                  ist historisch aus der Aneignung von Naturressourcen 
                                  entstanden. Verfügungsrechte über 
                                  Ressourcen jetzt einfach frei zu verteilen, 
                                  widerspricht völlig seiner Natur (deshalb 
                                  ist auch in der Praxis die Verteilung von Emissionsrechten 
                                  weder gerecht noch ethisch, wie die Erfahrung 
                                  mit dem europäischen Rechtehandel zeigt. 
                                  Das allein wäre kein Grund, die Forderung 
                                  zu verwerfen (ganz im Gegenteil). Aber die Frage, 
                                  die gestellt werden muss, lautet: Wer soll die 
                                  Anerkennung der Vorbedingungen hinsichtlich 
                                  Gerechtigkeit und Menge an Emissionsberechtigungen 
                                  durchsetzen? Die politischen Vertreter der großen 
                                  Entwicklungsländer? Würden sie sich 
                                  um Ethik und das Klima mehr sorgen als ihre 
                                  imperialistischen Herren? Angenommen sie hätten 
                                  tatsächlich den Willen zu einer solchen 
                                  Lösung, so müssten sie sich auf eine 
                                  sehr breite Volksbewegung stützen können. Ist es realistisch zuglauben, 
                                  dass die armen Massen des Südens sich für 
                                  so esoterische Forderungen wie die Verteilung 
                                  handelbarer Rechte für die Emission von 
                                  Kohlendioxid in die Atomsphäre mobilisieren 
                                  würden? Wenn sie so etwas aufgreifen würden, 
                                  dann sicher nur im Rahmen allgemeinerer Forderungen, 
                                  die viel einfacher und direkter wären: 
                                  Schuldenstreichung, Bodenreform, Nationalisierung 
                                  der Energieressourcen (wie in Venezuela und 
                                  Bolivien), kommunale Rechte an Wasser und anderen 
                                  Ressourcen und so weiter. Tatsächlich brechen 
                                  die meisten dieser Forderungen mit dem Markt 
                                  – also dem Rahmen, an dem C&C fern 
                                  jeder Realität unbedingt festhalten will. 
                                  Damit sind wir wieder am Ausgangspunkt angekommen. Was diese Diskussion zeigt, 
                                  ist, dass das Ziel und die subjektiven Schwierigkeiten 
                                  bei der Rettung des Klimas unauflöslich 
                                  miteinander verbunden sind: Wir können 
                                  das eine nicht ohne das andere lösen. Um 
                                  das Klima mit einer Weltbevölkerung von 
                                  6 Milliarden Menschen in sozialer Gerechtigkeit 
                                  zu retten, müssen die durchschnittlichen 
                                  Emissionen auf 0,4 bis 0,5 Tonnen Kohlenstoff 
                                  pro Person und Jahr [entspricht 1,4 bis 1,8 
                                  Tonnen CO2 – d.Üb.] gesenkt werden. 
                                  Auf einen Menschen in Amerika oder Australien 
                                  kommen derzeit fast 6 Tonnen, in Belgien oder 
                                  Dänemark 3 Tonnen, in Mexiko 1 Tonne, in 
                                  China etwas weniger – und in Indien 0,4 
                                  Tonnen (siehe Abb. 4). [28] Die einzig „nachhaltige“ 
                                  Logik, die ihren Namen wert wäre, würde 
                                  bedeuten, die halbe Tonne Kohlenstoff pro Person 
                                  und Jahr zu einem Ziel zu machen, das in jedem 
                                  Land zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht 
                                  sein muss. Eine rationale Strategie auf Weltebene 
                                  müsste vier Aspekte miteinander verbinden: 
                                 1.) die Primärnachfrage 
                                  nach fossilen Energiequellen in den entwickelten 
                                  Ländern drastisch zu reduzieren (je nach 
                                  Land auf ein Viertel, Sechstel oder Achtel), 2.) beginnend in diesen Ländern 
                                  fossile Energiequellen systematisch durch erneuerbare 
                                  Energiequellen zu ersetzen, 3.) einen Weltfonds für 
                                  die Umsetzung einrichten, der ausschließlich 
                                  zugunsten der am meisten bedrohten Länder 
                                  finanziert wird. 4.) ein massiver Transfer von 
                                  sauberen Technologien in die Länder des 
                                  Südens, so dass deren Entwicklung nicht 
                                  zu einer erneuten Destabilisierung des Klimas 
                                  führt. Wenn wir wollen, dass diese 
                                  vier Aspekte in der nötigen Breite und 
                                  erforderlichen Zeit in sozialer Gerechtigkeit 
                                  und Gleichheit umgesetzt werden, dann kann die 
                                  Lösung nicht einfach Ergebnis von Marktmechanismen 
                                  wie dem Handel mit Emissionsrechten oder der 
                                  allmählichen Kostensenkung erneuerbarer 
                                  Energien im Wettbewerb sein. [29] Diese vier Aspekte müssen 
                                  öffentliche Aufgaben sein, die an öffentliche 
                                  Unternehmen vergeben und unabhängig von 
                                  den Kosten realisiert werden. Gemäß 
                                  Spezifikationen, die aus den realen Bedürfnissen 
                                  abgeleitet werden und die die Naturressourcen 
                                  als gemeinsamen Besitz der Menschheit betrachten. 
                                  Eine radikale Vermögensumverteilung (Schuldenstreichung 
                                  für die Länder des Südens, Vermögenssondersteuer 
                                  auf Weltebene, Abschöpfung der Profite 
                                  der Ölkonzerne, Verbot von Waffenkäufen) 
                                  und eine Ausweitung demokratischer Rechte sind 
                                  dann unerlässlich. Globale Rationalität 
                                  erfordert eine antikapitalistische Perspektive. 
                                  
                                    |  |  
                                    | Abbildung 
                                      4: CO2-Emissionen aufgrund der 
                                      Verbrennung fossiler Energieträger 
                                      (in Tonnen Kohlenstoff) pro Person und Land 
                                      (sonstige Treibhausgase nicht berücksichtigt) 
                                      und die Stabilisierungsgrenze bei einer 
                                      Erdbevölkerung von 6 Milliarden Menschen 
                                      (0,5 Tonnen Kohlenstoff pro Person and Jahr). 
                                      Quelle: A. Berger, 2005. |  Für 
                                  eine Weltbewegung zur Rettung des Klimas Nun wird der Einwand kommen, 
                                  dass eine solche Perspektive nicht realistisch 
                                  sei, schon gar nicht in der gegenwärtigen 
                                  Konjunktur. Die Entwicklung einer antikapitalistischen 
                                  Strategie für das Klima wird durch die 
                                  historische Krise der Legitimität des sozialistischen 
                                  Projekts behindert. Vorschläge wie Planung 
                                  für die Befriedigung von Bedürfnissen, 
                                  Industriebetriebe in öffentlicher Hand 
                                  und die Nationalisierung des Energiesektors 
                                  (oder irgendeine andere Form der öffentlichen 
                                  Kontrolle auf globaler Ebene) sind diskreditiert. 
                                  Diese Antworten werden weitgehend zusammengeworfen 
                                  mit dem Schlamassel einer ineffizienten, verschwenderischen, 
                                  produktivistischen und ultrazentralisierten 
                                  Kommandowirtschaft [30] wie auch mit den materiellen 
                                  Privilegien der Bürokratie und ihrem politischen 
                                  Alleinentscheidungsanspruch. Revolutionäre 
                                  Marxistinnen und Marxisten können sicher 
                                  erklären, dass man dies nicht gleichsetzen 
                                  darf, aber ihre Erklärungen werden nur 
                                  dann Gehör finden, wenn sie ihren Bruch 
                                  mit dem Produktivismus deutlich machen und die 
                                  Flagge des „Ökosozialismus“ 
                                  erheben, wo Ressourcen – und namentlich 
                                  die Energieressourcen – von einem flexiblen 
                                  Netzwerk lokaler Gemeinschaften selbstverwaltet 
                                  werden in Verbindung mit einer „Planung 
                                  auf lokaler, nationaler, regionaler und weltweiter 
                                  Ebene“. [31] Doch auch unter dieser Fahne 
                                  werden diese Erklärungen nur begrenztes 
                                  Gehör finden. Trügerische Marktlösungen 
                                  auf der einen, diskreditierte antikapitalistische 
                                  Lösungen auf der anderen Seite – 
                                  wo ist der Ausweg? In der sozialen Mobilisierung. 
                                  Statt das Gewicht auf Lobbyarbeit zu legen (wie 
                                  es viele Umweltorganisationen tun, die sich 
                                  im Regierungsapparat verfangen haben), geht 
                                  es darum, das Kräfteverhältnis aufzubauen. Statt Mühe darauf zu verschwenden, 
                                  Unternehmer und Regierungen überzeugen 
                                  zu wollen, sollten wir unsere Energie lieber 
                                  in die Hebung des Basisbewusstseins stecken. 
                                  Statt vergebens nach fantastischen Rezepten 
                                  zur Klimarettung wie dem Handel mit Emissionsrechten 
                                  und anderen komplizieren Marktmechanismen zu 
                                  suchen, bedeutet das nur die einfache Idee zu 
                                  verbreiten, dass das Klima in Gleichheit und 
                                  Gerechtigkeit gerettet werden sollte, unabhängig 
                                  von den Kosten, und dass das Geld dort geholt 
                                  werden sollte, wo es ist. Anstatt jede und jeden 
                                  auf die individuelle Verantwortung zu verweisen, 
                                  geht es darum, in Aktionen soziale emanzipatorische 
                                  Bindungen zu schaffen, die allein eine neue 
                                  individuelle und kollektive Verantwortlichkeit 
                                  für die Menschheit und ihren Austausch 
                                  mit der Natur schaffen können. Als größeres globales 
                                  Problem (wie die Bedrohung durch einen vernichtenden 
                                  Atomkrieg) kann die Klimafrage Millionen Menschen 
                                  auf die Straße bringen. Wie wir schon 
                                  auf diesen Seiten sehen können, ist die 
                                  Liste der aufgeworfenen sozialen Probleme lang: 
                                  Zugang zu Ressourcen, Recht auf Arbeit, Rechte 
                                  von Frauen, Ablehnung des Rassismus, Kampf gegen 
                                  die Deregulierung öffentlicher Dienste, 
                                  Verteidigung von Flüchtlingen, Unterstützung 
                                  der bäuerlichen Landwirtschaft, Förderung 
                                  des öffentliches Verkehrs, Rechte der indigenen 
                                  Völker, Stadtentwicklung, Ablehnung von 
                                  gentechnisch veränderten Organismen, Kampf 
                                  gegen Flexibilisierung und „just in time“, 
                                  Verteidigung der Biovielfalt, Erhaltung der 
                                  sozialen Sicherungssysteme und nicht zu vergessen 
                                  der Krieg gegen den Krieg und die Streichung 
                                  der Schulden der Dritten Welt. Diese Vielfalt 
                                  ist eine Stärke. Ziel muss es sein, all 
                                  diese Widerstandsbewegungen zu gemeinsamen Aktionen 
                                  zusammenzuschließen, konkretisiert in 
                                  weltweiten Aktionstagen und Demonstrationen. 
                                  Die spezifische Mobilisierung der Jugend dafür, 
                                  dass dieser Planet bewohnbar und schön 
                                  für alle bleibt, könnte als Katalysator 
                                  für eine Artikulation der sozialen Bewegungen 
                                  auf Weltebene wirken. Die Initiativen des Climate 
                                  Action Network können ein Ausgangspunkt 
                                  sein. Die Demonstration, die in London am 4. 
                                  November auf Initiative der Campaign against 
                                  Climate Change stattfand, ist ein Beispiel, 
                                  dem die ganze Linke folgen sollte. [32] Diese Strategie hat ihre Forderungen. 
                                  In einem System, das auf dem individuellen Kampf 
                                  Jede und Jeder gegen Jede und Jeden basiert, 
                                  wird der legitime Wunsch der Ausgebeuteten, 
                                  ihre unmittelbaren Lebensbedingungen und die 
                                  ihrer Kinder zu verbessern, wichtiger als die 
                                  Gefahren von morgen und übermorgen sein 
                                  – selbst wenn deren Eintreten wissenschaftlich 
                                  bewiesen ist. Aus diesem Grund müssen die 
                                  Mobilisierungen für das Klima mit der Befriedigung 
                                  der Grundbedürfnisse der sozialen Mehrheit 
                                  verknüpft werden. Beschäftigung, Boden, 
                                  Unterkunft, menschenwürdiges Einkommen, 
                                  Wärme, Trinkwasser, Arbeitsbedingungen, 
                                  Existenzsicherheit, … Die Breite der Klimabedrohungen 
                                  schafft viele Möglichkeiten, hier organische 
                                  Verbindungen zu schaffen, ausgehend von den 
                                  elementaren Kämpfen. Unter einer Bedingung: 
                                  Man muss aufhören, Aktionen einer Strategie 
                                  zur Begleitung des kapitalistischen Wachstums 
                                  zu unterstützen, wie es die traditionellen 
                                  Führungen der Parteien und Gewerkschaften 
                                  der Arbeiterbewegung machen. Wir sollten im 
                                  Gegenteil unsere Augen für die Tatsache 
                                  öffnen, dass dieses Wachstum, das keine 
                                  Arbeitsplätze schafft und Ausgrenzung verursacht, 
                                  uns direkt in die ökologische Katastrophe 
                                  führt, deren Hauptopfer die Arbeiterinnen 
                                  und Arbeiter und die Armen sein werden. Daraus 
                                  folgt, dass die Linke im Allgemeinen und die 
                                  revolutionären Marxisten im Besonderen 
                                  versuchen sollten, die Arbeiterbewegung für 
                                  Klimafragen zu interessieren. Das ist nicht 
                                  leicht, aber es ist möglich, wie es insbesondere 
                                  die Kampagne der Quebecer Gewerkschafter für 
                                  die Nationalisierung der Windenergie gezeigt 
                                  hat. Andere Wege sind begehbar: Arbeiterkontrolle 
                                  als Mittel gegen die kapitalistische Misswirtschaft 
                                  auf der einen und die Forderung, dass öffentliche 
                                  Unternehmen Arbeitsplätze in den Bereichen 
                                  Energieeffizienz und erneuerbare Energien schaffen 
                                  sollen, auf der anderen Seite. [33] Angesichts 
                                  der gigantischen Interessenkoalition, die die 
                                  Menschheit in die Katastrophe führt und 
                                  bestimmte Schichten der Bevölkerung mit 
                                  den illusionären Wonnen einer nachgeahmten 
                                  kleinbürgerlichen Glückseligkeit korrumpiert, 
                                  kann die Mobilisierung für das Klima dazu 
                                  beitragen, wieder eine Brücke zum Antikapitalismus 
                                  zu schlagen. Stattdessen geht es darum, den 
                                  Wunsch nach einer konkreten Utopie wiederzubeleben 
                                  und zu zeigen, wie ein besseres Leben für 
                                  alle sehr schnell erreicht werden kann, wenn 
                                  man die kapitalistische Energiesackgasse verlässt. Klima oder Entwicklung? Klima 
                                  oder gutes Leben? Es ist nicht das erste Mal, 
                                  dass der Kapitalismus vor die Wahl zwischen 
                                  Pest und Cholera stellt. Aber der Wahnsinn der 
                                  Akkumulation hebt dieses Dilemma auf ein beispielloses 
                                  globales Niveau. Es drohen barbarische Lösungen 
                                  von schrecklicher Tragweite, die Dutzende wenn 
                                  nicht Hunderte Millionen Menschen berühren. 
                                  „Il diavolo fa le pentole ma no i coperchi” 
                                  – „Der Teufel macht die Pfannen, 
                                  aber nicht die Deckel“ sagt ein italienisches 
                                  Sprichwort. Es wird Zeit, das Höllenfeuer 
                                  der Akkumulation auszulöschen: Der Kapitalismus 
                                  hat keinen Deckel und die Menschheit droht zu 
                                  verbrennen. Daniel Tanuro ist Agraringenieur, 
                                  Umweltschützer und Ökosozialist. Er 
                                  ist Ökologie-Redakteur von La Gauche, der 
                                  Monatszeitung der belgischen Sektion der Vierten 
                                  Internationale.   Übersetzung: Björn 
                                  Mertens [1] 
                                  Einige Studien in letzter Zeit sagen, dass der 
                                  maximale Anstieg sogar niedriger als 2°C 
                                  bleiben sollte. James Hansen, Chef-Klimatologe 
                                  der NASA, meint, dass der Temperaturanstieg 
                                  nicht höher als 1°C gegenüber 
                                  heute sein dürfe, was einen Anstieg von 
                                  1,6°C gegenüber 1780 bedeutet. [2] 
                                  Das IPCC will seinen vierten Untersuchungsbericht 
                                  Anfang 2007 veröffentlichen (http://www.ipcc.ch/). [3] 
                                  Außer Wasserdampf, dessen Menge in der 
                                  Atmospäre kaum von menschlicher Aktivität 
                                  beeinflusst ist, sind die wichtigsten Treibhausgase 
                                  Kohendioxid (CO2), Methan (CH4), Stickdioxid 
                                  (Lachgas, N2O) und verschiedene fluorierte Gase. 
                                  „Parts per million, in volume (ppmv)“ 
                                  ist ein Maß der Konzentration (Volumenteile 
                                  auf 1 Million) ,450 ppmv CO2 bedeutet, dass 
                                  von 1 Million Atmosphärenteilen 450 CO2-Moleküle 
                                  sind. Zur Vereinfachung werden Treibhausgasemissionen 
                                  in CO2-Äquivalenten angegeben (ppmvCO2eq), 
                                  was bedeutet, dass die Menge jeden Gases in 
                                  die Menge CO2 umgerechnet wird, die den selben 
                                  Effekt auf das Einfangen von Infrarotstrahlung hätte.
 [4] 
                                  2000–2001: +1,5 ppmvCO2; 2001–2002: 
                                  +2 ppmvCO2; 2002–2003: + 2,5 ppmvCO2; 
                                  2003–2004: +3 ppmvCO2.
 [5] 
                                  Da die Erwärmung der großen Wassermasse 
                                  der Ozeane sehr langsam erfolgt, wird die derzeitige 
                                  Erwärmung auf jeden Fall Auswirkungen in 
                                  den nächsten tausend Jahren haben. [6] 
                                  Stern-Review „The Economics of Climate 
                                  Change“ (http://www.hmtreasury.gov.uk/independent_reviews/stern_review_economics_climate_change/sternreview_index.cfm).
 [7] 
                                  Schwefeloxide waren verantwortlich für 
                                  den sauren Regen. [8] 
                                  „Rente“ im wirtschaftswissenschaftlichen 
                                  Sinne als „Zahlung ohne Gegenleistung“, 
                                  z.B. Monopolrente – d.Üb.
 [9] 
                                  „Comprendre le capitalisme actuel”. 
                                  Text für das Seminar „ Marx au XXIème 
                                  siècle – http://hussonet.free.fr/mhsorbon.pdf. [10] 
                                  Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung: Versuch 
                                  einer Ethik für die technologische Zivilisation. 
                                  Frankfurt/M., 1979. Neuauflage als Suhrkamp 
                                  Taschenbuch, 1984 [u.ö.], ISBN 3-518-39992-6
 [11] 
                                  Es ist nicht unwichtig, darauf hinzuweisen, 
                                  dass dieser Ansatz zu äußerst reaktionären 
                                  Schlussfolgerungen führt: einem Lobgesang 
                                  auf die „Mystifikation der Massen“ 
                                  und damit die Berechtigung der Eliten, „mit 
                                  einem Maximum an Disziplin“ die zur Klimarettung 
                                  erforderlichen „unpopulären Maßnahmen“ 
                                  „politisch durchzusetzen“. Und Jonas 
                                  betont, dass diese Maßnahmen sich aus 
                                  dem „Gesetz der Ökologie ergeben, 
                                  das Malthus als erster erkannt hat“. [12] 
                                  Karl Marx, Theorien über den Mehrwert, 
                                  MEW 26.1. [13] 
                                  Die These von einem unmittelbar bevorstehenden 
                                  Gipfelpunkt der Produktion vor der Erschöpfung 
                                  der Öl- und Gasvorräte wird vor allem 
                                  von ASPO (http://www.peakoil.net/) vertreten. 
                                  In Wirklichkeit ist es falsch, diese Frage in 
                                  die Klimadebatte einzuführen; denn 1.) 
                                  ist der Gipfelpunkt ein ökonomischer, kein 
                                  physikalischer Begriff, 2.) reicht das ausbeutbare 
                                  Öl völlig aus, das Klima aus dem Ruder 
                                  laufen zu lassen,. 3.) reichen die bekannten 
                                  Kohlevorräte noch für mindestens 300 
                                  Jahre und 4.) stecken noch erhebliche Vorräte in den Ölschiefern, 
                                  deren Ausbeutung sehr umweltgefährdend 
                                  ist.
 [14] 
                                  ITER ist das Akronym für „International 
                                  Thermonuclear Experimental Reactor“ in 
                                  Cadarache (Frankreich). Dieses gemeinsame Forschungsprojekt soll zu 
                                  einem Prototypen für die Stromerzeugung 
                                  aus kontrollierter Kernfusion führen – 
                                  „Wie die Sonne“ wurde das in den 
                                  Medien genannt. Der Vergleich ist jedoch nicht 
                                  ganz exakt, denn die Fusion au der Sonne arbeitet 
                                  sehr langsam und recycelt ihren Abfall. Siehe 
                                  insbesondere: Sylvie Vauclair, „La naissance 
                                  des éléments. Du big bang à 
                                  la terre”, Odile Jacob 2006.
 [15] 
                                  Jean-Claude Debeir, Jean-Paul Deleage and Daniel 
                                  Hemery, „Les servitudes de la puissance. 
                                  Une histoire de l’énergie”. 
                                  Flammarion, Paris, 1986.
 [16] 
                                  Jean-Marie Chevalier, „Les grandes batailles 
                                  de l’énergie”, Gallimard 
                                  2004. [17] 
                                  Das UN-Rahmenabkommen zum Klimawandel wurde 
                                  auf dem Erdgipfel in Rio 1992 beschlossen. [18] 
                                  Der G8-Beschluss „Climate Clean Energy 
                                  and Sustainable Development“ ist online 
                                  verfügbar unter http://www.fco.gov.uk/Files/kfile/PostG8_Gleneagles_CCChapeau.pdf. [19] 
                                  Stern Review, op. cit. [20] 
                                  Das Tempo würde von den Kosten bestimmt: 
                                  Der Markt würde sich erst auf die Maßnahmen 
                                  orientieren, die die geringsten Investitionen 
                                  erfordern, wie Verbesserung der Energieeffizienz 
                                  in den Entwicklungsländern, Ende der Abholzungen, 
                                  Entwicklung von Bio-Treibstoffen und dann Wind- 
                                  und Solarenergie. [21] 
                                  Der Weltmarkt der Ökoindustrie wird auf 
                                  550 Mrd. Euro geschätzt. Die Experten erwaten 
                                  in den nächsten fünf Jahren, vor allem 
                                  in den Enzwicklungsländern, Wachstumsraten 
                                  von 5 bis 8%. Quelle: Analysis of the EU ecoindustries, 
                                  their employment and export potential. http//www.europa.eu.int/comm/environment/enveco/industry_employment/ 
                                  ecotec_exec_sum.pdf [22] 
                                  Die flexiblen Mechanismen von Kyoto sind in 
                                  unserem Artikel „Petit pas compromis, 
                                  effets pervers garantis” beschrieben (http://www.europe-solidaire.org/spip.php?article648). [23] 
                                  Anil Agarwal & Sunita Nairin, „The 
                                  Atmospheric Rights of All People on Earth”, 
                                  http://www.cseindia.org/. [24] 
                                  Siehe: http://www.gci.org.uk/; C&C-Erklärung 
                                  auf deutsch unter http://www.gci.org.uk/translations/CandC_Statement(German).pdf [25] 
                                  John Houghton, „Overview of the Climate 
                                  Change Issue”, http://www.jri.org.uk/resource/climatechangeoverview.htm#carbon. [26] 
                                  Jean-Pascal van Ypersele, „L’injustice 
                                  fondamentale des changements climatiques”, 
                                  in Alternatives Sud, Bd. 13,-2006
 [27] 
                                  J. P van Ypersele, op. cit. [28] 
                                  Für eine umfassende Übersicht –jetzt 
                                  wieder für Tonnen CO2 –siehe http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_carbon_dioxide_emissions_per_capita 
                                  - d.Üb. [29] 
                                  Der Stern-Report relativiert die Idee, die erneuerbaren 
                                  Energien könnten sich spontan durchsetzen, 
                                  wenn ihre Kosten äquivalent zu denen des 
                                  Öls werden. Dem Bericht zufolge könnten 
                                  in dem Fall die Ölpreise fallen, um wettbewerbsfähig 
                                  zu bleiben. Die Existenz einer ernormen Rente, 
                                  zusätzlich zu den Profiten, macht dieses 
                                  Szenario möglich. [30] 
                                  Ein besonders schlimmer Schlamassel gerade beim 
                                  Klimawandel, hatten diese Ökonomien doch 
                                  einen extrem hohen Verbrauch an Energie und 
                                  Kohlenstoff. [31] 
                                  Michaël Löwy, „Qu’est-ce 
                                  que ‘l’écosocialisme?”(http://www.iire.org/lowyeco.html). 
                                  [Auf deutsch siehe auch: „Überleben 
                                  statt Profit“ in SoZ, Januar 2003, Seite 
                                  19, http://vsp-vernetzt.de/soz/030119.htm – 
                                  d.Üb.]
 [32] 
                                  Die Campaign against Climate Change (http://www.campaigncc.org/) 
                                  ist eine britische Klimaschutzorganisation, 
                                  die sich 2001 aus Anlass der Ablehnung des Kyoto-Protokolls 
                                  durch Präsident Bush gegründet hat. 
                                  Ihre Demonstration in London am 4.11.2006 mit 
                                  25 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war die 
                                  bislang größte Klimaschutzdemonstration 
                                  des Landes.Das Climate Action Network (http://www.climatenetwork.org/) 
                                  ist ein weltweiter Zusammenschluss von 365 Klimaschutzorganisationen. 
                                  Mitglied in Deutschland sind beispielsweise 
                                  BUND, Nabu, WWF, und Öko-Institut.
 [33] 
                                  Eine solche Forderung wurde Anfang der 80-er 
                                  Jahre von entlassungsbedrohten Arbeitrinnen 
                                  und Arbeitern des Glaverbel-Konzerns in der 
                                  belgischen Region Charleroi aufgestellt. Eine 
                                  öffentliche Gesellschaft für die Wärmedämmung 
                                  und Renovierung von Gebäuden war sogar 
                                  gegründet worden, aber die Regierung hat 
                                  das Projekt dann versenkt. 
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