Der
Kantonsrat wird sich in seiner Sitzung vom 9.
Januar mit der Gewährung von neuen Steuergeschenken
an die Reichen befassen. Die parlamentarische
Initiative Briner (FDP) fordert die Abschaffung
der höchsten Progressionsstufe von 13%.
Neu soll diese für Einkommensteile über
173’900 Franken (Alleinstehende) bzw.
262’500 Franken (Verheiratete) bei 12%
liegen. Sollte das Kantonsparlament die oberste
Progressionsstufe abschaffen, wird die Bewegung
für den Sozialismus (BFS) an ihrer nächsten
Mitgliederversammlung vom 12. Januar über
eine Lancierung des Referendums befinden. Sie
zieht es in Erwägung, das Referendum alleine
zu lancieren, falls keine andere Organisation
sich dazu entschliessen sollte.
1. Die Politik der leeren Kassen (Steuergeschenke
an die Unternehmer und Kahlschlag bei den öffentlichen
Diensten und den Sozialversicherungen), die
in Zürich wie in der ganzen Schweiz und
in anderen Ländern betrieben wird, wird
auch in Zukunft der Mehrheit der Bevölkerung
keine Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen
bringen. Die Gleichung weniger Steuern = Wirtschaftswachstum
= mehr Arbeitsplätze entpuppt sich immer
mehr als ein Märchen.
Die
SonntagsZeitung schreibt: „Kaum neue Jobs
in diesem Jahr – Trotz Rekordgewinnen
und guter Konjunktur bleibt Arbeitslosigkeit
hoch“ (8.1.06). Der Grund: die Unternehmer
investieren ihre Profite (und die eingesparten
Steuern) weitgehend nicht in neue Arbeitsplätze,
sondern reorganisieren ihre Produktionsketten
im internationalen Massstab oder versuchen,
vorhandene Kapazitäten auszulasten. Das
entspricht einem globalen Trend.
Die
SoZ verschweigt aber zwei weitere Tatsachen:
erstens verteilen die Firmen ihre immensen Profite
nicht der Mehrheit ihrer lohnabhängigen
Beschäftigten und zweitens geht die grosse
Masse der Gewinne an die Firmenbesitzer, an
die Grossaktionäre, was der kapitalistischen
Logik voll entspricht.
Deshalb
geht es heute der „Wirtschaft“,
oder genauer den Besitzern der grossen Firmen,
den Supperreichen so gut wie noch nie. Den Aktionären
der 26 Firmen des SMI (Aktienindex der Schweizer
Börse) wurden zwischen 2000 uns 2004 insgesamt
74,8 Milliarden Franken an Dividenden ausgeschüttet.
2.
Am 6.11.05 titelte die NZZ: „Das beste
Jahr aller Zeiten. Die Gewinne der Schweizer
Firmen waren noch nie so hoch: Mit 63 Milliarden
Franken Reingewinn übertreffen die börsenkotierten
Firmen sogar das Boomjahr 2000“. Zwischen
2002 und 2005 sind die Profite der börsenkotierten
Unternehmen um 328% gestiegen, die Durchschnittslöhne
hingegen nur um 0,9%.
Dafür
mussten sich eben die Lohnabhängigen, die
diesen Reichtum schaffen, abrackern. Beispiele
von Lohnsenkungen (oder von Arbeitszeitverlängerungen
ohne Lohnerhöhung) sind immer zahlreicher,
sowohl in der Privatwirtschaft wie im öffentlichen
Dienst. „Flexible Arbeitszeiten“,
Arbeit auf Abruf, usw., werden immer mehr zur
Regel. Das Jahresarbeitszeitmodell – gleichbedeutend
mit erzwungener Flexibilität und unbezahlten
Überstunden – ist zwischen 2001 und
2004 um 55% häufiger geworden und die Gesuche
um eine Bewilligung für Nachtarbeit haben
um 75% zugenommen. Scheinbar geschieht ein...
„Wirtschaftswunder“: je mehr die
Lohnabhängigen arbeiten, desto weniger
Lohn erhalten sie (relativ und oftmals auch
absolut).
3.
In diesem Zusammenhang erstaunt der Vorschlag
zur Abschaffung der obersten Progressionsstufe
im Kanton Zürich nicht. Er reiht sich ein
in eine lange Liste von Steuergeschenken an
die Firmenbesitzer und an die Villenbewohner
der Goldküste:
-
Seit 1985 wurde der Steuerfuss für die
Staatssteuer von 120 auf 100 Prozent gesenkt;
profitiert davon haben überproportional
die Reichen;
-
Die Erbschaftssteuer wurde abgeschafft. Nur
die Reichen profitieren davon: Erbschaften bis
100’000 Franken waren auch vorher schon
steuerfrei;
-
Die Handänderungssteuer wurde abgeschafft;
-
Mit der „Steuergesetzrevision für
juristische Personen“ werden den Unternehmern
im Kanton Zürich jährlich 270 Millionen
Franken an Steuern erlassen;
-
Die Milliardengewinne an den Börsen sind
ohnehin steuerfrei.
Der
Kanton Zürich verschenkt dank diesen Steuersenkungspaketen
den hohen Einkommen im Durchschnitt über
800 Millionen Franken pro Jahr seit 1985. Crédit
Suisse hat festgestellt: "Die Belastung
mit Steuern gehört (im Wirtschaftsraum
Zürich) zu den tiefsten im internationalen
Vergleich. Dies gilt sowohl für Unternehmenssteuern
wie auch für die persönlichen Einkommenssteuern.
Internationale Hauptsitze und Holdings profitieren
von zusätzlichen Steuervorteilen."
(„Standortmarketing Wirtschaftsraum Zürich
2004“).
4.
Die durch diese Politik verursachten Einnahmenausfälle
beim Kanton tragen dazu bei, den Druck auf den
öffentlichen Haushalt zu erhöhen.
Das dient sowohl den rechten wie den „linken“
Parteien als Begründung für einen
massiven Kahlschlag beim Service public. In
einem Zeitraum von 6 Jahren (2004 bis 2009)
sollen beim Kanton insgesamt 3,8 Milliarden
Franken „eingespart“ werden.
Die
Sozialdemokratische Partei (SP) und ihre ökoliberalen
und neuerdings auch christlich-demokratischen
Verbündeten sind für den Kahlschlag
in Zürich mitverantwortlich: sie unterstützen
nämlich die „Sparmassnahmen“
und tragen sie aktiv mit (Umsetzung von San
04 und MH06 und Unterstützung des oben
erwähnten Pakets, das Hans Hollenstein
Anfang Dezember angekündigt hat). Nach
Ansicht der SP sind „schmerzhafte Einschnitte
bei der Bildung, der Gesundheit und dem Sozialen
unumgänglich“ (8.12.05).
Die
Folgen der „Sparmassnahmen“ bei
der Bildung, im Gesundheitswesen, beim öffentlichen
Verkehr, usw. tragen die Lohnabhängigen.
Sie sind auf gute, nicht zu teure öffentliche
Dienstleistungen angewiesen. Ihre Einkommen
werden durch diesen Abbau zusätzlich zu
den steigenden Krankenkassenprämien, den
überhöhten Mieten, den Verschlechterungen
bei der Post und den SBB, usw., belastet. So
kehrt sich die bescheidene Steuererleichterung
von 50 Franken jährlich, welche eine Familie
mit einem steuerbaren Einkommen von 50’000
Franken durch die Reduktion des Steuerfusses
von 8% seit 1989 erfahren hat, in eine massive
Mehrbelastung um. Einer der 750 Millionäre
im Kanton Zürich mit einem Einkommen von
5 Millionen hat hingegen im selben Zeitraum,
dank derselben Steuerfussreduktion knapp 700’000
Franken an Steuern gespart.
5.
Die Abschaffung der höchsten Progressionsstufe
würde nochmals ausschliesslich den „oberen
Zehntausend“, den Unternehmern, den Villenbewohnern
des Zürichbergs und der Goldküste
nützen.
Sie
wird den Druck zu weiteren Abbaumassnahmen stärken.
Schon nach der Ablehnung der Steuerfusserhöhung
im Kantonsparlament sprach ja der Finanzdirektor
Hans Hollenstein (CVP) in einem Interview mit
Radio DRS von einem bevorstehenden, „einschneidenden
Sanierungsprogramm, das weh tun wird und einschneidender
sein wird als die bisherigen“. Hans Hollenstein
hat u. a. die Halbierung des Personals der Notfalldienste
angekündigt! Davon stark betroffen werden
ausländische ArbeitnehmerInnen, die oftmals
über keine genügenden Strukturen (Hausärzte)
verfügen. Die Bildungsdirektorin Regine
Aeppli (SP) hat schon vor Monaten angekündigt,
dass eine Studie, welche die angebliche Sozialverträglichkeit
einer massiven Erhöhung der Studiengebühren
beweisen soll, in Auftrag gegeben wurde. Weitere
Beispiele könnten angefügt werden.
6.
Es ist möglich, dass die rechten Parteien
aus elektoralen Gründen „kalte Füsse“
bekommen und die Initiative Briner aus der Traktandenliste
des Kantonsrates verschwinden wird. Sollte dem
nicht so sein und diese Initiative angenommen
werden, müssen wir uns als Lohnabhängige
gegen die Abschaffung der obersten Progressionsstufe
zur Wehr setzen. Wir müssen den Parlamentsbeschluss
bekämpfen. Das Referendum muss ergriffen
werden, um die Opposition der Bevölkerung
gegen den sozialen Kahlschlag zum Ausdruck zu
bringen.
Sollte
das Kantonsparlament die oberste Progressionsstufe
abschaffen, wird die Bewegung für den Sozialismus
(BFS) an ihrer nächsten Mitgliederversammlung
vom 12. Januar über eine Lancierung des
Referendums befinden. Sie zieht es in Betracht,
das Referendum auch alleine zu lancieren, falls
keine andere Organisation sich dazu entschliessen
sollte.
Die
BFS wird ausserdem, unabhängig von der
Frage der obersten Progressionsstufe die brutalen
Abbaumassnahmen, die der Plan Hollenstein (MH06
plus die Massnahmen, die im Dezember angekündigt
wurden) im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich
schon jetzt vorsieht, bekämpfen.
Bewegung für den Sozialismus (BFS)
Postfach 8707, 8036 Zürich
www.bfs-zh.ch
Kontakt und Infos:
Marco Feistmann (079 430 27 49), Lothar Moser
(079 353 41 83)
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