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«Eine Katastrophe für alle Beschäftigten»

Elias Vetrakos über die Sparmaßnahmen der
Regierung Papandreou

aus SoZ Nr. 06/2010 - Juni 2010


Elias Vetrakos ist ein führender Vertreter der Gewerkschaft der Angestellten im öffentlichen Dienst - die wichtigste und größte Gewerkschaft in Griechenland. Der argentinischen Zeitschrift Clarín gab er am 12.Mai ein Interview.

 

Welche Maßnahmen will die Regierung ergreifen?

Der Plan der Regierung betrifft die gesamte Gesellschaft, vor allem aber die Angestellten im öffentlichen Dienst. Das 13. und 14.Monatsgehalt wird gestrichen, die Gehaltszulagen, die die Hälfte des Gehalts ausmachen, werden um 20% gekürzt, die Löhne und Gehälter werden die nächsten fünf Jahre eingefroren. Das bedeutet eine Gehaltskürzung von 35%. Nimmt man die Steuererhöhungen hinzu - die Mehrwertsteuer liegt jetzt bei 23% - kommt man auf einen Rückgang der Einkommen um 50%.

Neueinstellungen sind auf Eis gelegt, kein Neueingestellter bekommt mehr einen unbefristeten Vertrag; Menschen mit Gesundheitsproblemen werden die Zulagen gekürzt.

Plant ihr einen Generalstreik zur Verteidigung der Rente?

Die Rentner werden am härtesten zur Kasse gebeten. Die Regierung hat einen Gesetzesentwurf präsentiert, der die Beiträge zur Rentenkasse anhebt und die Renten zugleich um 17% kürzt. Die 13. und 14.Monatsrente, die ihre mageren Einkünfte bislang aufbesserten, werden gestrichen und das Rentenalter angehoben. Bislang mussten sie 35 Jahre in die Rentenkasse einzahlen, jetzt sind es 40 Jahre. Gleichzeitig bleiben viele Staatsbetriebe ihre Beiträge in die Sozialkassen schuldig.

Sind die Rentenkassen im Defizit?

Als sie eingerichtet wurden, haben viele Arbeiter ihr überschüssiges Geld darin eingezahlt. Die Regierung hat das Geld abgehoben und damit gearbeitet, ohne Zinsen zu zahlen, und hat es an die Industriellen weiter gereicht. Der derzeitige Minister für Soziale Sicherheit hat ausgerechnet, dass seit 1950 Milliarden aus den Rentenkassen verschwunden sind. Jetzt sind die Kassen im Defizit, aber statt das Geld zurückzuerstatten, werden die Bezüge und Rechte der Rentner gekürzt.

Wer ist dafür verantwortlich?

Die Verantwortlichen sitzen in Griechenland, aber auch auf europäischer Ebene. Für die Unterstützung der Arbeiter und der einfachen Bevölkerung gibt es kein Geld, aber für die Banken wohl. In den letzten Jahren haben die Regierungen viele Betriebe steuerfrei gestellt und den Schuldenberg damit vergrößert.

Zahlen die Angestellten mehr Steuern als die Unternehmer?

Die Angestellten im öffentlichen Dienst geben dem Finanzamt jährlich 16.000 Euro zur Versteuerung an, die Leiter nur 13.000 Euro. Das vermittelt eine Vorstellung davon, welche Privilegien auf der griechischen Gesellschaft lasten.

Wie hoch ist der Durchschnittsverdienst?

Angestellte im öffentlichen Dienst verdienen im Monat durchschnittlich 1350 Euro brutto. Es gibt 404.000 Angestellte im öffentlichen Dienst, zusätzlich 80.000 Angestellte bei den Gemeinden. Polizei und Armee gehen extra.

Wird es mehr Entlassungen geben?

Unmittelbar ist von 30.000 die Rede, hinzu kommen die mit befristeten Verträgen. Es kann aber noch sehr viel schlimmer kommen, weil die Regierung davon spricht, einem großen Teil der festangestellten Beschäftigten zu kündigen.

Es heißt, es gebe bei euch zu viele Angestellte im öffentlichen Dienst…

Das sind Lügen, die die Regierung verbreitet. Die europäischen Statistiken zeigen, dass der Anteil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und die Ausgaben dafür in Griechenland niedriger liegen als in 15 anderen europäischen Ländern. Auch die Beschäftigten in der Privatindustrie werden starke Einkommenseinbußen haben und ihren Kündigungsschutz verlieren.

Was wollen die Gewerkschaften tun?

Wir wollen jeden Tag auf der Straße sein. Am 5.Mai haben wir einen der größten Generalstreiks und Demonstrationen unserer Geschichte durchgeführt. Der Tod von drei Menschen berührt die Beschäftigten immer noch stark, sie fürchten sich, auf die Straße zu gehen um zu protestieren. Dazu gibt es aber keine Alternative. Wir werden von heute an eine breite Mobilisierung starten, die in einem Generalstreik münden wird.

Nachsatz: Der Generalstreik fand am 20.Mai statt. Trotz der tragischen Ereignisse in der Marfin Bank am 5.Mai und den Einschüchterungsversuchen der Regierung waren die Straßen Athens wieder voll von Menschen.

Die Gewerkschaften sprachen von 70.000 Teilnehmenden, die Polizei von 20.000. Wegen eines Streiks im öffentlichen Nahverkehr war es sehr schwer, in die Stadt zu kommen. Die Demonstration war vollkommen friedlich, wahrscheinlich die friedlichste seit Jahren. Die Streikbeteiligung war im öffentlichen Dienst sehr hoch, im privaten Sektor weniger.

Am 29.Mai gab es einen weiteren Aktionstag, Anfang Juni einen weiteren Generalstreik - der sechste seit Beginn der Sparmaßnahmen.