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Der isolierte Streik

Stärken und Schwächen des Arbeitskampfes bei Opel/General-Motors 2004.

Teil II: Die Sabotage-Politik der IG Metall

Auf der – im wesentlichen von der örtlichen IG Metall getragenen – Kundgebung in Bochum am vorletzten Streiktag, am Dienstag, dem 19. Oktober, gab es seitens der IG-Metall-Redner keine explizite Unterstützung für den Arbeitskampf. Statt dessen riefen kirchliche Vertreter zur Wiederaufnahme der Arbeit auf, was keinen öffentlichen Widerspruch bei den IG-Metall-Verantwortlichen hervorrief. Auf dieser Demonstration und Kundgebung, auf der, wie erwähnt, auch Belegschaftsvertreter aus anderen Autowerken zugegen waren, konnte nicht ein einziger Opel-Werker reden, der repräsentativ für den Streik war und diesen öffentlich begründete. Ein Kollege von Porsche in Zuffenhausen, der zunächst als Kundgebungsredner vorgesehen war und der offensichtlich den Streik in Bochum unterstützt hätte, wurde von den IG-Metall-Verantwortlichen kurzfristig von der Rednerliste gestrichen. So kam es, daß es bei der wichtigsten Solidaritätsaktion vor Ort mit 50000 Beteiligten keine einzige Stimme gab, die den Streik offensiv begründete und unterstützte.


Von Winfried Wolf

Soeben erschienen:
Winfried Wolf:
Autoindustrie und Streik bei Opel Bochum 2004/2005. 68 S.,
A-5-Broschüre, 6 Fr. zu beziehen bei der BFS-Zürich
info@bfs-zh.ch


Der ominöse Stimmzettel

Tags darauf gab es erstmals eine Betriebsversammlung für alle drei Bochumer Werkteile gemeinsam (bis dahin wurde jeweils von Schicht zu Schicht über die Fortsetzung des Streiks entschieden). Bei der Vorbereitung und Durchführung dieser entscheidenden Betriebsversammlung, auf der schließlich über die Weiterführung oder Beendigung des Streiks abgestimmt wurde, hatten diejenigen das Sagen, die für ein Streikende eintraten. Der Opel-Kollege Jürgen Rosenthal faßte das so zusammen: »Abgemacht war, daß (auf der Belegschaftsversammlung) die Frage gestellt wird, ob weitergearbeitet werden soll oder nicht. Bei einer vorgezogenen Betriebsversammlung hat normalerweise jeder Beschäftigte Rederecht. Wir wollten diese Versammlung, um endlich zu wissen, wie die Belegschaft insgesamt denkt. In der Halle war dann aber alles ganz anders als abgesprochen. (...) Es gab keine Saalmikrophone – gesprochen haben lediglich der Vorsitzende des Betriebsrats und sein Stellvertreter sowie der IG-Metall-Bevollmächtigte. (...) Die Formulierung auf dem Abstimmungszettel war zweideutig, man hätte die Fragen nach der Wiederaufnahme der Arbeit und den Verhandlungen getrennt stellen müssen.«

Manfred Strobel setzt in seinem Rückblick etwas andere Akzente: »Klar war am Dienstag abend, daß es eine gemeinschaftliche Abstimmung aller Werke sein würde. Klar war auch, daß es nur zwei Redner geben sollte: Ludger Hinse von der IG-Metall-Ortsverwaltung und Dietmar Hahn als Bochumer Betriebsratsvorsitzender. Bekannt war, daß es keine Saalmikros und keine Aussprache geben würde, sondern nur den Stimmzettel und die Wahl. All das wußten wir Dienstag abend schon – nur nicht, wie letztendlich der Stimmzettel aussieht. Der Mittwoch entwickelte sich dann zu einer weiteren Schmierenkomödie der IG Metall, nämlich in Hinblick auf diesen ominösen Wahlzettel. Aber: Auch (...) mit einem korrekt formulierten Stimmzettel (...) sähe das Ergebnis nicht anders aus. Wir hatten diese Möglichkeit am Dienstag abend diskutiert und waren zu dem Schluß gekommen: Wir, die Belegschaft, tragen auch ein Nein mit.«

Auf dem »ominösen« Stimmzettel stand: »Soll der Betriebsrat die Verhandlungen mit der Geschäftsleitung weiterführen und die Arbeit wieder aufgenommen werden?« Mit zwei Kästchen für »Ja« und »Nein« zum Ankreuzen.


Mehrheit für Abbruch

Einige linke Kommentatoren haben unterstellt, daß nur durch eine solche Manipulation die große Mehrheit für einen Streikabbruch erreicht wurde. Das ist Unsinn. Die abstimmenden Kolleginnen und Kollegen wußten genau, worum es ging. Allerdings scheint die Haltung bis kurz zuvor offen gewesen zu sein. Manfred Strobel äußerte, daß »am Dienstagabend (also am Abend vor der Abstimmung) aus dem Werk II und III das Votum für die Weiterführung der Informationsveranstaltung« vorgelegen habe. Die Stimmung kippte dann offensichtlich – auch wegen fehlender Orientierung und Perspektive. Die Formel auf dem Stimmzettel und die Art der Durchführung der Belegschaftsversammlung am 20. Oktober sind jedoch symptomatisch für die gesamte Situation bei Opel Bochum zu diesem Zeitpunkt. Die Bochumer Belegschaft wäre unter anderen Bedingungen sicherlich bereit gewesen, den Streik fortzusetzen – vor allem dann, wenn es eine Aussicht auf eine Ausweitung und auf aktive Solidarität in anderen GM-Opel-Werken gegeben hätte.

In der konkreten Situation entschied die große Mehrheit, den Streik zu beenden. Die Gründe dafür lagen auf der Hand: Auch nach einer Woche Kampf blieb der Bochumer Streik isoliert. Betriebsräte vor Ort kniffen; der Gesamtbetriebsrat und die IG Metall sabotierten; die anderen GM-Belegschaften befanden sich in der Rolle von Zuschauern. Und dann war da das drückende finanzielle Problem: Es gab keinerlei Streikunterstützung. Die erste Woche Streik hatte jeden Kollegen rund 500 Euro gekostet. Die IG Metall war nicht zu Unterstützungsleistungen bereit. Angesichts vielfach vorhandener persönlicher finanzieller Engpässe und vor dem Hintergrund der kaum erkennbaren Erfolgsaussichten im Fall einer Fortführung des Streiks wog dieser Aspekt schwer, für viele war er zu diesem Zeitpunkt ausschlaggebend.

Damals war die Wiederaufnahme der Arbeit mit der Hoffnung verbunden, man könne erhobenen Hauptes an die Arbeit gehen und möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt den Kampf wieder aufnehmen – die »Informationsveranstaltungen« seien gewissermaßen »unterbrochen«. Manfred Strobel meint: »Trotzdem ist das bekannte Ergebnis aber keine Niederlage.« Mit einem gewissen zeitlichen Abstand gesehen, scheint eine solche Sicht fraglich zu sein. Allerdings: Ein knappes Abstimmungsergebnis für die Fortführung des Streiks, das möglicherweise durch entsprechendes Auftreten hätte erreicht werden können, wäre extrem problematisch geworden. Die Belegschaft wäre gespalten gewesen, und der Streik hätte dann kaum mehr eine Perspektive gehabt.


Geplante Niederlage

Der mangelnden Solidarität unter den deutschen Opel-Werken und der Sabotage-Politik der IG Metall entsprach das Versagen der europäischen Gewerkschaften, eine europaweite Aktion gegen die Strategie des GM-Managements zu organisieren. In Großbritannien konnte man dieses Mal davon ausgehen, von den Stellenstreichungen kaum betroffen zu sein. In Antwerpen gab es kaum Aufklärungsarbeit über den Kampf bei Opel-Bochum, obgleich beide Werke arbeitsteilig verbunden sind. Im schwedischen GM-Saab-Werk Trollhättan kam gut an, daß die dort relativ niedrigeren Arbeitslöhne vom GM-Management wiederholt als »Standortvorteil« hervorgehoben wurden. Auch im GM-Werk bei Wien (Opel Austria Powertrain) konnte GM-Europe-Chef Carl-Peter Forster abwiegeln und Spaltpilze säen, als er während des Bochumer Streiks sagte: »Fakt ist, daß wir in Deutschland bei den Lohnkosten höher liegen als in jedem anderen europäischen Land.« Die österreichischen Medien berichteten: »Das Werk in Wien-Aspern dürfte glimpflich davonkommen.«

Der europaweite Aktionstag am 19. Oktober, zu dem die Gewerkschaften und GM-Belegschaftsvertreter als Antwort auf die Entlassungspläne von GM in Europa aufgerufen hatten, war eine Pflichtübung. Mehr noch: Gleich zu Beginn des Bochumer Streiks ließen die IG Metall und andere betroffene europäische Gewerkschaften erklären, es sei wichtig, sich auf den kommenden Dienstag, den europaweiten Aktionstag, zu konzentrieren. Faktisch hieß das, daß Solidaritätsstreiks mit Bochum falsch seien. Bösartige Kommentare aus der IG-Metall-Zentrale lauteten, die Bochumer würden »wieder mal nur für sich kämpfen«. Zwar war das Gegenteil der Fall – Opel Bochum streikte, wie 2000, für die Opel-GM-Kollegen in Deutschland und anderswo in Europa. Doch in der gegebenen Situation – auch angesichts der mangelnden Kontakte unter den Opel-GM-Belegschaften – zeitigte diese perfide Propaganda Wirkung. Mit der logischen Folge, daß dann auch der Aktionstag selbst zu einer Art Begräbnis zweiter Klasse für die gewerkschaftlichen Proteste wurde – mit eher symbolischen Arbeitsniederlegungen in Mittagspausen.

Ein Erfolg war der Aktionstag für die Gewerkschaftszentralen. Das Handelsblatt berichtete hocherfreut: »GM-Kollegen in Europa haben für Bochum nur wenig Solidarität übrig.« Wobei die mangelnde Solidarität wenig mit den »GM-Kollegen in Europa«, aber viel mit den »Co-Managern« in den Betriebsräten und vor allem mit den Verantwortlichen in den Gewerkschaftszentralen zu tun hatte.


Koordinierte Erpressung

Entscheidend war auch, daß die maßgeblichen Vertreter der Arbeiter und die IG Metall nicht bereit waren, die unterschiedlichen Kämpfe in der deutschen Autoindustrie zusammenzuführen und durch eine Bündelung der Kräfte allen zum Erfolg zu verhelfen. Vor der Zuspitzung der Krise bei Opel gab es die ähnlich gelagerte Auseinandersetzung bei DaimlerChrysler. Nach der Opel-Krise kam es zur Konfrontation bei VW. Alle drei Arbeitskonflikte standen im Zusammenhang: Die Autokonzerne wollten die Gunst der Stunde nutzen und durch Erpressungen massive »Sparprogramme« durchsetzen, die mit Stellenabbau, verlängerten Arbeitszeiten und höherer Arbeitsintensität verbunden sind, um dadurch die Profite deutlich anzuheben. Mit den gleichen Tricks wurden zum gleichen Zeitpunkt die Belegschaften bei Karstadt-Quelle dividiert.

Die Kolleginnen und Kollegen bei Opel hatten das reale Problem, daß GM in Europa nicht optimal dasteht. Das war im Fall der vorausgegangenen Auseinandersetzung bei DaimlerChrysler anders; dieses Unternehmen ist weiterhin hochprofitabel. In einer Bilanz dieses Arbeitskampfes stellen DaimlerChrysler-Kolleginnen und -Kollegen in der Broschüre »Erpreßwerk DaimlerChrysler« fest: »Diese Auseinandersetzung war nicht irgendeine, sondern die schärfste, die diese Belegschaft mit dem Konzern bisher geführt hat. Nie war die Stimmung unter den Kolleginnen und Kollegen so kämpferisch, noch nie war die Bereitschaft, noch viel weiter zu gehen, so groß – auch ohne offiziellen und legalen Streik.« Am Ende konnte sich jedoch das DaimlerChrysler-Management durchsetzen – vor allem aufgrund der Tatsache, daß die IG Metall die bestehende Kampfbereitschaft nicht ins Feld führte. Das Ergebnis lautete: Bei diesem führenden, profitablen deutschen Autobauer kommt es zu spürbaren Lohnsenkungen und zu verlängerten Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich. Die dort – und später bei VW – ins Feld geführte »Beschäftigungsgarantie« erweist sich bei näherer Betrachtung als eine windige Angelegenheit.


Anpassung und Kapitulation

Die IG Metall unternahm keine Anstrengungen, diese Kämpfe zusammenzuführen und dadurch die notwendige neue Qualität der Gegenwehr herzustellen. Überall zeigte sich die Diskrepanz zwischen einer Bereitschaft an der Basis zu Gegenwehr und einem unsäglichen Zusammenspiel von Betriebsratsfürsten und IG-Metall-Spitze, die auf Anpassung, Nachgeben und Kapitulation orientierten.

Tatsächlich addierten sich auf diese Weise die negativen Auswirkungen dieser Niederlagen, da das Nachgeben und Einknicken bei DaimlerChrysler sich negativ auf die Auseinandersetzung bei Opel/GM auswirkte und da der Abbruch des Streiks bei Opel/Bochum die Bereitschaft zu einem Widerstand gegen die Erpressungspläne im VW-Konzern reduzierte.

Die negative Entwicklung, die es bei der IG Metall in jüngerer Zeit gab – so als sie 2003 eine selbstverschuldete Niederlage im Ost-Metall-Streik hinnehmen mußte –, setzt sich damit fort. Da gab es die unsägliche Verwicklung des IG-Metall-Vorsitzenden Klaus Zwickel in den Mannesmann-Vodafone-Skandal (der IG-Metall-Vorsitzende winkte klammheimlich Millionen-Abfindungen an Managergangster durch), dann gab es die Auseinandersetzung um den Abgang Zwickels von der IG-Metall-Spitze mit der undurchschaubaren Konfrontation Jürgen Peters versus Berthold Huber und schließlich Anfang 2004 einen neuen Metalltarifvertrag, der Öffnungsklauseln für verlängerte Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich enthält. Es war im übrigen dieser Tarifvertrag, der für die Erpressungskampagnen der Unternehmer für längere Arbeitszeiten die Scheunentore öffnete.


Verantwortung der Linken

Schließlich stellt sich die Frage: Gab es für die Niederlage in Bochum auch eine Verantwortung der Linken in diesem Land? Eine Verantwortung der betrieblichen, gewerkschaftlichen und allgemein-politischen Linken?

Der mehrfach zitierte Opel-Kollege, gleichzeitig aktiv bei »Gewerkschafter ohne Grenzen – GoG«, Manfred Strobel hat die These von einem rein spontanen Streik relativiert und klargestellt: »So ganz spontan hat sich die Aktion ja nicht entwickelt. Sie hatte einen Vorlauf. Im Frühjahr sollten wir (...) im europäischen Geschäft Einsparungen in Höhe von bis zu zehn Prozent hinnehmen. Im Juni wollte GM dann die ›Betriebsvereinbarung 180 – Prämienlohn‹ zum Oktober kündigen, die uns bisher zumindest ansatzweise die übertariflichen Lohnanteile und Leistungen abgesichert hat. Es gab damals bereits einen Entschluß der Vertrauenskörperleitungen Eisenach, Rüsselsheim, Kaiserslautern, Dudenhofen und Bochum für gemeinsame Gegenaktionen.«

Schon als die Auseinandersetzung um DaimlerChrysler in die heiße Phase gelangte, stellte sich die Frage, ob Strukturen linker Gewerkschafter und Betriebslinker, die bundesweit in Ansätzen bestehen, aktiv werden. Diese Frage jedenfalls stellte sich Manfred Strobel im Interview explizit: »Dann vor den Werkferien die Auseinandersetzung und Erpressung bei DaimlerChrysler. 500 Millionen Einsparung! Mensch schaute von Bochum nach Süddeutschland und nach Bremen: Wie wehren sich die Menschen dort? Und mensch nahm die dann folgende Schlappe – den Verzicht für nix – mit in die Ferien: Gewerkschaft versagt, Betriebsrats-Co-Manager versagt. Enttäuschend für mich persönlich war, daß die Autokoordination (eine Struktur linker Kolleginnen und Kollegen) ihre mögliche Rolle nicht wahrgenommen hat. Gegenwehr bundesweit zu organisieren oder zumindest zu unterstützen – Fehlanzeige!?«

Diese Chance wurde verpaßt. Was Manfred Strobel bei der Auseinandersetzung um DaimlerChrysler vermißte, war auch beim Streik der Opel Bochum Leute unzureichend gegeben: ein Engagement bundesweit bestehender linker betrieblicher und gewerkschaftlicher Ansätze, um die Isolation dieses Streiks aufzubrechen.


Verzicht lohnt? Streik schadet?

Das ständig wiederkehrende Argument der Abwiegler lautet: Verzicht lohnt – harte Auseinandersetzungen und Streiks schaden den Arbeitnehmern. Wenn wir Anfang 2005 zurückblicken auf die Kämpfe 2004 und diese Argumentation mit der rauhen Wirklichkeit konfrontieren, dann zeigt sich: Nichts hat sich »gelohnt«; ernsthafte Zugeständnisse der Kapitalseite sind kaum zu erkennen. Vielmehr haben die Bosse 2004 einen großen Teil ihrer Ziele durchsetzen können.

Anfang 2005 haben wir in der Autoindustrie ein neues Kräfteverhältnis von Lohnarbeit und Kapital, das weitgehend den Wünschen und Zielen der Bosse gerecht wird. Die Löhne sinken real, die Arbeitsintensität steigt, die Beschäftigtenzahlen gehen zurück, die Arbeitszeiten werden wieder länger, ohne Lohnausgleich, versteht sich. Es gab zwar noch keine kompletten Kapitulationen, aber doch ein weitgehendes, flächendeckendes Nachgeben gegenüber den Unternehmerzielen. Wurde dieses Entgegenkommen in irgendeiner Weise belohnt? Oder hat es sich gelohnt?

Tatsache ist: Bei GM werden in Europa 9500 Arbeitsplätze abgebaut und in Deutschland wird fast jede dritte GM-Stelle gestrichen. Auf betriebsbedingte Kündigungen wird nur zunächst verzichtet. Laut ausgehandelter Betriebsvereinbarung sollen »sich 6500 Mitarbeiter (...) freiwillig dafür entscheiden, über den Weg der Abfindung und Transfergesellschaften das Unternehmen zu verlassen.« Der Betriebsrat macht sich damit zum Büttel der Geschäftsleitung und soll fast den gleichen Sanierungsplan, den die GM-Bosse Anfang Oktober 2004 verkündeten, nun selbst durchsetzen.

Gehen nicht genügend Kolleginnen und Kollegen »freiwillig«, dann soll ab dem 1. Februar 2005 (gegebenenfalls etwas später) eine Einigungsstelle eingerichtet werden, die »über einen Sozialplan nach Maßgabe der Paragraphen 111ff. Betriebsverfassungsgesetz (beschließt).« Das aber heißt, daß es dann betriebsbedingte Kündigungen geben wird.

Die geplanten Ausgliederungen bei GM-Opel, in die rund 2000 Kolleginnen und Kollegen wechseln sollen, stellen indirekt die im Jahr 2000 erkämpfte Vereinbarung (den europäischen Rahmenvertrag) in Frage, wonach bei solchen Ausgliederungen – so bei Powertrain – das gleiche Lohn- und Gehaltsniveau wie bei GM/Opel gegeben sein muß. Manfred Strobel: »Im Gespräch (für Abspaltungen) ist die Komponentenfertigung, das Ersatzteillager, das Preßwerk und das Rest-Joint-Venture Powertrain – übrig bleibt dann hier nur noch das Getriebe.« Womit erneut der Bestand des GM-Opel-Werks in Bochum in Frage steht.


GM mit großem Gewinn

Selbst die Frage einer kurzfristigen Werkschließung ist nicht vom Tisch: Bis März 2005 will GM entscheiden, wo die nächste Generation des Opel-Vectra gebaut wird: in Rüsselsheim oder im schwedischen GM-Saab-Werk in Trollhättan. Mitte Januar entschied das GM-Management, daß ein neues Mittelklassemodell der GM-Marke Cadillac im schwedischen Saab-Werk in Trollhättan gebaut werden soll. Dies sei, so wird hinzugefügt, »noch keine Vorentscheidung« darüber, ob GM seine Mitteklassemodelle in Europa künftig nur noch in Trollhättan oder bei Opel Rüsselsheim bauen würde.

Gleichzeitig kündigte das GM-Management an, daß der Sparkurs verschärft wird. »Wir wollen die 500 Millionen Euro deutlich übertreffen«, erklärte GM-Europe-Chef Carl-Peter Forster Ende 2004, womit er die ursprünglichen Zielsetzungen, die im Oktober 2004 den Opel-Bochum-Streik ausgelöst hatten, deutlich aufstockte. Auch wird Anfang 2005 deutlich, daß es nicht um ein klammes Unternehmen geht. GM machte 2003 Profite von 3,8 Milliarden US-Dollar. 2004 waren es erneut 3,6 Milliarden US-Dollar ausgewiesener Gewinn. Ende 2004 und ausgerechnet in Europa konnte GM seinen Absatz deutlich steigern. Dazu heißt es in der Wirtschaftspresse: »Trotz der zahlreichen Medienberichte über Stellenabbau und drohende Werkschließungen verzeichnete die Marke (Opel) zum Jahresausklang ein dickes Plus bei den Neuzulassungen in Westeuropa. Nach 11,8 Prozent höheren Verkäufen im November sei auch der Dezember deutlich im Plus, hieß es gestern (27.12.2004; W.W.) in der Opel-Zentrale: ›Die positive Entwicklung geht weiter. Wir haben das Gesamtjahr damit auf Vorjahresniveau abgeschlossen.‹«

Auch der VW-Chef Bernd Pieschetsrieder erklärte Anfang 2005, daß nunmehr der Sparkurs »verschärft werden« müsse. Ein »zusätzliches Einsparziel« von rund einer Milliarde Euro sei notwendig. Die Ende 2004 vereinbarten Einsparungen könnten »nicht das Ende sein«. En passant erfährt man, daß der operative Gewinn 2004 auf dem erwarteten Niveau von 2,4 Milliarden Euro liege. Das DaimlerChrysler-Management erklärt, man werde 2005 im US-Werk Tuscaloosa die Beschäftigtenzahl verdoppeln und von dort wegen des Euro-Dollar-Verhältnisses nach Europa exportieren. Damit wird ein neuer Druck auf die Belegschaft hierzulande aufgebaut.

Damit bestätigt sich, was der frühere Erste Vorsitzende der IG Metall, Franz Steinkühler, auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung um DaimlerChrysler, im Juli 2004, äußerte: »Ich kann meinen Kollegen nur sagen: Wer diesen Unternehmern den kleinen Finger gibt, muß damit leben, daß er in Zukunft nur noch vier Finger an der Hand hat. (...) Ich denke, sie sind gut beraten, Widerstand zu leisten so lange es geht und so viel es geht, denn wer den ersten Schritt tut, kann sich im Rückwärtsgang kaum mehr verteidigen gegen den Anspruch der Arbeitgeber, noch mehr zu wollen und immer mehr zu wollen.«