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Der Kampf für den Erhalt der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst

von Angela Klein, Februar 2006


Der Streik im öffentlichen Dienst in Deutschland geht in die 3.Woche. In Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg, dem Saarland und Sachsen stehen derzeit insgesamt 33.000 Beschäftigte im Streik: Müllwerker, Krankenhausangestellte, Straßenreinigungsdienste, Universitätskliniken, aber auch Theaterhäuser, Stadtverwaltungen, Sparkassen…

Auf dem Spiel steht nicht mehr und nicht weniger als die Verteidigung der bisherigen Arbeitszeiten und die Existenz eines einheitlichen Tarifvertrags im öffentlichen Dienst. Die Tarifgemeinschaft der Länder will die Ausdehnung der Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden pro Woche, außerdem eine Kürzung von Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Sonderzuweisungen je nach Kassenlage der Länder. Die Gewerkschaft Ver.di und der kleinere Beamtenbund wollen, dass die Länder den im vergangenen neu ausgehandelten Tarifvertrag öffentlicher Dienst übernehmen, der formal die 38,5-Stunden-Woche unangetastet lässt. Am 26.3. sind in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt Landtagswahlen. Ver.di hofft, dass dies auf die Innenminister der Länder genügend Druck ausübt, damit sie kompromissbereit werden.

Das Problem ist, dass es "den" öffentlichen Dienst immer weniger gibt, seit im vergangenen Jahr der seit 1961 bestehende Bundesangestelltentarifvertrag durch den Tarifvertrag öffentlicher Dienst abgelöst wurde. Die föderale Struktur bringt es mit sich, dass es drei Arbeitgeber im öffentlichen Dienst gibt: den Bund, die Länder und die Kommunen. Nur mit zweien konnte Ver.di den neuen Vertrag abschließen: mit dem Bund und mit den Kommunen. Die Länder scherten frühzeitig aus den Verhandlungen aus, weil sie keine Festschreibung der 38,5-Stunde-Woche wollten. Jetzt will Ver.di sie dazu in einem separaten Arbeitskampf zwingen – die Chancen stehen nun deutlich schlechter. Auf die Salamitaktik der Arbeitgeber hatte Ver.di im vergangenen Jahr keine Antwort – und das droht sich jetzt zu rächen. Hinzu kommt, dass der neue Tarifvertrag öffentlicher Dienst so recht nach dem Geschmack der neoliberalen Modernisierer in Politik und Verwaltung war – und auch von der Ver.di-Spitze als Aufbruch in ein "modernes Staatswesen" gefeiert wurde: mit flexiblen Arbeitszeiten, niedrigeren Einstiegstarifen und leistungsorientierter Bezahlung statt dem bisher geltenden Beförderungsprinzip. "Angesichts neuer Rahmenbedingungen muss der öffentliche Dienst seine Veränderungsbereitschaft beweisen, wenn er nicht abgewickelt werden will", sagte Ver.di-Chef Bsirske damals und steht auch heute noch zu. Die Arbeitgeber lobten den Vertrag über den grünen Klee und die Reformbereitschaft der Gewerkschaft.

Tatsache aber ist, dass der neue Tarifvertrag einen Einstieg in den Ausstieg aus dem Flächentarif darstellen sollte. Diesen Kurs setzen die öffentlichen Arbeitgeber jetzt sehr gezielt fort. Der Bund setzt die Beamten als Vorreiter ein: die Große Koalition hat diesen die Arbeitszeit von 40 auf 42 Stunden in der Woche verlängert – der Bund kann das einseitig festsetzen, Beamte dürfen nicht streiken. Ein weiterer Spaltpilz ist der Osten: hier sind die Löhne generell niedriger und die Arbeitszeiten länger. Ver.di hatte mit den ostdeutschen Bundesländern die 40-Stunden-Woche fest vereinbart. "Was im Osten richtig ist, kann im Westen nicht falsch sein", sagen sie jetzt. hinzu kommt, dass die kommunalen Arbeitgeber in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg den gerade erst geschlossenen Tarifvertrag wieder gekündigt haben und sich der Forderung der Länder nach Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich anschließen.

Die öffentlichen Arbeitgeber operieren vor allem mit zwei Argumenten. Sie sagen: Für 18 Minuten Mehrarbeit am Tag bricht man keinen teuren Streik vom Zaun. Und: Die Kassen sind leer. Und: Wenn die Gewerkschaft nicht nachgibt, privatisieren wir die öffentlichen Dienste. Gegen diese "Argumente", die an Erpressung grenzen, hilft nur eine Politisierung des Streiks, also eine maximale Ballung gewerkschaftlicher Kampfkraft bei maximaler Einbeziehung der Belegschaften und der Konsumenten. Gegen die Angriffe der Arbeitgeber stellt Ver.di nur den Abwehrkampf, und den auch noch gepaart mit früheren Konzessionen. Das ergibt keine Perspektive für einen gesamtgesellschaftlichen Kampf für Arbeitszeitverkürzung. Ohne die wird sich der Tarifkampf aber nicht gewinnen lassen. Es besteht die Gefahr, dass Ver.di diesen Kampf ähnlich mit Pauken und Trompeten verliert wie die IG Metall ihre Versuch, die 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland durchzusetzen - allein gestützt auf die schwache Mobilisierungskraft im Osten.