"Die
Niederlage der Hezbollah wäre für
den Iran psychologisch wie strategisch ein großer
Verlust. Er würde seine Stütze im
Libanon verlieren, sein wichtigstes Mittel,
um den Nahen Osten zu destabilisieren und in
die Region vorzudringen. Es würde offensichtlich,
dass er im Versuch, sich als regionale Supermacht
zu etablieren, weit über das Ziel hinausgeschossen
hat. Die Vereinigten Staaten haben viel aufs
Spiel gesetzt, um Israel siegen und all dies
geschehen zu lassen. Sie haben auf die Fähigkeit
Israels gesetzt, den Job zu erledigen. Sie wurden
enttäuscht. Regierungschef Ehud Olmert
hat sich als unbeständige, unsichere Führungspersönlichkeit
erwiesen … Sein Versuch, einen billigen
Sieg zu erringen, hat nicht nur die Operation
im Libanon gefährdet, sondern auch Amerikas
Vertrauen in Israel erschüttert."
Charles
Krauthammer, Washington Post, 4. August 2006
"Doch
die Regierung muss nun zugeben, was alle einschließlich
mir selbst, die daran geglaubt haben, wie wichtig
es ist im Irak erfolgreich zu sein, zugeben
müssen: Sei es nun auf Bush oder die Araber
zurückzuführen, wir schaffen es nicht
und können nicht immer noch mehr wertvolles
Leben opfern … Doch die zweitbeste Lösung
ist der Rückzug aus dem Irak. Denn die
schlimmste Option – und die wäre
ganz nach dem Geschmack des Iran – ist
für uns, im Irak zu bleiben und zu bluten,
leicht erreichbar, um vom Iran getroffen zu
werden, wenn wir seine Atomwaffen angreifen.
Wir müssen einen Umgang mit dem Iran und
Syrien finden, aber aus einer Position der Stärke
– und das erfordert eine breite Koalition.
Je länger wir im Irak einseitig eine verfehlte
Strategie verfolgen, desto schwieriger wird
es sein, eine solche Koalition aufzubauen, und
umso stärker werden die Feinde der Freiheit
werden."
Thomas
Friedman, New York Times, 4. August 2006
Mit
jedem Tag, der vergeht, verlassen weitere ehemals
enthusiastische UnterstützerInnen des imperialen
Kurses der Bush-Regierung im Nahen Osten das
sinkende Schiff. Inzwischen hat sich ohne jeden
Zweifel bewahrheitet, was viele vorausgesehen
haben: Die Regierung Bush wird als ungeschickteste
Crew, die je am Ruder des amerikanischen Imperiums
gestanden hat, in die Geschichte eingehen.
Bush
und seine Spießgesellen haben im kollektiven
Gedächtnis bereits ihren Platz als Totengräber
der US-Ambitionen nach dem Kalten Krieg: Sie
haben die unvergleichliche Heldentat vollbracht,
die ausgesprochen günstigen Bedingungen
zu vergeuden, die der US-Imperialismus vorgefunden
hat, seit 1989 der zweite große Block
zu zerbröckeln begann. Sie haben die einzigartige
Gelegenheit verpasst, die der oben zitierte
Krauthammer 1990 als "unipolaren Moment"
bezeichnet hatte. Doch sie haben sie verpasst,
weil sie von genau derselben imperialen Anmaßung
getragen waren, die Leute wie Krauthammer und
Friedman auszeichnet.
Der
Leitartikel einer kürzlich erschienenen
Ausgabe des Time-Magazines, die vor dem Beginn
von Israels jüngstem Libanonkrieg veröffentlicht
wurde, verkündete das "Ende der Cowboy-Diplomatie",
beruhend auf der offensichtlichen Erkenntnis,
dass die "Bush-Doktrin an der wichtigsten
Stelle, an der sie die USA anzuwenden versuchten,
gescheitert ist": "Obwohl niemand
im Weißen Haus offen Bushs Entscheidung
hinterfragt, gegen den Irak Krieg zu führen,
geben manche MitarbeiterInnen nun zu, dass er
unterdessen einen hohen Preis an militärischen
Mitteln, öffentlicher Unterstützung
und Glaubwürdigkeit im Ausland fordert.
Den Preis zahlt die Regierung tagtäglich,
während sie gleichzeitig versucht, mit
anderen Krisen fertig zu werden. Es ist nahezu
unmöglich, die in der Bush-Doktrin vorgesehene
offensive Außenpolitik weiterzuführen,
während die USA gleichzeitig einen Weg
suchen, sich aus dem Irak zurückzuziehen.
Weltweit nehmen Freunde wie Gegner der USA die
Spannungen der Supermacht zur Kenntnis –
und ziehen vielfach Vorteil daraus. Während
der Sturz Saddam Husseins den Rekordpegel der
US-Hegemonie markierte, zeugen die letzten drei
Jahre von der stetigen Erosion der Fähigkeit
Washingtons, die Welt ihrem Willen zu beugen."[1]
Der
gravierendste Vorwurf der Autoren lautete: "Wie
sich erweist, könnte der Irak nicht nur
zum ersten, sondern auch zum letzten Versuchsfeld
für einen Präventivkrieg werden. Anstatt
die Machthaber in Teheran und Pjöngjang
abzuschrecken, könnten die Mühen der
US-Besatzung diese Regimes in ihrem Bestreben
ermutigt haben, sich Atomwaffen zu beschaffen,
während sie die Fähigkeit der US-Armee
einschränken, sie davon abzuhalten."
Diese
ausgesprochen bittere Einschätzung im Time-Artikel
war begleitet von derselben Hoffnung, in die
auch der große Chor der Verbündeten,
Schützlinge und Klienten der USA einstimmte:
Für sie alle, mit der auffallenden Ausnahme
der israelischen Regierung, nährte die
Tatsache, dass die prominentesten Neokonservativen
in der Bush-Regierung beiseite geschoben wurden,
die Hoffnung, es zeichne sich ein neuer gesunder
Kurs in der Außenpolitik der US-Regierung
ab. Die Umbesetzung, die es im Zuge der zweiten
Amtszeit von George W. Bush gab, schien trotz
des Abgangs des Chefrealisten Colin Powell,
der jedoch sowieso nur begrenzten Einfluss auf
die Regierung hatte, die "Abenddämmerung
der Neokonservativen" zu bestätigen,
die manche Clinton-AnhängerInnen zwei Jahre
zuvor angekündigt hatten.[2]
Was
die Time-Autoren als Zeichen für den Niedergang
der "Cowboy-Diplomatie" ankündigten
– "eine gründliche Strategieänderung
im Zug des Aufstiegs von Staatssekretärin
Condoleezza Rice ist offenkundig" –
erwies sich, kaum war es gedruckt, im Lichte
der darauf folgenden Ereignisse, als Israel
seinen ausgesprochen brutalen Angriff startete,
als bloßes Wunschdenken. Wie sich zeigte,
wurde die Cowboy-Diplomatie einfach durch eine
Cowgirl-Diplomatie ersetzt, die im Wesentlichen
auf dasselbe hinausläuft.
Condoleezza
Rice tat zwar wirklich ihr Bestes, um der Außenpolitik
der Bush-Regierung ein neues Make-up zu verpassen,
doch im Wesentlichen gab es keine erhebliche
Veränderung. Sie war von Anfang an eine
Stütze der Regierung und teilt denselben
verrückten Größenwahn übertriebener
Zielsetzungen, der auch das restliche Team auszeichnet.
Der Auftrag von Rice, die für die zweite
Amtszeit mit dem State Departement betraut wurde,
bestand hauptsächlich darin, die vielen
Lecks der US-Außenpolitik zu stopfen:
ein allerdings unerfüllbarer Auftrag. Das
Schiff sinkt unaufhaltsam im trüben Wasser
des irakischen Ölteppichs.
Die
"Hypermacht" USA, die in der Lage
ist, jede andere reguläre Armee weltweit
niederzustrecken – die Rüstungsausgaben
dieser Hypermacht sind höher als die der
über 200 Staaten der restlichen Welt und
der Militärhaushalt übersteigt das
BIP aller mit Ausnahme von 14 Staaten weltweit
– , hat einmal mehr in der jüngeren
Vergangenheit erwiesen, dass sie unfähig
ist, aufständische Bevölkerungen unter
Kontrolle zu bringen. Dafür ist all das
ausgeklügelte Tötungsarsenal, das
das Pentagon besitzt, von sehr begrenzter Hilfe.
Um Bevölkerungen zu kontrollieren, braucht
man Truppen. Es ist eine Art von Gewerbe, dessen
Arbeitskraft nur schwer durch Hardware ersetzbar
ist. Deshalb tun sich Diktaturen im Übrigen
verhältnismäßig leichter in
diesem Geschäft, da sie ihre Bevölkerung
nach Belieben aufbieten können und kein
Problem damit haben, einen hohen Preis an Soldatenleben
zu zahlen.
Die
USA haben sich als unfähig erwiesen, Vietnam
unter Kontrolle zu bringen, obwohl ein wesentlich
höherer Anteil an Truppen pro Einwohner
im Einsatz war als im Irak. Die Militärmacht
der USA ist heute sogar in jeder Hinsicht stärker
als zu Zeiten des Vietnamkriegs, außer
in dem Bereich, der für eine Besatzung
entscheidend ist: Truppen. Die Stärke der
US-Truppen wurde seit Vietnam und dem Ende des
Kalten Krieges radikal abgebaut. Im Geist des
für den Kapitalismus der Ära der Automatisierung
typischen Denkens glaubte das Pentagon, die
Unzuverlässigkeit des Humankapitals durch
eine starke Abhängigkeit von hochtechnologischen
Waffen ausgleichen zu können – die
so genannte "Revolution in Militärangelegenheiten".
Damit einher ging der Übergang ins Zeitalter
der "post-heroischen" Kriege, wie
sie von einem unangepassten Militäranalysten
treffend genannt wurden.[3] Und es bedeutete
den USA tatsächlich keine große Mühe,
die irakische Armee von Saddam Hussein "post-heroisch"
zu besiegen. Die "post-heroische"
Kontrolle über die irakische Bevölkerung
erwies sich dagegen als Herausforderung ganz
anderen Kalibers.
Die
USA verlieren stetig die Kontrolle über
den Irak, seit sie 2003 die Besatzung errichtet
haben. Auf der einen Seite waren sie mit der
Ausbreitung eines bewaffneten Aufstands in den
Gebieten der arabischen SunnitInnen konfrontiert,
der durch die begrenzte Zahl an verfügbaren
US-Besatzungstruppen nicht verhindert werden
konnte. Denn wenn eine Invasionsarmee nicht
in der Lage ist, die Kontrolle über jeden
kleinsten Flecken bewohnten Landes auszuüben,
wie dies bei einer lokalen Armee üblicherweise
der Fall ist, gibt es nur einen sicheren Weg,
einen bewaffneten Aufstand niederzuschlagen,
der sich innerhalb der eigenen Bevölkerung
"wie ein Fisch im Wasser" bewegen
kann, um eine Formulierung Mao Zedongs aufzugreifen:
das Becken auszutrocknen. Das bedeutet entweder
einen Völkermord zu begehen, wie ihn die
russische Armee in Ansätzen in Tschetschenien
begeht, oder die Bevölkerung in Konzentrationslager
zu vertreiben oder eine Kombination aus beidem,
wie es die USA in Vietnam versuchsweise praktiziert
haben, aber nicht zu Ende führen konnten,
weil die amerikanische Bevölkerung das
nicht toleriert hätte.
Im
Irak war Washington auf der anderen Seite mit
einem viel schwierigeren Problem konfrontiert,
das sich Anfang 2004 abzeichnete: Die Bush-Regierung
war durch ihre eigene Dummheit und die Versprechungen
mancher irakischer Pentagon-Freunde oder törichte
Wahnvorstellungen anderer Leute verleitet worden
zu glauben, sie könne die Sympathie eines
größeren Teils der irakischen Mehrheitsbevölkerung,
der arabischen SchiitInnen, gewinnen. Das schlug
vollkommen fehl, da der Einfluss der Iran-freundlichen
fundamentalistischen Schiiten-Organisationen
die Anhängerschaft, die Washingtons Gefolgsleute
unter den irakischen Schiiten kaufen konnten,
völlig in den Schatten stellte. Der Regierung
Bush blieb keine andere Wahl für ihre imperialen
Pläne als das klassische Rezept des "teile
und herrsche", den Versuch, die Feindschaft
zwischen den drei Hauptgruppen der irakischen
Bevölkerung zu schüren, indem sie
die SchiitInnen und arabische SunnitInnen im
Bündnis mit den KurdInnen gegeneinander
aufhetzten. Das Abgleiten des Iraks in den Bürgerkrieg
wurde damit beschleunigt und das allgemeine
Scheitern des Versuchs, das Land unter Kontrolle
zu bringen, noch sichtbarer.[4]
Die
Art und Weise, wie der amerikanische Gulliver
von den irakischen Liliputanern festgeschnürt
wurde, hat zweifellos dem Iran, der anderen
Stütze der von George W. Bush zu Beginn
seiner Kriegsambitionen nach dem 11. September
2001 als "Achse des Bösen" im
Nahen Osten bezeichneten Länder, erheblich
Auftrieb verliehen. Die absolut widerspenstige,
ja provokative Haltung des Iran gegen den US-Riesen
war nur möglich, weil dieser im Irak Schwäche
zeigte. Und Teheran konterte erfolgreich die
Versuche von Washingtons arabischen Gefolgsleuten,
die Religionsfehde vom Irak auf den Rest der
arabischen Region auszudehnen, um das iranische
Regime als schiitisch zu isolieren, ein Trick,
der 1979 nach der iranischen Revolution mit
einem gewissen Erfolg praktiziert wurde. Teheran
konterte, indem es die arabischen Regimes in
ihrer Feindschaft gegenüber Israel überbot
und sich damit das Image eines Vorkämpfers
der panislamischen Sache gab.
Ein
Schlüssel von Teherans Erfolg liegt im
Bündnis, das mit Hamas, der populärsten
Verkörperung des sunnitisch-islamischen
Fundamentalismus, aufgebaut wurde. Dieses Bündnis
wurde gefestigt, als die größte Sektion
der Muslimbrüderschaft (deren palästinensischer
Zweig die Hamas ist), die ägyptische Sektion,
offen die provokanten israelfeindlichen Statements
des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad
unterstützte. Hamas‘ Aufstieg zur
Macht bei den palästinensischen Wahlen
von Januar 2006 versetzte der Regionalstrategie
Washingtons einen weiteren Schlag. Teheran jubelte
und forderte durch die Unterstützung der
neuen palästinensischen Regierung einmal
mehr all seine arabischen Rivalen heraus. An
diesem Punkt griff Israel ein, das von Washington
als viel versprechender Retter einer Strategie
gesehen wurde, die sonst immer mehr einer imperialen
Titanic glich.
Washington
schickte – in dem seit vier Jahrzehnten
bestehenden strategischen Bündnis zwischen
dem US-Sponsor und dem israelischen Champion
noch immer auf Israels alten Ruf vertrauend,
es verfüge über unfehlbare Kenntnisse
im Umgang mit dem arabischen Feind – seinen
bevorzugten Vertreter gegen jene ins Feld, die
als Stellvertreter des Iran erachtet werden,
nämlich Hamas und Hezbollah. Was die Bush-Regierung
allerdings übersah, ist, dass der Ruf Israels
durch sein offensichtliches Scheitern, die 1967
besetzten palästinensischen Gebiete unter
Kontrolle zu bringen, und erst recht durch den
an Saigon erinnernden Rückzug aus dem Libanon
im Jahr 2000 nach 18-jähriger Besatzung
bereits stark angeschlagen ist. Israel hat im
Libanon bereits sein eigenes Vietnam erlebt.
Und
wie das Pentagon nach Vietnam sind auch die
israelischen KriegsplanerInnen seit dem Libanon
auf eine "post-heroische Militärpolitik"
eingeschwenkt und vertrauen viel mehr auf ihr
weitaus überlegenes Gerät als auf
die Kampffähigkeit ihrer Bodentruppen.
Als Israel 1982 in den Libanon einmarschierte,
bekämpfte es hauptsächlich die PLO-FreischärlerInnen.
Diese waren im Libanon alles andere als "Fische
im Wasser", da sie es geschafft hatten,
die libanesische Bevölkerung durch ihr
arrogantes, plumpes Verhalten gegen sich aufzubringen.
Der libanesische Widerstand, der seit 1982 Bedeutung
erlangt hat und in dem die Hezbollah nach und
nach eine führende Rolle spielte, war etwas
völlig anderes. Die israelische Armee war
erstmals mit einem wirklich aus dem Volk hervorgegangenen
bewaffneten Widerstand mit Nachschublinien in
einem Gebiet konfrontiert, das sich für
den Guerilla-Krieg eignet. Israel geriet in
dasselbe Dilemma, wie bereits für den Irak
beschrieben, und war ähnlich den USA in
Vietnam gezwungen, die bittere Pille eines Rückzugs
zu schlucken, der einer Niederlage gleichkommt.
Israels
Glaube an die Unbesiegbarkeit seiner militärischen
Ausrüstung – mit einer Anmaßung,
die noch verstärkt wurde durch die Amateurhaftigkeit
in Militärangelegenheiten von Olmert und
Peretz, die derzeitigen Kapitäne dieser
Crew – ließ die Israelis glauben,
sie könnten die Hezbollah zur Kapitulation
zwingen oder die LibanesInnen an den Rand eines
neuen Bürgerkriegs führen, indem der
ganze Libanon zur Geisel genommen, die zivile
Infrastruktur des Landes zerstört und die
schiitisch bewohnten Gebiete mit einem Bombenhagel
eingedeckt werden. Israel legte bewusst ganze
Stadtteile und Dörfer nach einem Muster
flach, das an manche Bombardierungen des Zweiten
Weltkriegs oder den Angriff auf Falludscha,
wenn auch in wesentlich größerem
Maßstab und damit wesentlich sichtbarer,
erinnert. Israels neuer Krieg gegen den Libanon
offenbarte die mörderische Wut eines Racheaktes
gegen die einzige Bevölkerung, der es gelungen
war, Israel zum bedingungslosen Rückzug
aus einem besetzten Gebiet zu zwingen.
Das
gemäß internationalen Konventionen,
die festlegen, was als Kriegsverbrechen gilt,
verbrecherische Verhalten der israelischen Armee
im Libanon übersteigt jene Verbrechen,
die die USA nach Vietnam in ihren Militäraktionen
in großem Stil begangen haben, sei es
im Irak oder im ehemaligen Jugoslawien. Israels
Angriff auf den Libanon kommt insofern einem
Sonderfall der so genannten Politik der "extraordinary
rendition" (Auslieferung der besonderen
Art) gleich. Bekanntlich hat Washington Personen,
die weit über die von der nationalen Gesetzgebung
auferlegten Einschränkungen hinaus "verhört"
werden sollten, an jene Klientelstaaten ausgeliefert,
die keine Hemmung haben, das dreckige Geschäft
der Folter zu verrichten. Nun hat Washington
Israel die Aufgabe übertragen, die Hezbollah
zu besiegen, die als Hauptelement einer regionalen
Gegenoffensive gegen den Iran gesehen wird –
in der Hoffnung, Israel könne die dreckige
Arbeit verrichten und die Aufgabe ohne große
Probleme erledigen.
Einmal
mehr wurde die schreckliche Erinnerung an den
Völkermord der Nazis schamlos instrumentalisiert
– in einer Art und Weise, die im laufenden
Krieg einen neuen Höhepunkt an Unverfrorenheit
erreicht hat. Die israelische Führung glaubte,
so jede Kritik der Westmächte alias der
"internationalen Gemeinschaft" abwenden
zu können. Und obwohl sich die Mittel für
diese Instrumentalisierung mit jeder Schwelle
der Brutalität, die Israel überschreitet,
unverkennbar erschöpfen, ist sie noch immer
wirksam: Jeder andere Staat der Welt, der sein
Nachbarland angegriffen hätte, um dort
bewusst Kriegsverbrechen in kürzester Zeit
zu begehen, wie Israel dies im Libanon tut,
hätte einen Aufschrei provoziert, der unvergleichlich
lauter gewesen wäre als die geheuchelten
oder schüchternen Vorwürfe, die Israel
für seine "Unverhältnismäßigkeit"
erntet.
Trotz
alledem ist dem grausamen israelischen Angriff
kein Erfolg beschert. Er hat sich im Gegenteil
bereits als das erwiesen, was Ze’ev Sternhell
etwas beschönigend als Israels "erfolglosesten
Krieg" bezeichnet, bevor er zum bitteren
Schluss kommt: "Der Gedanke, dass jene,
die den Beschluss gefällt haben, in diesen
Krieg zu ziehen, nicht einmal im Traum an das
Ergebnis und die zerstörerischen Folgen
in fast jeder Hinsicht, den politischen und
psychologischen Schaden, an den Schlag, den
er der Glaubwürdigkeit der Regierung versetzt
hat, und – ja, auch an das überflüssige
Töten von Kindern gedacht haben, ist erschreckend.
Der Zynismus, den offizielle Regierungssprecher
und andere einschließlich zahlreicher
MilitärkorrespondentInnen angesichts der
Katastrophe, die die LibanesInnen erleiden,
unter Beweis stellen, bestürzt sogar jemanden,
der seit langem viele seiner Jugendillusionen
verloren hat."[5]
Anstatt
einen Bürgerkrieg zwischen den LibanesInnen
zu provozieren, hat Israels rücksichtsloser
Angriff bisher nur dazu geführt, die libanesische
Bevölkerung in ihrer gemeinsamen Ablehnung
gegen die mörderische Brutalität zu
einen. Anstatt die Hezbollah zur Kapitulation
zu zwingen, hat er die fundamentalistische Schiiten-Organisation
zum angesehensten Gegner Israels seit der Besiegung
Ägyptens 1967 und Hezbollah-Chef Nasrallah
zum beliebtesten arabischen Helden seit Nasser
gemacht. Anstatt die Bemühungen Washingtons
und seiner arabischen Gefolgsleute zu erleichtern,
einen tieferen Keil zwischen SunnitInnen und
SchiitInnen zu treiben, brachte er viele sunnitische
Mainstream-Prediger dazu, die Hezbollah offen
zu unterstützen – selbst im Königreich
Saudi-Arabien, was für die saudische Herrscherfamilie
äußerst demütigend ist. Die
Irakis verurteilten einhellig den israelischen
Angriff, während der gefürchtetste
Gegner Washingtons und Verbündete Teherans,
Moqtada as-Sadr, die Gelegenheit ergriff, eine
weitere Massendemonstration zu organisieren,
die ebenso beachtlich war wie jene, die er am
9. April 2005 gegen die Besatzung organisiert
hatte.
Zum
Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels bemüht
sich Washington noch immer darum, mehr Zeit
für Israel herauszuschlagen, indem es einer
Resolution des UN-Sicherheitsrats, die zu einem
Waffenstillstand aufruft, unerfüllbare
Bedingungen vorgibt. Und die israelischen Generäle
stehen angesichts des völligen Scheiterns
ihrer "post-heroischen" Bombenangriffe
in einem Wettlauf mit der Zeit, um durch eine
völlig zerstörerische "post-heroische"
Bodenoffensive möglichst viel Territorium
im Südlibanon zu einem möglichst geringen
Preis an israelischen Soldatenleben zu erobern.
Doch
das Maximum, was sie gegenwärtig wirklich
erreichen können, ist, das Gebiet an eine
internationale Streitmacht zurückzugeben,
die von der Hezbollah akzeptiert würde.
Selbst der französische Präsident
Jacques Chirac hat, obwohl er seit 2004 in der
Libanon-Frage eng mit Washington zusammenarbeitet,
betont, eine Mitwirkung der Hezbollah sei unabdingbar.
Kein Land auf Erden ist wohl bereit, zu versuchen,
die Aufgabe zu erledigen, deren Erfüllung
Israel nicht gelingt. Und die Schiiten-Organisation
hat bereits festgehalten, dass sie keine Streitmacht
akzeptieren würde, deren Mandat wesentlich
über jenes der bereits bestehenden UNIFIL
hinausgeht, die Israel als Störfaktor betrachtet.
Was
auch immer bei dem laufenden Krieg im Libanon
am Ende herauskommt, eines steht schon heute
fest: anstatt Hilfe zu bieten, um das sinkende
Schiff des US-Imperiums wieder aufzurichten,
hat das israelische Rettungsboot den Schiffbruch
noch schlimmer gemacht und wird gegenwärtig
damit nach unten gezogen.
[1]
Mike Allen und Romesh Ratnesar, "The End
of Cowboy Diplomacy", Time, 17. Juli 2006.
[2] Stefan Halper und Jonathan Clarke, "Twilight
of the Neocons", Washington Monthly, März
2004.
[3] Edward Luttwak, "A Post-Heroic Military
Policy", Foreign Affairs, Bd. 75, Nr. 4,
Juli/August 1996.
[4] Diesen Prozess habe ich in Perilous Power
beschrieben (siehe biografische Notiz). Ein
Ausschnitt über die Lage im Irak 2006 wird
demnächst im Internet erscheinen.
[5] Ze’ev Sternhell, "The Most Unsuccessful
War", Ha’aretz, 2. August 2006.
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