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Nach dem erfolgreichen Frauen-ProtestTag wollen die aktiven Frauen weiter kämpfen

Frauenaufbruch
an einem bewegten 8. März

Vor 87 Jahren lösten streikende Textilarbeiterinnen in St. Petersburg am Frauentag den Beginn der russischen „Februarrevolution“ aus. Seither ging es auf und ab in der Geschichte des Frauentages, je nachdem, wie stark die Frauenbewegung zu mobilisieren vermochte. Dieses Jahr fand in der Schweiz nach einigen Jahren von scheinbarer Funkstille in der Frauenbewegung wieder ein 8. März statt, der die Bezeichnung „Frauenkampftag“ verdiente. Tausende von Frauen gingen in der ganzen Schweiz trotz Kälte und widerlichem Wetter auf die Strasse, besetzten öffentliche Plätze, machten Pfeifkonzerte und kleideten sich rot, um ihrer Wut über die Diskriminierung der Frauen Ausdruck zu geben. Wie kam es zu dieser Mobilisierung?


von Sarah Schilliger, aus Debatte Nr. 8 vom Mai 2004


Demo am 8. März in Zürich


„Die Frauen sind aus dem Dornröschenschlaf erwacht“, oder: „Ist Feminismus wieder en vogue?“ titelten die Zeitungen nach den grossen Protesten im Zuge der Bundesratswahlen vom 10. Dezember 2003, als Christoph Blocher (SVP) an der Stelle von Ruth Metzler (CVP) und Hans-Rudolf Merz (FDP) auf Kosten von Christine Beerli (FDP) in die Regierung aufgenommen wurden. Der „Affront gegenüber den Frauen“ hat vielen vor Augen geführt, wie wackelig das Recht auf Gleichstellung in der Schweiz ist. „Wir Frauen sind wutentbrannt“, war auf einem Transparent zu lesen. Die Wut, die die Frauen an den Demonstrationen nach der „Patriarchenwahl“ im Dezember zum Ausdruck gebracht haben, war jedoch nicht bloss eine Wut gegenüber diesem Bundesrat: Sie brachte ein Fass zum überlaufen, wie es eine junge Aktivistin aus dem bereits im Sommer 2003 gegründeten Kollektiv „Femmes en colère“ ausdrückte: „Die Bundesratswahlen waren eine Frechheit. Aber die Diskriminierungen, die Frauen tagtäglich am Arbeitsplatz, zuhause und in der Öffentlichkeit erleben, sind eine noch viel grössere Frechheit!“

Die Tatsache, dass Frauen auf dem Papier zwar gleichberechtigt sind, in Wirklichkeit jedoch weniger Lohn erhalten, immer länger für immer weniger Rente arbeiten müssen, von Restrukturierungen und Sozialabbau in besonderem Masse betroffen sind, den grössten Teil der Haus- und Erziehungsarbeit auf sich nehmen müssen und dabei immer noch auf einen gesetzlich garantierten Mutterschaftsurlaub warten – das macht die Frauen wütend, nicht erst seit dem 10. Dezember 2003.


Von der Wut zum Frauenaufbruch

Während der Sonntags-Blick den Unmut aufnahm und medial ausschlachtete, indem er die SP-Ständerätin Anita Fetz (ehemals POCH) zur Chefredaktorin einer Ausgabe ernannte, in der Arbeitgeber-Präsident Peter Hasler seine Vorstellungen einer „egalitären“ Gesellschaft preisgeben durfte (Hasler zur Lohnungleichheit: „Vielleicht müssen wir die Männerlöhne senken“), machten sich verschiedene, vor allem junge Frauen daran, einen Protesttag am internationalen Frauentag zu organisieren, der sich den dringenden frauenpolitischen Themen annehmen sollte. Neue Frauen-Kollektive entstanden, alte wurden reaktiviert.
Ende Januar trafen sich in Bern über 50 Frauen aus den verschiedensten Organisationen, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, um gemeinsam den 8. März vorzubereiten und national zu koordinieren. An diesem Treffen einigten sich die Frauen auf eine gemeinsame Plattform, die drei Hauptforderungen beinhaltete: Nein zur 11. AHV-Revision, Ja zum Erwerbsersatz bei Mutterschaft, Schluss mit den Diskriminierungen, jetzt und überall! Damit wurde der Vorschlag von Frauen der BFS und von Frauenkollektiven, die für eine Politisierung des 8. März eintraten, angenommen. Die Farbe Rot – rot vor Wut – und der Slogan „Wir Frauen sind wütend“ wurden als gemeinsames Mobilisierungsmerkmal für den Frauen-Protesttag bestimmt.

Wenn Frau will, steht alles still

Was die Frauen in den wenigen Wochen Vorbereitungszeit auf die Beine stellten, war beeindruckend: In vielen Städten und Dörfern der Schweiz fanden am 8. März Aktionen und Demonstrationen statt. Sie waren von unterschiedlichem Charakter und verschiedener Ausrichtung und reichten von verlängerten Kaffeepausen über Sensibilisierungsaktionen in Warenhäusern und Sit-Ins bis zu Protestpausen in einigen Betrieben in der Westschschweiz.
In Bern, wo der 8. März von Kräften rund um das Grüne Bündnis organisiert wurde, hatte der Protesttag eine ausgeprägter institutionelle Ausrichtung als zum Beispiel in Zürich, wo die Organisation geprägt wurde von aktivistisch orientierten und mehrheitlich jungen Frauen (BFS-Frauen, ZOff!, FrauenLesbenKasama, etc.). Nach einer „Weckaktion“ am frühren Morgen an verschiedenen Bahnhöfen, wo mit Flyern auf den Frauenprotest aufmerksam gemacht wurde, besammelten sich die Zürcher Frauen am Mittag auf dem Paradeplatz, um diesen symbolischen Platz der Wirtschaftsmacht einzunehmen. „Frauen nehmt Platz, es ist fünf nach zwölf“ – so nannte sich die Aktion, an der über tausend Frauen in Rot mit Trillerpfeifen und Pfannendeckeln ihrer Wut Ausdruck gaben. Die bewegungsorientierte Ausrichtung wurde dann vor allem an der lebendigen und kämpferischen Demonstration am Abend sichtbar, an der sich Frauen von jung bis alt beteiligten: Einige „gestandene“ Aktivistinnen aus der Frauenbewegung der 70er und 80er Jahre, aber auch auffällig viele junge Frauen, die häufig zum ersten Mal überhaupt an einer Frauendemo teilnahmen und diesen Tag wohl nicht so schnell wieder vergessen werden.


Es gibt weiterhin Zoff!

„Es geht weiter – keine Frage! Frauenkampftag alle Tage!“ Dieser Slogan, den die Frauen in Zürich während der Demonstration skandierten, sollte darauf hinweisen, dass der Frauenkampf nicht auf diesen einzigen Tag im März beschränkt sein wird, sondern auch in Zukunft mit Zoff zu rechnen ist. Bereits haben sich die Frauen auf nationaler Ebene wieder getroffen und beschlossen, weiterhin gemeinsam gegen die 11.AHV-Revision und für den Erwerbsersatz bei Mutterschaft zu mobilisieren.1 Die jungen Studentinnen, die nach der „Patriarchenwahl“ die neue Gruppe ZOff! (Zürcher Offensive Frauen gegen Rechts) gegründet haben, sind sich einig, dass die Frauen jetzt tatsächlich in die Offensive gehen müssen: „Die Situation der Frauen wird sich nicht ändern, solange wir uns nicht selber darum kümmern. Es bringt nichts, einfach frustriert zu sein und auf bessere Zeiten zu warten“ meint eine Geschichtsstudentin, die in ZOff! aktiv ist. Die ZOff!-Frauen haben beschlossen, im Hinblick auf den 16. Mai gegen die drei unsozialen und frauenfeindlichen Vorlagen des rechten Bundesrates (AHV-Revision, Steuerpaket und Mehrwertsteuererhöhung) mobil zu machen, da diese für die grosse Mehrheit Verschlechterungen bringt, während sich ein paar wenige Reiche noch mehr bereichern.2
Clara Zetkin, sozialistische Frauenrechtlerin und eine der ersten Befürworterinnen des Frauentages, würde sich darüber freuen, denn sie meinte schon 1911: „Wir müssen Sorge tragen, dass der Frauentag nicht nur eine glänzende Demonstration für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts, sondern darüber hinaus der Ausdruck einer Rebellion gegen den Kapitalismus, eine leidenschaftliche Kampfansage all den reaktionären Massnahmen der Besitzenden, und ihrer willfährigen Dienerschaft, der Regierung, ist.“


1. Über eine (bescheidene) Vorlage zum Erwerbsersatz bei Mutterschaft wird im Herbst des laufenden Jahres abgestimmt. Es gibt hierzulande immer noch keine Mutterschaftsversicherung. Die Schweiz steht unter den führenden Industrieländern in dieser Hinsicht ziemlich allein auf weiter Flur. (Red.)

2. Siehe dazu den Beitrag von Lothar Moser in dieser Nummer


Rede der BFS-Frauen an der 8. März-Demo in Zürich

Heute sind wir in Zürich und in vielen anderen Städten auf der Strasse, weil wir es satt haben, ungleich behandelt zu werden, weil wir die Schnauze voll haben von Diskriminierungen. Wir Frauen sind wütend!
2003 war ein schwarzes Jahr für die Frauen: Zuerst die Erhöhung des Rentenalters, dann das Referendum der Rechten gegen den Erwerbsersatz bei Mutterschaft… und schliesslich die Bundesratswahl vom 10. Dezember, die als „Patriarchenwahl“ in die Geschichte eingegangen ist.
Tausende von Frauen haben (wieder einmal) gemerkt, dass die Gleichstellung keineswegs realisiert ist und noch viel zu tun bleibt. Vor allem wir junge Frauen sind regelrecht aufgeschreckt, weil wir erkennen mussten, dass Männer an der Macht – nicht nur auf der politischen Ebene – keinen Wert auf reale Gleichberechtigung legen.
Obwohl uns ein Artikel in der Verfassung Gleichstellung garantieren sollte, sind wir von diesem Ziel noch weit entfernt. Die Realität sieht ganz anders aus:
• Frauen verdienen durchschnittlich über 20 % weniger als Männer;
• Die Frauen leisten – selbstverständlich gratis – den grössten Teil der Haus- und Erziehungsarbeit;
• Drei von vier Müttern sind erwerbstätig, aber es fehlt überall an öffentlicher Kinderbetreuung und Tagesschulen.
Für die Patriarchen kann die Mutterschaftsversicherung warten. Viel lieber wollen sie noch mehr bei der AHV, den Sozialversicherungen und den öffentlichen Diensten kürzen!
Uns Frauen wurde bewusst, dass es mit der Gleichstellung der Geschlechter in den letzten Jahren nicht vorangegangen ist – im Gegenteil. Es gibt Rückschritte auf allen Ebenen, und wir Frauen wollen das nicht länger hinnehmen.
Wir wehren uns dagegen, dass in einem reichen Land wie der Schweiz das Parlament Kürzungen bei der AHV durchsetzt und gleichzeitig mit dem Steuerpaket den Reichen Steuergeschenke macht! So nicht, ihr Herren Couchepin, Blocher, Merz und Co.: Zuerst sagt ihr, dass ihr uns Frauen braucht, um mehr Kinder zu gebären und die AHV zu sichern. Dann kürzt ihr uns die Renten, macht Abstriche bei der Witwenrente und lässt uns nochmals länger arbeiten! Zudem wird all die Arbeit, die Frauen zuhause leisten, bei den Renten nur ungenügend angerechnet. Nein, nicht mit uns!
Wir fordern Renten, die den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen und allen ein Alter in Würde ermöglichen.

Schluss mit dem Sozialabbau! Die öffentlichen Strukturen in der Kinderbetreuung, der Bildung und dem Gesundheitswesen müssen ausgebaut und nicht abgebaut werden!! Geld ist genug vorhanden, es ist nur in den falschen Händen von wenigen Profiteuren.
Die Patriarchenwahl bestätigte einmal mehr, dass wir unser Schicksal nicht in die Hände der „Gewählten“ im Bundesrat und im Parlament legen dürfen. Um die patriarchale Ordnung zu bekämpfen, müssen wir unsere Anliegen selber in die Hand nehmen und dürfen sie nicht an irgendwelche Institutionen delegieren. Veränderungen waren stets nur möglich, wenn die Frauen gekämpft haben, wenn sie mit kollektiven Aktionen den Trott der herrschenden Ordnung durchbrochen haben. Wie unsere Grossmütter, die das Frauenstimmrecht erkämpft haben, oder die Hunderttausende von Frauen, die am 14. Juni 1991 gestreikt und die ganze Schweiz stillgelegt haben!
Es herrscht Aufbruchstimmung – vor allem auch unter uns jungen Frauen. Jetzt müssen wir in die Offensive gehen und eine neue Frauenbewegung aufbauen! Stehen wir für unsere Rechte ein, machen wir Zoff, nach dem Motto: Brave Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen kommen überall hin!
Heute sind wir in der ganzen Schweiz Zehntausende von Frauen auf der Strasse, um unserer Wut Ausdruck zu geben. Das ist ein erster wichtiger Schritt. Um in der Gleichstellung der Geschlechter wirklich vorwärts zu kommen, reicht es nicht aus, zwei oder drei Bundesrätinnen mehr zu fordern. Wir müssen die herrschende Gesellschaftsordnung grundsätzlich hinterfragen. Wen treffen z.B. die Sparmassnahmen im Kanton Zürich am meisten und wem nützen die Steuergeschenke?
Eine Gesellschaft, in der der Profit von privaten Grosskonzernen mehr zählt als die Bedürfnisse der Bevölkerung, ist zutiefst frauenfeindlich!
Die immense Gratisarbeit, die Frauen tagtäglich im Haushalt leisten, und die Benachteiligung der Frauen in der Erwerbsarbeit zeigen, dass dieses System nur funktioniert, weil es auf Ausbeutung und Ungleichheit basiert!
Der Besetzungskrieg ist ein Beispiel dafür. Im Irak wie auch in Afghanistan hat sich gezeigt, dass der Krieg die Frauen nicht etwa befreit hat – im Gegenteil: Im Irak hat die Gewalt gegen die Frauen konstant zugenommen, und die Marionettenregierung unter Kontrolle der USA will die Sharia wieder einführen! Solidarisieren wir uns mit den irakischen Frauen, die heute in Bagdad auf die Strasse gehen, um sich gegen die US-Besetzung zu wehren!
Zusammen mit Frauen in Bagdad, London, Berlin, New York und anderswo sind wir heute auf der Strasse und stehen gemeinsam für eine andere, frauenfreundlichere Welt ein!
Wir Frauen sind überall. Wir sind viele und wir kommen wieder. Dieser FrauenProtestTag ist erst der Anfang! Es geht weiter – keine Frage, Frauenkampftag alle Tage!