Sektion Zürich
 
anklicken Antiglobalisierung
anklicken ArbeiterInnenbewegung
anklicken Bildungspolitik
anklicken Frauenbewegung
anklicken Geschichte
anklicken Imperialismus & Krieg
anklicken International
anklicken Kanton Zürich
anklicken Marxismus
anklicken Umweltpolitik

anklicken Startseite
anklicken Über uns
anklicken Agenda
anklicken Zeitung
anklicken Literatur
anklicken Links
anklicken Kontakt

Schwerpunke / Kampagnen
anklicken Bilaterale II
anklicken
anklicken
anklicken  
anklicken  
anklicken  
anklicken  
anklicken  
anklicken  
anklicken
anklicken  
anklicken  
anklicken  
anklicken  
anklicken  
anklicken  
anklicken  
anklicken  
anklicken  
anklicken  



 

Es gibt keine Rolltreppe zur Gleichstellung!
Sarah Schilliger
aus Debatte Nummer 3 - Dezember 2007
1995 unterzeichneten 189 Regierungen eine Aktionsplattform der Weltfrauenkonferenz von Peking, um sich damit für die Globalisierung von Frauenrechten auszusprechen. Im selben Jahr nahm auch die Welthandelsorganisation (WTO) mit dem Ziel der Liberalisierung des Welthandels ihre Arbeit auf. 12 Jahre sind inzwischen vergangen. Wie sieht die Bilanz aus für die Frauen im Norden wie im Süden?

Die Plattform von Peking hatte zum Ziel, geschlechts-spezifische Diskriminierungen zu beseitigen, bei makroökonomischer Politik die Auswirkungen auf Frauen zu berücksichtigen und neue Gerechtigkeitsstandards umzusetzen. Die WTO trat an mit dem Versprechen, durch die Förderung des Freihandels zu Wachstum und dadurch zu mehr Wohlstand und einem höheren Lebensstandard für alle zu gelangen.

Während es die WTO trotz Krisen und einigen Rückschlägen geschafft hat, ihre Freihandelsmission bis in die entlegendsten Dörfer Afrikas voranzutreiben und die Landwirtschaft wie auch viele andere Bereiche dem Marktprinzip zu unterwerfen, fällt die Bilanz in Bezug auf die Globalisierung der Frauenrechte etwas anders aus.

Durchzogene Bilanz

Frauen gelten zwar als die Jobgewinnerinnen der Globalisierung. Weibliche Billigarbeitskräfte sind ein Wettbewerbsvorteil, sowohl in der Bekleidungs-, Elektronik- oder Spielzeugindustrie als auch in der exportorientierten Landwirtschaftsproduktion und im Dienstleistungssektor. Die Feminisierung der Beschäftigung hat jedoch dem in der Aktionsplattform von Peking formulierten Ziel der „wirtschaftlichen Rechte von Frauen und deren Unabhängigkeit“ nicht zum Durchschlag verholfen. Integration in den flexibilisierten Arbeitsmarkt bedeutet für Frauen im Norden wie im Süden oft informelle, schlecht bezahlte und prekäre Lohnarbeit zu schlechten Arbeitsbedingungen und ohne soziale Sicherheit. Zudem hat die Marktliberalisierung und die erzwungene Exportorientierung in vielen Weltregionen die frauendominierte kleinbäuerliche Landwirtschaft zerstört. Die in Peking formulierten sozialen und wirtschaftlichen Rechte der Frauen haben sich als nicht kompatibel mit dem WTO-Regime erwiesen.

Politischer Alzheimer und besänftigende Gender-Politik

In den 90er Jahren herrschte Aufbruchstimmung in den international ausgerichteten Frauennetzwerken. Man mischte sich bei globalen Themen ein, versuchte Einfluss zu nehmen auf die UN-Politik und auf internationale Institutionen, erarbeitete internationale Plattformen und formulierte gemeinsame Ziele und Forderungen. Trotz beachtlicher rechtspolitischer Fortschritte zeigte sich in der Realität jedoch schnell, dass es – in den Worten der deutschen Feministin Christa Wichterich – keine „Rolltreppe zur Gleichstellungsempore“ gibt und dass „auch ein frauenpolitisch nachgebessertes Konferenzdokument in Behördenakten ablegbar ist, dort dem politischen Alzheimer anheimfällt und keineswegs automatisch umgesetzt wird.“ Ohne politischen Druck von unten nützt auch der Einsitz in Verhandlungsgremien nichts. Zudem zeigte sich eine grosse Umsetzungslücke zwischen den internationalen Aktionsplänen und der nationalen und lokalen Frauenpolitik. Die Fortschritte in den UN-Konventionen bedeuteten noch lange keine reale Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen.

Frau war der „grossen Politik“ zwar näher gekommen, sah sich aber gleichzeitig auch gezwungen, sich an deren Vorgaben abzuarbeiten. Und das verlangte einiges an Anpassungsleistung. Viele Feministinnen verliessen die Strasse und versuchten durch Lobbying, Mainstreaming und Monitoring „Gender- Politik“ in kleinen Schritten zu betreiben. Die UN-Rhetorik wurde ge-genderkompatibelt, die Programmatik gegender- mainstreamt und die Institutionen einem Gender-Monitoring unterzogen. Christa Wichterich bezeichnet die neuen professionellen Gender-Expertinnen als „eine transnationale Klasse von Jet-Set- Lobbyistinnen, die inhaltlich kompetent, handwerklich profiliert und rhetorisch versiert auftreten, mit hohem Gehalt, Spesenkonto und ebenso hoher Selbsteinschätzung um die Welt touren“.

Zwischen Autonomie und Abhängigkeit

Diese Professionalisierung hat zu einer Hierarchisierung der Frauen-NGO-Szene geführt. Finanzstarke, durch einzelne Staatsapparate und Stiftungen unterstützte und an internationalen Runden Tischen partizipierende NGOs stehen nichtprofessionellen, finanziell eher schwachen „grassroots“-Bewegungen gegenüber, deren lokaler „Feminismus des Überlebens“ oft aus den unmittelbaren Alltagsproblemen der Frauen und dem Kampf um die Existenzsicherung abgeleitet ist. Viele Frauenorganisationen stecken „in einem Knäuel von Dilemmata zwischen politischer Autonomie und finanzieller Abhängigkeit, zwischen Kritik an den Regierungen und Kooperation“ (Wichterich).

Diese Kluft zeigte sich auch an der diesjährigen Jahreskonferenz des frauenpolitischen Netzwerks WIDE (Women in Development Europe) – eines Zusammenschlusses von feministischen und entwicklungspolitischen Organisationen in Europa. An der dreitägigen Konferenz diesen Sommer in Madrid trafen sich Frauen aus allen Kontinenten – von der Vetreterin von UNIFEM-Afrika über die britischen Delegierte von OXFAM bis zur Aktivistin der KleinbäuerInnenbewegung Via Campesina aus Brasilien oder der Inderin aus einer Gewerkschaft, die informell Beschäftigte organisiert. Es war sehr eindrücklich, über die verschiedenen Realitäten für Frauen in den einzelnen Regionen zu erfahren, sich über politische Strategien auszutauschen und gemeinsam über Alternativen zu diskutieren. Bezogen auf die politischen Konzepte und Strategien machte sich in Madrid aber eine gewisse Ratlosigkeit breit. Während die einen in den laufenden institutionellen Verhandlungen und Agenden um Welthandelspolitik, internationale Entwicklungs- und Finanzpolitik konkrete „entrypoints“ und „Möglichkeitsfenster“ für Lobbying und ein Gender Mainstreaming sichteten, hielten andere diese Strategie der Partizipation als unzureichend oder gar kontraproduktiv, da die Frauen mit ihrer Präsenz vielmehr eine legitimierende Funktion einnähmen.

Die Globalisierungspolitik hat viele der oft von Frauen organisierten kleinbäuerlichen Strukturen zerstört.

„Wir waren viel zu brav!“

Während „Berufslobbyistinnen“ auf die erzielten „Fortschritte“ in verschiedenen Konventionen aufmerksam machten und die Bedeutung des politischen Dialogs betonten, machte sich bei einigen Frauen aus Basisbewegungen – insbesondere aus dem Süden – ein Unverständnis breit. Was bringt uns eine „gendersensible“ Policy, wenn das Machtungleichgewicht bestehen bleibt? Welche und wessen Fraueninteressen werden denn da überhaupt gemainstreamt? Was soll verhandelt werden über Freihandelsabkommen, die unsere Existenz bedrohen – da gibt es nichts zu verhandeln, nur zu bekämpfen! „Wir waren viel zu ruhig und viel zu brav die letzten 10 Jahre“, rief eine Frau aus Guatemala in die Runde. Die Konferenzleitung konnte die Frauen im Saal noch so oft mit „my sisters“ ansprechen - die vereinte globale Schwesternschaft war nicht auszumachen. Neben der inspirierenden Vielfalt an unterschiedlichen Erfahrungshorizonten zeigte sich gleichzeitig eine grosse Differenz bezüglich Politikverständnis und man stellte einmal mehr fest, dass die wechselseitigen Bezüge und Überschneidungen zwischen der sozialen Kategorie Geschlecht und anderen Kategorien wie Klasse, Ethnie, Religion, Alter und sexueller Orientierung nicht ausgeblendet werden können.

Einige Voten auf der Konferenz in Madrid waren klar und unmissverständlich: Um gegen die Dominanz von Institutionen wie der WTO anzutreten, muss sich die transnationale Frauenpolitik neu organisieren, wieder radikaler werden und sich repolitisieren. Netzwerke wie WIDE kommen nicht darum herum eine Bilanz zu ziehen aus dem, was im letzten Jahrzehnt durch Lobbyarbeit (nicht) erreicht wurde. Eine stärkere Vernetzung mit lokalen sozialen Basisbewegungen im Süden wie im Norden bringt nicht nur einen breiteren Erfahrungsaustausch über die gemeinsame und vergleichbare Betroffenheit von neoliberalen Politiken, sondern könnte vielleicht auch einen neuen transnationalen Mobilisierungsschub initiieren, bei dem Frauenaktivistinnen ihre Themen selbst bestimmen, statt nach der Agenda der UNO von einer Konferenz zur nächsten zu hetzen.

Christa Wichterich, Femme global: Globalisierung ist nicht geschlechtsneutral, Hamburg 2003.