5.6 Milliarden
Franken - etwa die Hälfte eines ganzen
Jahresbudgets - streicht der Kanton Zürich
an seinen öffentlichen Leistungen und
an den Löhnen seiner Angestellten, in
einer Zeitspanne von 10 Jahren. Damit erreicht
die Zürcher Regierung wohl ein Spitzenplatz
im gesamteuropäischen Streichkonzert.
Diesen Spitzenplatz auf sicher hat das Zürcher
Bürgertum – es profitiert im selben
Zeitraum von milliardenschweren Steuergeschenken.
"Sparen"
und kürzen bei den Lohnabhängigen..
Um durchschnittlich 6.8 % sind die Prämien
für die Grundversicherung im Kanton Zürich
dieses Jahr angestiegen. Damit summiert sich
der Prämienanstieg seit dem Jahr 2000
auf satte 68 Prozent. Längst sind die
Ausgaben für die Krankenkassenprämien
in vielen Haushalten zum zweitgrössten
Budgetposten nach den Wohnkosten angestiegen;
so muss eine Familie mit zwei Kindern in der
Stadt Zürich jährlich schon über
10'000 Franken dafür aufwenden.
Nach dem Willen des Zürcher
Regierungsrates sollen nun genau jene 400'000
Personen, welche aufgrund ihres niedrigen Einkommens
Anrecht auf individuelle Prämienverbilligung
haben – mit 126 Millionen Franken eine
der Hauptlasten des neusten „Sanierungsprogramms“
tragen. Wie ein Hohn mutet die regierungsrätliche
Formulierung in der Erläuterung zur Gesetzesänderung
an: "was je nach Einkommensklasse zu einer
Kürzung zwischen 15% und 45% führt,
wobei die tieferen Einkommensklassen geringere
prozentuale Kürzungen hinzunehmen haben."
Bei der vorgesehenen Pro-Kopf-Kürzung von
350 Franken ist jemand mit einem steuerbaren
Einkommen von 22'800 Franken (Einkommensklasse
1) selbstverständlich ungleich stärker
belastet als jemand mit einem steuerbaren Einkommen
von 47'500 Franken Einkommensklasse 4).
An dieser Stelle drängt
sich der Blick auf die neueste Lohnstatistik
der Stadt Zürich auf, insbesondere auf
jene Lohnabhängigen in der Stadt Zürich,
welche zu einem sogenannten Tieflohn von unter
4'019 Franken pro Monat arbeiten müssen.
Dies betrifft definitionsgemäss 10 % aller
Werktätigen in der Stadt Zürich aber
bereits 15.5 % aller Frauen. Die ersten 25 %
der Tief-lohnbezügerInnen verdienen unter
3325 Franken, die nachsten 25 % haben einen
Lohn zwischen 3325 und 3619 Franken, weitere
25 % verdienen zwischen 3619 und 3829 Franken,
und beim letzten Viertel liegt der Lohn zwischen
3829 und 4019 Franken. Weitere 14,2 % aller
Beschäftigten haben einen Lohn zwischen
4001 und 5000 Franken. 20,7 % aller Frauen fallen
in diese Lohnklasse. Was ihnen allen gemeinsam
ist: sie werden die Kürzungen besonders
schmerzlich zu spüren bekommen.
Nach den Sanierungsprogrammen
San04 und MH06 im Gesamtumfang von 3.7 Milliarden
Franken präzisierte der Zürcher Regierungsrat
im vergangenen September mit San10 das dritte,
milliardenschwere Abbaupaket seit 2003. In den
Jahren 2011 bis 2014 sollen weitere 1.9 Milliarden
Franken an Leistungen der öffentlichen
Hand gestrichen werden. Und wie schon bei den
vorangegangenen Abbauprogrammen sind es vor
allem die Bereiche Gesundheit (481 Millionen),
Bildung (392 Millionen) und Soziales (190 Millionen)
sowie die Löhne des kantonalen Personals
(273 Millionen), die von den Kürzungen
besonders betroffen sind.
Im Parlament der Stadt Zürich
hat sich die bürgerliche Mehrheit von SVP,
FDP, GLP, CVP und EVP mit einer Budgetkürzung
von 220 Millionen durchgesetzt. Das Personal
der Stadt Zürich muss diese „Spar“massnahmen
ausbaden und auf Lohnerhöhungen und Lohnnebenleistungen
verzichten. In der Maternité müssen
schwangere Frauen abgewiesen werden, weil -
dringend benötigte - zusätzliche Stellen
nicht bewilligt werden. Sogar beim Essen in
den Alters- und Pflegeheimen der Stadt Zürich
soll gespart werden.
…..
und verteilen an die Reichen
So einseitig sich die Kürzungen
gegen die Lohnabhängigen im Allgemeinen
und gegen solche mit geringen Einkommen im Speziellen
- gegen SchülerInnen und StudentInnen,
gegen kranke und handikapierte Menschen, gegen
RentnerInnen, gegen sozial benachteiligte Menschen
und solche im Strafvollzug – richtet,
so einseitig werden die Reichen und Superreichen
bei den aktuell anstehenden Steuergesetzesänderungen
im Kanton Zürich bevorzugt. Dabei hat das
Zürcher Bürgertum den langgehegten
Wunsch nach Streichung der obersten Progressionsstufe
im Einkommenssteuertarif (13 %) sogar noch toppen
können. Neu sollen Einkommen über
Fr. 253'700 bei Alleinstehenden und Fr. 352'500
bei Verheirateten nur noch zu 11 % (einfache
Staatssteuer) besteuert werden. Die Reichen
und Superreichen werden also um ganze zwei Progressionsstufen
entlastet – oder wie es die FDP-Regierungsrätin
Gut an einer Medienkonferenz formulierte: "Mit
diesen Änderungen wird die Wettbewerbsfähigkeit
(des Kantons Zürich im eidgenössischen
Steuerwettbewerb) bei sehr hohen Einkommen verbessert".
Dasselbe bei den Vermögen
- die oberste Progressionsstufe von 3 Promille
wird gestrichen; neu endet der Vermögenssteuertarif
mit der Progressionsstufe von 2,5 Promille.
Klar was Regierungsrätin Gut dazu meint:
"Damit kann die Wettbewerbsfähigkeit
auch bei sehr hohen Vermögen verbessert
werden." Der Erfüllung dieses Wunsches
steht nur noch die Volksabstimmung vom 15. Mai
dieses Jahres entgegen. Und wie immer in solchen
Situationen – wenn krasse Steuergeschenke
an Reiche die Hürde einer Volksabstimmung
zu nehmen haben – wird ein eigentliches
Abstimmungspaket geschnürt, bei dem auch
ein wenig für die Mehrheit abfällt.
Insgesamt wird dieses Steuerpaket zu Mindereinnahmen
von ca. 395 Millionen Franken beim Kanton führen,
wobei rund die Hälfte der Steuerausfälle
auf den Ausgleich der Teuerung bzw. der kalten
Progression entfällt und das Steuergeschenk
für die Reichen gegen 100 Millionen Franken
ausmacht. Dazu kommen Steuerausfälle von
346 Millionen Franken bei den Zürcher Gemeinden.
Ein weiteres, aktuelles Steuergeschenk
geht an die Banken und Versicherungsgesellschaften
im Kanton Zürich. Sie profitieren vor allem
von der im Sommer letzten Jahres vom Zürcher
Kantonsrat beschlossenen Unternehmenssteuerreform
(Anrechn-ung Gewinnsteuer an Kapitalsteuer).
Ihre Steuerersparnis: gegen 100 Millionen Franken.
Dies nachdem die Kapitalsteuer bereits mit der
per 1. Januar 2005 inkraft gesetzten Unternehmenssteuer-Reform
halbiert worden sind (von 1.5 Promille auf 0.75
Promille). Entssprechend sackten die Kapitalsteuererträge
des Kantons von 2004 auf 2005 von 162 auf 86
Millionen Franken ab.
Die Liste der Steuergeschenke
an die Reichen ist so lange wie die Liste der
Abbauprogramme. Die Anfrage eines SP-Kantonsrates
nach der Summe aller Steuerreduktionen in den
Jahren 1998 bis 2005 beantwortete die Zürcher
Regierung am 14. September 2005 – eben
mit einer langen Liste – und "die
in der Tabelle aufgeführten Mindereinnahmen
betragen für den Kanton insgesamt 833 Mio.
Franken" – jährlich.
Dasselbe
wie in Europa
Dieselbe Entwicklung findet
auch im internationalen Masstab statt. Seit
Jahren werden Einkommen und Vermögen von
unten nach oben umverteilt. Die schwerste Krise
der kapitalistischen Weltwirtschaft seit den
1930er Jahren hat diesen Prozess extrem beschleunigt.
In ganz Europa wird die kapitalistische Wirtschaftskrise
mittels drastischer Sparprogramme auf die lohnabhängige
Bevölkerung abgewälzt. Fast jede europäische
Regierung hat in den vergangenen Monaten Abbaumassnahmen
angekündigt und umgesetzt. Die Bevölkerung
Europas wird nun für die gigantischen Summen,
welche den Banken und Finanzhaien in den Rachen
geworfen wurden, zur Kasse gebeten. Die Angriffe
der herrschenden Klasse auf die Lebens- und
Arbeitsbedingungen der Lohnabhängigen sind
von unglaublicher Härte und Brutalität
und einzigartig seit dem 2. Weltkrieg. Vom „Sozialstaat“
der Nachkriegszeit wird nichts übrig bleiben.
Eine Studie der amerikanischen Carnegie Stiftung
gelangt zum Schluss, "die Sozialstaaten,
die seit den 1940er Jahren überall in Europa
aufgebaut wurden, um öffentliche Unruhen
zu verhindern und Spannungen zu entschärfen",
seien schlichtweg "nicht mehr bezahlbar".
In der Schweiz funktioniert dies aufgrund der
förderalistischen und "direktdemo-kratischen"
Strukturen etwas anders - weniger zentralistisch
als im benachbarten Europa – auf Bundes-
Kantons- und Gemeindeebene. Mit denselben Absichten
und Ergebnissen und in den letzten Jahren vermehrt
im Windschatten einer rassistischen Hetze gegen
"Asylanten", Minarette und "kriminelle
Ausländer".
Mobilisieren
wir uns …..
Das gesamte „Sanierungsprogram-2010“
und die Steuergeschenke an die Reichen sind
eine absolute Frechheit und zeigen die Arroganz
der herrschenden Klasse auf. Schicken wir die
damit verbundenen Gesetzesänderungen am
15. Mai 2011 bachab; nein zum Steuergesetz (Änderung
vom 30. März 2009; Steuerentlastungen für
natürliche Personen), nein zum Einführungsgesetz
zum Krankenversicherungsgesetz (EG KVG).
Darüber hinaus kann nur
eine gemeinsame Mobilisierung der Beschäftigten
und BenutzerInnen der öffentlichen Dienste
ein wirksames Mittel gegen die Abbauprogramme
darstellen. Es kann nicht um „bessere“
oder „sozial-verträgliche“
Sparmassnahmen gehen. Das gesamte Paket „San10“
muss bachab geschickt werden. Nur eine massive
Bewegung von unten kann die Logik dieses Kahlschlags
durchbrechen und eine kollektive Debatte über
radikale Alternativen zum Kahlschlag ermöglichen.