Das Massaker vom 16.
August in Marikana mit mindestens 34 toten
und über 80 verletzten Bergleuten hat
Wut und Entsetzen über Südafrika
hinaus hervorgerufen. Die Geschichte unseres
Landes könnte dadurch einen entscheidenden
Wendepunkt erfahren haben.
Die Stadt
Marikana liegt in einer Ödnis, die im Winter
von dürrem Gras überzogen ist und
wo sich hie und da bewachsene Steinhügel
(kopjes) finden. Die drei Minen, die der Lonmin
[1] gehören - Karee, West und East Platinum
- liegen am Rande der Stadt. Zwei davon sind
von einer Siedlung mit Wellblechhütten
umgeben, zwischen denen Wäsche-leinen gespannt
sind. Dort, in Enkanini, lebt die Mehrzahl der
Bergleute.
Überragt
wird die Siedlung von den Gebäuden der
Minengesellschaft und einem riesigen Umspannwerk
mit Strommasten, die das Gelände zerschneiden.
Diese Verschachtelung von Bergbau und Energie-erzeugung
in einem sog. mineral-energy complex (MEC) ist
spezifisch für die südafrikanische
Wirtschaft und wurde Ende des 19. Jh. als Modell
auf Grundlage der billigen Arbeitskraft der
schwarzen Wanderarbeiter entwickelt. Mittlerweile
wurde lediglich das Gold durch Platin als Hauptabbauprodukt
ersetzt.
Südafrika
liefert drei Viertel des weltweiten Platinbedarfs,
der bspw. beim Bau von Fahrzeugkatalysatoren
sowie bei der Schmuckerzeugung entsteht. Als
Goldproduzent hingegen ist das Land vom ersten
auf den fünften Platz zurückgefallen.
Die Bergarbeiter stammen noch immer vorwiegend
aus der Provinz Ostkap, die während der
Apartheid am meisten von der Wanderarbeit betroffen
war. Ein Drittel der Beschäftigten sind
Leiharbeiter, die gegen niedrigen Lohn und ohne
jede soziale Absicherung arbeiten.
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Das
Massaker vom 16. August 2012 in Marikana
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Die Hauer
in den Platinminen arbeiten unter Tage bei Temperaturen
von 40-45 °C unter beengten, feuchten und
stickigen Bedingungen, ständig bedroht
durch herab fallendes Gestein. Die 3000 Bergleute,
die dabei täglich ihr Leben aufs Spiel
setzen, sind in den Streik getreten, um Lohnerhöhungen
von monatlich 4000 auf 12 000 Rand durchzusetzen.
Die enormen
gesellschaftlichen Gegensätze im heutigen
Südafrika kommen gerade in diesem Nebeneinander
von MEC und Enkanini zum Vorschein. In dem Elendsquartier
teilen sich 50 Menschen eine Toilette im Freien,
aus den wenigen Wasserhähnen tröpfelt
ein Rinnsal, Krankheiten werden über die
Abwässer aus den undichten Rohren verbreitet
und die Kinder suchen sich ihre Nahrung auf
den Müllhalden. [2]
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Der
Berbaugigant Xstrata mit Hauptsitz in
Zug ist mit 25% an den Lonmin-Minen beteiligt.
Der Konzern erarbeitet Milliardengewinne
mit rüdesten Ausbeutungsmethoden. |
Unter
der ANC-Regierung seit dem Ende der Apartheid
1994 haben die Gegensätze noch weiter zugenommen.
Die Unternehmensvorstände kassieren Millionen
an Gehältern und Boni, während fast
ein Drittel der Menschen von 432 Rand [3] oder
weniger im Monat leben müssen. Die Gehälter
der drei Spitzenmanager von Lonmin lagen 2011
bei 4,6 Mio. Rand (/Sunday Independent/, 26.
August 2012). Einzelne Schwarze, die nach 1994
infolge eines Abkommens der weißen Kapitaleigner
mit der Regierung in die Unternehmensvorstände
gehievt wurden, glänzen durch unglaubliche
Verschwendungssucht. Cyril Ramaphosa, ehemaliger
Generalsekretär der National Union of Mineworkers
(NUM) und jetziger Direktor von Lonmin, hat
unlängst einen seltenen Büffel zum
Preis von 18 Mio. Rand gekauft -- was umso größere
Empörung unter den Bergleuten von Marikana
hervorgerufen hat, als er lediglich 2 Mio. Rand
für die Beerdigungskosten der ermordeten
Bergmänner spendete. Die Arbeitslosigkeit
in Südafrika liegt real bei 35-40
% und höher noch unter den Frauen und Jugendlichen,
und damit weltweit an erster Stelle.
AUF DER FLUCHT ERSCHOSSEN
In den
Medien war zu sehen, wie die Polizei mit Maschinenpistolen
auf die streikenden Bergleute schoss, die von
den Hügeln herab auf sie zu rannten, und
wie die tödlich Getroffenen zu Boden fielen.
Die Polizei hatte eine Sperre aus Stacheldraht
errichtet mit einer 5 m breiten Lücke,
durch die die Bergleute zurück nach Enkanini
zu flüchten versuchten, um dem Tränengas
und den Wasserwerfern zu entkommen.
Die meisten
Toten gab es jedoch nicht dort, wie beschämender
Weise durch Nachforschungen der Universität
von Johannesburg statt durch Journalisten enthüllt
wurde. Denn das Gros der Streikenden flüchtete
vor der Polizei in die genau entgegengesetzte
Richtung. Auf einem hinter der Hügelsiedlung
gelegenen "kopje" sind noch die Spuren
der Blutlachen zu sehen. Die gelben Markierungen
der Polizei auf diesem "Todeshügel"
zeigen, wo vormals die Leichen lagen, und die
vorgenommenen Etikettierungen reichen bis zum
Buchstaben "J". Auch aus Hubschraubern
wurde auf die flüchtenden Arbeiter geschossen
und andere wurden, nach Angaben der Bergleute,
von Panzerfahrzeugen der Polizei zerquetscht.
Binnen weniger Tagen hat die Polizei auf dem
ganzen Gelände die Gummigeschosse, Patronenhülsen
und Tränengasgranaten beseitigt. Nur verkohlte
Grasflecken weisen noch darauf hin, dass die
Polizei Spuren durch gezieltes Abbrennen verwischt
hat.
Die Zahl
der Todesopfer liegt ziemlich sicher über
den offiziellen Angaben von 34, da noch immer
Arbeiter vermisst werden.
Allem
Anschein nach hat die Polizei keineswegs in
Panik auf die Arbeiter geschossen, in der Annahme,
dass diese sie mit Stöcken und Macheten
angreifen würden. Warum sollte sie dann
eine schmale Lücke im Stacheldraht lassen?
Und warum tötet sie Arbeiter, die von den
Polizeistellungen wegrennen? Vielmehr war es
eiskalter Mord, den eine hochgerüstete
Polizei begangen hat, um den Streik zu brechen,
und zwar auf Befehl von ganz oben. Die Autopsien
haben jüngst ergeben, dass den meisten
Arbeitern in den Rücken geschossen wurde,
was zeigt, dass sie auf der Flucht niedergemacht
wurden.
Infolge
der globalen kapitalistischen Krise ist der
Absatz von Neufahrzeugen und damit der Platinpreis
zurückgegangen, was auf die hohen Profite
von Lonmin drückt. Das Unternehmen weigerte
sich, mit den Streikenden zu verhandeln und
drohte stattdessen in altbewährter Manier
mit Massenentlassungen. Da durch den Streik
täglich 2500 Feinunzen Platin im Gegenwert
von 3,5 Mio. Dollar weniger gefördert werden,
war das Unternehmen natürlich bestrebt,
den Streik zu zerschlagen. Ein Vorstandsmitglied
aus der Platinindustrie wird mit den Worten
zitiert, dass, wenn die Löhne auf 12 500
Rand erhöht würden, "der gesamte
Platinabbau dichtgemacht werden müsse"
(/New Age,/ 20. August 2012).
Das Massaker
hat sich jedoch als Bumerang für die Unternehmer
erwiesen und nur den Zorn und die Entschlossenheit
der Bergleute von Marikana, den Streik aufrecht
zu erhalten, verstärkt. "Lieber sterben
wir, als auf unsere Forderung zu verzichten",
hieß es auf einer Protestkundgebung am
22. August in Johannesburg. Nach dem Massaker
hat sich der Streik sogar noch auf die Beschäftigten
der Unternehmen Royal BaFokeng Platinum und
Anglo American Platinum ausgeweitet, und selbst
ein Generalstreik in dem Sektor ist inzwischen
nicht mehr auszuschließen.
Riah Phiyega,
der Polizeichef, besuchte unmittelbar vor dem
Massaker die Polizei in Marikana. Am Tag des
Massakers selbst erklärte ein Polizeisprecher:
"Heute ist der Tag X" (/Business Report/,
17. August 2012). Nach den Morden meinte Phiyega:
"Wir haben richtig gehandelt"
(/The Star/, 20. August 2012). Die ANC-Regierung
handelt als Komplize bei diesen Morden im Dienst
der weißen Bergwerkunternehmer.
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Streik
der Bergbauarbeiter in
Marikana |
DER ANC ALS ERFÜLLUNGSGEHILFE POLIZEILICHER
GEWALT
Das Massaker
ist typisch für das gewaltsame Vorgehen
von ANC und Polizei gegen soziale Proteste,
das bereits in den vergangenen Jahren mehrere
Opfer gefordert hat, u. a. den Führer der
South African Municipal Workers Union (SAMWU),
Petros Msiza. Natürlich verliert der ANC
dabei seine moralische Autorität, die er
sich in den Jahren des Befreiungskampfes erworben
hat. Nach dem 16. August versuchte Jacob Zuma,
der südafrikanische Präsident, diese
Klippe zu umschiffen, indem er sich von den
Morden distanzierte und die tragischen Ereignisse
bedauerte. Bei seinem Besuch in Marikana sechs
Tage danach wurde er von den Kumpels kühl
empfangen, obwohl er offizielle Trauer ausgerufen
und eine Untersuchungskommission eingerichtet
hatte. Damit versucht er, sich und den ANC zu
rehabilitieren, bevor er sich im Dezember auf
der ANC-Konferenz in Mangaung zur Wiederwahl
stellen muss.
Dementsprechend ist der Zeitplan: Die Kommission
soll ihren Bericht in fünf Monaten -- und
damit nach der Konferenz -- vorlegen und bis
dahin soll alle öffentliche Diskussion
darüber abgewiegelt werden.
Die Minenarbeiter
trauen dieser offiziellen Kommission wenig und
fordern eine unabhängige Untersuchungsinstanz
und die Aufhebung der Anklagen gegen die 259
verhafteten Kumpel. Wie einer von ihnen sagt:
"Derselbe, der den Schießbefehl
gegeben hat, hat nun die Kommission ernannt."
(/Business Day,/23. August 2012).
Der frühere
und inzwischen ausgeschlossene Jugendführer
des ANC, der Populist Julius Malema, versucht
von den Ereignissen zu profitieren, indem er
-- mit Vorwürfen an die Adresse des Präsidenten
-- Marikana einen Besuch abstattet und den Familien
der Getöteten seine Unterstützung
anbietet. Auch die anderen Führer der parlamentarischen
Opposition haben sich wie die Aasgeier als Delegation
am 20. August in Marikana eingefunden, um ihr
Beileid abzustatten. Bei der dortigen Prozession
machten sich gleich 20 Prediger gegenseitig
das Mikrofon streitig.
GEWERKSCHAFTLICHE FLÜGELKÄMPFE
Nach Medienberichten
ist die Gewalttat Folge der Rivalität zwischen
der NUM und der Association of Mineworkers and
Construction Union (AMCU). Dies ist insofern
unsinnig, als die Grubenarbeiter mit ihrem Streik
direkte Verhandlungen mit der Konzernleitung
erzwingen und nicht durch irgendeine Gewerkschaft
vertreten sein wollten. Und auch auf den Versammlungen
nach dem Massaker in Marikana und auf der Protestveranstaltung
am 22. August wurde nochmals ausdrücklich
darauf verwiesen. Auch zuvor war der Streik
gewaltsam verlaufen und hatte bereits vor dem
Massaker zehn Opfer - sechs Bergarbeiter, zwei
Wachleute und zwei Polizisten - gefordert.
Die National
Union of Mineworkers (NUM) gilt mit ihren 300
000 Mitgliedern als traditionelle Vertreterin
der Bergarbeiter und ist während des Anti-Apartheid-Kampfes
entstanden. Sie kann auf eine kämpferische
Tradition zurückblicken, wie den Streik
von 1987 unter der Führung von Cyril Ramaphosa.
Nach 1994 jedoch orientierte sie zunehmend auf
Sozialpartnerschaft und mit Lonmin hatte sie
ein zweijähriges Abkommen über jährliche
Lohnerhöhungen von 8-10 % geschlossen.
Als die
Bergarbeiter für Lohnerhöhungen um
mehr als das Doppelte in den Streik traten,
versuchte die NUM abzuwiegeln. Nach Aussagen
der Streikenden war die NUM für den Tod
von zwei Bergarbeitern zu Beginn des Streiks
verantwortlich. Frans Baleni, der Generalsekretär
der NUM, sprach noch zwei Tage vor dem Massaker
von den Streikenden als "kriminellen
Elementen" (/Business Report/, 15.
August 2012). Das Massaker erklärte er
zu einem "bedauerlichen" Ereignis,
für das er aber nicht die Polizei verantwortlich
machte, sondern "dunkle Kräfte, die
die Arbeiter verführen". [4]
Balenis Gehalt beträgt monatlich 77 000
Rand, d. h. zehnmal so viel wie das der Bergarbeiter.
Mitglieder der NUM in Marikana haben ihre T-Shirts
mit dem Gewerkschaftslogo zerrissen und weggeworfen,
und auf der Protestkundgebung am 22. August
in Johannesburg wurde ein Redner der NUM von
den Kumpels aus Marikana ausgebuht.
Nutznießer
der Lage ist die AMCU, die vor dem Streik nur
7000 Mitglieder in Marikana hatte, und zwar
in Karee, wo nicht gestreikt wurde. Sie waren
nach einem Streik im Vorjahr gemeinsam mit einem
desillusionierten NUM-Sekretär übergetreten.
Inzwischen schließen sich auch Arbeiter
der West and East Platinum der AMCU an.
Die Gewerkschaft
ist entstanden, nachdem ihr gegenwärtiger
Vorsitzender Joseph Mathunjwa 1999 von einem
Kohlebergwerk in Mpumalanga entlassen und dann
auf Druck der Beschäftigten hin wieder
eingestellt, zugleich jedoch von der NUM wegen
"gewerkschaftsschädigenden Verhaltens"
disziplinarisch belangt worden war. Nach seinem
anschließenden Ausschluss aus der NUM
(deren damaliger Vorsitzender Gwede Mantashe
bezeichnenderweise inzwischen Generalsekretär
des ANC ist) gründete er die AMCU.
Inzwischen
gehören ihr 30 000 Arbeiter der Kohlen-,
Chrom- und Platinminen in Mpumalanga, der Kohlenbergwerke
in KwaZulu-Natal, der Chrom- und Platinminen
in Limpopo oder der Eisen- und Manganbergwerke
in Nordkap an. Auch unter der 30'000-köpfigen
Belegschaft der Impala Platinum (ein Riesenkomplex
mit 14 Schächten) in Rustenburg, wo im
Februar/März 4300 Arbeiter sechs Wochen
lang streikten und es vier Tote gab, konnte
sie Mitglieder gewinnen. Ihr Schwerpunkt liegt
auf der Vertretung der besonders ungesicherten
Leiharbeiter. Momentan lässt sich schwer
abschätzen, ob sie sich zu einer festen
Organisation unter den Platinbergarbeitern entwickeln
kann oder ob sie bloß populistische Rhetorik
betreibt.
Die AMCU
gehört dem Gewerkschaftsverband National
Council of Trade Unions (NACTU) an, der Konkurrentin
der Congress of South African Trade Unions (COSATU).
Beide waren aus dem Kampf gegen die Apartheid
hervorgegangen, die COSATU ist jedoch wegen
ihrer Regierungsnähe unter Kritik geraten.
ZWIST IN DER COSATU
Die Streiks
in den Platinminen und das Massaker in Marikana
fallen in die Zeit unmittelbar vor dem 11. Kongress
der COSATU Mitte September. Zwischen der COSATU
und dem ANC gibt es seit langem Differenzen
wegen dessen Wirtschaftspolitik, und in jüngster
Zeit spitzen sich innerhalb der COSATU die Differenzen
darüber und über die Frage, ob Zumas
Wiederwahl zum ANC-Vorsitzenden und damit (voraussichtlich
erneut) zum Staatspräsidenten unterstützt
werden soll. Der Vorsitzende der COSATU, Sdumo
Dlamini, unterstützt gemeinsam mit der
NUM und der National Health and Allied Workers'
Union (NEHAWU) Zumas Kandidatur. Der Generalsekretär
der COSATU, Zwelinzima Vavi, sowie die National
Union of Metalworkers of South Africa (NUMSA)
und die South African Municipal Workers Union
(SAMWU) hingegen sind in dieser Frage eher zurückhaltend.
Andere Gewerkschaftsverbände sind sich
uneins.
In dem
politischen Bericht, den Vavi dem Kongress vorlegen
wird, ist von einem "völligen Versagen
des Staates" (was sich auf die Unfähigkeit
der Regierung bezieht, die Schulen in Limpopo
mit Schulbüchern zu versorgen) und von
"wachsender sozialer Distanz zwischen
der Führung und der Basis des ANC"
die Rede (/Mail and Guardian, /10.--16. August
2012).
Auf ihrem
Kongress im Juni verabschiedete die NUMSA eine
Resolution für die Verstaatlichung der
Industrie, in der es heißt, "dass
Landeszentralbank, Bergwerke, Ländereien
und strategisch wichtige und monopolistische
Industriezweige umgehend und entschädigungslos
verstaatlicht werden müssen, wenn wir nicht
infolge der Armut, Arbeitslosigkeit und extremen
Ungleichheit in der gegenwärtigen südafrikanischen
Gesellschaft in Anarchie und Gewalttätigkeit
versinken wollen". (Notabene sprechen
sich auch Julius Malema und der Jugendverband
des ANC für eine Verstaatlichung der Minen
aus, wohinter jedoch die Absicht korrupter schwarzer
Geschäftsleute vermutet wird, sich durch
den Verkauf ihrer Anteile an den Staat bereichern
zu wollen.)
Die NUM
ist in puncto Verstaatlichung zurückhaltender.
Einer ihrer Sprecher meinte kürzlich: "Wir
sind für Verstaatlichungen, aber nur, wenn
sie kein Chaos stiften". In einem Papier
vom Juni kritisiert die NUM "den Ruf nach
Verstaatlichung zur Lösung ... der Herausforderungen
als populistische Demagogie" -- wobei mit
Herausforderungen die sozialen und ökonomischen
Bedingungen sowie das Unvermögen der Bergbauindustrie,
notwendige Veränderungen vorzunehmen und
sich an die Bergbau-Charta [5] anzupassen, gemeint
sind (/miningmx/, 19. August 2012).
In seinem
o.g. Bericht verweist Vavi auch auf "die
wachsende Distanz zwischen Führung und
Basis in den COSATU-Gewerkschaften"
(/Mail and Guardian/, 10.--16. August 2012)
-- eine Feststellung, die auch die NUM betrifft.
In einem kürzlich geführten Privatgespräch
warnte der Generalsekretär der NUM Vavi
davor, seinen "Privatfeldzug" fortzuführen,
wenn er sein Mandat auf dem COSATU-Kongress
behalten wolle.
Das Massaker
wird nun sicher auch den Verlauf des Kongresses
beeinflussen und die Differenzen stärker
hervortreten lassen. Manche Beobachter rechnen
mit einer Spaltung der COSATU während oder
nach dem Kongress. Beide Flügel in der
Gewerkschaftsführung müssen sich jedoch
dem Mitgliederverlust der NUM und dem Erstarken
der AMCU und anderer Gewerkschaften, die unzufriedene
COSATU-Mitglieder rekrutieren, stellen.
In einer
Erklärung vom 23. August spricht die COSATU
von "einer koordinierten politischen
Strategie, die von ehemaligen, im Unfrieden
geschiedenen Gewerkschaftsführern mit der
Absicht betrieben wird, das Klima der Gewalt
und Einschüchterung in die Gründung
separater sog. Gewerkschaften umzumünzen,
um die Gewerkschaftsbewegung zu spalten und
zu schwächen". Weiter heißt
es, dass der COSATU-Kongress "darüber
diskutieren muss, wie wir diesem Versuch, die
Arbeiterbewegung zu spalten und zu schwächen,
entgegen treten ... und diesen spalterischen
Scheingewerkschaften und ihren finanziellen
und politischen Hintermännern das Wasser
abgraben können". Mit diesem
Verweis auf die bedrohte Einheit der Arbeiter
lassen sich die Differenzen in der COSATU möglicherweise
zudecken und die einflussreiche KP Südafrikas
(CPSA) wird sicherlich auf diese Strategie zurückgreifen.
Natürlich
sind die wirklichen Spalter in der Führung
der NUM, die die Arbeiter zum Austritt aus der
Gewerkschaft veranlassen, weil sie deren Interessen
nicht hinreichend vertreten.
Wenn es
zu einer Spaltung der COSATU käme und die
AMCU und andere oppositionelle Gewerkschaften
mit diesen abgespaltenen Gruppierungen zusammen
fänden, wären günstige Voraussetzungen
vorhanden, eine Arbeitermassenpartei zu propagieren,
die dem ANC mit einem linken Programm gegenüber
treten und die Machtfrage stellen kann. Diese
Konstellation ergäbe sich aus gleichzeitigen
Spaltungen traditioneller Arbeiterorganisationen
und dem Entstehen neuer Organisationen. Allerdings
ist dieses Szenario für die nahe Zukunft
wenig wahrscheinlich.
Wie der
Kongress in Mangaung für Zuma ausgehen
wird, ist noch offen. Viel wird davon abhängen,
welche Folgen das Massaker nach sich ziehen
wird. Angeblich gibt es bereits Vorbehalte gegen
Zuma aus den Reihen der ANC-Führung (/Sunday
Times/, 26. August 2012). Wenn der ANC die Wogen
der Empörung nicht erfolgreich glätten
kann, könnte das Entsetzen über das
Massaker den Anfang vom Ende der ANC-Herrschaft
einläuten. Auf alle Fälle wird nichts
mehr so sein wie zuvor.
Martin Legassick ist Mitglied der Democratic
Left Front, einer antikapitalistischen Einheitsfront.
Nach dem Massaker bereiste er Marikana.
Übersetzung: MiWe
[1]
Lonmin betreibt mehrere Bergwerke im Bushveld-Komplex
in Südafrika und ist heute mit 28.000 Beschäftigten
der weltweit drittgrößte Platin-Produzent.
Das Unternehmen ist zu knapp 80 % im Besitz
des Konzerns Anglo Platinum, der wiederum eine
vollständige Tochtergesellschaft von Anglo
American ist.
[2] Für detailliertere Informationen über
die Existenzbedingungen siehe:
Communities in the Platinum Minefileds
www.benchmarks.org.za/research/rustenburg_review_policy_gap_final_aug_2012.pdf
[3] Entspr. 38,60 EUR [Anm. d. Red.]
[4] Siehe Video der NMU: http://www.youtube.com/watch?v=1eLzskhdYwY
[5] Die 2004 verabschiedete Charta sieht vor,
dass bis 2014 die Bergbaukonzerne 26 % ihres
Kapitals in die Hände von Schwarzen legen
und 40 % ihrer leitenden Angestellten Schwarze
sein müssen. Faktisch dient diese Maßnahme
dazu, eine neue, schwarze bürgerliche Elite
zulasten der alten Eliten heranzuziehen. Ein
beredtes Beispiel dafür ist Ramaphosa.
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