Hilfskredite wurden von IWF
und EU erzwungen und ein Sondertopf öffentlicher
Gelder zur Subventionierung privater Vermögen
geschaffen, um eine Ausweitung der Fiskalkrise
auf andere Länder zu vermeiden. Dabei ist
der griechische Staatshaushalt nur eine Durchgangsstation
für Kredite, die aus dem Steuersäckel
der Kredit gebenden Länder in die Taschen
privater Vermögensbesitzer geschleust werden.
In der Presse liest sich das
freilich ganz anders: Dort werden Griechenland
und andere Peripherieländer der EU als
verschwenderisch, ineffizient und korrupt dargestellt
- Milliardengräber für Kapital, das
anderswo schwer erarbeitet wurde. Nachdem die
Kapitalimporte verfrühstückt wurden,
sollen nun auch noch - Gipfel der Dreistigkeit
- die Steuerzahler der kreditgebenden Länder
die Rechnungen der Kreditnehmer bezahlen. Ergo:
Griechenland & Co beuten Kapital und Steuerzahler
in Deutschland, Frankreich und den anderen Kreditgebernationen
aus.
Solche Argumentationsmuster
sind im Ton nationalistisch und der wirtschaftlichen
Sache nach falsch. Dennoch müssen sie vorgetragen
werden - im Interesse der internationalen Vermögensbesitzer.
Letztere wissen nur zu gut, dass «der
Steuerzahler» schon seit Ausbruch der
Finanzkrise im Herbst 2008 der Ansicht ist,
es seien zuviel öffentliche Gelder zur
Rettung privater Vermögen verwendet worden.
Erst floss das Geld von den
Steuerzahlern innerhalb eines Landes zu den
Banken innerhalb desselben Landes, diesmal wird
der Umweg über ausländische Staatskassen
gewählt. Bei der nun anstehenden Subventionsrunde
von Pleitebanken wie IKB in Deutschland, Northern
Rock in England, Goldman Sachs in den USA werden
ausländische Staatshaushalte dazwischengeschaltet,
um davon abzulenken, dass es sich auch hier
um eine Subventionierung privater Vermögen
handelt. Das macht die Sache etwas komplizierter,
aber auch schön undurchsichtig.
Ob in Griechenland, Deutschland,
den USA oder anderswo, das Muster ist stets
dasselbe: Erstens: Treibe den Staat in die Verschuldung,
wenn du Geld hast, für das sich keine rentablen
Investitionsprojekte in der Privatwirtschaft
finden. Zweitens: Beklage lauthals Verschuldung
und Verschwendung des Staates. Drittens: Fordere
die Sanierung des Staatshaushalts durch die
Erhöhung von Steuern, die du sowie nicht
zahlst, und die Kürzung von Ausgaben, an
denen du selbst kein Interesse hast.
Merke: Als Rechtssubjekte sind
alle Steuerzahler gleich. Sie lassen sich deshalb
im öffentlichen Meinungskampf als eine
Gruppe mit einheitlicher Interessenlage darstellen.
Deine privaten Sonderinteressen der Vermögensanhäufung
sind in diesem Kollektiv - das Wort solltest
du natürlich vermeiden - gut aufgehoben.
Besser noch, sie werden von weniger begüterten
Mitgliedern des Kollektivs nicht wahrgenommen,
vorläufig wenigstens. Erst kommen die Schulden…
Sofern Staatsausgaben über
Steuern finanziert werden, stellt sich das Problem
der Verschuldung nicht. Leider zahlt niemand
gern Steuern, weil sie das verfügbare Einkommen,
unabhängig von dessen Höhe, verringern
oder, sofern es sich um indirekte Steuern handelt,
zu höheren Preisen führen. Diese generelle
Abneigung gegen Steuern kann politisch zur Durchsetzung
von Steuersenkungen mobilisiert werden. Darüber
freuen sich alle, insbesondere aber diejenigen,
die aufgrund ihrer hohen Einkommen und Vermögen
überdurchschnittlich von niedrigeren Steuersätzen
profitieren.
Nun haben sie noch mehr Geld,
das über ihre Konsumausgaben, und seien
diese noch so üppig, hinausgeht. Dieses
Geld muss, was soll man sonst damit anfangen,
gewinnbringend angelegt werden. Dafür kommt
der Staat, dem man keine Steuern zahlen will,
gerade recht - als Kreditnehmer. Solange die
Wirtschaft floriert, ist das kein großes
Problem, weil selbst bei geringen Steuersätzen
das Steueraufkommen zunimmt. Schließlich
verdienen die Leute mehr und geben entsprechend
mehr aus.
Aber wehe, die Wirtschaft kommt
ins Stocken. Dann sinken die Steuereinnahmen,
die privaten Kreditgeber wollen ihr Geld, samt
Zins und Zinseszins, aber trotzdem wiederhaben.
Und nicht nur das: In wirtschaftlich flauen
Zeiten werden sie einen noch größeren
Anteil ihres Vermögens beim Staat anlegen
wollen, weil in der Privatwirtschaft gerade
gar nichts los ist. Die Folge sind höhere
Staatsdefizite.
…dann
die Inflationspropheten und Spekulanten
Gleichwohl stehen private Gläubiger,
die Vermögen besitzende Klasse, öffentlichen
Schulden ungleich skeptischer gegenüber
als privaten. Zwar kaufen sie staatliche Schuldverschreibungen
in großem Stil, behaupten aber gleichzeitig,
dass die öffentliche Verschuldung letztlich
nichts als Inflation verursachen würde.
Ihr Argument: Kreditfinanzierte
Ausgaben des Staates werden, im Gegensatz zu
privaten und ebenfalls kreditfinanzierten Ausgaben,
nicht investiert, sondern für Konsumzwecke
vergeudet. Deshalb lösen sie kein Wachstum
aus, das eine spätere Kredittilgung aus
den laufenden Einnahmen erlauben würde.
Irgendwann, so die Schlussfolgerung, müsse
die Zentralbank einspringen und das zur Bedienung
ausstehender Verbindlichkeiten nötige Geld
bereitstellen. Geld drucken kostet ja nicht
viel.
So ganz verkehrt ist dieses
Argument auch gar nicht. Je mehr sich die neoliberale
Wirtschaftspolitik konsolidierte, umso weniger
wurden öffentliche Gelder in Investitionen
oder öffentliche Dienste gesteckt, die
immerhin der Reproduktion der Arbeitskraft dienen.
Stattdessen floss ein steigender Teil der Staatsausgaben
- via Kredittilgung! - in die Taschen der Vermögensbesitzer
und von dort in den Konsum oder in den Kauf
neuer Schuldtitel, privater ebenso wie öffentlicher.
Die Folge war eine Inflation der Wertpapierpreise
und schließlich eine Finanzkrise, in deren
Verlauf die gesamte Geld- und Kapitalzirkulation
auszutrocknen drohte.
Seit Ausbruch der Krise, teilweise
schon davor, haben die Zentralbanken in Washington,
London, Tokyo und Frankfurt tatsächlich
in großem Umfang Geld zur Stabilisierung
internationaler Zahlungsströme bereitgestellt.
Nicht, weil sie Anrufe aus dem Finanzministerium
bekommen haben, sondern weil die Krise die Zahlungsfähigkeit
privater und öffentlicher Schuldner bedroht
hat und nur durch Geldspritzen von der Zentralbank
verhindert werden konnte.
Zu behaupten, letztere würden
zu Inflation führen, ist absurd. Unter
Krisenbedingungen werden sich private Unternehmen
dreimal überlegen, ob sie ihre Preise erhöhen.
Richtig ist vielmehr, dass die Inflation bereits
da ist und durchaus von billigem Zentralbankgeld
angetrieben wird - als Finanzmarktinflation.
Wenn sich etwas von der Rezession im Winter
2008/09 erholt hat, dann sind es die Wertpapierpreise.
Die Spekulation auf Staatspleiten ist Teil der
wieder gewonnenen Liebe zum Börsengeschäft.
Zu diesem Geschäft gehört das Ausmalen
von explodierenden öffentlichen Defiziten,
kollabierenden Steuereinnahmen und eben auch
Inflation. Sobald die geneigten Investoren vom
unmittelbar bevorstehenden Staatsbankrott überzeugt
sind, schlägt die Stunde der Sparkommissare.
…und
schließlich die Sparkommissare
Von nun an ist alles Sachzwang.
Um dem dauerhaften Liebesentzug der Investoren
zu entgehen, müssen die Finanzminister
irgendwie Geld zusammenkratzen und an die privaten
Gläubiger überweisen. Sollten sie
hierzu nicht in der Lage sein, kommen ihnen
die Kollegen anderer Länder, des IWF und
in jüngerer Zeit auch EU-Beamte zu Hilfe.
Ein allerletztes Mal wird ihnen Kredit gewährt,
dafür müssen sie ab morgen beginnen,
Geld zusammenzukratzen und die Schulden abzustottern.
Das Dilemma der zu Sparkommissaren
mutierten Finanzminister: Wo es etwas zu holen
gibt, brauchen sie gar nicht erst anzuklopfen.
Im Auftrag der Herren Vermögensbesitzer
sind sie ja unterwegs und müssen nun jenen
etwas aus dem Rücken leiern, die nichts
oder nicht allzu viel haben. Bei der Gelegenheit
lassen sich auch gleich noch öffentliche
Leistungen einsparen, die von solchen Hungerleidern
in Anspruch genommen werden. Für letztere
bedeuten schon kleinere Steuererhöhungen
oder der Verlust öffentlicher Dienstleistungen
eine erhebliche Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen.
Dennoch reichen auch die drakonischsten
Sparprogramme nicht aus, alle finanzkapitalistischen
Forderungen zu bedienen. Ein Teil der Forderungen
bleibt unerfüllt, weshalb sich die private
Investitionsneigung nicht dauerhaft wiederherstellen
lässt und der verschnupfte Geldvermögensbesitzer
das Vertrauen in seinen Sparkommissar verliert.
Der Druck auf die Hungerleider aber bleibt bestehen,
die konnten den Sparkommissar von Anfang an
nicht leiden.
Zu guter Letzt zeichnet sich
die Klassenspaltung zwischen Vermögensbesitzern
und eigentumslosem Proletariat immer deutlicher
ab, die Mittelklasse wird immer deutlicher gewahr,
dass ihre Ersparnisse auf dem Altar der Hochfinanz
geopfert werden, dem Staat wird von allen Seiten
misstraut. Das geschieht ausgerechnet zu einem
Zeitpunkt, wo die ökonomischen Spannungen
zwischen Schuldnern und Gläubigern, zwischen
Steuerzahlern und Steuerbegünstigten, zwischen
Lohnabhängigkeit und Profitstreben in einen
politischen Konflikt umschlagen. Griechenland
hat diesen Punkt erreicht.