Es
entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die
Jugendorganisation der Grünen Partei dem
Anderen Davos anbietet, eine Party im Rahmen
einer Veranstaltung mit dem Titel "Armutsbekämpfung
- Kampf gegen die Armut oder gegen die Armen?"
zu schmeissen...
In
der Stadt Zürich finden am 12. Februar
Wahlen statt. Die Grünen und ihre Jugendorganisation
machen aktiv Wahlkampagne: ihr "Zugpferd"
ist die Stadträtin und Vorsteherin des
Sozialdepartements, Monika Stocker. Sie stellt
sich als Stadträtin zur Wiederwahl und
wird von den Jungen Grünen unterstützt
(http://www.gruenezuerich.ch
http://zuerich.jungegruene.ch ).
Als
Folge der wirtschaftlichen "Umstrukturierungen"
der letzten Jahre, die zu einer starken Erhöhung
der Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit
sowie zu einer wachsenden "Umverteilung
des Reichtums von unten nach oben" (die
Durchschnittslöhne sind zwischen 2002 und
2005 um magere 0,9% gestiegen, die Profite der
börsenkotierten Unternehmen hingegen um
328%) geführt haben, wächst auch in
der Schweiz die Armut im konventionellen Sinne.
Nach einer Studie der Caritas gibt es in der
Schweiz 850'000 "Armutsbetroffene":
davon sind 300'000 SozialhilfeempfängerInnen.
Zur
"Lösung" dieses Problems führt
Monika Stocker in Zürich Billiglohnjobs
ein: schlecht entlöhnte, vom Staat subventionierte
Jobs, zu denen SozialhilfeempfängerInnen
im Nahmen ihrer Arbeitsintegration verdonnert
werden. Die Aktion erfolgt im Zuge einer linearen
Kürzung um 7% der Sozialhilfeleistungen
und der neuen Richtlinien der Schweizerischen
Konferenz für Sozialhilfe (SKOS), die am
1. April 2005 in Kraft getreten sind. Es geht
um eine grundlegende "Reform der Sozialhilfe",
die unter dem Motto "Arbeit soll sich lohnen"
stattfindet und in Richtung "Workfare"
("Hilfe durch Zwangsarbeit") zielt.
Sozialhilfeabhängige, Langzeitarbeitslose,
usw. sollen möglichst rasch und wenn nötig
mit Druck und Zwang in Arbeit gebracht werden.
(Wie es in Deutschland Angela Merkel ausdrückt:
"Sozial ist, was Arbeit schafft").
Diese
Politik wurde in den 1980er Jahren von Ronald
Reagan in den USA propagiert und dann unter
Bill Clinton in den 1990er Jahren eingeführt.
In der Schweiz haben "linke" Stadtregierungen
wie die in Basel und eben in Zürich diese
Idee aufgegriffen, um "effizient"
und "modern" zu erscheinen (soziale
Unternehmen, usw.). Das Konzept greift dabei
bis auf die Armen- und Arbeitshäuser des
17. Jahrhunderts zurück. In Deutschland
wurden Arme unter der Weimerer Republik und
unter den Nazis zu Zwangsarbeit verdonnert.
Der Sturz des Faschismus 1945 führte zu
einer Ächtung von staatlicher Zwangsarbeit,
die im Grossen und Ganzen in Westeuropa einige
Jahrzehnte lang galt. Das scheint sich nun nach
der ersten grossen Rezession 1973/74 und nach
der "neoliberalen Wende" (die übrigens
gerade in diesem Bereich sich klar als eine
"neokonservative" entpuppt) zu ändern.
Aus
dieser Perspektive sind Sozialhilfeabhängige,
Arbeitslose, Arme, usw. selber, individuell
an ihrem Schicksal schuld. Sie werden implizit
oder explizit als "faule Schmarotzer"
diffamiert und sollen durch Entzug von Sozialhilfe
diszipliniert und zur Annahme irgendeiner Arbeit
getrieben werden. Die Aushöhlung von grundlegenden,
bürgerlichen Freiheiten wird dabei von
"Linken" wie Monika Stocker in Kauf
genommen und immer mehr als normal betrachtet...
(umso mehr als sogar die Verletzung des Folterverbots
von der Schweizer Regierung und ihrer sozialdemokratischen
Aussenministerin Micheline Calmy-Rey toleriert
wird, im Namen des Kampfes gegen Terrorismus,
der Freundschaft mit den USA und somit "unserer
Interessen").
Die
neue Sozialpolitik der Schweizerischen Konferenz
für Sozialhilfe (SKOS) und der Zürcher
Sozialvorsteherin Monika Stocker, die zur Politik
der "leeren Kassen" passt, verschleiert
die strukturellen Ursachen von Armut. Sie sollen
unangetastet bleiben. Armut ist keine Nebenerscheinung,
sondern Bedingung für die Existenz und
die Reproduktion des kapitalistischen Systems,
auch und gerade in der Globalisierung. Ohne
Armut kein Reichtum und umgekehrt. Nur mit der
ständigen Spaltung der Gesellschaft in
eine kleine, herrschende Minderheit, die die
wichtigsten Produktionsmittel besitzt und eine
besitzlose, lohnabhängige Mehrheit, die
zum Überleben ihre (physische und mentale)
Arbeitskraft verkaufen muss (also mit der Trennung
der Gesellschaft in "Arbeitgeber"
und "Arbeitnehmer", "Unternehmer"
und "Unternommene"...), kann dieses
private Profitsystem funktionieren. Solange
Menschen auf eine Ware reduziert werden (die
Ware Arbeitskraft) und von den Bedingungen ihrer
Existenz und dem Produkt ihrer gesellschaftlichen
Arbeit getrennt werden, wird es Armut geben.
Daher liegt auch "in dem Begriff des freien
Arbeiters schon (...) dass er ein Armer ist,
ein potentieller, unsichtbarer Armer" (K.
Marx, Grundrisse der Kritik der politischen
Ökonomie).
Arbeitsflexibilisierung,
Entlassungen, Lohndruck, Senkung der Arbeitslosenhilfe,
Kürzung der Sozialhilfe, usw., führen
zu einer Prekarisierung der Existenz aller Lohnabhängigen.
Sie bedeuten eine Verschiebung der gesellschaftlichen
Kräfteverhältnisse zwischen Kapital
und Arbeit: die Klasse der grossen Firmenbesitzer,
der Superreichen, die am WEF zelebriert werden,
wird gestärkt und die grosse Mehrheit der
Lohnabhängigen geschwächt. Die von
den Grünen betriebene Erosion der Grundsicherung
reiht sich in diese Logik ein (was bei einigen
Grünen womöglich nicht ganz bewusst
geschieht, aber die Sache deshalb nicht besser
macht): mit ökologischen und sozialen Anliegen
hat diese Politik wenig zu tun. "Dadurch,
dass den von Armut betroffenen Menschen keine
Basissicherung mehr offen steht, können
sie leicht in prekärste Arbeitsverhältnisse
gezwungen werden. Wer sich für bessere
Arbeitsverhältnisse zur Wehr setzt, riskiert
nicht nur, aus dem Beschäftigungsprogramm
respektive Job geschmissen zu werden, sondern
gleichzeitig, vor dem Nichts zu stehen"
(Kurt Wyss, Letzte Grundsicherung zerschlagen,
im Internet).
Für
die von dieser Politik betrofenen Menschen sieht
es unter Monika Stocker und der rot-grünen
Regierung in Zürich nicht "cool"
aus. Das sollten wir nicht vergessen. Für
"Alternativen von unten" und für
eine andere Politik einzustehen wird wahrlich
nötig.
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