Die
basel-landschaftliche Regierung hat sich für
den Polizeieinsatz entschieden. Der Verhandlungsspielraum
sei ausgeschöpft, heisst es. Es ist das
erste Mal, dass im Baselbiet ein Arbeitskampf
auf diese Art beendet werden soll. Doch die
Streikenden geben noch lange nicht auf.
Der
Arbeitskampf bei Allpack in Reinach hat gestern
eine dramatische Wende erfahren. Mit 42 Polizeibeamten
hat die Baselbieter Regierung den von den streikenden
Arbeitnehmerinnen und ihren Unterstützern
von der Gewerkschaft Comedia blockierten Eingang
in den Betrieb räumen lassen und so dem
Besitzer Robert Scheitlin und knapp zehn arbeitswilligen
Angestellten Zugang zu den Firmenräumen
verschafft.
Die
Bilanz: 29 Blockierer wurden vorübergehend
festgenommen und ihre Personalien festgestellt;
ihnen droht eine Anzeige wegen Nötigung.
Unter ihnen ist auch Eva Chapuis, Liestaler
Landrätin und Co-Präsidentin des Gewerkschaftsbundes
Baselland. Drei Frauen wurden, so die Comedia,
bei der Aktion verletzt. Nach Auskunft der Baselbieter
Polizeidirektion hat lediglich eine Frau eine
leichte Verletzung am Arm erlitten.
Die
erste Barriere fliegt zur Seite
Um 15.55 Uhr ist die Frist endgültig abgelaufen,
die Kurt Stucki, Baselbieter Polizeikommandant,
den Streikenden gewährt hat, um den Eingang
zur Allpack freiwillig zu räumen. Zwölf
uniformierte Polizisten bilden einen Keil, nehmen
Scheitlin und die Arbeitswilligen in ihre Mitte.
Dann fliegt die Bierbank – erste Barriere
der Streikenden – auf die Seite. Das provisorische
Zelt folgt gleich hinterher. Der Vorstoss der
Polizei gerät erst ins Stocken, als die
Streikenden gegen die Drehtür am Eingang
gedrückt werden. Hier ist Schluss. Nach
kleinem Gerangel ziehen sich die Beamten zurück,
im Gefolge Robert Scheitlin und seine Getreuen.
Seit
einer Woche streiken die Mitarbeiterinnen der
Allpack-Produktion. Ihr Chef hat ihnen neue
Verträge vorgelegt, die ihren Arbeitsstatus
deutlich verschlechtern: Die Ferien werden um
eine Woche gekürzt, das 13. Monatsgehalt
wurde in einen freiwilligen Bonus umgewandelt;
dazu kommen unbezahlte Mehrarbeit und verringerter
Mutterschutz (siehe BaZ vom 27. 11.). Wer nicht
unterschreibt, fliegt. 13 Mitarbeiterinnen haben
die Kündigung erhalten. Eine einzige Gesprächsrunde
hat stattgefunden seither. Ohne Ergebnis.
Gestern
Morgen dann ist das Einigungsamt in Liestal
aktiv geworden, das bei Arbeitskonflikten schlichten
soll. Doch der Vorschlag zur Güte –
Aufnahme von Verhandlungen über einen GAV
und Aussetzen der Kündigungen bis Ende
März kommenden Jahres – wird von
beiden Parteien nicht akzeptiert: Scheitlin
will an den sofortigen Kündigungen festhalten,
die Gewerkschaft fordert, dass genau diese zurückgenommen
werden. Nach Ansicht der Baselbieter Regierung
war dies genug des Bemühens um eine Schlichtung.
Jetzt musste sie deutlich machen, dass der «rechtswidrige
Zustand nicht dauerhaft hingenommen werden kann»,
so Stefan Mathis, Generalsekretär des Baselbieter
Polizei-, Justiz- und Militärdepartements.
30
Mann im Kampfanzug
Keine Viertelstunde vergeht nach dem Rückzug
der uniformierten Polizei, dann fahren mehrere
Mannschaftsbusse des Ordnungsdienstes auf: 30
Mann, schwarzer Kampfanzug, Helm mit Nackenschutz
und Plastikvisier, links hängt der Schlagstock
am Gürtel, rechts die Pistole. Zuerst zu
zweit, dann zu viert tragen sie die Streikenden,
die sich mittlerweile zu einer Sitzblockade
vor dem Eingang niedergelassen haben, auf die
Strasse hinaus und zu ihren Autos. Die Hände
mit Plastikkabeln auf dem Rücken gefesselt,
lässt sich Eva Chapuis widerstandslos abführen.
Doch so glimpflich geht es längst nicht
überall ab. Manche Demonstranten stemmen
sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen den Transport.
«Ist
gut, ist gut», schreit einer laut, der
auf dem Boden kniet. Vier Uniformierte halten
ihn nieder, einer drückt dem Festgenommenen
die Stirn auf den kalten Asphalt. Quälend
lange Sekunden verrinnen, bis die Beamten den
Mann aufheben und in den bereitstehenden Wagen
stossen. Eine junge Frau wird mehr geschleift
als getragen, immer wieder schlägt sie
mit der Hüfte gegen das Pflaster im Eingangsbereich.
29 Streikende werden in die Mannschaftswagen
verfrachtet. Keine halbe Stunde, dann ist das
Schlachtfeld geräumt. Und Scheitlin und
seine arbeitswilligen Mitarbeiter können
das Gebäude betreten. Eine Kette von Polizisten
in Kampfmontur riegelt nun den Eingang ab gegen
unbefugtes Betreten.
Die
Festgenommenen werden zum Polizeiposten Aesch
transportiert und dort in der Tiefgarage erkennungsdienstlich
behandelt. Anschliessend lässt man sie
frei. Das Tram bringt sie wieder zurück
zur Allpack, wo sie im Lichte der Strassenlaternen
ihr weiteres Vorgehen besprechen. Sie werden
weiterstreiken, und sie werden den Zugang zum
Betrieb wieder blockieren. Und heute Nachmittag
werden sie in Liestal demonstrieren –
gegen die ihrer Meinung nach einseitige Parteinahme
der Baselbieter Regierung.
Scheitlin
soll, so wollen es Sympathisanten der Streikenden
beobachtet haben, das Firmengelände mit
seinen Mitarbeitern nach weniger als einer Stunde
verlassen haben.
Harter
Einsatz. Mit Polizeigewalt wurde gestern der
Zugang zur Reinacher Verpackungsfirma Allpack
geräumt. 29 Streikende wurden vorübergehend
festgenommen.
(Heiner Hiltermann)
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