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Der Kapitalismus steuert auf eine
chaotische Regulierung zu

Michel Husson aus Inprekorr 456/457 November/Dezember 2009


„Der Wohlstand lauert um die Ecke“. Dieses stolze Wort, das dem damaligen US-Präsidenten Herbert Hoover auf dem Höhepunkt der Krise der 30er Jahre zugeschrieben wird, ist wieder aktuell geworden. Erwartungsgemäß genügte der geringste konjunkturelle Lichtblick, um den Anfang von Ende der Wirtschaftskrise herbeizureden. Kaum hatten die Wachstumszahlen ein Quartal ohne negatives Vorzeichen erreicht, waren die Banker mit ihren Boni wieder obenauf. Rexecode, das Wirtschaftsinstitut der französischen Arbeitgeber, betonte, dass „der Abbau der Beschäftigungszahlen in der aktuellen Rezession schwächer als in den vorangegangenen gewesen ist“1

Dieser demonstrative Optimismus war ebenfalls absehbar. Bereits vor sechs Monaten schrieben wir: „Man kann darauf wetten, dass bereits das erste Quartal mit einem Nullwachstum als Rückkehr zur Normalität gefeiert werden wird.“2 Zugleich fügten wir aber hinzu, dass „diese Hoffnung kurzlebig sein wird und man, sobald die Konjunkturmaßnahmen verpufft sind, merken wird, dass die Krise nicht wirklich überwunden ist.“ Wir befinden uns momentan am Ende der technischen Rezession3 und am Beginn einer vorübergehenden Aufschwungphase en miniature (s. Grafik 1). Und in Wahrheit fängt die Krise erst an.

Grafik 1:Anstieg der Produktion
Vierteljährliche Veränderungen in %
Quelle: Bulletin mensuel de la BCE, September 2009, http://gesd.free.fr/bcem99.pdf

 

Die Funktionsweise des Kapitalismus vor der Krise

Wir beziehen uns im Folgenden auf eine Funktionsanalyse des gegenwärtigen Kapitalismus, wobei wir zum besseren Verständnis die wesentlichen Interaktionen nochmals benennen. Sie lassen sich in dem unten stehenden Schema zusammenfassen (Schema 1):

  • die Profitrate steigt aufgrund der allgemeinen Lohnsenkungen (1)
  • dieser Anstieg der Profitrate führt nicht zur weiteren Zunahme der Akkumulation sondern zur Freisetzung von vagabundierendem Kapital (2) mangels hinreichend rentabler Investitionsmöglichkeiten (3)
  • dieser Shift wurde durch die Deregulierung ermöglicht und führt zu Finanzblasen (4) und immer höheren Rentabilitätserwartungen (5)
  • durch die Superrenditen im Finanzsystem entsteht eine Schicht von Rentiers, deren Konsumverhalten die stagnierende Nachfrage seitens der Lohnabhängigen partiell ausgleicht (6). Die Kehrseite liegt in der Vertiefung der Ungleichheiten und der Überschuldung der Lohnabhängigen (7).
  • Dieser Kreislauf schaukelt sich immer weiter hoch: die Überschuldung führt durch die Schaffung ständig neuer Finanzprodukte zur weiteren Deregulierung (8), während durch die zunehmenden Rentabilitätsansprüche ausreichend profitable Anlagemöglichkeiten im Produktionssektor weiter zurückgehen (9) und dadurch erneuter Druck auf die Löhne entsteht (10).
Schema 1: Interpretationsschema der Funktionsweise des gegenwärtigen Kapitalismus

Die gegenwärtige Krise rührt an den beiden Grundfesten des herrschenden Wachstumsmodells: der nahezu durchgängigen Umverteilung der Reichtümer zu Lasten der Arbeiter und der Erzeugung eines zunehmenden Ungleichgewichts auf internationaler Ebene, namentlich zwischen den USA als größter Weltmacht und dem Rest der Welt. Auf dieser Grundlage hat sich das Finanzsystem entwickelt, dessen Funktion die Gewährleistung der gesamten Reproduktion war, indem es die Finanzprofite zirkulieren ließ, die Überschuldung forcierte und die Defizite unterhielt.

Dieses Akkumulationsmodell entstand als Reaktion auf die allgemeine Rezession 1974/75, die zur Aufkündigung des bis dahin gültigen „fordistischen“ Arrangements geführt hatte. Dieses basierte umgekehrt auf einer stabilen Aufteilung des Mehrwerts und steter Zunahme der Nachfrage seitens der Lohnabhängigen. Den Ausweg daraus suchte der Kapitalismus in der Einführung des neoliberalen Modells, dessen offenkundige Widersprüche durch die Globalisierung und die zunehmende finanzwirtschaftliche Ausrichtung „gemanagt“ wurden. Realiter wurden diese Widersprüche nur auf die lange Bank geschoben, um den Preis stetig wachsender Spannungen, die schließlich zu dem Zusammenbruch von 2008 geführt haben. Retrospektiv war das Finanzwesen das wichtigste Instrument zur Aufschiebung der Widersprüche.

Grundsätzlich kann der Kapitalismus nur auf zwei Arten funktionieren: „à la Keynes“ wie in den „glorreichen 30er Jahren“ oder nach neoliberaler Manier wie seit dem großen Umbruch der 80er Jahre. Aus dieser Analyse ergeben sich mehrere Annahmen, die sich in Form dreier Thesen zusammenfassen lassen, die im Folgenden erhärtet werden sollen:

  1. Die Rückkehr zum Keynesianismus der „glorreichen 30er Jahre“ ist nicht möglich.
  2. Daher besteht der einzige Ausweg in der weiteren Verschärfung des neoliberalen Modells, das
  3. nicht mehr funktionieren kann, womit der Kapitalismus in einer Sackgasse steckt.

Das Damoklesschwert über dem Finanzsystem

Zunächst gilt, dass „sich die Sorgen um die Gesundung des Bankensystems nicht komplett erübrigt haben“, wie die OECD4 unterstreicht, nachdem sie die bisherigen Fortschritte hervorgehoben hat: „Die Senkung der Zinsen auf dem Geldmarkt, der geringe Zinsabstand zwischen den Unternehmensanleihen, der Aufschwung an den Börsen und die moderater als erwartet ausgefallene Kreditverknappung seitens der Banken haben dazu beigetragen, dass das Finanzsystem als Ganzes deutlich besser dasteht.“ Die Sanierung der Banken zu Lasten zunächst der öffentlichen Haushalte und anschließend der ArbeiterInnen beseitigt also nicht alle Unsicherheitsfaktoren hinsichtlich der Stabilität des Finanzsystems.

Diverse Risiken sind weiter vorhanden. Das erste ist ein Wiederaufleben der Bankenkrise. Deren Bilanzen sind weiterhin zuhauf mit toxischen Papieren und faulen Krediten belastet und diese Situation kann sich noch weiter zuspitzen durch die absehbare Überschuldung der Privathaushalte und die Unternehmenspleiten. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die fremdfinanzierten Übernahmen von Unternehmen (LBO, Leveraged Buy Out)) schlagen mit ca. 60 Mrd. bei den französischen Banken zu Buche, wovon ein Gutteil sich in Luft aufzulösen droht. In der Euro-Zone hinken die Banken im Vergleich zu den USA mit den Wertberichtigungen ihrer Bilanzen hinterher (Grafik 2). Eine Reihe europäischer Länder sind quasi vom Konkurs bedroht – sei es öffentlich (Währung und Budget) oder privat (Banken der neuen Mitgliedsstaaten).

Grafik 2: Anstieg der erfolgten oder fälligen Wertberichtigungen durch die Banken
In Mrd. Dollar

Quelle: Guillaume Duval, „Les banques restent toujours fragiles“, Alternatives
Economiques n°283, September 2009, http://gesd.free.fr/fragibk.pdf

Das zweite Risiko liegt im Rückfall der Banken in altes Spekulationsgebaren und der Entstehung neuer Blasen. Martin Wolf, der renommierte Chronist der Financial Times schreibt unumwunden, dass das Finanzsystem, das zurzeit aus der Krise hervorgeht, „noch schlimmer ist als jenes, das sie hervorgebracht hat“.5 Die Bankinstitute, die die Krise überlebt haben, „bilden ein Oligopol von Finanzungeheuern, die zu groß und zu sehr miteinander verflochten sind, um unterzugehen. Und sie haben sich durchgesetzt (…), weil nämlich ihnen die umfangreichsten Unterstützungen zuteil wurden. Man kann sich unschwer vorstellen, wie sie sich verhalten werden angesichts all der Vorrichtungen, die zum vabanque-Spiel förmlich einladen.“

Die Scheinregulierungen werden ganz offensichtlich kaum ausreichen, derlei Exzesse zu verhindern: „Genauso gut könnte man sich damit beschäftigen, die Liegestühle auf dem Deck der Titanic auszurichten – völliger Humbug also“, warnt Martin Wolf spöttisch, um dann doch schärfer zu werden: „Wenn man zulässt, dass die Finanzinstitute nach den Interessen von Aktionären, die nur 3 % der Kreditsummen beitragen, geführt werden, ist dies schlichter Wahnsinn. Und noch schwachsinniger ist es, die Interessen der Banker an denen der Aktionäre ausrichten zu wollen. Die großen Finanzinstitute mit ihrer gegenwärtigen kapitalistischen Struktur laden geradezu ein, mit dem Geld der Steuerzahler zu pokern.“

Diese schonungslose Analyse soll die beiden Haupthindernisse für effektive Regulierungsmaßnahmen des Finanzsystems benennen. Zunächst einmal würde dies ein breites Einvernehmen zwischen den Großmächten voraussetzen, dem sich die USA und England ganz offenkundig verschließen. So versteht man auch das scheinheilige Gehabe von Nicolas Sarkozy und Angela Merkel, die scheinbar ihre Forderungen hochhalten, wohl wissend, dass diese niemals durchsetzbar sein werden. Mit den Bankern das gleiche Schauspiel: Man würde gern ihre Bonuszahlungen beschränken, aber wenn es die Anderen nicht tun, laufen uns die besten „Köpfe“ weg.

Daneben gibt es aber ein weiteres, eher technisches Problem, das Martin Wolf so benennt: „Wenn man in bedeutsamen Umfang Quoten für saubere Fonds durchsetzen will, würde man die wirtschaftliche Erholung gefährden.“ Wir stehen also vor folgendem Dilemma: Reguliert man sofort, riskiert man das System zu blockieren; entscheidet man sich für einen „langfristigen Übergang“ – wie Wolf vorschlägt – hieße dies, die Regulierung auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben.

Die Zentralbanken stecken mutatis mutandis in einer ähnlichen Zwickmühle. Einerseits waren sie gezwungen, haufenweise liquide Mittel in die Wirtschaft zu pumpen, um sie überhaupt am Laufen zu halten – und insofern ist das Risiko einer Depression für den Moment gebannt. Andererseits aber nähren sie damit die nächste Blase, weil diese liquiden Mittel absehbar wieder für spekulative Zwecke auf dem Rohstoffsektor oder beim Emissionshandel verwandt werden.6 Das Dilemma lautet daher: entweder den Zufluss offen lassen, auch wenn dadurch eine neue Blase droht, oder ihn zu begrenzen mit dem Risiko, den Wiederaufschwung zu blockieren. Für Jean-Claude Trichet, den EZB-Präsidenten, liegt „die größte Gefahr“ in der Versuchung, allzu viel Hoffnung in die zaghaften Anzeichen eines Wiederaufschwungs seit diesem Frühjahr zu setzen und voreilig die Strategien zum Austritt aus der Krise umzusetzen, nämlich „die Liquidität zu drosseln, die Zinsen wieder anzuheben und die Haushalte zu kürzen“.7

Da die Sachwalter in den kapitalistischen Institutionen vor Verstaatlichungen zurückgeschreckt sind, mithilfe derer sie das Bankensystem hätten kontrollieren können, stehen sie nun unter riesigem Zeitdruck und Orientierungsproblemen. De facto zerreißt es sie zwischen zwei entgegen gesetzten Zielen: das System schnell zu sanieren, aber dabei nicht das zarte Pflänzchen der Konjunktur zu zertreten. Dieser Widerspruch ist unlösbar und darin liegt bereits das erste Element der künftigen chaotischen Regulierung. Daneben gibt es weitere, strukturelle Elemente.

Was nicht mehr geht …

Einer der wichtigsten Motoren der Weltwirtschaft war seit mindestens zehn Jahren der private Konsum in den USA. Er belief sich 2007 auf 15 % des weltweiten BIP – gemessen in der paritätischen Kaufkraft (9 826 Mrd. Dollar von insgesamt 65 490 Mrd. Dollar), was eine erhebliche Sogwirkung auf die gesamte Weltwirtschaft ausübte.

Dieser Konsumrausch, der auf einer steten Abnahme der Sparquote und zunehmender Verschuldung basierte, lässt sich nach der Krise nicht weiterführen. Aber um die Finanzblase auf Normalmaß zu bringen, bedarf es noch etlicher Zeit. Im ersten Quartal 2009 lag die Summe der Finanztitel noch beim Vierfachen des BIP – eine Quote, die 1998 ganz zu Beginn der Internetblase erreicht wurde. (Grafik 3) Diese „Normalisierung“ des Finanzsektors geht einher mit einem Wiederanstieg der Sparquote, führt aber zu neuen Widersprüchen, da geringerer Konsum beigegebenem Einkommen auch ein weniger dynamisches Wachstum für die Gesamtwirtschaft bedeutet.8

Grafik 3: Finanztitel in Prozent des BIP in den USA 1952 – 2009
Quelle : Federal Reserve, Flow of Funds ; Bureau of Economic Analysis

Insofern bedarf es einer Neuorientierung, deren Grundzüge Lawrence Summers, der Wirtschaftsberater von Obama, kürzlich auf einer Konferenz dargelegt hat: „Die amerikanische Wirtschaft muss künftig mehr export- und weniger konsumorientiert sein, mehr auf Umweltschutz und weniger auf fossile Energien bauen, auf Biotechnologie und Software und weniger auf Finanztechniken setzen, mehr auf die Mittelschichten achten und weniger auf Einkommenssteigerungen, die nur einer verschwindend kleinen Minderheit der Bevölkerung zugute kommen.“9

Bis der Export den Konsum als Wachstumsmotor ersetzen kann, muss er allerdings weltweit sein altes Niveau erreichen, um entsprechende Absatzmärkte zu schaffen. Dies setzt voraus, dass sich die Änderungen im Wirtschaftswachstum in einer ausreichenden Zahl von Ländern symmetrisch vollziehen: Wenn also die USA ihr Außenhandelsdefizit herunterfahren, werden „Länder wie China und wahrscheinlich auch Deutschland und Japan keine Überschüsse mehr erzielen und ihr Wirtschaftswachstum nicht mehr auf Exporte stützen können. Stattdessen werden sie die Binnennachfrage nachhaltig und grundlegend ankurbeln müssen.“10 Im Moment jedoch verträgt sich diese Strategie der USA nicht mit der von etlichen Ländern. Mit anderen Worten können die wichtigsten Länder nicht alle gleichzeitig ihr Wirtschaftswachstum aus dem Export ableiten, was in gleicher Weise für Deutschland hinsichtlich Resteuropa gilt.

Alternativ dazu bestände die Möglichkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der US-Exporte durch die Abwertung des Dollars zu verbessern. Dies wiederum würde die Rezession besonders der europäischen Wirtschaft verstärken.Kurzum steht die gesamte Weltwirtschaft in ihrer jetzigen Beschaffenheit zur Disposition. Der größte Unsicherheitsfaktor liegt in der Kursentwicklung des Dollars und in der Finanzierung des US-Defizits, das wieder zunehmen wird, wenn die Wirtschaft in den USA wieder wächst, durch die übrige Welt. Umgekehrt würden durch eine Umorientierung der chinesischen Wirtschaft die Handelsüberschüsse zurückgehen, genau so jedoch die Importe, die großteils durch die Exporte erst zustande kommen. Zudem drückt der wachsende Bedarf an Energieeinfuhren auf die Überschüsse und sogar auf das Wirtschaftswachstum.11

Jenseits aller Einigungsrhetorik ist Europa im Begriff, als wirtschaftliche Einheit zu zerfallen. Dieser Zerfallsprozess hatte bereits vor der Krise begonnen und erreicht eine neue Qualität durch das unterschiedliche Ausmaß, in dem die EU-Länder von der Krise betroffen sind, je nach Stellenwert des Finanz-, Immobilien- oder Automobilsektors und ihrer Einbindung in den Weltmarkt. Eine wirtschaftspolitische Koordination liegt demnach außer Reichweite, zumal die Union sich ohne Not der dafür notwendigen Einrichtungen – abgestimmte Haushalts-, Steuer- und Währungspolitik – beraubt hat. Das Europa der freien Konkurrenz ist logischerweise zur Kirchturmspolitik verdammt, und der Einigungsprozess gerät zum Desaster. Dies lässt sich auch nicht innerhalb einiger Monate ändern und bedürfte einer Neuformierung von Grund auf.

Die Weiterentwicklung der Krise

Da durch die Krise die bisherige Funktionsweise des Kapitalismus in seinen Grundfesten erschüttert worden ist – wie oben beschrieben – kann auch der gegenwärtige Miniaufschwung keineswegs als Vorbote einer Rückkehr zum Status quo ante gedeutet werden. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine Übergangsphase hin zu einer chaotischen Regulierung des Kapitalismus. Die anzunehmende Weiterentwicklung lässt sich anhand zweier zentraler Variablen zusammenfassen: dem Wachstum und der Beschäftigung. (Grafik 4)

Grafik 4: Von der Rezession zum „Ausstieg aus der Krise“

Die Phase 1 – die Rezession – ist praktisch beendet und wir befinden uns gegenwärtig am Anfang der Phase 2 – des „Wiederaufschwungs“ (man beachte die Gänsefüsschen!).

Der „Wiederaufschwung“ verdankt sich gänzlich den diversen Konjunkturmaßnahmen sowie einer relativen und vorläufigen Entschärfung der Widersprüche der Weltwirtschaft. (Tabelle 1) Neben den Aspekten einer eher technischen Erholung (Wiederherstellung der Vorratsbestände und der Produktionskapazitäten) profitiert die Konjunktur von den Fördermaßnahmen und von „sozialen Stabilisatoren“. Damit sind die (von den Neoliberalen verabscheuten) Maßnahmen gemeint, die Entlassungen eindämmen (Kurzarbeit) und die Kaufkraft der Haushalte ergänzend stärken, um so einen noch stärkeren Einbruch der Nachfrage zu verhindern. Die Abschwächung der Wirtschaft hat daneben zu einer Preissenkung der Rohstoffe geführt. All diese Faktoren tragen zu einer wirtschaftlichen Erholung bei und haben die Abwärtsbewegung scheinbar erfolgreich gekippt und den Absturz der Weltwirtschaft in die Depression verhindert. (Tabelle 1)

Grafik 4: Von der Rezession zum „Ausstieg aus der Krise“

Zugleich kommen die strukturellen Widersprüche nicht in vollem Umfang zum Tragen. Die Einkommensverteilung entwickelt sich zu Gunsten der Lohnabhängigen in dem Maß, wie die Beschäftigtenzahl nicht in vollem Umfang an den Rückgang der Produktion angepasst wird, wodurch wiederum die Lohnstückkosten steigen. Die Sparquote der Haushalte hat in den USA spürbar zugenommen und mit zu einer Senkung des Handelsdefizits geführt, während der Dollar vorübergehend seine Talfahrt beendet hat. Zudem hält sich die europäische Desintegration, d. h. die wirtschaftspolitischen Divergenzen zwischen den EU-Ländern, in Grenzen und die wechselseitigen wirtschaftlichen Stimulationseffekte überwiegen.

Diese verschiedenen Tendenzen werden immer mehr zu Tage treten während der mutmaßlich relativ kurzen Aufschwungphase (2-3 Quartale). Die konjunkturbelebenden Faktoren werden sich nach und nach erschöpfen, während sich die grundlegenden Widersprüche verschärfen. Die Exitphase aus der Krise wird demnach durch all die o. g. ungelösten Probleme belastet sein. Konkreter und unmittelbarer werden sich die Schwierigkeiten, der Krise wirklich zu entkommen, entlang zweier Kernprobleme bemerkbar machen, nämlich der Rentabilität der Unternehmen und der Haushaltsdefizite.

Profit , Defizit und Wachstum – eine Gleichung, die nicht aufgeht

Seit vielen Jahren weisen die Profite unübersehbar nach oben. Die Krise hat dem vorläufig ein jähes Ende bereitet und zugleich die Kapazitätsauslastung gesenkt. In jeder Krise gibt es die zwei klassischen Mechanismen, die zum Verständnis ihrer Weiterungen näherer Betrachtung bedürfen.

Die sinkende Rentabilität der Unternehmen lässt sich darauf zurückführen, dass der Anteil des Profits am Mehrwert zurückgeht und die Ausnutzung der Produktionskapazitäten rückläufig ist. Dieser Wert schwankt normalerweise zwischen 80 – 85 % und ist auf 70 % zurückgegangen. (Grafik 5) Mit anderen Worten müssen die Unternehmen zu viele Arbeitsstunden bezahlen und zuviel Kapital gewinnbringend einsetzen, während die Produktion zurückgeht.

Grafik 5: Rate der Kapazitätsausnutzung und Rentabilität der Unternehmen

Der Fall der Profitrate ist erheblich. Die im CAC 40 gelisteten Unternehmen haben im ersten Quartal 2009 im Vergleich zum Vorjahr einen Nettorückgang um mehr als die Hälfte (56,4 %) erlebt.12 Dieser Rückgang lässt sich vorwiegend auf die Entwicklung der Produktivität zurückführen. Diese ist in der Tat erheblich gesunken – in Frankreich um bis zu 2,5 % (Grafik 6) bei ähnlicher Tendenz in den meisten anderen Ländern. Daraus folgt, dass die Zahl der Beschäftigten nur zum Teil an den Rückgang der Produktion angepasst wurde. Dies wirkt sich insofernpositiv aus, als dadurch der Rückgang der Nachfrage gebremst wurde.

Grafik 6: Wachstum der Produktivität pro Kopf in Frankreich 1994 – 2009
Quelle: Insee, comptes trimestriels

 

Aber durch den Konkurrenzdruck werden die Unternehmen diesen Fall der Profitrate nicht lange hinnehmen können und ihre Profite wieder herstellen wollen – durch Entlassungen oder Lohnsenkungen. Zugleich werden sich solche Instrumente wie Kurzarbeit oder Abwrackprämie nach und nach erschöpfen. Die dadurch entstehende Arbeitslosigkeit und Lohnsenkung wird durch die schrumpfende Kaufkraft der Haushalte die Rezession anheizen. Und durch das geringe Wachstum wird der Konflikt um die Verteilung von Lohn und Profit weiter zunehmen, zumal auch noch der Ölpreis durch diesen Miniaufschwung in die Höhe gehen und durch Spekulation noch weiter angeheizt wird.

Eine sehr schöne Erklärung dafür findet man bei Patrick Artus: „Wenn die Anforderungen an die Kapitalrendite in den OECD-Ländern so bleiben, wie sie vor der Krise waren, werden die Unternehmen durch das anhaltend limitierte Wachstum gezwungen sein, die Lohnkosten einschneidend zu senken … mit den absehbaren sozialen Folgen.“13

Dieser Widerspruch wird sich noch weiter zuspitzen, wenn die neoliberale „Reform“politik wieder Auftrieb erlangt. In einer Pressekonferenz gab Jean-Claude Trichet vor kurzem glasklare Empfehlungen in diesem Sinne ab: „Die Bemühungen, das Wachstumspotential in der Eurozone zu stützen, müssen immer weiter intensiviert werden. (…) Es ist unabdingbar, die fälligen Strukturreformen anzupacken. Besonderes Augenmerk muss sich auf die Reformen im Produktionssektor richten, um die Konkurrenz hochzuhalten und zu schnelleren Umstrukturierungen und Produktivitätssteigerungen zu gelangen. Außerdem muss es durch entsprechende Reformen des Arbeitsmarktes leichter gemacht werden, Löhne festzusetzen und mehr Mobilität der Arbeitskräfte zwischen den Branchen und Regionen zu schaffen. Zugleich müssen etliche der in den letzten Monaten verabschiedeten Maßnahmen zur Stützung bestimmter Wirtschaftszweige schrittweise und zu gegebener Zeit wieder abgebaut werden. Der Schwerpunkt muss ab jetzt eindeutig auf stärkere Anpassungsfähigkeit und Flexibilisierung der Wirtschaft in der Euro-Zone gesetzt werden – in Übereinstimmung mit den Grundsätzen einer offenen Marktwirtschaft unter den Bedingungen freier Konkurrenz.“14

Das vorrangige Anliegen zahlreicher internationaler Institutionen ist dabei, die unter dem Druck der Krise ergriffenen Maßnahmen wieder abzuschaffen. Eine Delegation des IWF äußerte sich kürzlich über die Euro-Zone: „Die Unterstützungsmaßnahmen zur Kürzung der Arbeitszeit und zur Erhöhung der sozialen Absicherung – so wichtig sie gewesen sein mögen, um die Einkommen zur erhöhen und die Arbeitskräfte verfügbar zu halten – müssen reversibel angelegt sein“.15

Für weitere Spannungen sorgen die Auswirkungen der Konjunkturpläne auf die Haushalte, in denen sich dadurch erhebliche Defizite angehäuft haben, die die Regierungen nun abzubauen bestrebt sind, da sie sie für unvertretbar halten. Erneut lassen wir Trichet zu Wort kommen: „der strukturelle Anpassungsprozess muss auf alle Fälle spätestens dann anfangen, wenn die Wirtschaft wieder in Gang kommt. Die Aufwendungen zur Sanierung müssen 2011 verstärkt werden und deutlich oberhalb des Referenzwerts von 0,5 % des BIP liegen, der im Pakt für Stabilität und Wachstum dafür vorgesehen ist. In den Ländern, in denen das Haushaltsdefizit und/oder die öffentliche Schuldenquote höher liegen, muss die jährliche strukturelle Anpassung mindestens 1 % des BIP betragen.“16

Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: entweder die öffentlichen Ausgaben senken oder die Steuern erhöhen. Nach neoliberaler Manier wird man eher die erste Option bevorzugen und in erster Linie werden die Sozialausgaben im Visier stehen. Aber zweifelsohne werden zusätzlich noch die Steuern erhöht werden müssen, was nochmals zu Lasten der breiten Masse und nicht der Reichen gehen wird. In beiden Fällen werden diese Maßnahmen einen neuen Nachfrageeinbruch auslösen, was wiederum die Wirtschaftsdynamik schwächt.

Vor einer chaotischen Regulierung

Wir können hier nicht den konkreten Verlauf des Kapitalismus während der kommenden Jahre vorhersagen, sondern lediglich die ganzen Widersprüche auflisten, mit denen er konfrontiert sein wird. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Dilemmata:

  1. auf Ebene der Verteilung: Widerherstellung der Rentabilität vs. Beschäftigung und Nachfrage;
  2. auf Ebene der Globalisierung: Abbau der Ungleichgewichte vs. weltweites Wachstum;
  3. auf Ebene der Haushalte: Abbau der Defizite vs. Sozialausgaben;
  4. auf europäischer Ebene: jeder für sich vs. Koordination

Mit dem Begriff der „chaotischen Regulierung“ wollen wir lediglich unterstreichen, dass man sich kaum ein Modell vorstellen kann, das diese Dilemmata kohärent lösen kann, und dass dies sogar ausgeschlossen erscheint. In der Theorie kann man einen „regulierten“ Kapitalismus wohl ins Auge fassen. Die Grundvoraussetzung dafür wäre, dass er sich mit einer niedrigeren Profitrate bescheidet gemessen an der gegenwärtigen Rentabilitätsgier. Eine andere Verteilung der Einkommen hätte die Wiederaufwertung des Binnenmarktes zur Folge, eine progressionsgewichtete Steuerreform und grundlegend neue kooperativ geprägte Beziehungen zwischen Nord und Süd und in der EU. Diese Art von Neuausrichtung wird von nicht wenigen Stimmen als realistisches Szenario gehandelt.

In der Tat ist eine solche Regulierung nicht vorstellbar, da die gegenwärtigen sozialen Kräfteverhältnisse eine derartige Reform des Kapitalismus kaum zuließen. Bestes Beispiel dafür ist der – voraussichtlich erfolgreiche – Widerstand innerhalb der Bourgeoisie gegen die Gesundheitsreform der Regierung Obama. Im Übrigen deutet alles darauf hin, dass die Regierungen nur zu kosmetischen Maßnahmen aufgelegt sind, die nur sehr begrenzte Bereiche der Finanzwirtschaft umfassen und die wesentlichen Bereiche umso besser bewahren. Ein Resultat der Krise wird die Erkenntnis sein, wie sehr die Finanzwirtschaft inzwischen weltweit die Regierungen dominiert. Verstaatlichungen, die als einziges den jetzt zusammengekrachten Schuldenberg hätten bewältigen und das Finanzsystem auf klarer Grundlage hätten sanieren können, sind rundum abgelehnt worden. In Frankreich symbolisiert der große Skandal dieses Spätsommers – die eine Mrd. Euro, die die BNP-Paribas an ihre Banker ausschüttet – die aktuelle Entwicklung weltweit: die Banken finden zu ihren alten Profiten zurück und an den Börsen geht es wieder – wenn auch verhalten – bergauf.

Es sieht ganz danach aus, als hätten die Staaten unter Inkaufnahme massiver öffentlicher Verschuldung die Folgen des Ruins auf das System aufgefangen. Und jetzt sollen im nächsten Schritt diese Lasten auf die Steuerzahler und die Sozialhaushalte abgewälzt werden. Nie zuvor hat der Staat seinen Klassencharakter so unumhüllt ans Licht gebracht.

Ebenso vorstellbar wäre, dass die Unternehmen ihre Profitmargen nur nach und nach wiederherzustellen versuchten, was auch von ihrem Standpunkt gar nicht so abwegig wäre, weil eine durch Entlassungen und Lohnstop brachial wiederhergestellte Profitrate durch den dadurch verursachten Nachfrageeinbruch wieder zunichte gemacht würde. Aber eine solche selbst aus kapitalistischer Sicht optimale Lösung ist unerreichbar, da die kapitalistische Konkurrenz regiert und diese durch den Neoliberalismus aller Fesseln beraubt wurde. Es wird unter den obwaltenden Bedingungen immer ein Unternehmen oder ein Land geben, das auf rasche Anpassung setzt und sich damit einen unmittelbaren Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschafft, die ihrerseits dann nachzuziehen gezwungen wäre. Zwischenstaatlich koordinierte Handhaben zur Eindämmung dieses Phänomens existieren nicht, weder auf europäischer und schon gar nicht auf weltweiter Ebene.

Alles was die Bourgeoisie heute anzubieten hat, ist eine gigantische Scheinregulierung, die mit großen Reden und trügerischen Gipfeltreffen daherkommt. Für Patrick Artus gibt es keine Anzeichen, „dass sich das Kräfteverhältnis zwischen Aktionären und Lohnabhängigen geändert hätte; oder dass langfristig orientierte Investoren nennenswert vorhanden seien, die nicht um kurzfristige Gewinne konkurrieren; oder dass es weniger Investoren gäbe, die auf unmittelbare Spekulationsgewinne erpicht seien.“ Und er folgert, dass ein „Kapitalismus, der nicht finanzorientiert sondern an langfristigen Investitionen in nachhaltige Projekte interessiert ist und in dem die Unternehmen entlang der Interessen verschiedenster Gruppen und nicht bloß der Aktionäre geführt werden, in weiter Ferne liegt.17 Artus zeigt sich sogar schockiert „über den wahllosen Rückgriff der Investoren auf die alten Anlagenobjekte (Kredite, neue Märkte, Rohstoffe, Devisenspekulation, zyklische und Finanzwerte), sobald die Abneigung gegen das Risiko zurückgegangen ist und bloß ein paar Anzeichen der wirtschaftlichen Besserung auftauchen.“18

Es zeugt daher nicht von übermäßigem Pessimismus, sondern von bloßer Hellsichtigkeit, wenn man das Schlimmste noch vor sich sieht. Der Kapitalismus ist in einer Sackgasse gefangen, aus der er nur heraus kommt, wenn er die erforderlichen Sozialabbaumaßnahmen noch forciert, um die bestehende Gesellschaftsordnung zu wahren. Die Auswirkungen der Krise sind bereits katastrophal, besonders was die Länder des Südens an-geht. In ihrem letzten Bericht über die Entwicklungsziele des Milleniumgipfels betont die UNO, dass „die Wirtschafts- und Ernährungskrisen die jüngsten Fortschritte bei der Ausrottung von Hungersnot und Armut wieder zunichte zu machen drohen“.19 Aber über diese unmittelbaren Folgen der Krise hinaus werden die herrschenden Klassen alles daran setzen, dass der Kapitalismus wieder so funktioniert wie vor Ausbruch der Krise. Dies klingt logisch und absurd zugleich; denn dieser Weg ist auf immer verbaut, weil durch die Finanzkrise die elementaren Voraussetzungen zerstört worden sind. Darin liegt der Hauptwiderspruch der vor uns liegenden Zeit, und insofern ist es legitim, von einer chaotischen Regulierung zu sprechen.

Michel Husson

Rückkehr zum Wachstum ?

Seit Mitte der 90er Jahre wurde das Wachstum durch die zunehmende Verschuldung und die Globalisierung forciert. Dieses zusätzliche Wachstum ist nach den Berechnungen von Patrick Artus durch die Krise verschwunden: „Das weltweite BIP verliert mit der Krise alles, was es durch die Kredite und Globalisierung gewonnen hat“.20 Man kann die Ausnahmestellung dieser Krise auch so beschreiben. Historisch betrachtet haben die Globalisierung und die Ausrichtung auf die Finanzwirtschaft es ermöglicht, die Auswirkungen der ungelösten Widersprüche des Kapitalismus zu vertagen. Die Rezession von 1974/75 wurde nur notdürftig und unter Inkaufnahme von Rückschritten gelöst und damit bloß verschoben. In gewisser Weise steht das System wieder am früheren Ausgangspunkt, mit dem Unterschied, dass es seine Munition inzwischen verpulvert hat. Insofern steckt es in einer Sackgasse, weil es gar keine andere Wahl hat, als auf die alten Muster zurückzugreifen, die bereits zu der großen Krise geführt haben.

Die Logik des Kapitalismus erzwingt weiteres Wachstum um jeden Preis und muss sich daher an diesem Kriterium messen lassen, wenn man seine Funktionstüchtigkeit prüfen will. Zugleich will er aber das erreichte, außergewöhnliche hohe Rentabilitätsniveau beibehalten und setzt sich damit ein unerreichbares Ziel. Die Wiedererlangung des Wachstums ist unvereinbar mit der gegenwärtigen Verteilung der Einkommen, die die Voraussetzung für die hohen Profite ist, aber zugleich das Wachstum bremst.

Dies legt die Frage nahe, ob sich damit nicht automatisch ein reformistisches Programm aufdrängt, wonach der Kapitalismus quasi als Kompromiss eine für die Lohnabhängigen bessere Verteilung im Gegenzug für ein beständiges Wachstum zugesteht und dabei die Finanzgewinne auf Durchschnittsmaß drosselt. Derlei Absicht unterstellt und Denis Collin, wenn er schreibt: „Die Theorie der mangelnden Nachfrage ist unter den Linken weit verbreitet. Selbst die Radikalen wie Alain Bihr und Michel Husson sind der Meinung, dass die Krise auf der ungleichgewichtigen Verteilung von Mehrwert und Lohn zulasten des letzteren beruht. Wenn man also kurzum die Forderungen der ArbeiterInnen nach Mehrung der Kaufkraft befriedigt und die Reichtümer verteilt, könne man sehen, wie die Wirtschaft wieder ins Laufen käme.“21

Diese Herangehensweise verkürzt das Problem, weil es eine der grundlegendsten Dimensionen dieser Krise außer Acht lässt, dass nämlich der Kapitalismus außerstande ist, eine hohe Rentabilitätsrate mit der Befriedigung elementarer gesellschaftlicher Bedürfnisse in eins zu bringen. Die vorherrschende Verteilung der Einkommen wird nach Profitkriterien bestimmt, was bedeutet, dass die Nachfrage seitens der Lohnabhängigen nicht mehr angemessen ist, weil sich daraus keine rentablen Absatzmärkte mehr eröffnen, wie dies noch zu Zeiten des „Fordismus“ der Fall gewesen ist, als definitionsgemäß noch ein relatives Gleichgewicht zwischen gesellschaftlicher Nachfrage und Renditeerwartung bestand.

Unsere Kritik zielt nicht auf einen nostalgischen Appell zur Rückbesinnung auf das fordistische Wachstumsmodell, da wir dies im Gegenteil für obsolet halten, eben weil die gesellschaftliche Nachfrage (unter den gegebenen Bedingungen) nicht erzieltwerden kann. Unsere Kritik zielt auf andere Inhalte, nämlich dass die Befriedigung sozialer Bedürfnisse prioritär sein muss, auch wenn dabei „rentable Investitionsmöglichkeiten“ außen vor bleiben. Konkret heißt dies: Vorrang für öffentliche Dienste und soziale Sicherheit, die die Sicherstellung der Grundrechte auf Wohnung, Gesundheit etc. gewährleistet, und Vorrang für die Verkürzung der Arbeitszeit und damit für die garantierte Vollbeschäftigung. Derlei Perspektiven bedeuten nicht automatisch zusätzliches Wachstum sondern vielmehr ein qualitativ anderes Wachstum. Zugleich setzen sie in der Tat eine radikal andere Verteilung der Einkommen voraus. Eine derartige Neuausrichtung muss Hand in Hand gehen mit dem realistischen Ziel, den Klimawandel effektiv zu stoppen. Aus all diesen Gründen unterscheiden sich unsere Vorstellungen grundlegend von der Absicht, „die Maschinerie wieder nach alter Manier ins Laufen“ bringen zu wollen. Mit anderen Worten verläuft die Suche nach einem sozial und ökologisch vertretbaren Ausweg aus der Krise über den Fortschritt des Antikapitalismus.

1 Rexecode, Les tendances de l’emploi en
France et en Europe à la mi -2009, Juli
2009, http://gesd.free.fr/rexecod9.pdf

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2 Michel Husson, „Business as usual ?“, Regards,
März 2009, http://hussonet.free.fr/basusual.pdf
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3 Zu den jüngsten Konjunkturdaten siehe: Quelles
sont les perspectives économiques pour les
pays de l’OCDE ? Une évaluation intérimaire,
OECD, 3 September 2009, http://gesd.free.fr/ocdint9.pdf
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4 OCDE, Perspectives économiques : une évaluation
intérimaire, 2009, s.Fn. 3.
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5 Martin Wolf, „Contrer la récidive bancaire“, Le
Monde, 1. September 2009, http://gesd.free.fr/wolf1909.pdf
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6 Rachel Morris, „Could Cap and Trade Cause
Another Market Meltdown?“ , Mother Jones,
8. Juni 2009, http://gesd.free.fr/rm9.pdf
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7 Jean-Claude Trichet, Pressekonferenz vom
2..Juli 2009, http://tinyurl.com/trichet79
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8 S. hierzu die detaillierte Darstellung von: Michel
Husson, „Chine-USA : les lendemains incertains
de la crise“, Nouveaux Cahiers Socialistes
n°2, Montréal, September 2009, http://hussonet.
free.fr/chimeri.pdf
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9 Lawrence H. Summers, Rescuing and Rebuilding
the US Economy: A Progress Report,
17. Juli 2009, http://tinyurl.com/lsexpor
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10 Fred Bergsten and Arvind Subramanian,
„America Cannot Resolve Global Imbalances
on Its Own“ , Financial Times, 19. August,
2009, http://tinyurl.com/bergft9
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11 Siehe Minqi Li, „Peak Energy and the Limits
to China’s Economic Growth“, Political
Economy Research Institute Working Paper,
November 2008, http://tinyurl.com/minqili8
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12 Le Monde, 2. September 2009, http://gesd.
free.fr/cac4091.pdf
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13 Patrick Artus, „S’il n’y a pas baisse de l’exigence
de rentabilité du capital, la situation
sociale va devenir très tendue aux Etats-
Unis, en Europe, au Japon“, Flash Natixis
n°397, September 2009, http://gesd.
free.fr/flas9397.pdf
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14 Jean-Claude Trichet, s. o. Fußn. 7.
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15
IWF, Déclaration de la mission du FMI sur les
politiques mises en oeuvre dans la zone euro, 8.
Juni 2009, http://tinyurl.com/fmieuro9
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16 Jean-Claude Trichet, s. o. Fußn. 7.
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17 Patrick Artus, „Disparition du „capitalisme fi-
nancier“ après la crise ?“ Flash Natixis n°376,
28. August 2009, http://gesd.free.fr/flas9376.pdf
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18 Patrick Artus, „Le chien de Pavlov et les investisseurs“,
Special report n°253, Natixis, September
2009, http://gesd.free.fr/flar9253.pdf
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19 UNO, Rapport 2009 sur les Objectifs du Millénaire,
http://tinyurl.com/onumill9
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20 Patrick Artus, „Reste-t-il quelque chose du
supplément de croissance dû à la mondialisation
et au crédit?“, Flash Natixis n°395,
September 2009, http://gesd.free.fr/flas9395.pdf

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21 „Faut-il consommer plus ?“, Le Sarkophage,
Juli 2009, http://tinyurl.com/collin09
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